Anja Stolakis, Annette Schmitt et al. (Hrsg.): Digitale Medien in der Kita mit Fachkräften, Kindern und Eltern reflektieren
Rezensiert von Marc-Dominique Barth, 30.07.2024

Anja Stolakis, Annette Schmitt, Jörn Borke, Sven Hohmann (Hrsg.): Digitale Medien in der Kita mit Fachkräften, Kindern und Eltern reflektieren. Praxismaterialien für die Aus-, Fort- und Weiterbildung. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2024. 212 Seiten. ISBN 978-3-7799-7820-6. D: 50,00 EUR, A: 51,50 EUR.
Thema
Das vorliegende Buch befasst sich mit dem Thema digitale Medien in der Kita. Dabei gehen die Autorinnen und Autoren insbesondere auf den reflektierten Umgang mit digitalen Medien ein. Der Begriff medialer Habitus zieht sich dabei als roter Faden durch das gesamte Buch, welches eine Sammlung an Materialien für die Umsetzung in der Praxis in ausführlicher Form den Leserinnen und Lesern an die Hand gibt.
Herausgeber:innen
M.A. Anja Stolakis ist studierte Heilpädagogin und hat in der Vergangenheit an einigen Projekten mit dem Schwerpunkt Inklusion mitgewirkt. Zudem war sie am Projekt „Digitale Medien in der Kita (DiKit)“ beteiligt. Daneben ist sie Mitglied im Kompetenzzentrum Frühe Bildung (KFB).
M.A. Eric Simon ist Sozialwissenschaftler und ebenfalls Mitglied im Kompetenzzentrum Frühe Bildung (KFB). Er hat als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Projekt „Digitale Medien in der Kita (DiKit)“ mitgewirkt und ist im Forschungsnetz Frühe Bildung Sachsen-Anhalt (FFB) tätig.
M.Sc. Sven Hohmann ist Psychotherapeut in Ausbildung (PiA) und hat als wissenschaftlicher Mitarbeiter ebenfalls am Projekt „Digitale Medien in der Kita (DiKit)“ mitgewirkt.
Prof. Dr. Jörn Borke ist Dipl.-Psychologe und Professor für Entwicklungspsychologie der Kindheit an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Er ist Vorstandsmitglied im Kompetenzzentrum Frühe Bildung (FBB) sowie Mitglied im Sprecherrat des Forschungsnetzes Frühe Bildung Sachsen-Anhalt (FFB). Beim Projekt „Digitale Medien in der Kita (DiKit)“ war er Teil der Projektleitung.
Prof. Dr. Annette Schmitt ist Dipl.-Psychologin und Professorin für Bildung und Didaktik im Elementarbereich an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Sie ist Direktorin des Kompetenzzentrum Frühe Bildung (KFB) und ebenfalls Teil der Projektleitung des Projekts „Digitale Medien in der Kita (DiKit)“. Zudem ist sie Herausgeberin des vorliegenden Buches.
Dr. Henry Herper ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg. Er engagiert sich im Rahmen des Projektes Klassenzimmer der Zukunft an der curricularen Entwicklung, Nutzung und Evaluation informatischer Bildung und digitaler Medien. Zudem ist er Sprecher der Landesgruppe „Informatische Bildung an Schulen“ in Sachsen-Anhalt.
Entstehungshintergrund
Vor dem Hintergrund der immer weiter voranschreitenden Digitalisierung und der zunehmend mediatisierten Lebenswelt, in der Kinder aufwachsen, sind pädagogische Fachkräfte mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Mit Blick auf Aspekte, die zum Gelingen medienpädagogischer Angebote beitragen, wurde das Projekt „Digitale Medien in der Kita (DiKit)“, welches vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wurde, durchgeführt. Dieses konzentrierte sich auf die Ebene der frühpädagogischen Fachkräfte. Das vorliegende Buch entstand als Ergebnis des zuvor genannten Forschungsprojektes um Materialien für die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Fachkräften in Kitas bereitzustellen, die auf Basis der empirischen Ergebnisse des Projektes DiKit aufbauen.
