Franz Kolland, Rebekka Rohner et al. (Hrsg.): Digitale Bildung und digitale Praxis im Alter
Rezensiert von Mandy Kretzschmar, 28.08.2024
Franz Kolland, Rebekka Rohner, Vera Gallistl (Hrsg.): Digitale Bildung und digitale Praxis im Alter. Neue Teilhabemöglichkeiten für ein langes Leben. Verlag Barbara Budrich GmbH (Opladen, Berlin, Toronto) 2024. 146 Seiten. ISBN 978-3-8474-3030-8. D: 44,90 EUR, A: 46,20 EUR.
Thema
Das Buch bietet einen Einblick in die digitale Teilhabe älterer Menschen und deren Facetten im Alltag. Es untersucht die Bedeutung der Digitalität im Verlauf des Älterwerdens. Dabei werden Zusammenhänge sozialer Bedingtheit und sozialer Ungleichheit abgebildet, sowie die Wirkung der Digitalisierung auf die Gesundheit und kognitive Leistungsfähigkeit praxisnah diskutiert. Leitinteresse der Forschungsarbeit ist der Weg aus der „digitalen Unmündigkeit“, hin zur Abbildung sozialer Praktiken, Formen der Mitbestimmung und Entwicklung individueller Autonomie.
Herausgeber:innen
Prof. Dr. Franz Kolland leitet das Kompetenzzentrum Gerontologie und Gesundheitsforschung, Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften, Krems an der Donau
Rebekka Rohner, M.A., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Kompetenzzentrum Gerontologie und Gesundheitsforschung, Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften, Krems an der Donau
Dr. Vera Gallistl ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Kompetenzzentrum Gerontologie und Gesundheitsforschung, Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften, Krems an der Donau
Entstehungshintergrund
„Die rasante Zunahme von (digitalem Wissen) in der Gegenwartsgesellschaft eröffnet zwar eine hohe Vielfalt an Handlungsmöglichkeiten, sie erzeugt aber auch Unsicherheiten. Diese Unsicherheiten führen bei Teilgruppen von älteren Menschen zu einem Rückzug und zu einer Distanz gegenüber neuem Wissen“ (Kolland/​Rohner/​Gallistl 2024, S. 20 f.). Die im Zusammenhang stehende Multioptionalität digitaler sozialer Praktiken, sprich Chancenvielfalt und erhöhtes Risiko des Scheiterns, wird anhand dieser empirischen Arbeit mit Wissensbeständen angereichert und eröffnet Möglichkeiten, mit Unsicherheiten und Ungewissheit umgehen zu können.
Aufbau und Inhalt
Nach einem Vorwort ist das Buch in sieben Abschnitte aufgeteilt:
- Einleitung
- Digitale Praxis im Alter: Eine konzeptionelle Neubestimmung
- Digitales Lernen im Alter
- Digitale Teilhabe im Alter
- Digitale Exklusion
- Ausblick: Älterwerden in einer digitalisierten Gesellschaft
- Denkanstöße für die Praxis
Nachfolgend befindet sich im Anhang die Befragung B1, B2 und B3, sowie Multivariate Analysen.
In der Einleitung gehen die Autoren auf das Tätigsein als wichtigster Baustein eines erfüllten Lebens ein. Bildungsaktivitäten wirken sich nachweislich günstig auf die Lebenszufriedenheit, Gesundheit und eine selbstständige Lebensführung aus. Bezogen auf Studien der Lebensphase Ruhestand ist nachgewiesen, dass Aktivität und gesellschaftliche Teilnahme sich positiv auf das Leben im Alter auswirken (vgl. Kolland/​Rohner/​Gallistl 2024, S. 11). Gekoppelt ist dies meist mit dem steigenden Wohlstand und bedingt sich aber auch mit Problemlagen wie sozialer Ungleichheit und dem Zugang zu digitalen Medien. In diesem Zusammenhang gehen die Autoren auf folgende Aspekte ein:
- Soziale Exklusion
- Die Non-User
- Digitale Bildung im Alter zwischen Autonomie und Ambivalenz
- Digitale Souveränität
- Selbstlernen/​Selbstkompetenz und Digitalisierung
- Soziale Praktiken in der digitalen Bildung – ein Ausblick
Im zweiten Abschnitt gehen die Autoren auf das Älterwerden in einer digitalen Gesellschaft ein und erläutern anhand einer durchgeführten Studie zu älteren Nicht-Nutzer*innen digitaler Technologie. Dabei haben die Autoren Menschen über 65 Jahren mittels einer Befragung zu ihrer Internetnutzung untersucht. Der Fokus liegt auf denjenigen Menschen über 65 Jahren, die das Internet nicht nutzen bzw. noch nie genutzt haben. Anhand der Studie verfolgen die Autoren das Ziel, digitale Anschlüsse zu erforschen und Wege zu finden, um die Nutzung des Internets durch Bildung und Lernen zu fördern. In Kapitel werden Beispiele aus der Befragung aufgeführt, die verdeutlichen, wie die Nutzungspraktiken älterer Menschen sind. Daraus resultierend stellen die Autoren fest, dass eine objektive Messung von digitalen Kompetenzen nur eingeschränkt sinnvoll ist. Sie entwickeln für das Projekt dahingehend ein praxeologisches Konzept digitaler Kompetenzen. Zudem vergleichen die Autoren vier zentrale Definitionen digitaler Kompetenz und entwickeln unter Berücksichtigung heterogener Kontextbedingungen der Techniknutzung im Alter einen Kompetenzbegriff.
