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Gudrun Faller: Diversityorientiertes betriebliches Gesundheitsmanagement

Rezensiert von Lisa Marie Holzheimer, 21.08.2024

Cover Gudrun Faller: Diversityorientiertes betriebliches Gesundheitsmanagement ISBN 978-3-7799-7531-1

Gudrun Faller: Diversityorientiertes betriebliches Gesundheitsmanagement. Integration von Gesundheit und Vielfalt in Arbeits- und Organisationskontexten. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2023. 252 Seiten. ISBN 978-3-7799-7531-1. D: 35,00 EUR, A: 36,00 EUR.

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Thema

Das vorliegende Werk thematisiert die Bedeutung eines Diversityorientierten Betrieblichen Gesundheitsmanagements in Unternehmen, mit dem Ziel, den vorherrschenden Fachkräftemangel langfristig kompensieren zu können. Das Diversityorientierte Betriebliche Gesundheitsmanagement bietet neue Impulse für die Verknüpfung der beiden Themenfelder Gesundheit und Vielfalt im organisationalen Handeln im Arbeitskontext. Anhand dieses mehrdimensionalen Ansatzes werden verschiedene Paradigmen der Organisationsveränderung herausgestellt, wodurch Leser*innen einen kritischen und bewussten Umgang mit den gängigen Praxisempfehlungen erlangen.

Autor*in

Das Buch wurde von der Autorin Prof. Dr. Gudrun Faller verfasst. Sie ist Professorin für Kommunikation und Intervention im Kontext von Gesundheit und Arbeit im Department of Community Health der Hochschule für Gesundheit Bochum.

Entstehungshintergrund

Die Verschärfung des Fachkräftemangels innerhalb Deutschlands ist Anlass der Ausarbeitung dieses Buches. „Nach Angaben des Münchner ifo-Instituts mussten im Juli 2022 fast 50 Prozent der befragten Unternehmen aufgrund des Fachkräftemangels ihre Geschäfte einschränken“ (Faller 2023, S. 13). Um dem langfristig entgegenwirken zu können, wird die Möglichkeit aufgezeigt, weitere Beschäftigtengruppen wie Menschen mit Beeinträchtigung, eines höheren Erwerbsalters sowie Fachpersonal aus dem In- und Ausland zu rekrutieren. Die damit einhergehende Verschiedenartigkeit und Vielfalt der Beschäftigten in ihren Bedürfnissen stellt an die Betriebe neue Herausforderungen. Die steigende Vielfalt der Belegschaft erfordert eine umfangreichere Anleitung der Zusammenarbeit durch Führungskräfte. Um diese neue Diversität adäquat auffangen zu können, benötigt es von den Führungskräften dahin gehend einen Kompetenzerwerb. Bislang fördern lediglich 48 % der Betriebe im europäischen Wirtschaftssektor die Nichtdiskriminierung und Vielfalt an ihrem Arbeitsplatz. Dies ergab eine Befragung der Europäischen Kommission im Jahre 2008. Darin sieht die Autorin einen Handlungsbedarf. Es bedarf „[…] professionell moderierte und nachhaltige Konzepte, die auf die jeweiligen betrieblichen Besonderheiten abgestimmt sind, am Bedarf der Beschäftigten ansetzen, letztere an der Planung, Umsetzung und Bewertung beteiligen und fest in den betrieblichen Strukturen verankert sind“ (ebd., S. 15). Unternehmen die sich einem Diversityorientierten Betrieblichen Gesundheitsmanagement annehmen, fördern auf diese Weise nicht nur die Gesundheit und das Wohlbefinden ihrer Angestellten, sondern gleichzeitig damit einhergehend die Arbeitsqualität, Produktivität und Innovationsfähigkeit ihrer Unternehmen.

Aufbau und Inhalt

Gudrun Faller leitet ihre Hauptkapitel mit Kapitelübersichten ein und schließt diese jeweils mit einem Zwischenfazit. Auf diese Weise können die Leser*innen bereits einen ersten thematischen Einstieg und Überblick zu den Kapiteln erlangen.

Zunächst wird im ersten Kapitel – Arbeit im Wandel – in die Thematik des Buches eingeleitet sowie dessen Relevanz begründet.

Im zweiten Kapitel – Arbeit, Organisation, Gesundheit, Vielfalt – werden die zentralen Begrifflichkeiten definiert. Darauffolgend werden die atypischen Erwerbsformen, die seit den 1990er-Jahren stark zunahmen, kritisiert. Die daraus resultierenden sozialen und gesundheitlichen Ungleichheiten für die Arbeitnehmer*innen werden von der Autorin kritisch beleuchtet. Darauf basiert ihre Forderung, von neuen und kreativen Lösungen auf der politischen Ebene, um gesundheitsförderliche und menschengerechte Arbeitsbedingungen schaffen zu können. Gudrun Faller sieht die Notwendigkeit darin, Organisationen zum Gestaltungsort für Gesundheit und Vielfalt werden zu lassen, mittels partizipativen Ausarbeitungsprozessen von gesundheitsförderlichen Programmen und Strukturen. Grundvoraussetzung dabei ist die Bereitschaft der organisationalen Entscheidungstragenden für anfallende Umstrukturierungen offen zu sein und strukturelle Diskriminierungen aufzudecken und zu sanktionieren.

