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Dieter Hermann, Barbara Horten et al. (Hrsg.): Kriminalsoziologie

Rezensiert von Wolfgang Schneider, 01.11.2024

Cover Dieter Hermann, Barbara Horten et al. (Hrsg.): Kriminalsoziologie ISBN 978-3-8487-8974-0

Dieter Hermann, Barbara Horten, Andreas Pöge (Hrsg.): Kriminalsoziologie. Handbuch für Wissenschaft, Studium und Praxis. Nomos Verlagsgesellschaft (Baden-Baden) 2024. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. 685 Seiten. ISBN 978-3-8487-8974-0. 98,00 EUR.
Reihe: NomosHandbuch.

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Thema

Die Kriminalsoziologie befasst sich interdisziplinär und multiperspektivisch mit Kriminalität im Kontext von Gesellschaft und Individuum und operiert mit unterschiedlichen Methoden. Aktuelle Forschungen aus den Kerndisziplinen der Kriminologie und Soziologie sind oftmals mit Fragestellungen aus der Psychologie, Rechtswissenschaft, Pädagogik, Wirtschaftswissenschaft, Theologie und Philosophie verknüpft. In dieser 2., aktualisierten und erweiterten Auflage des Handbuchs wird die daraus hervorgehende vielschichtige Forschungslandschaft entlang der systematischen Darlegung aktueller Forschungsthemen durch Expert:innen eines Fachgebiets vorgestellt. Neben der Aufarbeitung des aktuellen Diskussions- und Forschungsstands liegt ein zusätzlicher Schwerpunkt auf der gut verständlichen Präsentation eigener Studien. Die 2. Auflage des Handbuchs wurde um die Themen Extremismus, Vorurteile, Diskriminierung und Hassgewalt sowie sexuelle Gewalt unter Gleichaltrigen, Abschreckungswirkung von Strafe, Prävention durch Täter-Opfer-Ausgleich und Kommunale Kriminalprävention erweitert.

Autor:in oder Herausgeber:in

Dr. Dieter Hermann ist Professor am Institut für Kriminologie der Universität Heidelberg, Schwerpunkte seiner Arbeit sind die Kriminologie und Kultursoziologie, Studien zur kommunalen Kriminalprävention, zu sexuellem Missbrauch, Korruption sowie zur Sozialisation von Werten und Normen. Dr. Andreas Pöge, PD, ist Akademischer Oberrat im Arbeitsbereich Methoden der empirischen Sozialforschung der Fakultät für Soziologie an der Universität Bielefeld. Arbeitsschwerpunkte sind quantitative Methoden, die Kriminologie und Werteforschung. Dr. Barbara Horten ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Kriminologie, Straf- und Medizinrecht sowie Jugendstraf- und Strafvollzugsrecht an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Ihre Themenschwerpunkte sind de Kriminologie, die Viktimologie sowie die Mitarbeit an forensischen Gutachten. Die einzelnen Kapitel wurden von Expert:innen aus den Bereichen Soziologie, Kriminologie und Psychologie verfasst.

Entstehungshintergrund

Der Titel ist Teil der Reihe NomosHandbuch. Es handelt sich um die zweite Auflage. Die Erstauflage erschien 2018. Inhaltlich wurde das Handbuch in dieser zweiten Auflage um neue Beiträge ergänzt: Im Kapitel Soziale Probleme und gesellschaftliche Reaktionen finden sich nun um die Beiträge zu Extremismus, Vorurteile, Diskriminierung und Hassgewalt sowie sexuelle Gewalt unter Gleichaltrigen. Das Kapitel Struktur und Entwicklung von Kriminalität wurde um den Beitrag zu Gewalt an Schulen ergänzt, der sich mit Trendanalysen und Begleiterscheinungen auseinandersetzt. Zusätzlich wurde der Themenbereich Kriminalprävention mit den Beiträgen Abschreckungswirkung von Strafe, Prävention durch Täter-Opfer-Ausgleich und Kommunale Kriminalprävention in das Handbuch neu aufgenommen

Aufbau und Inhalt

Im ersten Oberkapitel Kriminalitätstheorien, Methoden und Praxis werden handlungstheoretische Ansätze, Anomietheorien und Selbstkontrolltheorien sowie die voluntaristische Kriminalitätstheorie und die Situational Action Theory dargestellt. Darüber hinaus werden in diesem Bereich Methoden der empirischen Kriminalsoziologie und die praktische Bedeutung kriminalsoziologischer Forschung am Beispiel der Polizei behandelt.

