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Susan Arndt: Ich bin ostdeutsch und gegen die AfD

Rezensiert von Prof. Dr. Dr. Jochen Fuchs, 12.09.2024

Cover Susan Arndt: Ich bin ostdeutsch und gegen die AfD ISBN 978-3-406-81587-4

Susan Arndt: Ich bin ostdeutsch und gegen die AfD. Eine Intervention. Verlag C.H. Beck (München) 2024. 175 Seiten. ISBN 978-3-406-81587-4. 14,00 EUR.

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Thema

Die Autorin macht es sich zur Aufgabe, die Leser:innen davon zu überzeugen, dass nicht das gesamte Beitrittsgebiet fest in der Hand der AfD ist und es für eine erfolgreiche Bekämpfung dieser Partei nicht nur im Beitrittsgebiet, sondern bundesweit entscheidend ist, die ‚Mitte der Gesellschaft‘ zu gewinnen. Bei ihrer diesem Ziel verpflichteten „Intervention“ – vgl. den Untertitel des Buches – spart sie nicht mit der Schilderung ihrer Biographie und ihrer politischen Überzeugungen.

Autorin

Die 1967 in Magdeburg geborene Susan Arndt ist seit 2010 Professorin für Englische Literaturwissenschaft und Anglophone Literaturen der Universität Bayreuth. 1986 begann sie an der HU Berlin ihr Studium der Anglistik und Germanistik und legte 1991 ihr Examen als Diplomlehrerin ab. Anschließend studierte sie Afrikawissenschaften in London und erwarb im darauffolgenden Jahr einen MA. Es folgte 1987 eine Promotion an der HU Berlin. Ihre Dissertation, die sie sich von Isabel Fargo Cole ins Englische übersetzen ließ, trägt den Titel „Orale Poetik und die Poetik des writing back“. Die Dissertation selbst wurde nicht gedruckt, dafür erschien die englische Übersetzung unter dem Titel „African women’s literature, orature and intertextuality: Igbo oral narratives as Nigerian women writers‘ models and objects for writing back“. Es schlossen sich diverse Tätigkeiten als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Vertretungsprofessorin an. Sie ist Vertrauensdozentin der Hans-Böckler-Stiftung und betreibt das Promotionskolleg für Intersektionalitätsstudien der HBS. Nachdem sie zunächst für ihre Publikationen neben dem Verlag ihres Doktorvaters hauptsächlich den Münsteraner Unrast-Verlag präferierte, erscheinen ihre jüngeren Werke wie etwa „Die 101 wichtigsten Fragen: Rassismus“ oder „Sexismus: Geschichte einer Unterdrückung“ ebenso wie das vorliegende Buch bei Beck in München. Nachdem Anfang 2022 der Kolumnist Martenstein unter dem Titel „Über Wörter, die man angeblich nicht mehr aussprechen sollte, und den Sexismus der Satzzeichen“ Positionen der Autorin kritisch aufs Korn genommen hatte, fand zwischen ihm und Arndt Mitte 2022 ein in der „Zeit“ publiziertes Streitgespräch statt, sodass letztere auch jenseits der akademischen Community einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt hat.

Entstehungshintergrund

Die Autorin bemüht sich seit Jahren um eine ‚Entkolonialisierung‘ der deutschen Sprache, da ihrer Auffassung nach in rassistischen Wörtern sehr viel Gewalt stecke. [1] Durch pointierte Meinungsbeiträge auch zu Wörtern wie bspw. „Dschungel“ und „Tropeninstitut“ sorgt sie für kontroverse Diskussionen. Das vorliegende Buch ist – anders als es der Titel erwarten lässt – stark biographisch geprägt und gibt Auskunft darüber, wie sie nach ihrer Auffassung zu ihren Positionen gefunden hat – so zum Beispiel auf S. 111 („Das ließ mich bei der Kritischen Weißseinsforschung ankommen.“)

Aufbau und Inhalt

Das 175 Seiten umfassende Buch, welches 2024 beim C. H. Beck Verlag erschienen ist, gliedert sich in fünf Kapitel. Nach der Einleitung (S. 7 ff.) folgt ein Kapitel mit der Überschrift „Leben als Ostdeutschlands Andere Deutsche – vor und nach 1989“ (S. 20 ff.). Die beiden folgenden Kapitel tragen die Überschriften „Wie ich lernte, Diskriminierung zu sehen“ (S. 88 ff.) und „Im Wahlkampf gegen die AfD“ (S. 121 ff.). Das letzte Kapitel ist überschrieben mit „Schluss damit …“ (S. 163 ff.).

