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Herbert Renz-Polster: Mit Herz und Klarheit

Rezensiert von Dr. Dipl.-Psych. Lothar Unzner, 25.10.2024

Cover Herbert Renz-Polster: Mit Herz und Klarheit ISBN 978-3-492-07247-2

Herbert Renz-Polster: Mit Herz und Klarheit. Wie Erziehung heute gelingt und was eine gute Kindheit ausmacht. Piper Verlag GmbH (München) 2024. 2. Auflage. 432 Seiten. ISBN 978-3-492-07247-2. D: 22,00 EUR, A: 22,70 EUR, CH: 29,90 sFr.

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Thema

Viele Eltern wollen ihre Kinder liebevoll und zugewandt erziehen, doch die Konflikte im Alltag bringen sie immer wieder an ihr Limit. Und schon sind die alten Fragen wieder da: Wie viel Grenzen brauchen Kinder? Sollte ich nicht konsequenter sein? Wie kann ich erziehen, ohne zu verletzen? Herbert Renz-Polster beschreibt in diesem Buch, wie Kinder ihre Stärken entwickeln und wie eine Erziehung gelingt, die Mitbestimmung und elterliche Führung verbindet.

Autor

Dr. Herbert Renz-Polster, Jahrgang 1960, ist Kinderarzt und assoziierter Wissenschaftler am Zentrum für Präventivmedizin und Digitale Gesundheit der Universität Heidelberg. Ausbildung und Forschungstätigkeit in den USA, dann in Deutschland. Herbert Renz-Polster befasst sich seit vielen Jahren mit Fragen rund um die kindliche Entwicklung und gilt als eine der profiliertesten Stimmen in der Erziehungsdebatte und bei allen Themen von Kindern, Eltern und Familien. Darüber hinaus publiziert er zu verschiedenen anderen medizinischen und gesellschaftlichen Themen.

Aufbau und Inhalt

Das Buch umfasst 12 Kapitel.

Nach einer persönlichen Hinführung wird in Kapitel 1 das Dilemma der widersprüchlichen Entwicklungsaufträge in der Evolution besprochen und das Bild des Kindes als „Wurzelflügelwesen“ mit den Bedürfnissen nach Schutz und nach Selbstständigkeit entwickelt.

In Kapitel 2 fragt Renz-Polster, was das Kind für die Entwicklungsreise braucht. Er veranschaulicht dies mit dem Bild eines vierblätterigen Kleeblatts. Zum Aufbau eines tragfähigen Fundaments braucht das Kind Zuversicht, Anerkennung und Zugehörigkeit, aber auch Gelegenheiten, um Erfahrungen zu sammeln, es braucht das kindliche Spiel. Die Aufgabe der Erwachsenen, der Eltern, ist es, sowohl Heimatgeber als auch Ermöglicher zu sein.

In Kapitel 3 geht es um das Herzstück einer bedürfnisorientierten Erziehung, das magische Band der Bindung. Es werden auch die Sackgassen und Missverständnisse in der Geschichte der Bindungstheorie besprochen; besonders intensiv erfolgt die kritische Auseinandersetzung mit dem parent alienation syndrom (PAS). Wichtig ist die Qualität der Bindung; eine sichere Bindung ist die Entwicklungsbasis, auf der wir aufbauen können. Es bestehen aber Korrekturmöglichkeiten im gesamten Lebenslauf.

Kapitel 4 vermittelt die Leitlinie, begleiten, nicht steuern, und so eine Balance zwischen Autonomie und Fürsorge zu finden, die Orientierung gibt.

Im Folgenden (Kapitel 5) diskutiert Renz-Polster den Begriff Erziehung und seine Konnotationen und Implikationen. Er sucht und findet als Begriff „Leben mit Kindern“. Er beleuchtet moderne Schlagwörter, „bedingungslose Liebe“, „Selbstfürsorge“, „inneres Kind“ und formuliert als Leitlinie: „das Mögliche machen, aber auch damit zufrieden sein“; der Grundton zählt.

In Kapitel 6 geht es um die bedürfnisorientierte Erziehung. Eltern haben Bedürfnisse und Kinder haben Bedürfnisse. Renz-Polster diskutiert, welche Bedürfnisse Kinder haben und was zu einer bedürfnisorientierten Erziehung gehört und was nicht. Er beschreibt Bedürfnisorientierung als Haltung mit bestimmten Werten und einem bestimmten Menschenbild, aber nicht automatisch mit bestimmten Techniken und Lebensstilen assoziiert.

