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Claudia Mayer: Religionssensibilität

Rezensiert von Stefan van der Hoek, 28.03.2024

Cover Claudia Mayer: Religionssensibilität ISBN 978-3-658-43472-4

Claudia Mayer: Religionssensibilität. Theorie und Praxis in der Sozialen Arbeit. Springer VS (Wiesbaden) 2023. 293 Seiten. ISBN 978-3-658-43472-4. D: 60,74 EUR, A: 66,81 EUR, CH: 72,00 sFr.
Reihe: Edition Centaurus - Perspektiven Sozialer Arbeit in Theorie und Praxis.

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Thema

Mayer beschäftigt sich mit dem komplexen Verhältnis von Sozialer Arbeit und Religion und verweist damit auf die mangelnde Thematisierung von Religion in den aktuellen Theorien der Sozialen Arbeit (S. 9). Sie zielt darauf ab, eine Theorie und Praxis der Religionssensibilität zu entwickeln, die das spannungsreiche Verhältnis zwischen Sozialer Arbeit und Religion mitberücksichtigt, einen theoretischen Rahmen setzt und auf unterschiedlichen Ebenen in die Praxis Sozialer Arbeit integrierbar ist (S. 2). Dabei geht es im Zentrum um die Frage, wie ein professioneller Umgang und theoretisierbarer Zugang gelingen kann. Mayer setzt in der Problemstellung daran an, dass Religion im Kontext der Sozialen Arbeit oft als problematisch wahrgenommen wird, obwohl sie faktisch in vielen Kontexten präsent ist; etwa durch die Subjektzentrierung im sozialpädagogischen Prozess, durch die religiös geprägte Trägerstruktur des sozialen Bereichs, durch religiöse Traditionslinien der Profession selbst oder durch die Präsenz religiöser Themen in der Gesellschaft. Der Stand der Diskussion zeigt auf, dass es aktuell einen verstärkten Fokus auf das Thema gibt, der sich in wissenschaftlichen Publikationen, Praxis-Konzeptionen für spezifische Arbeitsfelder und Fachtagungen widerspiegelt.

Das Buch verspricht, einen Beitrag zum Verständnis und zur Handhabung von Religion in der Sozialen Arbeit zu leisten und möchte Ansätze anbieten, wie Religionssensibilität als theoretisches Konzept und praktische Handlungsanleitung entwickelt und angewandt werden kann.

Autor:in oder Herausgeber:in

Die Autorin bringt durch ihr Doppelstudium in Theologie und Sozialer Arbeit sowie ihre langjährige berufliche Erfahrung im Schnittfeld beider Disziplinen eine besondere Qualifikation für das Thema ein. Dies ermöglicht es ihr, die Thematik aus einer fundierten und praxisnahen Perspektive zu beleuchten. Mayer ist seit 2023 Professorin für Soziale Arbeit an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW), nachdem sie zuvor Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Didaktik der Religionslehre, für Katechetik und Religionspädagogik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt war.

Entstehungshintergrund

Die Entstehungsgeschichte der Dissertationsschrift und die wesentlichen Einflussfaktoren für ihre Entwicklung lassen sich auf Grundlage der Informationen von Mayer wie folgt herausarbeiten: Mayer hebt hervor, dass das Thema in jüngster Zeit verstärkte Aufmerksamkeit in der wissenschaftlichen Community, in der Praxis sowie auf Fachtagungen erfahren hat. Diese gesteigerte Aufmerksamkeit bildet für die Autorin einen fruchtbaren Boden für ihre Auseinandersetzung mit der Thematik. Die Autorin bringt zudem eine besondere Bildungsbiografie mit, die durch ein Doppelstudium in Theologie und Sozialer Arbeit geprägt ist. Diese interdisziplinäre Bildungsbiografie hat ihren Angaben nach das Interesse und Sensibilität für die Schnittstellen zwischen beiden Disziplinen geschärft und bot Mayer ein ideales Umfeld, um die Thematik aus einer fundierten und interdisziplinären Perspektive zu beleuchten.

Aufbau

Das Buch ist systematisch in fünf Kapitel gegliedert, die sich mit verschiedenen Aspekten der Religionssensibilität in der Sozialen Arbeit auseinandersetzen. Das Buch startet mit einer Einleitung und endet mit Perspektiven für die Soziale Arbeit.