Aufbau
Die Autorinnen und Autoren legen den Schwerpunkt auf die Reflexion des Umgangs mit digitalen Medien in der Kita. Hierbei werden insbesondere die päd. Fachkräfte in den Blick genommen. Gleichzeitig wird aber auch die Perspektive der Eltern sowie der Kinder und deren Wichtigkeit für die Reflexion des Umgangs mit digitalen Medien in der Kita thematisiert, sodass die unterschiedlichen Perspektiven der Akteurinnen und Akteure Berücksichtigung finden. Zu Beginn schildern die Autorinnen und Autoren den Aufbau des Buches und die Anwendung der vorgestellten Materialien. Das Buch gliedert sich in zwei sogenannte (Fortbildungs-) Module. Ersteres ist das umfangreichere der beiden Module. In diesem finden sich ausführliche Beschreibungen der Reflexionsmaterialien für die Arbeit mit Fachkräften, Kindern und Eltern. Des Weiteren sind umfangreiche Anhänge für die Umsetzung der gezeigten Reflexionsmethoden vorhanden. Das zweite Modul befasst sich mit dem konkreten Einsatz von digitalen Spiel- und Lernwerkzeugen in der Kita und erläutert dies an ausgewählten Beispielen. Abschließend folgt eine Schlussbetrachtung, die eine Brücke zur Einleitung und dem Projekt DiKit schlägt.
Inhalt
Nachdem die Autorinnen und Autoren in einer kurzen Einleitung die Motivation und Entstehungsgeschichte des Buches darlegen, widmen sie sich dem Aufbau des Buches um den Leserinnen und Lesern einen leichten Start in die umfassende Materialsammlung und die Arbeit mit derselben an die Hand zu geben. In der Einleitung werden zudem schon einige zentrale Begriffe, die im Buch behandelt werden, aufgegriffen (Stichwort: medialer Habitus). Anschließend folgt der Einstieg in das erste Modul.
Reflexionsmaterialien
Der Start ins erste Modul erfolgt mit einer Betrachtung des theoretischen Hintergrundes zum Thema Digitalisierung in Kitas. Hierbei wird auf die Punkte
- „Kultur der Digitalität“ in der Kita
- (Medialer) Habitus
- Passung von Erziehungs- und Bildungsvorstellungen vor dem Hintergrund einer Kultur der Digitalität
eingegangen. Dabei wird die theoretische Abhandlung mit Zitaten aus Interviews, die im Rahmen des DiKit Projekts erhoben wurden, untermauert. Zudem werden Schlüsselfragen vorgestellt, die bereits beim Lesen zum Nachdenken anregen, aber auch noch ausführlicher von den Autorrinnen und Autoren dargelegt werden. Auch Beispiele und Zusammenfassungen mit dem Titel „Auf einen Blick“ lockern den Lesefluss immer wieder auf, und sorgen zudem für eine kurze Wiederholung des zuvor Gelesenen. Insgesamt verliert sich das Team von Autorinnen und Autoren nicht in theoretischen Abhandlungen, sondern stellt die wesentlichen Grundlagen für die Arbeit mit dem Buch dar, und liefert gleichzeitig viele Quellen und weiterführende Literatur für vertiefende Recherche.
Selbstreflexionsfragebogen
Anhand des Selbstreflexionsfragebogens können die päd. Fachkräfte ein besseres Verständnis dafür bekommen, welche eigenen Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata hinsichtlich des digitalen Medieneinsatzes verinnerlicht wurden. Dabei ist der Selbstreflexionsfragebogen in drei Teilbereiche untergliedert:
- Privater Kontext
- Beruflicher Kontext
- Elternschaft
Die Teilbereiche unterteilen sich nochmals in sechs Kategorien, in denen wiederum insgesamt 21 Skalen vereint sind. Diese Unterteilung erlaubt es, dass bspw. die private Mediennutzung mit der beruflichen Mediennutzung bei der Auswertung differenziert in Relation gesetzt werden kann. Dabei geht es jedoch nicht um eine Wertung, sondern um eine Reflexion des eigenen medialen Habitus. Diesen beschreiben die Autorinnen und Autoren als „Ausdruck der vielfältigen Lebenserfahrungen, die eine Person von der Geburt bis zum jetzigen Zeitpunkt prägen“ (Anja Stolakis et al. 2024. S. 22). Im letzten Teilbereich (Elternschaft) erfolgt dann durch die Fachkräfte die Fremdeinschätzung der Mediennutzung und Erwartungen der Eltern an digitale Medien in der Kita. Auf die einzelnen Skalen wird im Buch jeweils erklärend eingegangen. Zudem findet sich eine Art Schritt für Schritt Anleitung zur Anwendung der jeweiligen Items im Buch. Die benötigten Materialen werden neben dem umfangreichen Anhang auch in digitaler Form zum Download (QR-Code) bereitgestellt. Insbesondere die Auswertungsdatei sei hier erwähnt. Diese ermöglicht es die erhobenen Fragebögen entsprechend zentral zu sammeln und zu analysieren – auch in Kombination mit den Ergebnissen aus dem Elternfragebogen. Wie Sie die Auswertungsdatei, die als Excel Datei zur Verfügung gestellt wird, genau bedienen, erläutern die Autorinnen und Autoren ebenfalls ausführlich in diesem Abschnitt.
