Norbert Weiss: Projektsupervision und Führung
Rezensiert von Dipl. Soz.-Päd. Gerd Schweers, 25.09.2024
Norbert Weiss: Projektsupervision und Führung. Eine kritische Betrachtung moderner Führungspraktiken. Duncker & Humblot GmbH (Berlin) 2024. 84 Seiten. ISBN 978-3-89673-798-4. D: 24,90 EUR, A: 25,60 EUR.
Thema
In der Vorbemerkung wird angekündigt, dass sowohl die Wortbedeutungen von Projektsupervision als auch die heutige Projektsituation in Deutschland vorgestellt werden sollen, gefolgt von Überlegungen zur „motivorientierten Projektsteuerung“ (S. 7). Im Haupttext soll es dabei um die Entwicklung von Kerngedanken gehen – ausdrücklich praxisorientiert. Auf diesen Teil folgen äußerst umfangreiche Anmerkungen und ein Quellennachweis. Schon in der Vorbemerkung gibt es deutliche pauschale Kritik an den Führungsleistungen auf allen Managementebenen, vor allem in deutschen Großunternehmen.
Autor:
Dr. Norbert Weiss studierte Psychologie und Soziologie, ist u.a. ausgebildeter Psychotherapeut, Kommunikationstrainer und systemischer Coach und Berater. Vor seiner freiberuflichen Tätigkeit sammelte er mehrjährige Erfahrungen als Führungskraft im Finanzbereich.
Entstehungshintergrund
Der Autor bezieht sich hinsichtlich seiner kritischen Überlegungen vor allem auf seine 30-jährige Erfahrung im Bereich der Organisationsentwicklung, der Supervision und des Coachings.
Aufbau und Inhalt
Nach der Einleitung in Kapitel 1 folgt im Kapitel 2 ein kurzer, exkursartiger Teil zum Thema „Führung“, in der die Notwendigkeit einer neuen Vorstellung von Führung der Meinung des Verfassers gegenübergestellt wird, was Führung „wirklich ist“ oder „nicht ist“.
Im Kapitel drei wird das Thema „Projekte“ behandelt, unter anderem mit einer kritischen Sicht auf bisherige Projekte und Reflexionen zu Erfolg und Erfolgskriterien für Projekte. Darauf folgen „Verhaltenshinweise für Projektmitglieder“ und Beschreibungen der „Rolle des Projektleiters“.
Im Kapitel 4 wird die Notwendigkeit von Supervision in Organisationen begründet, unüberhörbar basierend auf den Erfahrungen des Verfassers, gefolgt von sehr kurzen Überlegungen zur Begrifflichkeit von Supervision und zur Abgrenzung vom Coaching.
Im Kapitel 5 skizziert der Verfasser auf wenigen Seiten Grundlagen von Projektsupervision und die Aufgaben und Kompetenzen von Projektsupervisoren.
Kapitel 6 enthält ein Praxisbeispiel für eine erfolgreiche Projektsupervision (Nutzungsoptimierung einer neu angeschafften produktionsrelevanten Maschine bei einem Maschinenbauer).
Das Buch endet in Kapitel 7 mit einem Ausblick auf die zukünftige Entwicklung.
Diskussion
In der Vorbemerkung wird darauf verwiesen, dass die Verlagslektorin die Ausführungen des Verfassers als „meinungslastig“ charakterisiert habe. Möglicherweise ist dies eine Parallele zu meiner Wahrnehmung des Textes als primär durch die eigenen umfangreichen Erfahrungen begründet, was immer wieder dazu führt, dass auf und zu diesen Erfahrungen passende Handlungsanweisungen, Meinungen – und manchmal auch Allgemeinplätze- aufgeführt werden. Im extrem umfangreichen Anmerkungsteil mischen sich Quellen unterschiedlichster Art (Fachliteratur, Literatur, Philosophie, Kunst), die wohl den Zugang des Autors zu seinem Thema geprägt haben, mit einer Vielzahl ausgesprochen überflüssiger Informationen z.B. zur Biografie des zitierten Autors. Dies ist in der Vielfalt durchaus beeindruckend, birgt aber immer das Risiko der Beliebigkeit und ist natürlich weit entfernt von wissenschaftlicher Argumentation klassischer Art. In der Konkretisierung von Arbeitsschritten und Vorgehensweisen ist die umfangreiche Erfahrung des Verfassers einerseits unüberhörbar, kann aber andererseits Widersprüchlichkeiten in der Beschreibung von Aufgaben des Projektsupervisors nicht verhindern (S. 46/47: Soll er „in erster Linie für den Projektleiter da sein“ oder „ausschließlich das Projektteam begleiten“?). Durchaus komplexe Fragestellungen wie z.B. zum Unterschied von Coaching und Supervision werden mit einigen Zitaten von zwei Autoren und ein paar kurzen Statements beantwortet. (S. 42/43) Pauschalisierende Aussagen wie „… kein besonders gutes Bild von den Führungsleistungen auf allen Managementebenen“ (S. 8.) oder überaus selbstbewusste, wenn nicht narzisstisch anmutende Aussagen wie („…, dann kommen die verantwortlich handelnden nicht um die Lektüre und Anwendung der in dieser Veröffentlichung dargelegten Handlungsempfehlungen herum.“ (S. 54) wirken auf mich doch sehr irritierend und erschweren mir die Nutzung von durchaus fundierten Handreichungen, z.B. „Faktoren“ für erfolgreiche Projekte (S. 36). Die im letzten Teil beigefügte „Veröffentlichungsliste“ verstärkt diesen Eindruck. Sie umfasst vor allem Biografien und Werkdarstellungen prominenter Figuren aus den Bereichen Literatur, Philosophie, Politik, Kunst u.a. … Stichprobenartig vorgenommene Überprüfungen von mir haben keinen Hinweis gebracht, dass sich hier um Veröffentlichungen im gewohnten Sinn handelt.
Fazit
Die eingangs klar formulierte Zielsetzung des Buches wird weitgehend verfehlt. Ursache dafür ist vor allem der geringe Umfang, der kaum differenzierte thematische Analyseleistungen zulässt und die vorwiegende Orientierung an der persönlichen Erfahrung des Autors. Die beachtlichen Erfahrungen, die dem Text zugrunde liegen, finden ihren Niederschlag lediglich in kurzen, möglicherweise hilfreichen Handreichungen, die für erfahrene Nutzer im Arbeitsbereich von Interesse sein können.
Rezension von
Dipl. Soz.-Päd. Gerd Schweers
Systemischer Familientherapeut, Ausbilder der GwG (GF, SV) .
Lehrer für besondere Aufgaben (Theorien und Methoden der Sozialarbeit) i.R.
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Zitiervorschlag
Gerd Schweers. Rezension vom 25.09.2024 zu:
Norbert Weiss: Projektsupervision und Führung. Eine kritische Betrachtung moderner Führungspraktiken. Duncker & Humblot GmbH
(Berlin) 2024.
ISBN 978-3-89673-798-4.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/32158.php, Datum des Zugriffs 06.10.2024.
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