Inhalt

In der Einleitung legt die Autorin den Grundstein für ihre umfassende Untersuchung und thematisiert die Ambivalenz, mit der Religion innerhalb der Sozialen Arbeit begegnet wird. Damit eröffnet Mayer das Spannungsfeld, in dem sie ihre Dissertation einordnet: Einerseits wird Religion als ein „blinder Fleck“ (S. 10) beschrieben, der oftmals mit Unsicherheit, Unbehagen oder gar Ablehnung behandelt wird, andererseits wird sie als eine wirkmächtige Größe begriffen, die durch ihre faktische Präsenz in der Praxis, bei den Trägerstrukturen, in der gesellschaftlichen Diskussion und im Leben der Klientel der Sozialen Arbeit nicht ignoriert werden kann (S. 1). Mayer argumentiert überzeugend, dass ein professioneller Umgang mit Religion in der Sozialen Arbeit notwendig sei (S. 18) und legt dar, wie ihr Forschungsansatz dabei helfen soll, Religion als integralen Bestandteil des menschlichen Seins, der gesellschaftlichen Strukturen und des professionellen Selbstverständnisses von Sozialarbeitern zu verstehen und sensibel zu handhaben (S. 23).

In dem zweiten Kapitel Soziale Arbeit: (k)ein Ort für Religion? widmet sich Mayer der komplexen Beziehung zwischen Sozialer Arbeit und Religion. Es werden sowohl die Einwände aus der Sozialen Arbeit gegen Religion als auch die Schnittstellen von Sozialer Arbeit und Religion untersucht. Darüber hinaus werden weitere Argumente beleuchtet, die für eine Integration von Religion in der Sozialen Arbeit sprechen. Meyer argumentiert, dass Religion ein grundlegender Aspekt des Menschseins ist, der individuelle Identität, Sinnfindung und ethische Orientierung bietet (S. 49; 58). Sie betont, dass die Anerkennung von religiösen Bedürfnissen und Überzeugungen der Klientel essentiell sei, um eine ganzheitliche und empathische Sozialarbeit zu gewährleisten (S. 42). Mayer weist zudem darauf hin, dass Religion eine wichtige Rolle im sozialen Gefüge und im kulturellen Leben vieler Gesellschaften spiele (S. 51). Religion trage zudem zur Formung von Wertesystemen bei und ist oft in soziale Unterstützungsnetzwerke eingebettet (S. 49). Die Berücksichtigung von Religion in der Sozialen Arbeit ermöglicht es somit, besser auf die sozialen Realitäten der Klientel einzugehen und Prozesse der gesellschaftlichen Reproduktion ganzheitlicher zu verstehen, als wenn Religion nicht-thematisiert bleibt. Ein professioneller Umgang mit Religion und Spiritualität trägt dazu bei, das Professionsverständnis der Sozialen Arbeit zu erweitern. Dies umfasst eine Sensibilität für religiöse und spirituelle Fragen sowie die Fähigkeit, religiöse Ressourcen und Netzwerke zu nutzen. Die Autorin stellt zudem die steile These auf, dass Soziale Arbeit ihrem Handeln ethische Wertbezüge zugrunde lege, „die religiösen, genuin christlichen Ursprungs“ seien (S. 101). Diese These birgt angesichts der pluralen Lebenswelten jedoch die Gefahr, andere Religionen oder säkulare Wertebildungen nicht ausreichend zu würdigen bzw. zu negieren.

Das dritte Kapitel Theorie der Religionssensibilität in der Sozialen Arbeit spielt eine zentrale Rolle in dem Buch und dient der eigentlichen Entwicklung einer Theorie der Religionssensibilität. Dabei werden die elementaren Schlüsselbegriffe wie Religionssensibilität (S. 108 ff.), Religion als Materialobjekt (S. 134 ff.) und Sensibilität als Modus des Umgangs (S. 174 ff.) vertieft reflektiert und in vier Dimensionen entfaltet. Das Kapitel zielt darauf ab, ein tiefgreifendes Verständnis für die Rolle der Religion im Kontext sozialarbeiterischer Praxis zu schaffen und liefert sowohl konzeptionelle Überlegungen als auch methodische Ansätze für eine religionssensible Sozialarbeit. Kapitel 3.4 fokussiert die Entwicklung einer Theorie der Religionssensibilität, indem es sich dem Materialobjekt Religion und der Sensibilität als Modus des Umgangs nähert. Durch eine sorgfältige Untersuchung und Kreuzung dieser beiden Konzepte gelangt Mayer zu vier zentralen Dimensionen der Religionssensibilität, die für die Soziale Arbeit von besonderer Bedeutung sind:

Die erste Dimension bezieht sich auf die Fähigkeit von Fachkräften in der Sozialen Arbeit, objektive, d.h. institutionalisierte und formelle Aspekte von Religionen in ihrem Arbeitskontext zu identifizieren, zu interpretieren und professionell zu berücksichtigen. Es geht darum, die Präsenz und Auswirkungen objektiver Religion in der Sozialen Arbeit zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren (S. 214).