Auftakt ihres Werks bilden Bekenntnisse, wie dass sie als Kind ihren Eltern alles glaubte (S. 7), dass sie zusammen mit diesen mitunter „hinter verschlossener Tür“ (S. 7) das Lied „Die Gedanken sind frei…/Kein Mensch kann sie wissen/Kein Jäger erschießen“ sang (S. 7) und dass ihr „die ostdeutsche Revolution von 1989“ ihr zugerufen habe „Wenn du etwas ändern willst, dann musst du das tun.“ (S. 8). Den Abschluss des ‚Bekenntnisteils‘ bildet dann das Bekenntnis, dass die Autorin „eigentlich“ Alternativen liebt, gleichwohl sie „eine klare Abkehr von der Alternative für Deutschland (…) für alternativlos“ hält und sie deshalb dieses Buch geschrieben hat (S. 11). Es folgt dann ein Bericht über ein Gespräch mit einem Udo und einer Beate auf einer „Magdeburger Party im August 2023“ unter dem Zwischentitel „Mit der AfD am Küchentisch“, welches sich u.a. um Wolfgang Koeppen, dessen Roman Tauben im Gras, eine Jasmin Blunt, Winnetou, Cancel Cultur, Bücherverbrennungen, Zensur, Abi-Kommissionen, Kanonbildung, die Anzahl von „Wörter im Wortschatz“ einer deutschsprachigen Person (laut Arndt etwa 50.000, davon allerdings nur „rund 15 000 in aktiver Benutzung“ <S. 16>), Trolls, die das Existenzrecht einer non-binärer Person namens Be „laut in Frage stellen dürfen“ und in dem Klassenraum von Be sowie „im Landtag, im Bundestag und hier am Küchentisch“ sitzen (S. 17), einen überall lauernden Araber, Massenvergewaltigungen, Rassismus und „den scheiß Genderstern“ (S. 19) dreht und mit dem Appell von Arndt endet, sich einer „Diskriminierung in den Weg (zu stellen), statt diejenigen unfair zu attackieren, die das tun“ (S. 19). Dieser wird mit folgenden Worten begründet: „Nur so können wir gemeinsam einen tiefen Graben zur AfD ziehen.“

Das 2. Kapitel setzt unter der Zwischenüberschrift „Überlegenheitsnarrative in West und Ost“ mit der Betrachtung des Romans „Nackt unter Wölfen“ ein, dessen Verfilmung von 1963 dazu führte, dass die Autorin nach ihrer eigenen Aussage bei der Betrachtung derselben regelmäßig „in eine Art Schockstarre angesichts des Schmerzes und der Gewalt“ fiel. In dem folgenden ‚Systemvergleich‘ wird der DDR angekreidet, dass deren Verfassung „an der Idee der Existenz von >Menschenrassen< fest(hielt)“ (S. 25) – den Art 3 GG scheint Arndt bislang noch nicht gelesen zu haben. Ferner redet sie über ein staatlich verordnetes „Schweigen über Rassismus“ (S. 25) in der DDR. Dies ist nicht unbedingt von Fakten gedeckt. So erschien bspw. bereits 1972 im Verlag Neues Leben das von Werner Lehmann verfasste Buch „Schwarze Rose aus Alabama“ und 1986 erschien unter dem Titel „Das kolonisierte Ding wird Mensch“ im Leipziger Reclam-Verlag eine Aufsatzsammlung von Frantz Fanon – übrigens zum Preis von M 2,50.

Ferner moniert sie, dass „das antisemitische Symbol der >Judensau< (…) unversehrt an der Wittenberger Stadtkirche hängen(blieb)“ S. 25. Dies als ein Spezifikum der DDR darzustellen zeugt von Uninformiertheit. Nicht nur an der Wittenberger Stadtkirche findet sich dieses Motiv, welches – nebenbei bemerkt – angesichts seiner Entstehungszeit eher als antijudaistisch als antisemitisch einzustufen ist. Die Judensau ist an Dutzenden von Sakralbauten angebracht worden und die meisten haben ‚überlebt‘ und blieben auch in aller Regel nach 1945 zunächst unkommentiert. In Regensburg hat man sich bspw. erst 2023 dazu entschlossen, eine Informationstafel der Judensau im Dom der Stadt beizugeben.

Der nächste Abschnitt – Zwischenüberschrift: „Aufwachsen in der DDR“ (S. 31) – weckt die Erwartung, dass das Leben der Autorin bis 1989 im Mittelpunkt steht. Zunächst erfährt man aber nur, dass die Autorin angeblich von ihrer Mutter immer dann geschlagen wurde, wenn sie „blaue und grüne Kleidungsstück trug“. [2] Dafür teilt sie mit, dass die DDR nicht mit dem von Johanna Haarers propagierten Erziehungsstil gebrochen habe und Gewalt „in familiär oder staatlich kontrollierten Heimen täglich Brot“ (S. 32) gewesen sei. Daran anschließend erzählt sie, dass ihre „Oma“ bei ihrer Flucht aus Stettin „einen in russischer Sprache verfassten Passierschein“ bei sich führte, den sie sich hatte „erschummeln können“ und dass sie sich in Begleitung ihrer vier Kinder und ihres auf Fronturlaub befindlichen Mannes befunden habe. Sowjetische Soldaten hätten sie dann vor die Wahl gestellt, dass sie alle oder nur ihr Mann erschossen werden würden, worauf sie sich „für ihre Kinder“ entschieden habe. Gleichwohl wurde ihr Mann dann aber doch nicht erschossen (S. 32), sodass dieser später die Gelegenheit hatte, mit der Krankenschwester seiner an Krebs erkrankten Frau eine sexuelle Beziehung einzugehen, was wiederum der „Oma“ das Herz gebrochen habe, was wiederum ihrem Mann die Möglichkeit gab, die Krankenschwester zu ehelichen, die dann auch an Krebs erkrankte und starb, sodass er wiederum die Krankenschwester der Krankenschwester heiraten konnte (S. 33). Als Nächstes schildert Arndt Erinnerungen aus der Familie ihrer Mutter bevor sie zu ihrer Tätigkeit im Rahmen der „Timur-Hilfe“ übergeht (S. 35) und aus all den von ihr angeführten Episoden das Fazit zieht, dass die DDR bezüglich des Krieges einen „Schweigeraum“ zuließ und einen solchen in Bezug auf die Shoah sogar beförderte (S. 35). Anknüpfend an dem Umstand, dass ihr Vater bei ihrer Geburt ausgerufen haben soll „Wenn die Susan ein Negerbaby geworden wäre, wäre ich ausgezogen“ (S. 36) und dass in der DDR Paul Robeson nicht als „Sänger“, sondern als „N.sänger“ tituliert worden war, schlussfolgert sie, dass sich die „Zugehörigkeit zu weißer Überlegenheit“ in ihre Identität eingebunden habe (S. 36).

