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Margit Franz: "Heute wieder nur gespielt" - und dabei viel gelernt!

Rezensiert von Alexandra Großer, 12.07.2024

Cover Margit Franz: "Heute wieder nur gespielt" - und dabei viel gelernt! ISBN 978-3-7698-2208-3

Margit Franz: "Heute wieder nur gespielt" - und dabei viel gelernt! Den Stellenwert des kindlichen Spiels überzeugend darstellen. Don Bosco Verlag (München) 2023. 5., aktualisierte Auflage. 208 Seiten. ISBN 978-3-7698-2208-3. D: 19,95 EUR, A: 20,60 EUR, CH: 22,90 sFr.

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Thema

Welche Bedeutung hat das Spiel für die kindliche Entwicklung? Welche Bildungs- und Entwicklungspotenziale stecken im kindlichen Spiel? Margit Franz gibt nicht nur Antworten auf diese Fragen. Sie beleuchtet das Spiel aus pädagogischer und entwicklungspsychologischer Sicht, beschreibt die Spielformen und erklärt wie diese mit der Entwicklung der Kinder zusammenhängen, was sie lernen. Die Autorin unterstützt pädagogische Fachkräfte sich für eine „Pro-Spielen-Pädagogik“ (Klappentext) und kindgerechte Pädagogik einzusetzen. Neben Praxisimpulsen und Anregungen für einen Elternabend und die Öffentlichkeitsarbeit finden sie im Buch auch Impulse zur Teamreflexion, Raumgestaltung und Materialauswahl.

Autor:in

Margit Franz ist Erzieherin, Diplom-Sozialpädagogin, Diplom-Pädagogin, Autorin, Publizistin und Fachreferentin. Sie arbeitete als Erzieherin, Kita-Leitung, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Sozialpädagogik sowie Lehrbeauftragte an der Hochschule Darmstadt und Fachberaterin. Sie war Herausgeberin des Fachmagazins „PRAXIS-Kita“ für kindzentrierte Pädagogik. Aktuell arbeitet sie als freiberufliche Fachreferentin im elementarpädagogischen Bereich.

Aufbau und Inhalt

Das Buch enthält neben dem Vorwort von Herbert Renz Polster und dem Schlussgedanken fünf Kapitel mit Unterkapiteln. In farblich abgesetzten Kästen finden sich wissenswerte Informationen, Reflexionsimpulse und Praxistipps. Ergänzt wird der Inhalt des Buchs durch Online-Materialen, die über die Eingabe eines Codes auf der Verlagsseite heruntergeladen werden können.

Die Bedeutung des selbstbestimmten Spiels – Theoretische Grundlagen

Margit Franz nähert sich dem Thema Spiel mit der Frage: „Was ist Spielen?“. Sie lässt zunächst die „Spielexperten“ (S. 11) zu Wort kommen, die es am besten wissen, die Kinder. Auch pädagogische Fachkräfte kommen zu Wort und geben verschiedene Definitionen zu den Begriffen Spiel und spielen. Danach erfolgen wissenschaftliche Erklärungsversuche. Im Buch folgt Margit Franz der „Definition von Spiel“ (S. 14) von Bernhard Hauser. Anhand dieser geht sie auf die fünf Merkmale des Spiels ein, die dieses aufweisen muss, um als Spiel zu gelten. Als Denkanstoß wirft sie den Begriff „Freispiel“ (S. 18) ein, der im Zusammenhang mit Spiel eigentlich nicht mehr zeitgemäß ist, da Spiel immer „freiwillig und ohne Zwang“ (S. 16) geschieht. Anhand verschiedener Forschungsrichtungen, wie beispielsweise der Evolutionsforschung und Bindungsforschung, geht die Autorin den Fragen nach, wozu und warum Kinder spielen. Anhand verschiedener Spielformen zeigt sie auf, was Kinder dabei lernen und welche Fähigkeiten und Kompetenzen sie dafür brauchen und entwickeln. In ihren Ausführungen zur Bedeutung des Spiels für Kinder, legt sie den Fokus immer wieder auf die Spielformen und Bedürfnisse der Jungen. Kampf- und Schießspiele sowie Doktorspiele sind wichtige Spielformen in der Entwicklung der Kinder. Die Aufgabe von Erwachsenen ist es, die Kinder dabei zu begleiten und Regeln auszuhandeln. Im weiteren Verlauf verbindet sie das Spiel der Kinder mit den Bildungsbereichen der Bildungs- und Erziehungspläne. Spielen beinhaltet kreativ-fantasievolle, sensomotorische, emotionale, soziale, kognitive, sprachlich-kommunikative, kulturell-lebenspraktische, mathematisch-logische, naturwissenschaftliche und technische Dimensionen, die sie ausführlich darstellt und mit Praxisimpulsen und Wissenshappen ergänzt.