Elternfragebogen
Für eine gelingende Nutzung digitaler Medien in der Kita ist neben der Selbstreflexion der Fachkräfte für die Autorinnen und Autoren auch die Perspektive der Eltern essenziell. Analog zu den Fachkräften werden mit dem Fragenbogen Aspekte wie Mediennutzung in der Häuslichkeit, erwartete Auswirkungen digitaler Medien, Information und Mitbestimmung sowie Technikaffinität erhoben. Zielsetzung des Fragebogens, der deutlich kompakter ausfällt als die Version für die päd. Fachkräfte, ist es, einen Abgleich zu ermöglichen, inwieweit die päd. Fachkräfte die Elternschaft dahingehend einschätzen können, wie diese dem Einsatz digitaler Medien gegenüberstehen (vgl. Anja Stolakis et al.2024, S. 71). Eine detaillierte Beschreibung zur konkreten Umsetzung, ergänzt mit Reflexionsfragen, wird mitgeliefert.
Instrument zur Erhebung der Kinderperspektive
Auch die Kinderperspektive wird erhoben, um Kinder als Expertinnen und Experten ihrer Lebenswelt ernst zu nehmen. Das im Buch vorgestellte Vorgehen wurde im Rahmen des DiKit Forschungsprojektes entwickelt. Hierzu stellen die Autorinnen und Autoren den Ablauf des dreiphasigen Instruments vor. Die drei Phasen sind:
- Rundgang durch die Kita (Kinder stellen die Kita aus ihrer Perspektive dar)
- Kreisgespräche mit Hilfe von Bildkarten
- Kreisgespräch mit Memospiel
Die Auswertung erfolgt in Anlehnung an die zusammenfassende Inhaltsanalyse nach Mayring. Um diese jedoch praxistauglich zu gestalten, wurde das Vorgehen stark vereinfacht. Hierbei beschreiben die Autorinnen und Autoren auch, welche Rückmeldungen, die im Zuge der Erprobung aus der Praxis dazu gesammelt wurden in den Prozess mit aufgenommen wurden.
Fallbeschreibungen
Ergänzend zu den drei zuvor vorgestellten Erhebungsinstrumenten liefern die Autorinnen und Autoren auch sogenannte Fallbeschreibungen. Dazu werden in diesem Kapitel neben den Fallbeschreibungen auch konkrete Anweisungen zur Nutzung eben jener im Fortbildungskontext geliefert. Auch diese Unterlagen stehen in digitaler Form bereit.
Exemplarische Ablaufpläne
Als letzten Baustein in der Reihe der Reflexionsmaterialien liefern die Verfasser*innen exemplarische Ablaufpläne für eine mögliche Gestaltung von Fortbildungen, basierend auf den zuvor erläuterten Materialien. Dabei werden unterschiedliche Varianten vorgestellt, die verschiedene Zielgruppen aber auch Zielsetzungen verfolgen. Gleichzeitig ermutigen die Autorinnen und Autoren dazu, anhand der Ablaufpläne, eigene Fortbildungsabläufe zu kreieren.
Digitale Spiel- und Lernwerkzeuge in der Kita
Im zweiten Fortbildungsmodul des Buches werden verschiedene Komponenten vorgestellt, die päd. Fachkräfte beim Erwerb von Kompetenzen im Bereich digitale Dokumentation, Verwaltung und Lernkompetenzen unterstützen sollen. Hierbei werden ebenfalls kleine Ablaufpläne, sowie eine Auswahl an digitalen Hilfsmitteln bspw. für die Kommunikation mit Eltern und Kindern in anderen Sprachen, vorgestellt. Daneben werden verschiedene Konzepte digitaler Spiel- und Lernwerkzeuge aufgeführt. Dazu werden im Rahmen des Projektes DiKit erprobte Lernspielzeuge präsentiert. Exemplarisch werden hierzu etwa der Bee-Bot und der mTiny-Roboter genannt und verschiedene Anwendungsbereiche dargestellt. Zielsetzung ist hier wiederum, zunächst die päd. Fachkräfte zu befähigen mit den digitalen Spiel- und Lernwerkzeugen Erfahrungen zu sammeln, die sie dabei unterstützen, Spielszenarien für Kinder zu entwerfen aber auch bei dabei auftretenden Schwierigkeiten (z.B. Fehler in der Programmierung) entsprechend handlungssicher zu sein.
