Sandra Steiner Roth: Das Stück Brot ist wieder ein Stück Brot
Rezensiert von Sebastian Kron, 14.08.2024
Sandra Steiner Roth: Das Stück Brot ist wieder ein Stück Brot. Wege aus der Essstörung. Hogrefe AG (Bern) 2024. 208 Seiten. ISBN 978-3-456-86310-8. D: 30,00 EUR, A: 30,90 EUR, CH: 40,90 sFr.
Thema und Entstehungshintergrund
Essstörungen resultieren oftmals aus einer verzerrten Wahrnehmung zum eigenen Körperbild, veränderten gesellschaftlichen Vorstellungen zum Körperbild von Mädchen und jungen Frauen und schwersten Traumatisierungen.
Derweil nehmen die Zahlen der männlich Betroffenen ebenfalls stetig zu.
Damit sind Essstörungen ein gesamtgesellschaftliches Problem und sollten zwingend ernst genommen werden, insbesondere dann, wenn Menschen in einer Welt hineinwachsen, die von Leistungsdruck, ständigen äußeren Einflüssen zum „idealen“ Körperbild, Gewalteinwirkungen und zunehmenden, unruhigen Zeiten geprägt ist.
Autor:in
Frau Sandra Steiner Roth ist psychologische Beraterin und qualifiziert in der Diagnostik mit MAS bei Kindern und Jugendlichen.
Aufbau
Die vorliegende Lektüre ist in drei Teile untergliedert:
- Grundlegende und immer wiederkehrende Themen und Fragen, die an die Autor:in im Praxisalltag in den Gesprächen mit Klient:innen mit Essstörungen begegnen.
- Persönlich verfasste Erfahrungsberichte von Betroffenen, von ehemals Betroffenen, Angehörigen, Partner:innen und Freund:innen, die das Thema aus ihrer persönlichen Perspektive beleuchten.
- Kurze Fachinformationen zu den verschiedenen Formen von Essstörungen (Magersucht, Bulimie, Binge Eating Disorder)
Inhalt
Die Autorin geht im ersten Teil auf zentrale Fragen ein, die sich im Kontakt Therapeut:in – Klient:in oder Therapeut:in – Eltern ergeben. Sie thematisiert dabei zentrale Formen für ein gestörtes Essverhalten und verdeutlicht, auf welcher Basis therapeutische Interventionen ansetzen und wie sie Einfluss auf verzerrte Gedanken, unpassende Eigenwahrnehmungen und damit verbundene Ängste nehmen können. Eine zentrale Rolle spielen auch temporäre Bedingungen der Intervention, in dem Klient:innen Zeit gegeben wird, die sie im Zuge einer Gesundung benötigen. Beziehungsdynamiken und der Umgang mit dem Selbst sind fundamentale Grundpfeiler therapeutischen Handelns. Hier können Selbsthilfegruppen helfen, Bestätigungen zu erfahren, Wünsche, Träume und Visionen zu erkennen und das Selbstwerterleben nachhaltig zu bessern, sich selbst neu kennenzulernen.
Der zweite Teil des Buches thematisiert Erfahrungsberichte, die zum einen das Bewusstsein für derartige Störungsbilder schärfen, zum anderen verdeutlichen, wo biografische Hürden, Herausforderungen und Ängste der Betroffenen liegen/lagen. Weiterhin stehen Familienangehörige, Freund:innen und Partner:innen oftmals machtlos dabei und müssen notgedrungen einige Situationen „ertragen“, die eigentlich schwer erträglich sind. Es wird deshalb dieser Personengruppe empfohlen, das Wissen zum Thema Essstörungen zu schulen, zum anderen Betroffenen das Gefühl zu geben, ihnen achtsam, zeitgleich aber emotional zur Seite zu stehen. Oftmals sind ungünstige Beziehungskonstellationen in Schule und Ausbildung von Mobbing und Ausgrenzungen gefärbt, die dazu führen, dass Betroffene einen ungünstigen Bezug zu ihrem Körper entwickeln. Daher sind funktionierende Gruppendynamiken, u.a. in der Familie für Betroffene sehr bedeutsam.
Der Anhang bietet grundlegende Informationen zu den Störungsbildern (z.B. Diagnostische Hinweise und Anzeichen). Weiterhin zeigt er Möglichkeiten auf, wie die erste Ansprache der Betroffenen auf einer wohlwollenden Ebene gelingen kann.
Diskussion
Essstörungen sind zu einem gesamtgesellschaftlichen Problem geworden und scheinen den „Wahn“ der Anpassungsgesellschaft zu verfolgen. Kinder und Jugendliche werden nicht mehr in ihrer Einzigartigkeit und ihrem Wunsch nach Harmonie gestärkt. Angefangen in der Schule bis hin zur Ausbildung sind sie gezwungen, eine*r von vielen zu sein. Kriege und gewaltmäßige Auseinandersetzungen (in Europa) führen dazu, dass Jugendliche Angst um ihre Zukunft haben müssen. Mobbing und Ausgrenzungen an Schulen bringen die junge Seele zum „Überkochen“. Traumatische Erfahrungen schärfen diese Problematiken.
Helfende Berufe, wie Soziale Arbeit, sind scheinbar zu Professionen geworden, die Menschen das Gefühl geben (müssen), mit einem System klarzukommen, welches es nicht mehr vollumfänglich zulässt, Individualität und Ideenreichtum zu erleben, Ressourcen und individuelle Stärken auszuleben und sich auf das zu besinnen, was den Menschen in seiner Individualität und Einzigartigkeit wirklich ausmacht.
Fazit
Das Buch versucht ein Bewusstsein für das Thema Essstörungen über Erfahrungswerte von Betroffenen zu schaffen und holt dabei den Lesenden auf der emotional-helfenden Ebene ab. Es ist durchaus für Berufsgruppen geeignet, die das eigene Bewusstsein zu individuellen und lebensweltbezogenen Herausforderungen von Menschen mit Essstörungen schärfen und ein individuell-empathisches Handeln gegenüber dem Störungsbild erwerben möchten.
Rezension von
Sebastian Kron
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Es gibt 13 Rezensionen von Sebastian Kron.
Zitiervorschlag
Sebastian Kron. Rezension vom 14.08.2024 zu:
Sandra Steiner Roth: Das Stück Brot ist wieder ein Stück Brot. Wege aus der Essstörung. Hogrefe AG
(Bern) 2024.
ISBN 978-3-456-86310-8.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/32147.php, Datum des Zugriffs 15.09.2024.
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