Kinder haben ein Recht auf SpielenGesetzliche Grundlagen

Die Autorin erzählt zunächst die Historie der „Menschenrechte“ (S. 74) deren „drei Kernprinzipien […] – universell, unteilbar, interdependent“ (ebd.) sich „in der Erklärung der Rechte des Kindes“ (ebd.) wiederfinden. Margit Franz schließt im weiteren Zusammenhang an die „UN-Kinderrechtskonvention“ (S. 75) an und erläutert „das Recht des Kindes auf Bildung“ (S. 77), „das Recht auf Freizeit und Spielen“ (S. 78) und „das Recht des Kindes auf Beteiligung und Mitsprache“ (S. 79), die sich im Bundeskinderschutzgesetz und Kinder- und Jugendhilfegesetz wiederfinden. Die Autorin stellt zurecht die Frage, wie Erzieherinnen damit umgehen, „wenn Kinder wiederholt äußern, dass sie lieber spielen möchten“ (S. 80) statt an Angeboten teilzunehmen (vgl. ebd.). „Werden ihre Äußerungen ernstgenommen?“ (ebd.), wenn sie ihre Bedürfnisse auf ihre Weisen äußern. Werden die Beschwerden der Kinder gehört und wahrgenommen? Die Autorin klärt darüber auf, dass sich nicht die Frage danach stellt, ob pädagogische Fachkräfte die „Rechte der Kinder umsetzen, sondern wie sie die Kinderrechte sichern und leben“ (S. 74). Mit der Verankerung der Rechte der Kinder im Kinder- und Jugendhilfegesetz schlägt die Autorin den Bogen zu den Bildungs- und Erziehungspläne der Länder in denen sich, „mit Ausnahme von Brandenburg, […] interessante Ausführungen über die Bedeutung des Spielens“ (S. 85) finden lassen. In ihren Praxisimpulsen regt Margit Franz an sich mit den Aussagen aus dem Bildungs- und Erziehungsplan des eigenen Bundeslandes zu beschäftigen und anhand derer die eigene pädagogische Praxis zu überprüfen.

Dem Spielen in der Kita Raum geben – Pädagogisches Handeln

Margit Franz geht in ihren Ausführungen zunächst auf die Raumgestaltung und Raumsituation in Kitas ein, indem sie das „Raumteilverfahren von Margerete Schörl“ (S. 91) erläutert, und erklärt, was Kita-Teams heute noch von ihr lernen können. Nach der Raumgestaltung widmet sich die Autorin der Auswahl des Spielmaterials mit „Spielwert“ (S. 98) und gibt anhand von Kriterien „konkrete Impulse zur Auswahl von Spielmaterial“ (ebd.). Kritisch betrachtet sie das Projekt „Spielzeugfreie Zeit“ sowie die Regelungen zum Verbot von Spielsachen von zu Hause in der Kita. Des Weiteren gibt sie Impulse zur Präsentation von Spielmaterialien. Die Autorin plädiert zudem für ausreichend Spielzeiten für Kinder, denn „Spielzeit ist Bildungszeit“ (S. 109). Sie ermutigt pädagogische Fachkräfte dazu den Tagesablauf auszumisten und durch ungestörte Spielzeiten zu ersetzen. Spielzeit ist auch Beobachtungszeit. Es gilt herauszufinden, was Kinder spielen, wer mit wem spielt, allein oder in der Gruppe, welche Regeln gelten und wie sie sie aushandeln, mit welchen Spielmaterialien sie spielen und an welchen Orten. Es geht darum, „ein Kind besser kennen und verstehen zu lernen“ (S. 113). In sieben Schritten erklärt die Autorin das praktische Vorgehen beim Beobachten und den Umgang mit den Ergebnissen (vgl. S. 117). So können beispielsweise aus den Beobachtungsergebnissen Schatzbriefe für die Kinder entstehen. Aufbauend auf den Dokumentationen der Beobachtungen beschreibt sie, wie durch die beobachteten Spielsituationen, die Bildungsprozesse der Kinder im Spiel für Eltern und Kinder sichtbar gemacht werden können. Neben der Beobachtung und Dokumentation ist es die Aufgabe von pädagogischen Fachkräften, die Spielhandlungen der Kinder zu begleiten, sie zu „beobachten, erkennen, unterstützen, anregen, helfen und Bedingungen zu schaffen, die kindliche Spielentwicklung und Spielfähigkeit fördern“ (S. 135). Damit „das Spiel von seinem Charakter her tatsächlich Spiel bleibt und nicht für ‚spielerisches‘ Lernen (in Programmen) missbraucht wird“ (ebd.), beschreibt Margit Franz fünf Merkmale einer „spielförderlichen Haltung“ (ebd.).