In der zweiten Dimension stehen der individuelle, persönliche Glaube und die spirituelle Praxis der Zielgruppe im Vordergrund. Sozialarbeiter*innen sollen die Religiosität als individuellen Ausdruck verstehen, dessen potenziell positiven wie negativen Einfluss auf den sozialpädagogischen Prozess sie anerkennen und in ihre Arbeit integrieren können (S. 215).

Die dritte Dimension hebt die Bedeutung der Sozialen Arbeit und der Gesellschaft hervor und fordert ein Bewusstsein für die Rolle von Religionen als gesellschaftliche Akteure. Fachkräfte sollen erkennen, wie Religionen Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit sowohl fördern als auch bedrohen können, und lernen, in diesem Spannungsfeld professionell und im Einklang mit dem politischen Mandat der Sozialen Arbeit zu agieren (S. 216).

Die vierte Dimension betrifft das Bewusstsein für die individuelle Religiosität in ihrem gesellschaftlichen Kontext, insbesondere in Bezug auf Vulnerabilität und Differenz. Sozialarbeiter*innen sollen die Bedeutung von Religiosität für das soziale Handeln der Individuen erkennen und eine Öffentlichkeit für religiöse Themen in der Gesellschaft fördern (S. 217).

Das Konzept der Religionssensibilität zeigt die Notwendigkeit eines feinfühligen Umgangs mit Religion in der Sozialen Arbeit auf und skizziert modellhaft Wege, wie Fachkräfte sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene für religiöse Themen sensibilisiert werden können. Diese vier Dimensionen bilden das Gerüst für eine umfassende und kritische Auseinandersetzung mit Religion in der Sozialen Arbeit, die sowohl die Anerkennung von Religiosität als auch ein kritisches Bewusstsein für ihre potenziellen Gefahren und Chancen umfasst. Mayers Definitionen zur Theorie der Religionssensibilität klingen sodann tautologisch, indem sie diese damit beschreibt, dass „[d]ie Theorie der Religionssensibilität in der Sozialen Arbeit meint […]: Eine religionssensible Soziale Arbeit geht sensibel mit Religion und Religiosität um und sie sensibilisiert für Religion und Religiosität“ (S. 217).

Das vierte Kapitel zu Religionssensible Praxis in der Sozialen Arbeit fokussiert auf die Anwendung der Theorie in der Praxis und trägt wesentlich dazu bei, die in der Definition angedeutete Tautologie aufzulösen. Dieses Kapitel vertieft und konkretisiert, wie eine religionssensible Praxis in der Sozialen Arbeit gestaltet sein kann, indem es spezifische Handlungsweisen, Strategien und Ansätze zusammenbringt. Diese umfassen beispielsweise Methoden und diagnostische Kompetenzen zur Erfassung und Einschätzung religiöser Bedürfnisse der Zielgruppen (S. 227), Ansätze zur Integration religiöser Ressourcen in Unterstützungspläne und die Förderung interreligiöser Kompetenzen unter Fachkräften sowie ihre jeweilige Positionierung in dem oben beschriebenen Spannungsfeld (S. 228). Des Weiteren wird erläutert, wie durch Bildung und Weiterbildung eine Grundlage für die Sensibilisierung von Sozialarbeitenden für die Thematik geschaffen wird. Dies beinhaltet unter anderem die Vermittlung von Wissen über verschiedene religiöse Glaubensrichtungen (S. 231), die Reflexion eigener religiöser und weltanschaulicher Haltungen und die Auseinandersetzung mit der Rolle von Religion in sozialen Prozessen (S. 233). Durch die Präsentation konkreter Beispiele und Fallstudien wird illustriert, wie eine religionssensible Haltung in der Praxis umgesetzt werden kann. Mayer zeigt zudem auf, wie Sozialarbeitende durch gezielte Maßnahmen und Interventionen sowohl individuelle als auch kollektive Prozesse unterstützen und fördern können, die auf die religiösen und spirituellen Bedürfnisse der Zielgruppen eingehen. Die Autorin verdeutlicht damit, dass Religionssensibilität weit mehr beinhaltet als nur eine allgemeine Haltung der Achtsamkeit – sie erfordert vielmehr ein umfassendes Set an Wissen, Fähigkeiten und Kompetenzen, die angewandt werden müsse.