Sie will ferner „diktaturgeschädigt ab ca. neun Jahren“ zu ihrem „wichtigsten Lebensziel“ erklärt haben, „nicht ins Gefängnis zu kommen“ (S. 44) und als einen „der glücklichsten Tage“ ihrer Kindheit bezeichnet sie den Tag, an welchem sie ein Westpaket „mit ca. 50 Raider“ bekam – getrübt sei ihre Freude allerdings durch den Umstand geworden, dass ihre Mutter nur einmal pro Woche ein Raider aushändigte, „sodass die letzten bereits ranzig schmeckten“ (S. 50). [3]

Es schließen sich ähnliche Episoden und Anekdoten an wie etwa von der Westtante, die beim Besuch ihr eigenes Klopapier mitbrachte, dem Bekannten, der in den 1980ern nach New York reisen durfte, dort einem Obdachlosen einen Dollar schenkte, welchen der Obdachlose verweigerte, da er erfuhr, dass der Gebende aus der DDR kam, da er es dort so schrecklich habe. (S. 51). Ihre eigene ‚Widerständigkeit‘ versucht sie u.a. dadurch zu belegen dass sie berichtet, dass sie als „Stadtbilderklärerin“ in Ost-Berlin einmal eigenmächtig einer Gruppe von Professoren aus Köln das Brandenburger Tor nebst einen „Pflichttext zum >antifaschistischen Schutzwall<“ vorenthalten habe, dafür aber diesen „es als Tugend Ost-Berlins an(gepriesen habe), dass alle Orte unter einer Stunde zu erreichen seien“ (S. 53). Diese Erzählung folgt auf die Information, dass bei diesen Bustouren „ regelmäßig eine Person drin saß, die als Tourist*in getarnt überprüfte, ob wir ideologisch auf Linie blieben“ (S. 53). [4]. Die Autorin erzählt die weitere Entwicklung bis in die 1990er Jahre in ähnlicher Weise weiter, sodass persönliche Erlebnisse und Erkenntnisse, die nicht immer plausibel erscheinen, nicht selten die Basis für die Interpretationen der Geschichte darstellen, Erst ab S. 70 verzichtet sie ab der Zwischenüberschrift „Transformationsjahre sind keine Herrenjahre“ weitgehend auf das Einstreuen von Anekdoten und Geschichtchen und bezieht sich auf bzw. diskutiert die Positionen bzw. Werke von Kowalczuk [5] (S. 73) und Oschmann (S. 77) und berücksichtigt wenigstens hin und wieder Statistiken bzw. Meinungsumfragen – leider aber ohne korrekte Nachweis über die jeweilige Fundstelle.

Gegen Ende des 2. Kapitels kommt sie allerdings doch wieder auf ihre persönlichen Erlebnisse zurück und reichert diese erneut mit Bekenntnissen an wie „Ich habe die DDR nicht geliebt, sondern gefürchtet“ (S. 85), wobei sie allerdings verabsäumt zu erklären, warum sie sich einst gleichwohl mit einer „informellen Bewerbung“ (S. 47) [6] für den diplomatischen Dienst der DDR beworben hatte und wie sie es trotz ihrer Furcht geschafft hatte, die Konfrontation mit dem Ersten Sekretär des Zentralrates der FDJ Eberhard Aurich mittels einer „Brandrede“ (S. 59) zu suchen [7] – ein Ereignis, welches sie – ohne diese wohl ziemlich gewagte Einschätzung auch nur ansatzweise zu begründen – auf der folgenden Seite als „legendär“ (S. 60) einstuft.

Auch das 3. Kapitel wird weitgehend von Erlebnissen von Susan Arndt bestimmt. Man erfährt, wie sich ihr Bild von Winnetou im Laufe der Zeit gewandelt hat (S. 88 f.), wie sie sexuell belästigt worden ist, Männer ihre Brüste kommentierten und sie anfassten und sie mit 21 Jahren nicht nur mehrere Vergewaltigungsversuche, sondern sogar eine Vergewaltigung „überlebt“ hatte (S. 89), wobei sie in diesem Zusammenhang bekennt: „Ich glaube, ich wartete auf Winnetou, einen Bruder, der mich beschützen würde.“ (S. 89) – um dann, was wohl keinen ihrer Leser überraschen dürfte – mitzuteilen: „Er kam nicht.“ (S. 89). Ferner ist zu erfahren, dass sie Miniröcke trug, Kant und Rousseau las (S. 91) und dass sie weinte, als sie bei Mary Wollstonecraft über „Shakespeares fiktive Schwester Judith“ (S. 92) erfuhr, dass diese „keinen Zugang zu Bildung hätte haben dürfen“ (S. 92). Auch hier wird zwar der Titel angegeben, aber leider verabsäumt, die Seitenzahl der Passage mitzuteilen, die der Autorin immer wieder Anlass zum Weinen gab. In diesem Zusammenhang informiert die Autorin darüber, dass „es ab dem 16. Jahrhundert erste Modelle einer Schulpflicht für Mädchen“ (S. 92) gegeben habe, leider erfährt man nicht, in welchem Herrschaftsgebiet dies der Fall gewesen ist – nicht einmal der Kontinent wird mitgeteilt, ansonsten kreidet sie noch Wollstonecraft an, dass diese zwar „von Frauen als >Sklaven der Welt<“ geschrieben habe, es aber unterlassen habe, „über versklavte Frauen zu reflektieren“ (S. 93).