Der zweite Themenbereich Ätiologie. Ursachen von Kriminalität enthält Beiträge zu den Themen Werte und abweichendes Verhalten, Migration und Kriminalität, Wertorientierungen bei Jugendlichen, familiale Sozialisation und Delinquenz, Geschlecht und Kriminalität, Medien und Gewalt, Risikofaktoren für die Entwicklung dissozialen Verhaltens in der Kindheit und Jugend, Resilienz – Schutzfaktoren für delinquentes Verhalten sowie Jugenddelinquenz in großstädtischen Wohngebieten. Im dritten Kapitel Struktur und Entwicklung von Kriminalität werden neben dem Thema Gewalt an Schulen regionale Unterschiede in der gerichtlichen Sanktionspraxis in Deutschland behandelt, während das Kapitel Soziale Probleme und gesellschaftliche Reaktionen Beitrage zu Wirtschaftskriminalität, Korruption, Kriminalität und Zuwanderung (Delikte, Problemfelder und Ursachen), rechtsextremer Gewalt am Beispiel qualitativer Analysen zu jugendlichen Tätern und Opfern, Extremismus (Ideologien und politisch motivierte Kriminalität), Vorurteile, Diskriminierung und Hassgewalt sowie sexuelle Gewalt unter Gleichaltrigen behandelt sowie einen Beitrag zum Strafvollzug. Beiträge zu Opferforschung und Kriminalitätsfurcht sind Bestandteile des fünften Themenbereichs Viktimisierungen und Kriminalitätsfurcht. Im neu hinzu gekommenen sechsten Kapitel Prävention beschäftigen sich die Autor:innen mit der Abschreckungswirkung des Strafrechts, der Prävention durch den Täter-Opfer-Ausgleich und der kommunalen Kriminalprävention.

An dieser Stelle soll auf zwei Kapitel näher eingegangen werden: So wird im ersten Kapitel die voluntaristische Kriminalitätstheorie (S. 53 ff.) vorgestellt. Der Kern der Theorie liegt in der Verknüpfung zwischen Werten und Delinquenz auf der Individualebene. Je ausgeprägter religiöse, traditionsbezogene, leistungsbezogene und idealistische Werte sind, desto höher ist die Akzeptanz von Rechtsnormen und desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit kriminellen Handelns. Materialistische, hedonistische und subkulturelle Werte haben den gegenteiligen Effekt. Die Sanktionierung von Kriminalität kann – in Abhängigkeit von der praktischen Ausgestaltung – die Wertorientierungen des Sanktionierten und damit auch den Verlauf krimineller Karrieren beeinflussen. Trägt eine Sanktion zur Förderung religiöser, leistungsbezogener und idealistischer Werte bei, wird die Wahrscheinlichkeit krimineller Handlungen reduziert, fördert sie hingegen materialistische, hedonistische und subkulturelle Werte, bewirkt die Sanktion einen eigendynamischen Prozess, der zu einer Eskalation der Kriminalitätsentwicklung führt. Neben der schriftlichen Vorstellung der Theorie ist diese auch in grafischer Form dargestellt.

Aus dem neuen Oberkapitel zur Prävention soll noch ein kurzer inhaltlicher Blick auf den Text zur Abschreckungswirkung des Strafrechts geworfen werden. Die Idee, durch strafe abzuschrecken, ist einer der Grundpfeiler des deutschen Strafrechts und zwar durch negative Generalprävention oder negative Spezialprävention. Beide Aspekte werden anhand empirischer Untersuchungen vorgestellt und bewertet. Nach der Beschreibung der theoretischen Rahmenbedingungen. So geht es bei der negativen Spezialprävention darum, bei dem/der einzelnen Täter:in durch die Strafe eine Abschreckung zu erreichen, während die negative Generalprävention für die Gesellschaft an sich ein Signal setzen. Forschungsergebnisse dazu sind aber nicht einheitlich. Der wahrgenommenen Wahrscheinlichkeit, für eine Tat bestraft zu werden, kommt tatsächlich eine gewisse Abschreckung zu, während die Höhe der zu erwartenden Strafe weniger wichtig zu sein scheint. Bei der spezialpräventiven Abschreckung ist die Datenlage dagegen eher schwierig. Zwar seien solche Effekte nicht von der Hand zu weisen, aber auch nicht so ausgeprägt, wie man vielleicht erwarten könnte.

Allen Texten ist ein kurzes Abstract voran- sowie ein Literaturverzeichnis nachgestellt.

Diskussion

Anspruchsvolle Texte von hoher inhaltlicher Qualität und Kompetenz bieten einen wissenschaftlich fundierten Einblick in das Thema Kriminalität und ihre Schnittmenge zwischen Gesellschaft und der einzelnen Person. Die klare Gliederung, umfangreiche Abbildungen und Tabellen helfen, sich diesem spannenden Fachbereich inhaltlich zu nähern, wobei es sich sicherlich vor allem um einen Titel handelt, für den eine gewisse Grundkompetenz für das Lesen wissenschaftlicher Texte erforderlich ist.

Fazit

Ein optisch und inhaltlich ansprechendes Buch, dass in der Neuauflage sinnvoll ergänzt wurde und so auch weiterhin eine hohe Qualität bietet, die den hohen Preis rechtfertigt.

Rezension von
Wolfgang Schneider
Sozialarbeiter
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Es gibt 114 Rezensionen von Wolfgang Schneider.

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Zitiervorschlag
Wolfgang Schneider. Rezension vom 01.11.2024 zu: Dieter Hermann, Barbara Horten, Andreas Pöge (Hrsg.): Kriminalsoziologie. Handbuch für Wissenschaft, Studium und Praxis. Nomos Verlagsgesellschaft (Baden-Baden) 2024. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. ISBN 978-3-8487-8974-0. Reihe: NomosHandbuch. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/32140.php, Datum des Zugriffs 13.12.2024.


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