Das fünfte Kapitel Religionssensibilität in der Sozialen Arbeit: Perspektiven beleuchtet Überlegungen zur zukünftigen Rolle und Ausgestaltung der erarbeiteten Theorie. Dieses Kapitel gliedert sich in vier Unterkapitel, die jeweils verschiedene Aspekte des Verhältnisses von Sozialer Arbeit zu Religion sowie die Umsetzung und die zukünftige Entwicklung der Religionssensibilität in der Sozialen Arbeit thematisieren:

  1. Soziale Arbeit und ihr Verhältnis zur Religion: souverän – prophetisch – dialogisch. In diesem Abschnitt diskutiert Mayer das Verhältnis der Sozialen Arbeit zur Religion, wobei verschiedene Haltungen und Ansätze (souverän, prophetisch, dialogisch) gegenüber der Religion in der Sozialen Arbeit vorgestellt werden. Diese Perspektiven bieten unterschiedliche Zugänge, wie Soziale Arbeit mit religiösen Themen und Fragen umgehen kann und verdeutlichen die Notwendigkeit einer differenzierten Auseinandersetzung mit Religion im sozialen Kontext (S. 258).
  2. Religionssensibilität in der Sozialen Arbeit: sozialpädagogisch – konstruktiv – kooperativ. In diesem Abschnitt wird die Umsetzung der Religionssensibilität in der Sozialen Arbeit von der Autorin konkretisiert. Mayer betont die Bedeutung eines sozialpädagogischen, konstruktiven und kooperativen Ansatzes, um Religionssensibilität effektiv in der Praxis zu verankern. Dies beinhaltet das Verständnis von Religion als Teil der Lebenswelt der Klient*innen (S. 259) sowie die konstruktive Nutzung religiöser Ressourcen in der sozialarbeiterischen Praxis (S. 260).
  3. Religionssensible Praxis und (Aus-)Bildung: spezifisch – dual – adaptierbar. In diesem Unterkapitel widmet sich Mayer der Frage, wie eine religionssensible Praxis und die dazugehörige (Aus-)Bildung gestaltet sein sollten, um den komplexen Anforderungen des Feldes gerecht zu werden. Mayer argumentiert für eine spezifische, duale und adaptierbare Herangehensweise, die sowohl die Bedürfnisse der Fachkräfte als auch die der Zielgruppen berücksichtigt und auf die dynamischen Veränderungen im sozialen Sektor reagieren kann (S. 262).
  4. Zukunftsvisionen einer religionssensiblen Sozialen Arbeit. Im letzten Abschnitt werden Visionen und Perspektiven für die Zukunft der Religionssensibilität in der Sozialen Arbeit entwickelt. Mayer skizziert mögliche Entwicklungsrichtungen und betont die Wichtigkeit einer fortlaufenden Reflexion und Anpassung der Praktiken und Theorien der Religionssensibilität, um den sich wandelnden gesellschaftlichen und individuellen Bedürfnissen gerecht zu werden (S. 263).

Das Buch unterstreicht insbesondere im letzten Kapitel die Notwendigkeit einer fortlaufenden Auseinandersetzung mit religiösen Themen für eine zeitgemäße und sensible Praxis. Zusätzlich enthält das Buch umfangreiche Verzeichnisse, darunter ein Abbildungs- und Tabellenverzeichnis, ein Abkürzungsverzeichnis für eine leichtere Orientierung.