Kapitel 7 behandelt das heikle Thema Autorität mit ihren vielen Facetten, ihre Komplexität und die Fallstricke. Renz-Polster gebraucht das Bild der vielfältigen Arten einer Alpenüberquerung und der Rollen des Wanderführers. Darüber hinaus veranschaulicht er mit Formulierungen aus dem Bild des Kreises der Sicherheit die Funktion der elterlichen Autorität, deren positive Stärke: „sei größer, stärker, klüger, und vor allem liebenswürdig und gütig“.

Im achten Kapitel geht es um das „kooperative Kind“, besser um das gemeinsame Gelingen von Kooperation.

Kapitel 9 fordert dazu auf, Grenzen neu denken, Grenzen sind ein normaler Teil eines normalen Miteinanders und helfen ein gutes Miteinander zu organisieren. Es kommt auch hier jedoch auf den Grundton an, auf das wie, eingebettet in ein Klima einer positiven Grundstimmung.

In Kapitel 10 geht Renz-Polster auf praktische Fragen des Alltags ein. Er betrachtet differenziert Fragen wie „Darf ich mich durchsetzen, schimpfen, strafen, konsequent sein, aber auch loben?“

Ein alle Eltern betreffendes Thema wird in Kapitel 11 ausführlich und sehr differenziert behandelt: der Umgang mit den Neuen Medien. Renz-Polster sieht die große Verantwortung der Eltern. Es ist ihre Aufgabe, die Kinder gut und möglichst kompetent vom Kleinkindalter bis zum Jugendalter zu begleiten, sich gemeinsam auf die Reise zu machen. Tablet, Handy, Internet, Spiele und soziale Medien werden angesprochen.

Kapitel 12: Renz-Polster formuliert deutlich seine Sorgen, z.B. sieht er den hohen Anteil an Jugendlichen mit körperlichen und seelischen Problemen. Er sieht die außergewöhnlichen Belastungen in der Kindheit heutzutage und fragt „Ging die Kindheit verloren?“ Er betont die Bedeutung des Spielens, Spiel ist ein Entwicklungsrecht und ein Bildungsrecht. Wichtig ist die Möglichkeit des eigenständigen Spiels, aber mit der Präsenz der Erwachsenen. Er sieht auch die Not der Kitas und der Schulen und fordert, lasst uns zur Besinnung kommen und wieder mehr Kindheit wagen.

Diskussion

Renz-Polster beschreibt den Wandel von der autoritären zur bedürfnisorientierten Erziehung und das Dilemma der heutigen Erziehung. Er setzt sich intensiv mit den Vorstellungen, aber auch den Fallstricken auseinander.

Ich stimme zu, Eltern brauchen einen Kompass und ein Ziel, das sie leitet. Evolutionsbiologische Begründungen können eine wichtige (die wichtigste?) Denkhilfe sein. Sie hilft, vieles zu verstehen, was Kinder brauchen.

Renz-Polster beschreibt immer die Komplexität mit ihren vielen Facetten. Er gebraucht dabei viele Sprachbilder. Diese machen den Text sehr anschaulich. Das „Wurzelflügelwesen“ sollte in den alltäglichen Sprachschatz aufgenommen werden.

Bindung ist die wichtigste Grundlage (auch wenn der Begriff oft auch missverstanden und missbraucht wird, was Renz-Polster ausführlich diskutiert). Er greift immer wieder Formulierungen aus dem Kreis der Sicherheit auf, ein Bild, das sehr anschaulich den Kern der Bindung, die zwei Funktionen von Bindung, verdeutlicht.

Bedürfnisorientierte Erziehung wird als Zuwendung bei gleichzeitiger Führung definiert. Immer wichtig sind gute Beziehungs- und Stärkungsangebote durch die Eltern. Es ist aber auch wichtig, dass Eltern nicht überfordern werden oder sich selbst überfordern durch zu viele Ideale. Dabei kann dieses Buch eine bedeutsame Orientierungshilfe, ein zielorientierter Kompass sein.

Zielgruppen

Eltern; Alle, die sich mit Kindern und Kindheit beschäftigen und/oder für Kinder verantwortlich sind

Fazit

Das Buch beschäftigt sich bedürfnisorientierter Erziehung, auch mit Fragen zu Autorität und Kooperation bis hin zu den Neuen Medien. Kinder brauchen Zuwendung bei gleichzeitiger Führung. Es gibt eine Orientierungshilfe, um mit Herz und Klarheit zu erziehen und wieder mehr Kindheit zu wagen.

Rezension von
Dr. Dipl.-Psych. Lothar Unzner
ehem. Leiter der Interdisziplinären Frühförderstellen in Dorfen, Erding und Markt Schwaben im Einrichtungsverbund Steinhöring
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ISSN 2190-9245