En passant beklagt sie sich noch, dass um 1990 in der Lehre in der DDR, die sie als „SED-affin“ und „rassistisch“ (S. 94) bezeichnet, „von afrikanischem Feminismus keine Spur“ (S. 94) zu finden gewesen sei. Leider teilt sie dem Leser nicht mit, an welcher mit auf die FdGO eingeschworenem Lehrpersonal, welches der staatlichen Verfolgung im Rahmen der Berufsverbote seit den 1970er Jahren nicht zum Opfer gefallen war ausgestatteten Fakultät in der BRD der afrikanischer Feminismus auch nur einen Zehenabdruck, geschweige denn einen ganzen Fußabdrücke hatte hinterlassen können.

Anschließend gibt sie eine Story wieder, die ihr 1991 beim Beginn ihres Aufbaustudiums an der Londoner School of Oriental and African Studies passierte, wo sie den schwarzen Admission Officer mit dem Anruf „boy“ auf sich aufmerksam machen wollte. Sie erklärt diesen Fauxpas damit, dass sie den Mann für jünger als sich selbst gehalten habe (sie dürfte damals auf die fünfundzwanzig zugegangen sein) und ihr Englisch damals so „grottig“ (S. 96) gewesen sei, was angesichts des Umstands, dass sie damals als frischgebackene Englischlehrerin nach London gereist war, nicht unbedingt überzeugt. Auf alle Fälle hat sie ein Happy End parat: „An diesem Tag begann meine Reise, mich auch meinem eigenen Rassismus zu stellen“ (S. 97). Und diese Reise sollte dann, wie sie auf den folgenden Seiten (S. 99 ff.) ausführt, sie letztendlich auf einen Lehrstuhl der Uni in Bayreuth führen.

Nachdem man etwa 2/3 des Buches hinter sich hat, kommt sie endlich zu dem Thema AfD, besser gesagt zu ihrer Schilderung wie sie „in den Wahlkampf, in den Wahlkampf gegen die AfD“ zieht (S. 121). Zu diesem Behuf wappnet sie sich, indem sie zu verstehen versucht, „wo die AfD herkommt, warum es ihr gelingt, so viele Stimmen an sich zu binden, und was dem entgegengesetzt werden kann“ (S. 121). Nach einem kurzen Streifzug durch die Geschichte vor allem der Migration und der „Leitkultur-Debatte der 2000er Jahre“ (S. 124) kommt sie zu dem Schluss, dass „Wer AfD wählt, wählt Rassismus und Sexismus“ (S. 125). Im Anschluss daran stellt sie die Frage, ob die „AfD unsere Demokratie unterwandern“ (S. 133) kann. Sie ist der Auffassung, dass dieser Prozess längst begonnen hat (S. 134) und verweist zum Beleg dafür darauf, dass die Mitgliederzahlen der Partei eine stak steigende Tendenz aufweist, in Sachsen bspw. drei Direktmandate für den Bundestag gewonnen hat und im Dezember 2023 in Pirna der erste „Oberbütgermeister (sic!) der AfD“ [8] gewählt wurde.

„Im Wahlkampf gegen die AfD“ – so der Titel des 4. Kapitels – geht sie auch gegen die Auffassung vor, dass die AfD eine ostdeutsche Partei sei (S. 141 ff.). In diesem Zusammenhang stellt sie fest: „Für alle Weißen ist Weißsein ein Ticket, das sie gegenüber anderen etwa sexistisch oder klassistisch diskriminierten Personen ausspielen können.“ (S. 145). Als Beleg hierfür führt sie das Beispiel eines Obdachlosenzeitungsverkäufer an, der einen vor einem Café Violine spielenden Roma in einem „teuren Berliner Stadtbezirk“ mit den Worten, dass dieses nur für Weiße sei, vertreibt (S. 145). [9]

Ihre nächste These, wonach die Ossis eigentlich dem weißen Westen angehören wollten, dieser sie aber „in seinem Kernnarrativ“ (S. 147) auslagerte, und viele derselben deshalb dazu übergingen, „nach unten zu treten und zu versuchen, erfahrene Diskriminierungen durch rassistische Selbsterhöhung zu kompensieren“ (S. 147), ‚belegt‘ sie ebenfalls mit einer persönlichen Erfahrung: Ein ehemaliger sachsen-anhaltinischer Hilfsschüler (die Autorin bezeichnet ihn als Schüler einer „Schule für kognitiv eingeschränkte Schüler*innen“ <S. 147>) aus ihrem Bekanntenkreis habe erzählt, dass „Männer mit teuren Autos mit Hannoveraner Kennzeichen vor der Schule“ gestanden hätten und ihm ob seiner Stärke und Körpergröße Komplimente gemacht hätten. Anschließend sei er in diesen „Hochglanzautos durch die Stadt“ gefahren worden, wobei diese Männer „Nazirock laut aufdrehten“ (S. 147). Als Ergebnis dieses Erlebnisses und einem sich anschließenden „Brainwashing“ (S. 147) habe dieser Hilfsschüler begonnen, „rassistische und sexistische Parolen zu dreschen“ (S. 147). Arndt gesteht zwar zu, dass nicht jeder Hilfsschüler bei den Faschisten landet und dass in deren Reihen auch Akademiker zu finden sind, gleichwohl findet sie diese Erzählung einer Mitteilung für wert. Gleich auf der nächsten Seite berichtet sie dann, dass seine Eltern bei diesen Parolen nicht nur nicht interveniert hätten, sondern diese „den meisten rassistischen oder sexistischen Parolen“ (S. 148) dem Grunde nach zustimmen würden – insofern wäre es interessant zu wissen, auf wessen ‚Mist‘ denn nun die politischen Auffassungen gewachsen sind. Arndt versucht sich dann als ‚Gegenagitatorin‘ – nachdem sie einen ersten Erfolg verzeichnen konnte (ihr Schüler drosch zwar weiterhin Naziparolen, ersetzte aber „Neger“ durch „Schwarze“), nahm sie ihn „sogar zu einem längeren Forschungsaufenthalt ins Ausland mit“ (S. 148). Als er aber dort einen Schmetterling vor den Augen ihres dreijährigen Sohnes abfackelte, war dies das Ende des „>Aussteigerexperiments<“ (S. 149) [10]. Nachdem dann noch weitere Einzelheiten aus dem Leben dieses Taugenichts geschildert werden – u.a. dass er sich im Krankenhaus nicht durch einen „Arzt of Color“ (S. 150) [11] habe behandeln lassen – stellt Arndt fest: „Das war das Klima, das die AfD vorfand und ab 2013 zu nutzen und zu manipulieren wusste.“ Dabei habe sich nach ihrer Auffassung „das bewährte rassistische Prinzip, Migranten< und >Moslems< [12] (…) als offene Synonyme für alle BIJPoC, als inneren Feind zu inszenieren“ (S. 150) als besonders wirksam erwiesen.

