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Eliane Retz: Kita-Eltern begleiten und beraten

Rezensiert von Alexandra Großer, 18.07.2024

Cover Eliane Retz: Kita-Eltern begleiten und beraten ISBN 978-3-451-39601-4

Eliane Retz: Kita-Eltern begleiten und beraten. Konkrete Impulse für beziehungsorientierte Elterngespräche. Verlag Herder GmbH (Freiburg, Basel, Wien) 2024. 192 Seiten. ISBN 978-3-451-39601-4. D: 20,00 EUR, A: 20,60 EUR, CH: 28,90 sFr.

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Thema

Eliane Retz beschreibt in 19 Praxisbeispielen verschiedene Situationen zu den großen Themenbereichen Eingewöhnung, Herausforderungen im pädagogischen Alltag und „Gestaltungen von Übergängen“ (Klappentext). Die Autorin zeigt auf, wie Elterngespräche beziehungs- und bedürfnisorientiert gelingen können. Sie gibt Handlungsimpulse und verbindet die besprochenen Themen mit wissenschaftlichen Erkenntnissen aus der Entwicklungspsychologie. Durch die systemische Sichtweise berücksichtigt sie die individuellen Familiendynamiken und Familiensysteme.

AutorIn oder HerausgeberIn

Dr. Eliane Retz ist Pädagogin, systemische Beraterin, Autorin, Elternberaterin, Podcasterin von Wild Talk und Fortbildnerin für pädagogische Fachkräfte.

Aufbau und Inhalt

Das Buch beinhaltet drei Kapitel. Das zweite Kapitel enthält hauptsächlich Praxisbeispiele, die pädagogisch Tätigen Handlungsimpulse zur Unterstützung für Elterngespräche geben sowie den Blick für die guten Gründe hinter dem Verhalten von Kindern. Das dritte Kapitel „befasst sich mit theoretischem Basiswissen“ (S. 11) zu ausgewählten Entwicklungsbereichen.

„Die wichtigsten Bindungspersonen im Leben der Kinder sind“ (S. 15) die Eltern, deshalb „umfasst eine professionelle außerfamiliäre Betreuung immer den aktiven Miteinbezug der Eltern“ (ebd.). Im ersten Kapitel geht Eliane Retz auf die Haltung pädagogischer Fachkräfte ein, die im besten Fall von Neugier, Neutralität, Wertschätzung und Kultursensibilität geprägt ist. Sie zeigt auf, dass Eltern und pädagogische Fachkräfte „sich durchaus misstrauisch entgegentreten können“ (S. 19). Es liegt an den Fachkräften Vertrauen aufzubauen. Eltern „möchten […] einen guten Elternjob machen – auch dann, wenn sie kindliche Bedürfnisse beständig missinterpretieren und die Kommunikation mit ihrem Kind verbesserungswürdig ist“ (ebd.). Fachkräfte hingegen gehen manchmal zu schnell vor, haben ein zu hohes „Erwartungstempo“ (S. 20), welches sie drosseln müssen. Es geht darum Vertrauen aufzubauen und die Ressourcen der Eltern zu sehen, zu benennen und die kleinen Schritte in Elterngesprächen zu würdigen. Die Autorin beschreibt verschiedene Elternpersönlichkeiten und Interaktionsstile, die eine Kommunikation zwischen Eltern und Kind und damit unter Umständen auch zwischen Fachkraft und Eltern erschweren. Elternsorgen und -ängste können „besser miteinander besprochen werden“ (S. 25). wenn Eltern und Fachkräfte es schaffen eine bindungssichere Beziehung aufzubauen (vgl. ebd.).

Im zweiten Kapitel bespricht die Autorin anhand verschiedener Praxisbeispiele das große Thema Übergänge und die damit verbundenen Herausforderungen für Eltern, Kinder und Fachkräfte. Nach jedem Fallbeispiel finden sich „Impulse [..] für den Verlauf von Elterngesprächen“ (S. 9). Jedes der Praxisbeispiele wird mit Stichpunkten eingeleitet, die aufzeigen, worum es im Beispiel geht. Kapitel 2.1 beschäftigt sich mit dem Thema Beziehungsorientierte Eingewöhnung, Kapitel 2.2 mit Beziehungsbezogenen Einsichten zu Herausforderungen mit Familien und Kapitel 2.3 mit dem Thema Neubeginn, Abschied und Veränderung: Übergänge beziehungsbezogen begleiten. Besprochen werden Praxisbeispiele, wie sie „in der täglichen Arbeit mit den Familien vorkommen“ (S. 10).