Mit Eltern zusammenwirken – Spielen und Familienbildung

Eltern stehen „zunehmend unter Druck“ (S. 144) bei der Erziehung ihrer Kinder mit Blick auf deren Zukunft. Ratgeber und Zeitschriften verunsichern zusätzlich. Eltern wollen das Beste für ihr Kind und möchten wissen, was ihr Kind in der Kita lernt (vgl. ebd.). „In einer dialogisch gelebten Bildungs- und Erziehungspartnerschaft geht es nicht darum, dass Erzieherinnen ihre pädagogische Arbeit vor Eltern rechtfertigen und verteidigen. Ziel ist vielmehr, dass Erzieherinnen ihr pädagogisches handeln fachlich begründet darstellen“ (ebd.). Margit Franz gibt in diesem Kapitel Einblick in die verschiedenen Formen der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft. Neben den verschiedenen Formen von Gesprächen, die pädagogische Fachkräfte mit Eltern führen, gibt sie wertvolle Hinweise, wie pädagogisch Tätige in verschiedener Weise Eltern und Interessierte über das Thema Spielen informieren können. Die Autorin beschreibt in vielen Beispielen, wie das Thema Spielen und die Bildungs- und Entwicklungsprozesse, die damit verbunden sind, in der Kita sichtbar gemacht werden können. Des Weiteren zeigt sie, wie ein Elternabend gestaltet werden kann, damit Eltern das Thema Spielen mit seinen Bildungsmöglichkeiten aktiv erleben. In weiteren Beispielen stellt sie dar, wie Eltern aktiv in die Kita und die Gestaltung von Spielräumen eingebunden werden können.

Engagement für das freie Spielen – Öffentlichkeitsarbeit

Kitas betreiben meist passive Öffentlichkeitsarbeit, „in der es vor allem um die (kurzfristige) Weitergabe von Informationen geht“ (S. 183). Oft fehlt es an einer strategischen Öffentlichkeitsarbeit, welche „ein wichtiges, nachhaltiges Instrument [ist], um das Interesse der Öffentlichkeit für die Bildungsarbeit einer Kindertageseinrichtung zu steigern. […] Durch aktive Öffentlichkeitsarbeit beeinflussen Erzieherinnen gezielt den Ruf ihrer Einrichtung und ihres Berufsstandes“ (ebd.). Margit Franz weist darauf hin, dass pädagogische Fachkräfte „in jeder Situation“ (S. 182) ihre Einrichtung repräsentieren. Sie zeigt auf, welche Möglichkeiten der Pressearbeit es gibt, und wie beispielsweise der Tag der Kinderrechte oder Weltspieltag, für die Öffentlichkeitsarbeit sowie Lobbyarbeit für Kinder und ihre Rechte genutzt werden kann.

Diskussion

Das Buch von Margit Franz ist ein Plädoyer für Spielen und auch mal „lange Weile“ (S. 136) haben. Wissenschaftlich fundiert und gleichsam praxisorientiert entfaltet die Autorin „die Bedeutung des kindlichen Spiels“ (Klappentext). Margit Franz geht es um das Spielen mit seinen Selbstbildungspotenzialen und darum, dass pädagogische Fachkräfte die Kinder „feinfühlig im Spiel [.] begleiten“ (ebd.) und nicht vormachen, wie richtiges Spielen geht, sondern ihr Spiel zu beobachten, denn jedes Kind „spielt so wie es spielt“ (ebd.). Das mag uns Erwachsenen manchmal seltsam vorkommen, doch für das Kind selbst hat es „einen tieferen Sinn“ (ebd.). Diesen zu ergründen ist eine Aufgabe der Erwachsenen. Fachlich fundiert geht die Autorin dem Spiel der Kinder auf den Grund. Aus entwicklungspsychologischer Sicht beschreibt sie, warum es wichtig ist für Kinder zu spielen, was sie dabei lernen und entdecken, welche Fähigkeiten und Kompetenzen sie brauchen und spielend entwickeln.