Abschließend wird es dann als falsch bezeichnet, die „AfD als rein ostdeutsche Partei misszuverstehen“, was damit begründet wird, dass die AfD schließlich auch in den alten Bundesländern Zuspruch finden würde und sie „ mehrheitlich von Personen aus Westdeutschland gesteuert“ (S. 153) wird. Am Ende des Kapitels wird danach gefragt, was die ‚Mitte der Gesellschaft‘ gegen ihren Rechtsruck macht (S. 153 ff.). Als Auftakt dieses Abschnittes schildert sie, wie sie einen CSU-Oberbürgermeister [13] darüber belehrte, „dass das N-Wort rassistisch sei“ (S. 154), ihn aufforderte, „sich öffentlich von dem Wort zu distanzieren“ und ihm vorschlug, sich um die Mohrenapotheke am Marktplatz [14] seiner Stadt zu kümmern, die „zudem rassistische Masken ins Schaufenster“ (S. 154) gelegt habe. Im weiteren Verlauf erfährt man u.a. zudem, dass Susan Arndt 2022 mit Susanne Schröter in Weimar diskutierte (S. 156 f.), ihre Arbeit als ideologisch bewertet und entsprechend „sabotiert“ wird (S. 158), ihr geraten wird, „in die Psychiatrie zu gehen“ (S. 158), ihr ein Passant im Rentenalter in Leipzig im Oktober 2023 sagte, dass die Demokratie längst gescheitert wäre, was jener damit begründete, dass „Hippies“, die gegen die Einladung von AfD-Politiker durch die Rektorin der örtlichen Uni zur Immatrikulationsfeier demonstrierten, das Gewandhaus entehren würden. Abschließend teilt Arndt mit, dass sie davon überzeugt sei, dass „die anstehenden Wahlen nicht nur von (potentiellen) AfD-Wähler*innen entschieden werden“ und sie vor allem darum kämpft, „dass die >Mitte der Gesellschaft< sich von ihrem Rechtsruck befreit, der Normalisierung der AfD Brandmauern in den Weg stellt und sich aktiv in die Schwächung statt Stärkung von AfD-Positionen und Diskriminierung einbringt“ (S. 162).

Im letzten Kapitel taucht dann Udo wieder auf, den man von der Einleitung des Werks her schon kennt. Dieser hat nach Bekunden von Arndt inzwischen das Buch von ihr gelesen [15] und äußert sich dazu wie folgt: „Da stehe ich ja ziemlich blöd da.“ (S. 167). Auf den folgenden knapp acht Seiten wird Udo von Arndt darüber belehrt, dass bspw. „Robinson Crusoe“ verfasst wurde, „um Kolonialismus und Sklaverei zu befeuern“ (S. 170) und dass sie nicht finde, dass „menschenverachtende und diskriminierende Inhalte ungestört aus Bibliotheks-Regalen sprechen sollten. Denn Bibliotheken sollten sicherer werden, für alle“ (S. 170).

Deshalb votiert sie für Trigger-Warnungen für Bücher wie „Robinson Crusoe“, ja sogar für die Entwicklung einer App, „in der die Evergreens der Literaturgeschichte historisch eingeordnet werden und dabei auch erklären, dass und inwiefern hier rassistische oder sexistische Weltbilder vermittelt werden.“ (S. 172). Anders als der sachsen-anhaltinische Hilfsschüler reagiert Udo auf die Ideen von Arndt nicht mit der Verbrennung eines Schmetterlings, sondern baut einen „Karton“, der mal ungenießbare Kartoffeln enthalten hatte (S. 168) zu einer „Kiste“ [16] zusammen und fordert die Autorin auf: „Lass uns mal schauen, was wir da zusammen hineinlegen können.“ Sie stimmt zu und erwidert: „Vielleicht finden wir auch für die muffelnden Kartoffeln noch den richtigen Platz. Am Ende liegt es an uns, wer wir sein werden.“ (S. 175).