Diskussion

Mayer gelingt es mit dem Buch, bestehende Forschungslücken zu identifizieren und durch ihren Ansatz sinnvoll zu adressieren. Das Buch nimmt sich eines Themenkomplexes an, der sowohl in der Theorie als auch in der Praxis der Sozialen Arbeit von zentraler Bedeutung ist, jedoch häufig vernachlässigt wird. Die Größe und Komplexität des Themas birgt jedoch die Gefahr, sowohl Theorie als auch Praxis zu überfordern und erfordert daher klare Abgrenzungen, die von Mayer nicht immer vorgenommen werden konnte. Gleichwohl Mayer zweifelsfrei einen wichtigen Beitrag zu einer größeren Debatte um die Rolle von Religion in der Sozialen Arbeit leistet und einen fundierten Ansatz zur Integration von Religionssensibilität in theoretische Überlegungen und praktische Anwendungen bietet, stellt sich nach der Lektüre die Frage, wo die spezifischen Fachkenntnisse für Sozialarbeiter*innen beginnen und enden sollten, um sensibel mit dem Phänomen Religion umzugehen. Bis zu welchem Punkt können Sozialarbeiter*innen den anspruchsvollen Aufgaben gerecht werden und ab wann müssen sie an andere Expert*innen (wie Seelsorger*innen, Religionswissenschaftler*innen, Weltanschauungsbeauftrage, Religionslehrer*innen, etc.) verweisen? Eine der herausragenden Stärken des Buches ist Mayers Fähigkeit, ihre tiefgreifenden Kenntnisse in Sozialer Arbeit und Theologie zu verknüpfen. Diese interdisziplinäre Herangehensweise ermöglicht es ihr, komplexe Zusammenhänge zwischen Religion und Sozialer Arbeit detailliert zu analysieren und dabei sowohl praktische als auch theoretische Aspekte zu berücksichtigen. Dies ermöglicht es der Autorin eine sorgfältige Entwicklung des Konzepts der Religionssensibilität und dessen Einbettung in den aktuellen wissenschaftlichen Diskurs, der von einer tiefgehenden theoretischen Fundierung zeugt. Ob Sozialarbeiter*innen diesem Theorievorsprung stets folgen bzw. in der Praxis aufholen können, muss jedoch bezweifelt werden. Es muss jedoch hervorgehoben werden, dass Mayer einen deutlichen Fokus auf die praktische Umsetzbarkeit ihrer theoretischen Überlegungen legt und steht damit für einen anwendungsorientierten Zugang. Durch die detaillierte Auseinandersetzung mit religionssensiblen Praktiken und der Formulierung konkreter Handlungsempfehlungen bietet das Buch wertvolle Anleitungen für Fachkräfte in der Sozialen Arbeit.

Aufgrund der komplexen Materie und der dichten theoretischen Fundierung könnte das Buch für Praktiker*innen ohne akademischen Hintergrund in Sozialer Arbeit oder Theologie in Teilen schwer zugänglich sein. Während das Buch einen bedeutenden Beitrag zur Diskussion um Religionssensibilität in der Sozialen Arbeit leistet, könnte die spezifische Fokussierung auf den deutschsprachigen Raum und insbesondere auf christlich geprägte Kontexte die Übertragbarkeit der Erkenntnisse auf internationaler Ebene oder in nicht-christlichen Zusammenhängen einschränken. Zukünftige Forschungen könnten von einer stärkeren Berücksichtigung unterschiedlicher religiöser und kultureller Kontexte profitieren. Das Bestreben, Religion in ihrer Bedeutung für das Menschsein und die Soziale Arbeit zu erfassen, ist zweifellos eine der Stärken dieser Arbeit. Jedoch fällt auf, dass sich die Ausführungen hauptsächlich im Rahmen christlicher Religion und ihrer Einflüsse in der Gesellschaft bewegen. Diese Fokussierung lässt wenig Raum für die Anerkennung und Einbeziehung der Vielfalt religiöser Überzeugungen, Praktiken und Erfahrungen, die in einer multireligiösen Gesellschaft anzutreffen sind. Eine solche christlich-zentrierte Perspektive kann ungewollt die Reichweite und Anwendbarkeit des Konzepts der Religionssensibilität einschränken. Um das Konzept der Religionssensibilität in seiner ganzen Tiefe und Breite nutzbar zu machen, wäre es daher förderlich, zukünftige Forschungen und theoretische Entwicklungen stärker auf interreligiöse Perspektiven auszurichten. Eine solche Erweiterung könnte dazu beitragen, die vielschichtigen Dimensionen religiöser Identität und Spiritualität jenseits des christlichen Rahmens zu erkunden und somit einen umfassenderen Ansatz für die Soziale Arbeit zu entwickeln.

Fazit

Insgesamt bietet Religionssensibilität: Theorie und Praxis in der Sozialen Arbeit einen umfassenden und innovativen Blick auf die Rolle von Religion in der Sozialen Arbeit. Claudia Mayers Arbeit ist ein wertvoller Beitrag zur Fachliteratur und stellt ein wichtiges Werkzeug für Wissenschaftler*innen sowie Praktiker*innen dar, die sich mit den Schnittstellen von Religion und Sozialer Arbeit auseinandersetzen möchten.

Rezension von
Stefan van der Hoek
Forschungsreferent an der Evangelischen Hochschule RWL, Bochum
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Es gibt 3 Rezensionen von Stefan van der Hoek.

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ISSN 2190-9245