In Kapitel 2.1 beschreibt die Autorin vier unterschiedliche Eingewöhnungsprozesse, die sie mit wissenschaftlichen Erkenntnissen verbindet. So beschreibt sie beispielsweise eine Eingewöhnungssituation, in der das Kind noch gestillt wird. Im Anschluss erklärt sie fachlich fundiert, die positiven Effekte des Stillens. In einem weiteren Praxisbeispiel werden Trennungsängste der Eltern thematisiert in Verbindung mit „Prä- und postpartalen Prägungen“ (S. 46).

In Kapitel 2.2 führt Eliane Retz in herausfordernde Situationen in Übergangszeiten mit Familien ein. Ihr Blick richtet sich auf verschiedene Familiendynamiken und Familiensysteme, die das Verhalten von Kindern beeinflussen. Wenn der Übergang von der Familie in die Kita geschafft wurde, müssen Kinder „ihren Platz in der Kindergruppe“ (S. 61) finden. Eine weitere Aufgabe ist es, „dass sich das Vertrauen in die Fachkräfte stetig festigt“ (ebd.). Die Aufgabe der Eltern ist es, Arbeit und Kita sowie Zuhause in Einklang zu bringen. Gelingt dies nicht, entsteht „Disharmonie“ (ebd.), die zu Stress und damit Verunsicherung der Kinder führen kann. Die Autorin zeigt in insgesamt 11 Praxisbeispielen Lösungsmöglichkeiten auf, die mit den Eltern gefunden wurden.

Im ersten Praxisbeispiel beschreibt die Autorin eine Eingewöhnung, die gut verlaufen ist, das Kind sich jedoch von niemanden wickeln lässt und auch wenig Nahrung zu sich nimmt in der Kita. Dies kann daran liegen, dass das Kind noch nicht genug Vertrauen in die pädagogischen Fachkräfte hat. Daher wird hier mit den Bezugspersonen vereinbart, dass das Wickeln eine Bezugsperson übernimmt und die Bezugsfachkraft behutsam assistiert bis sich das Kind sicher fühlt. In einem weiteren Fallbeispiel beschreibt Eliane Retz, die Eingewöhnung eines Kindes, die zunächst gut verlief und nach einer „Dienstreise“ (S. 66) der Mutter nicht mehr in die Kita möchte und sich körperlich und mit Schreien wehrt. In diesem Fall beschließen die Fachkräfte mit den Eltern eine zweite Eingewöhnungszeit zu starten, bis das Kind sicher in der Kita angekommen ist. Auch die Anhänglichkeit eines Kindes zu „ihrer Lieblingserzieherin“ (S. 78) beschreibt die Autorin in einem Praxisbeispiel. In diesem Beispiel möchte das Kind nicht mit den Eltern nach Hause gehen. Das Verhalten des Kindes fordert die pädagogische Fachkraft ebenso wie die Eltern heraus. Auf der einen Seite sind beide Parteien froh, dass das Kind sich offensichtlich wohlfühlt in der Kita, auf der anderen Seite sorgen sich die Eltern, dass das Kind in der Kita „zu sehr verwöhnt wird“ (S. 79) und damit zu wenig Autonomie erfährt. Im Elterngespräch tauschen sich Kita und Eltern über die Sorgen der Eltern aus und wie sie miteinander den Übergang in der Abholzeit gestalten können, damit das Kind weniger Stress und mehr Bindungssicherheit in der Familie erfährt. In weiteren Praxisbeispielen bespricht die Autorin das rastlose Spielverhalten eines Kindes, die unbeständige Abholsituation durch flexibel organisierte Abholpersonen, kindliche Erschöpfung, Gefühlsausbrüche und aggressives Verhalten, kindliches Essverhalten, regressives Verhalten und soziale Ängste eines Kindes.

In Kapitel 2.3 geht die Autorin in vier Praxisbeispielen auf die Übergänge ein, die durch Veränderungen im Familiensystem entstehen, wie die Geburt eines Geschwisterkindes, Trennungen oder den Übergang in die Schule. Familien sind bei kleinen wie größeren Veränderungen gefordert sich neu zu organisieren (vgl. S. 127).