Diskussion

Das Werk der Autorin ist ein Sammelsurium diverser Diskussionsebenen, die primär durch die Person Arndt verknüpft werden, welche sich durch eine überraschende Vorliebe für (Kinder-)Lieder auszeichnet (u.a. „Die Gedanken sind frei“ S. 7, „Wer möchte nicht in Frieden leben, die Sonne und den Mond besehen?“ S. 8„Auf der Mauer, auf der Lauer liegt ne kleine Wanze“ S. 9, „Über allen strahlt die Sonne“ S. 2, „Heidenröslein“ S. 33, „Kleine weiße Friedenstaube“ S. 41, „Unsere Heimat“ S. 42 und „Über allen strahlt die Sonne“ S. 42).

Die Rechtschreibung der Autorin kann nicht stets als ‚beanstandungsfrei‘ bezeichnet werden. So werden nicht nur einmal nicht den Empfehlungen des Dudens gefolgt. Es tauchen u.a. ein „Wagon“ (S. 33), ein „Oberbütgermeister“ (S. 135) und ein „of“ (S. 157) auf. Adjektive werden großgeschrieben (so bspw. S. 9, S. 21, S. 25 und S. 95) und Wörter benutzt, die sich nicht im Duden finden lassen („Bürgergeldempfangene“ S. 10, „ökonomische Ungleichheitskonstellationen“ S. 21, „FSK-gerecht aufgewachsen“ S. 42 und Sätze nicht korrekt gebildet (u.a. S. 28 u. S. 61). Auch mit der Grammatik gibt es mitunter Probleme: „So waren meine Mutter und mein Vater erzogen wurden.“ (S. 36). Zu registrieren sind auch recht ‚krumm‘ formulierte Sätze wie etwa: „Um sicher durch die Widernisse der SED-Diktatur zu navigieren“ (S. 30) oder „Von beiden Unbehagen erzählen die nächsten beiden Kapitel.“ (S. 31) und Begriffe werden nicht korrekt gewählt. So redet die Autorin von einer „Russischschule“ (S. 38) und meint wohl damit eine Schule mit erweitertem Russischunterricht (oder möglicherweise auch eine Spezialschule), die sie aber nach ihrer Darstellung wegen der „tief verinnerlichte<n> anti-russische<n> Diskriminierungshaltung“ (S. 38) ihrer Eltern nicht hatte besuchen können. Auch folgende Formulierungen und (Sprach-)Bilder der Autorin hätten m.E. eigentlich dem Eingriff des Lektorats zum Opfer fallen müssen:

  • Da werden Gendersterne beschimpft, wo doch wohl deren Verwender gemeint sind (S. 10),
  • da wird Wasser auf die Mühlen der AfD gegossen (S. 11), wo doch wohl gemeint ist, dass bestimmte Handlungen oder Ansichten Wasser auf deren Mühle darstellen würden
  • da dienen der Bau von Brandmauern wie auch das Ausheben von Gräben dem Zweck, den braunen Sumpf auszutrocknen (S. 11), wo doch Brandmauern gewiss nicht geeignet sind, qua Meliorationsmaßnahmen Sümpfe trockenzulegen
  • da soll, um der AfD das Wasser abzugraben, der Graben zwischen Ost und West zugeschüttet werden (S. 11), wo doch gerade nicht zugeschüttete Gräben dazu dienen, Wasser abzuleiten.
  • da taucht ein „Brückenende“ auf, das „in die genau entgegengesetzte Richtung“ führt (S. 18)
  • da ist von einer Wirtschaftskraft die Rede, die „zur aussagekräftigen Stempelfarbe für das Gütesiegel der Überlegenheit der Bundesrepublik und des politischen Westens“ wurde (S. 21 f.)
  • da wird eine „Schaltstelle“ erwähnt, „an der die Werte künftiger Generationen geschmiedet wurden“ (S. 32)
  • und da teilt uns die Autorin mit: „Während ich mich in der DDR nicht finden konnte, wurde mir in Begegnungen mit Bundesbürgern immer klar, dass in der Bundesrepublik keine Zugehörigkeit für mich wartete.“ (S. 30), ferner gibt sie folgende Statements ab: „Ich war voller Hoffnung, und zusammen mit einer Freundin begann ich, daraus Agency abzuleiten.“ (S. 60), „Wer konnte, zog den Kopf ein und begann ohne Seepferdchen loszuschwimmen“ (S. 71) und „Auch ohne Kopftuch konnte ich als Ossi gelesen werden“ (S. 85).

Manchmal fehlen auch nur zusätzliche Informationen, da die Gedankengänge von Arndt ohne diese nur schwer nachvollziehbar sind. Beispiele hierfür sind:

  • etwa die „Silberlaube“ der FU Berlin, welche als sagenumwoben bezeichnet wird (S. 69)- interessant wäre es hier, ein wenig mehr von den Sagen zu erfahren, die diesen in den Jahren 1975 bis 1979 erbauten Teil der Freien Universität angeblich umweben bzw. einmal umwoben haben sollen
  • ein Bundeskanzler Kohl, dem von der Autorin nicht nur „Charisma“ attestiert (S. 63), sondern auch noch die Bezeichnung „inoffizieller-offizieller Krösus“ verpasst wird
  • es wird zudem behauptet, dass „auch (Hervorhebung J.F.) im Duden der DDR unter Feminismus“ gestanden habe, dass „dies eine >weibliche Eigenschaft bei Männern< sei“ (S. 28) [17] – gerne hätte man gewusst, welcher „Duden der DDR“ das gewesen ist, da es sicherlich nicht nur einen einzigen Duden in der DDR gegeben hat, und in welchen weiteren DDR-Publikationen dieses Wort auch noch so definiert wurde [18]
  • und die eigene Auffassung der Autorin wird auf S. 11 damit ‚belegt‘, dass „viele Studien“ dies zeigen würden – welche Studien dies sind, darüber schweigt sich Arndt aber leider aus – ihr Werk ist frei von Fußnoten und auch ein Literaturverzeichnis fehlt. Sofern sie – wie etwa auf S. 73 - ausnahmsweise aus einem Werk zitiert, versäumt sie es, die genaue Fundstelle anzugeben.