Margit Franz äußert sich zunächst kritisch gegenüber der Spielzeugfreien Zeit, doch steht in ihrer Kritik nicht die Spielzeugfreie Zeit per se, sondern die Ziele, die oft damit verbunden werden. Diese kritische Betrachtung kann auch die Rezensentin nachvollziehen. Gleichzeitig erfahren die Leser*innen, die Potentiale, die sich durch eine gut durchdachte spielzeugreduzierte Phase entwickeln können.

Bei der Beschreibung der Spielformen mag es zunächst angesichts der momentanen Lage in der Welt befremdlich wirken, wenn sie sich für „Schießspiele“ (S. 42) ausspricht. Doch aus entwicklungspsychologischer Sicht gehören Kampfspiele zur Entwicklung der Kinder und sollten aus pädagogischer Sicht ermöglicht, begleitet und unterstützt werden. Bei diesem Thema wäre es jedoch hilfreich gewesen zu erfahren, wie eine Begleitung und Unterstützung durch die pädagogischen Fachkräfte aussieht, beziehungsweise aussehen kann. Ist es doch ein sehr sensibles Thema, welches oftmals auch sehr emotionsbeladen in Kitas diskutiert wird. Hier auch Kinder mit Fluchterfahrung in den Blick zu nehmen und in einem Exkurs aufzunehmen, hätte sich bei diesem Abschnitt angeboten. Der Rezensentin ist bewusst, dass das Buch bereits 2016 erschienen ist und nun in 5. Auflage vorliegt, dennoch wäre hier ein Exkurs wichtig gewesen, der sich gut in das vorhandene Online-Material eingefügt hätte.

Die Spielzeiten aktiv, dialogisch und partizipativ zu begleiten ist die Aufgabe der pädagogischen Fachkräfte, sowie Spielvorhaben zu unterstützen oder Konflikte zu moderieren und mitzuspielen, wenn Kinder dazu auffordern. Spielzeit ist gelebter Alltag, Bildungszeit und Alltagsbildung (vgl. S. 141 f.). Die Autorin fordert dazu auf, sich mit dem Thema Spielen und seiner Bedeutung für die Bildungs- und Entwicklungsprozesse der Kinder intensiv auseinanderzusetzen, den Alltag zu überprüfen und in der Kita ein „Pro-Spielen-Konzept“ (ebd.) zu leben. Mehr Spielzeiten in den Alltag zu integrieren und dafür so manches Angebot zu streichen, kann den Alltag für alle Beteiligten entzerren und entspannen. Das Buch bietet dafür viele Argumente, die für mehr Spielen im pädagogischen Alltag sprechen. Es ist ein Plädoyer für die Bedeutung des Spiels, für das Spielen der Kinder. Gerade in einer Zeit, in der die Rufe nach Vorschulprogrammen lauter werden, in der der Alltag von Kindern Gefahr läuft noch mehr verplant zu werden, anstatt den Kindern ihr Recht auf Spiel und damit auch ihr Recht auf Bildung zu zugestehen. Margit Franz liefert mit ihrem Buch überzeugende Argumente sich für eine kindgerechte und „Pro-Spielen-Pädagogik“ (Klappentext) zu engagieren und einzusetzen. Denn Kinder entwickeln im Spiel Kompetenzen und Fähigkeiten, die sie durch kein Programm und Angebot erlernen können.

Fazit

Das Fachbuch „Heute wieder nur gespielt“ – und dabei viel gelernt! sollte in keiner Kita fehlen. Es zeigt nicht nur auf, warum das Spiel für Kinder so wichtig ist, sondern auch welche Bildungs- und Entwicklungspotenziale darin stecken.

Rezension von
Alexandra Großer
Fortbildnerin, päd. Prozessbegleiterin, systemische Beraterin
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Es gibt 65 Rezensionen von Alexandra Großer.

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ISSN 2190-9245