Schlussbetrachtung
In der abschließenden Schlussbetrachtung stellen die Autorinnen und Autoren nochmals dar, welche Zielsetzung das DiKit für das Thema digitale Medien in der Kita verfolgte. Es gehe weniger darum konkrete Handlungskompetenzen zu vermitteln, sondern bereits einen Schritt zuvor anzusetzen, indem eine Reflexion von Haltungen, Einstellungen, Erfahrungen, Vorbehalten und Berührungsängsten stattfindet (vgl. Anja Stolakis et al. 2024, S. 209). Zudem geben die Verfasser*innen hier nochmals einen kleinen Einblick in die Rahmenbedingungen, in denen die zuvor vorgestellten Instrumente entwickelt wurden, welche Personen daran beteiligt waren, und bedanken sich für die Mitwirkung der jeweiligen Beteiligten.
Diskussion
Die im Buch vorgestellten Materialien sind vielfältig und umfangreich. Durch die detaillierte Darstellung der Verfasser*innen ist eine Arbeit mit denselben jedoch keine Schwierigkeit – vielmehr im Gegenteil: Während dem Lesen verleiten gerade die praxisnahe Beschreibung der einzelnen Schritte, aber auch die online zur Verfügung stehenden Materialien, direkt dazu loszulegen. Schnell ist der Selbstreflexionsfragebogen ausgefüllt und in die Auswertungsdatei eingefügt. Dies motiviert die Module bzw. einzelne Items mit Kita-Teams durchzuführen. Dazu liefern die Autorinnen und Autoren zudem ergänzende Hinweise und Tipps und nennen potenzielle Fallstricke. Dabei können sie auf die Erfahrungen zurückgreifen, die im Rahmen der Entwicklung der Materialien gemacht wurden. Gleichzeitig basieren die Reflexionsmaterialien auf den empirischen Erkenntnissen des DiKit Projektes. Dies erlaubt es u.a. durchgeführte Reflexionen mit Typenschablonen abzugleichen, die aus den Ergebnissen des DiKit gewonnen werden konnten. Dabei geht es nicht um die Einstufung in richtig oder falsch, vielmehr soll die Möglichkeit geboten werden, tiefergehend ein Verständnis für den eigenen (medialen) Habitus zu gewinnen. Das vorliegende Buch möchte, wie der Titel schon erahnen lässt, den Beteiligten im Kita-Kontext praxistaugliche Materialien an die Hand geben, mit denen das Thema digitale Medien in der Kita zusammen mit allen beteiligten Akteurinnen und Akteuren reflektiert werden kann. Dabei geht es nicht um ein Tabuisieren oder Verherrlichen des Einsatzes digitaler Medien in der Kita, sondern um den reflektierten Umgang mit bestehenden Erfahrungen, Ressourcen, Ängsten, Kritik, Selbstwirksamkeit, Mitbestimmung, etc. – um diese bewusst wahrzunehmen und basierend darauf passende Handlungsschritte für die Praxis abzuleiten.
Fazit
Mit dem Buch „Digitale Medien in der Kita mit Fachkräften, Kindern und Eltern reflektieren“ erhält die Leserin bzw. der Leser ein Arbeitsbuch, um mit umfangreichen Praxismaterialien die Reflexion und Entwicklung des Umgangs mit digitalen Medien in der Kita unter Einbezug aller Beteiligten (Fachkräfte, Kinder, Eltern) zu begleiten und zu fördern. Dabei eignet sich das Buch insbesondere für Fort- und Weiterbildner*innen. Aber auch Kita-Leitungen oder päd. Verantwortliche können das Buch für die Teamentwicklung zum Umgang mit digitalen Medien in der Kita einsetzen und dabei auf umfangreiche Materialien zurückgreifen.
Rezension von
Marc-Dominique Barth
staatlich anerkannter Erzieher, M.A. Kindheits- und Sozialwissenschaften, Fachberatung für Kindertagesstätten
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