Dann werden Behauptungen aufgestellt, die eindeutig falsch oder zumindest so wenig plausibel sind, dass man gerne noch eine ‚2. Quelle‘ hätte, die die Geschichte der Autorin verifizieren könnte.

Hierzu zählt bspw. ihre Behauptung, sie habe in Physik in 30 Sekunden zehn Fragen beantworten müssen, da sie sich geweigert habe, der GST [19] beizutreten. Da sie zudem auf die zehnte Frage (alle anderen will sie korrekt beantwortet haben) nach der „physikalischen Einheit für die Kindersterblichkeitsrate“ als Antwort „Anzahl durch Zeit“ gegeben habe, habe sie nur eine „Vier“ bekommen (S. 41), ferner ihre Mitteilung, dass sie 1990 auf einer Tour durch Westeuropa in der Edinburgher Jugendherberge als sie dort unter der Dusche stand, Opfer einer garantiert nicht der Allgemeinheit nützlichen totalen Expropriation geworden war, da sie ihr Geld im leeren Schlafsaal hatte liegen lassen, was von ihr als „Geldraub“ (S. 65) eingestuft wird – wobei nicht ersichtlich ist, inwiefern ihr damit objektiv Gewalt angetan wurde oder ihr damit gedroht worden war, sodass es, wäre dies im Geltungsbereich des GG geschehen, es sich wohl nur um einen simplen Diebstahl nach § 242 StGB und nicht um einen Raub nach § 249 StGB gehandelt hat. Von einer Autorin, die sich kritisch mit Sprache befasst, wären eine exakte Formulierung und keine Aufbauschung zu erwarten.

Mysteriös ist auch, warum sie nach dieser Tat feststellt: „Ich hatte keinen einzigen Cent oder Pfennig mehr.“ (S. 66) Da davon auszugehen ist, dass sie nach dem Aufenthalt in Edinburgh nicht in die USA weiterreisen wollte, sie von daheim Jahre vor der Einführung des Euros auch keine Cents mitgenommen haben konnte und das Pfund schon seit 1971 eine mit 100 Pence identische Kaufkraft aufweist, dürfte sie auch bevor sie Opfer eines einfachen Diebstahls geworden war, keinen einzigen Cent in der Tasche gehabt haben – es sei denn, sie wollte den englischen Penny aus unerfindlichen Gründen gerne als Cent gelesen wissen. Der ‚Geldraub‘ scheint übrigens ein sie tief beeindruckendes Erlebnis gewesen zu sein. Dies ist daraus zu schließen, dass sie im nächsten Kapitel erneut darauf zurückkommt und dabei nicht verabsäumt, erneut mitzuteilen, dass sie auch in London – ihrem nächsten Reiseziel – immer noch ohne jeden „Cent“ war (S. 95).

Fazit

Bereits in Anbetracht des Umstands, dass es der Autorin nicht gelingt, die neun Wörter des Titels auf dem Cover [20] fehlerfrei zu Papier zu bringen, hätte man gewarnt sein können. Nach der Lektüre ihres Buches ist man es gewiss. Nach Einschätzung des Verlags „will“ dieses Buch „die Mitte gegen die AfD mobilisieren“. Das mag zwar so ein, allerdings dürfte der Mobilisierungseffekt nicht sehr groß sein. Wer sich mit der von der Autorin angerissenen Thematik vertraut machen will, der sei auf den Aufsatz „Oststolz und Osttrotz – Die Fallstricke der ostdeutschen Identität“ verwiesen, der 2024 in der Juliausgabe der „Blätter für deutsche und internationale Politik“ erschienen ist (S. 93 ff.) Dem renommierten Beck-Verlag möchte man empfehlen, sein Lektorat personell aufzustocken, sodass zumindest die gröbsten Schnitzer vor dem Druck beseitigt werden.


[1] Vgl. etwa https://www.deutschlandfunk.de/sprache-dekolonisieren-in-rassistischen-woertern-steckt-100.html

[2] Interessant wäre zu wissen, ob die Mutter sie selbst dann schlug, wenn sie ein blaues FDJ-Hemd trug.

[3] Angesichts des Umstands, dass Schokolade eigentlich kein extrem kurzes Verfallsdatum hat, wäre zu prüfen gewesen, ob die Absender des Westpakets u.U. verbilligte Raider erworben hatten, die ein in nicht allzu ferner Zukunft liegendes MHD vorzuweisen hatten.

[4] Interessant wäre es zu wissen, wie es ein Beauftragter des MfS es angestellt haben könnte, sich in einen Kölner Professor zu verwandeln und mit welchem Verkehrsmittel, „alle Orte“ der DDR innerhalb einer Stunde von Ost-Berlin aus erreichbar sind. Aber wie an anderer Stelle bekannt gegeben wird, war für das MfS vieles nicht unmöglich. So wird etwa behauptet, dass die Stasi über die Träume der Autorin besser informiert war als sie selbst (S. 61).

[5] Kowalczu ist ihr Partner.

[6] Leider erklärt sie nicht, wie sich in der DDR eine formelle von einer informellen Bewerbung unterschieden hat.