Die Autoren gehen im dritten Abschnitt auf Aspekte des digitalen Lernens im Alter ein und deren unterschiedlichen Lernformen. Digitales Lernen findet in anderen Formen und folgt anderen Inhalten. Im Kapitel gehen die Autoren auf folgende Teilaspekte ein:
- Lernwege im Alter
- Digitales Lernen und digitale Praxis
- Zielgruppen verschiedener Lernwege
Dabei entwickelten die Autoren Tipps, wie man die Diversität des digitalen Lebens in der Praxis berücksichtigen kann.
Die Autoren beschäftigen sich im vierten Abschnitt mit der Gewährleistung digitaler Teilhabe und Verringerung von Ungleichheiten im Alter. Zum einen zeigen die Autoren die Vielfalt und Differenzierungen innerhalb der Gruppe älterer Nutzer*innen von digitalen Technologien im Alter sowie digitalen Ungleichheiten im Alter auf. Die Autoren heben folgende Aspekte hervor:
- Digitale Praktiken von älteren Frauen
- Die digitale Praxis von bildungsferneren Gruppen
- Digitale Praktiken in der Lebensphase der Hochaltrigkeit
- Gesundheitliche Einschränkungen als Barriere
Zum Abschluss gehen die Autoren der Frage nach, welche Auswirkungen die digitale Teilhabe hat und leiten zum fünften Abschnitt, Digitale Exklusion, über.
Der Fokus im fünften Kapitel liegt auf den Nicht-Nutzer*innen, die keine digitale Medienkompetenz haben und keine digitalen Geräte selbstständig nutzen. Hier gehen die Autoren der Frage nach, ob eine Nicht-Nutzung problematisch ist und eine Benachteiligung bedeutet. Daher gehen die Autoren in diesem Kapitel folgenden Fragen nach:
● Wann können wir von Nicht-Nutzung sprechen?
● Unter welchen Bedingungen führt die Nicht-Nutzung digitaler Geräte zu sozialem Ausschluss und sozialer Benachteiligung?
Anhand der Forschungsarbeit und den Ausführungen im Buch wird im Ausblick im sechsten Abschnitt die Vielfalt in der Art und Weise zusammengefasst, wie ältere Menschen eingebunden in den Digitalisierungsprozess sind und mitgestalten. Die Ergebnisse decken zudem Prozesse und Praktiken der digitalen Exklusion und Skepsis im Alter auf. Daraus ergeben sich sozial- und bildungspolitischer Handlungsbedarfe, da technische Innovationsprozesse keine statischen Erscheinungen sind.
Das letzte Kapitel basiert auf den Erkenntnissen der Interviews und dem vorhandenen Wissen. Die Autoren zielen auf die Förderung der digitalen Praxis im Alter und Gestaltung digitaler Bildungsangebote und geben Denkanstöße für die Praxis, in Form von zwölf Empfehlungen:
- Berücksichtigung der Heterogenität älterer Menschen
- Schaffung von niedrigschwelligen Zugängen und finanzieller Erleichterungen
- Abholung von älteren Menschen in ihren Lebenswelten
- Ermöglichung von Mitgestaltung und der Weitergabe von Wissen
- Etablierung einer langfristigen Unterstützung
- Thematisierung von Alters- und Technikbilder
- Reflexion von Zukunftsvorstellungen
- Förderung von Reflexionspraktiken
- Förderung eines selbstbestimmten und souveränen Handelns
- Berücksichtigung von bewusster Nicht-Nutzung
- Barrierefreiheit technischer Geräte
- Berücksichtigung der Heterogenität von technischen Geräten
Diskussion
Franz Kolland, Rebekka Rohner und Vera Gallistl verfassen einen sehr praktischen Diskurs, der Fachkräften Einblicke in die Forschung zum Thema Digitale Bildung und Praxis im Alter gewährt. Kern der professionellen Arbeit ist das Aufzeigen der Heterogenität im Umgang mit digitalen Medien im Alter. Die didaktische Aufarbeitung des Buches ist sehr gut nachvollziehbar und ermöglicht einen barrierearmen Zugang. Die anwendungsbezogenen und anschaulich dargestellten Beiträge werden durch Tabellen, Abbildungen, Zusammenfassungen am Ende eines Abschnittes und Gesprächsnotizen unterstützt.
Fazit
Franz Kolland, Rebekka Rohner und Vera Gallistl schaffen eine Ausgewogenheit von theoretischer Tiefe und Praxisnähe und zeigen, wie die Forschungsarbeit rasch und zuverlässig zu allen Bestandteilen eine praxeologische Herangehensweise zu dem Thema Digitalisierung im Alter informieren kann. Das Buch bietet einen einführenden, aber vollständigen, horizontalen Überblick über das Thema und erweist sich als einen nützlichen Wegweiser für die Leser*innenschaft.
Rezension von
Mandy Kretzschmar
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Es gibt 17 Rezensionen von Mandy Kretzschmar.
Zitiervorschlag
Mandy Kretzschmar. Rezension vom 28.08.2024 zu:
Franz Kolland, Rebekka Rohner, Vera Gallistl (Hrsg.): Digitale Bildung und digitale Praxis im Alter. Neue Teilhabemöglichkeiten für ein langes Leben. Verlag Barbara Budrich GmbH
(Opladen, Berlin, Toronto) 2024.
ISBN 978-3-8474-3030-8.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/32159.php, Datum des Zugriffs 12.09.2024.
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