In einem der Praxisbeispiele wird vom einvernehmlichen Abbruch einer Eingewöhnung berichtet, nachdem das Kind nach einer Krankheitsphase massive Trennungsängste entwickelt. Die Geburt eines Geschwisterkindes kann ebenfalls zu Trennungsängsten beim Erstgeborenen führen. Ebenso die Trennung von Eltern, da sich dadurch die Lebenssituation der Kinder, beispielsweise Umzug, ändert und es keine Familienwohnung mehr gibt, sondern eine „Mama-Wohnung und eine Papa-Wohnung“ (S. 141). Elterntrennungen sind mit vielen Umbrüchen verbunden, die in Kindern eigene Trennungsängste aktivieren. Manchmal kann der nahende Übergang vom Kindergarten in die Grundschule bei Kindern zu Verunsicherung führen und Abschiedsängste, wie im letzten Praxisbeispiel beschrieben.

Im dritten Kapitel stehen ausgewählte entwicklungspsychologische Bereiche der frühen Kindheit im Fokus. Neben der sozialen Entwicklung, die die „Perspektivübernahme und Theory of Mind“ (S. 155) aufgreift, bespricht die Autorin ausführlich die Bindungsentwicklung und emotionale Entwicklung in Verbindung neurowissenschaftlicher Erkenntnisse. Im letzten Teil des Kapitels beschreibt Eliane Retz elterliche Erziehungsstile und die Bedeutung der Co-Regulation.

Diskussion

Ich wiederhole noch einmal den Satz vom Beginn: „Die wichtigsten Bindungspersonen im Leben der Kinder sind“ (S. 15) die Eltern, deshalb „umfasst eine professionelle außerfamiliäre Betreuung immer den aktiven Miteinbezug der Eltern“ (ebd.). Eliane Retz gelingt es in diesem Buch fachlich kompetent an den Praxisbeispielen und Gesprächsimpulsen zu zeigen, wie Eltern und andere wichtige Bezugspersonen des Kindes in die Betreuung miteinbezogen werden können. Sie gibt pädagogischen Fachkräften, erfahrenen wie Berufseinsteiger*innen, fundierte Grundlagen zur Entwicklung der Kinder, zeigt die guten Gründe ihres Verhaltens und deckt auf, dass hinter dem Anliegen der Eltern noch weitere Anliegen stehen können. Mit ihrer systemischen Perspektive geht sie lösungsorientiert in den Fallbeispielen vor und nimmt das gesamte Familiensystem und deren Dynamiken in den Fokus. Ganz nach der systemischen Prämisse, folgt sie dem Leitgedanken: Symptome machen Sinn, und sieht kindliche Verhaltensweisen als Lösungsversuche. Empathisch und wertschätzend, offen, ehrlich und beziehungsorientiert formuliert sie Handlungsimpulse für Elterngespräche. Sie zeigt auf, wie wichtig entwicklungspsychologisches Grundwissen für die pädagogische Arbeit und die Erziehungs- und Bildungspartnerschaft ist. In leicht verständlicher Sprache verknüpft sie entwicklungspsychologisches Wissen mit der systemischen Perspektive in den Praxisbeispielen und Impulsen.

Fazit

Erfahrenen pädagogische Tätigen wie Berufseinsteiger*innen sei dieses Buch empfohlen. Ebenso Aus-, Fort- und Weiterbildner*innen. Die Praxisbeispiele und Handlungsimpulse zur Eingewöhnung, den herausfordernden Situationen und Transitionsgestaltungen in Verbindung entwicklungspsychologischer Erkenntnisse und systemischen Perspektive zeigen wie Elterngespräche bedürfnis- und beziehungsorientiert auf der Suche nach individuellen Lösungen gelingen können.

Rezension von
Alexandra Großer
Fortbildnerin, päd. Prozessbegleiterin, systemische Beraterin
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Es gibt 53 Rezensionen von Alexandra Großer.

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Zitiervorschlag
Alexandra Großer. Rezension vom 18.07.2024 zu: Eliane Retz: Kita-Eltern begleiten und beraten. Konkrete Impulse für beziehungsorientierte Elterngespräche. Verlag Herder GmbH (Freiburg, Basel, Wien) 2024. ISBN 978-3-451-39601-4. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/32061.php, Datum des Zugriffs 13.01.2025.


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