[7] [7] Aurich erklärte dann auch noch, ganz der Auffassung zu sein, die sie in ihrer ‚Brandrede‘ zum Besten gab. Dieser ‚Konfrontation‘ war übrigens ihr Entschluss vorausgegangen, sich „die DDR anzueignen“. Zu diesem Behufe unternahm sie Schritte, die ihr „eine Mitbestimmung in der FDJ verschaffen sollten“ (S. 59). Nach ihrer Darstellung fuhr sie zu diesem Zweck in ein Schulungslager der FDJ am Werbellinsee. Da es sich bei dieser Einrichtung am Werbellinsee um eine der zentralen Einrichtungen handelte, die in der Regel nicht ‚einfach so‘ frequentiert werden konnte, da eine Einladung dorthin als eine Auszeichnung für die ‚Besten der Besten‘ darstellte, wäre hier in Anlehnung an Brecht zu fragen, ob sie auf dem Weg dorthin nicht wenigstens einen klitzekleinen Delegationsbeschluss ihrer örtlichen FDJ-Gliederung in der Tasche gehabt hatte.

[8] Gemeint ist wohl, dass der 2023 gewählte Oberbürgermeister von Pirna ein Kandidat der AfD war – Parteien haben ja bekanntlich keine Oberbürgermeister.

[9] Es ist natürlich immer schwierig, derartige Erzählungen als bloß erfunden zu bezeichnen – schließlich war man ja selbst nicht dabei. Gleichwohl darf festgestellt werden, dass ein Verkäufer von Obdachlosenzeitungen keine Platzverweise erteilen darf. Nach der Schilderung befanden sich beide ‚Kontrahenten‘ auf öffentlichem Straßenland („am Rande eines Cafés“) und nicht im Café, wo keiner der beiden das Hausrecht hätte ausüben können. Ganz abgesehen von einer rechtlichen Würdigung: Wie hoch ist der Prozentsatz der auf der Straße Violine spielenden Roms, die sich widerspruchslos von einem Verkäufer von Obdachlosenzeitungen vertreiben lassen?

[10] Arndt formuliert dies so, dass der Hilfsschüler dieses Experiment „beendete“ – gerne würde man wissen, wie genau sich dies abgespielt hat, also ob er denn nach dem ‚Schmetterlings-Autodafé‘ aus eigenem Antrieb die Wohnung der ihn mitunter mit Kakao verwöhnenden Autorin verlassen hatte, oder ob diese ihn zuerst zum Gehen hatte auffordern müssen.

[11] Sofern zukünftig in Texten das Akronym AoC auftauchen sollte, so dürfte es nicht völlig unwahrscheinlich sein, dass diese auf Susan Arndt zurückgeführt werden kann.

[12] Warum Arndt hier Migrantinnen und Musliminnen unter den Tisch fallen lässt, erschließt sich dem Rezensenten nicht.

[13] Es dürfte sich dabei um Thomas Ebersberger handeln, der nicht nur als Fachanwalt für Familienrecht inzwischen die 3. Ehefrau hat, sondern auch 2020 OB von Bayreuth geworden ist.

[14] Die Anschrift der Mohrenapotheke in Bayreuth lautet korrekt Maximilianstr.57.

[15] Wie ihm das möglich gewesen ist, ist nicht ganz klar. Bislang hat dieses Buch nicht mehrere Auflagen erfahren. Möglich wäre es also allerhöchstens, dass Udo das Manuskript der ersten vier Kapitel des Buchs gelesen hat.

[16] Leider erklärt Arndt nicht exakt, wie Udo das geschafft hat. Denn: „Eine Kiste ist – lt. Wikipedia (Zugriff 26.08.2024) – ein offener oder auch geschlossener Behälter zur Beförderung und Lagerung von Gegenständen. Sie besteht aus Metall, Kunststoff oder Holz (Hervorhebung J.F.).“ Dagegen ist lt. Wikipedia (Zugriff 26.08.2024) Karton „ein aus Zellstoff, Holzschliff und Altpapier hergestellter Werkstoff, (Hervorhebung J.F.=der unter anderem in Druckereien als Druckuntergrund, in der Verpackungsindustrie zum Schutz von Packgut (Verpackungsmaterial) oder als Behälter (Schachtel oder Faltschachtel) sowie im grafischen Gewerbe und im Kunstgewerbe als künstlerischer Werkstoff und als Gestaltungsuntergrund eingesetzt wird.“

[17] In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass in der 14. Aufl. des in der BRD verlegten Dudens „Feminismus“ auf S. 251 folgende Erklärung gegeben wird: „Überbetonung des Weiblichen; Vorherrschaft unmännlicher Empfindungen“ – die Duden in der DDR und der BRD scheinen nicht immer extrem weit auseinander gelegen zu haben.

[18] Unmittelbar vor dieser Mitteilung behauptet die Autorin: „Jede feministische Gruppe empfand die SED-Diktatur als Angriff auf seine (sic!) Staatsdiktatur.“ Man kann sicherlich trefflich darüber streiten, ob es in der DDR eine „Staatsdiktatur“ gegeben hat, nicht darüber streiten kann man, dass es hier nicht „seine“, sondern „ihre“ heißen müsste.

[19] Gesellschaft für Sport und Technik

[20] Auf S. 3 ist „ostdeutsch“ allerdings korrekterweise nicht wie auf dem Cover mit einem großen „O“ geschrieben – immerhin scheint hier das Lektorat erfolgreich eingegriffen zu haben.

Rezension von
Prof. Dr. Dr. Jochen Fuchs
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Zitiervorschlag
Jochen Fuchs. Rezension vom 12.09.2024 zu: Susan Arndt: Ich bin ostdeutsch und gegen die AfD. Eine Intervention. Verlag C.H. Beck (München) 2024. ISBN 978-3-406-81587-4. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/32094.php, Datum des Zugriffs 06.10.2024.


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