Im dritten Kapitel – Gesundheitliche Lage verschiedener Gruppen in der Arbeitswelt – wird eine auf Statistiken basierende Bestandsaufnahme der arbeitsbedingten Gesundheit diverser Beschäftigtengruppen anhand verschiedener Einflussfaktoren (z.B. Alter, Geschlecht, Migration) vorgenommen. Die Statistiken zeigen, „[…] dass die genannten Gruppen kollektiv bestimmte Auffälligkeiten aufweisen und es insofern notwendig ist, die dahinterstehenden, strukturellen Benachteiligungen zu identifizieren und anzugehen“ (ebd., S. 77). Daraufhin zeigt Gudrun Faller konkrete Handlungsnotwendigkeiten im Bereich der arbeitsbezogenen Gesundheit unterschiedlicher Gruppen auf, die auf empirischen Erkenntnissen basieren. Zudem wird darauf aufmerksam gemacht, dass die Wechselwirkungen unter den Einflussfaktoren in ihrem Ausmaß bislang weitestgehend unterforscht sind und noch Forschungsaktivitäten bedürfen.

Das vierte Kapitel – Theorien zur Bedeutung psychosozialer Arbeitseinwirkungen auf Gesundheit – hebt zunächst hervor, dass psychische oder soziale Einflüsse nicht quantifizierbar sind. Eine Erfassung dieser Faktoren ohne die Beteiligung der Beschäftigten ist somit nicht möglich. Dem zur Folge wird der Fokus zunächst auf mögliche Wirkungsmechanismen von psychosozialer und psychischer Einwirkungen am Arbeitsplatz auf die Gesundheit der Beschäftigten gelegt. Im Weiteren werden zwei Rahmenmodelle näher erläutert – zum einen das Systemkonzept nach TRBS 1151 und zum anderen das Belastungs-Beanspruchungsmodell nach Rohmert (1984) – „[…] die spezifischen Merkmale der Arbeit und deren Einflüsse auf [die] Gesundheit thematisieren“ (ebd., S. 80). Daraufhin folgt eine Diskussion von sechs inhaltlich ausgewählten Theorieansätzen, die auf der Basis empirischer Untersuchungen jeweils bestimmte Aspekte der Arbeitsgestaltung behandeln. Das Kapitel betont noch einmal, weshalb betriebliche Gesundheitsmanagementaktivitäten an die Bedarfslagen der Beschäftigten individuell anzupassen sind und dabei nicht pauschal vorgegangen werden kann.

Das fünfte Kapitel – Theorieansätze zur Vielfalt in der Arbeit – legt den Leser*innen ebenfalls nahe, welche Anforderungen an gesundheitsförderliche und präventive Maßnahmen, im Sinne der Arbeitnehmer*innen, zu stellen sind. Dieses Kapitel legt seinen Fokus auf den Vielfaltsaspekt in Unternehmen, weshalb der Begriff zu Beginn definiert wird. Zur Veranschaulichung von menschlicher mehrdimensionaler Vielfalt im Kontext der Arbeit wird das Modell ‚Four Layers of Diversity‘ von Gardenswartz und Rowe genutzt, neben allgemeinen Diversitätstheorien. Diese wiederum werden durch weitere spezifische Theorien zur Vielfalt in der Arbeit ergänzt. Gudrun Faller weist in dem Zuge daraufhin, dass „[…] Antidiskriminierungsbemühungen auf organisationaler Ebene nur dann erfolgreich [sind], wenn gleichzeitig eine kritische gesellschaftliche Debatte um die Risiken und Schadenspotenziale dieser Konstrukte stattfindet“ (ebd., S. 134).

Das sechste Kapitel – Leitorientierungen der Organisationsveränderung – geht auf das Spannungsverhältnis zwischen ethischen Ansprüchen einerseits und den Faktoren Wirtschaftlichkeit, Konkurrenzfähigkeit und Gewinnerzielung andererseits im Rahmen betrieblichen Gesundheits- und Diversity-Managements ein. Im ersten Teil des Kapitels werden Konzepte in ihrer historischen Entwicklung beschrieben und diese mit modernen Managementkonzepten verglichen. Das Kapitel bietet ebenfalls einen Einstieg in die gesundheitsfördernde Organisationsentwicklung, indem das (digitale) Betriebliche Gesundheitsmanagement und die Betriebliche Gesundheitsförderung definiert werden. Gudrun Faller schließt das Kapitel mit einer Einschätzung möglicher gesellschaftlicher Einflussfaktoren auf organisationale Veränderungskonzepte mit der Schwerpunktsetzung Gesundheit und Diversity.

Das siebte Kapitel – Gesetzliche Grundlagen zugunsten von Gesundheit und Diversity im Betrieb – stellt die einschlägigen gesetzlichen Grundlagen und Bestimmungen für ein Diversityorientiertes Betriebliches Gesundheitsmanagement in Betrieben, im Hinblick auf die inner- und außerbetrieblichen Zuständigkeiten, dar. Dabei wird ersichtlich, dass die aktuelle Gesetzesgrundlage bezüglich der beiden Themenschwerpunkte des Buches Lücken aufweist.

Das achte Kapitel – Praxis des diversityorientierten betrieblichen Gesundheitsmanagements – skizziert ein praxisbezogenes Vorgehensmodell bestehend aus 10 Schritten zur Implementierung eines Diversityorientierten Gesundheitsmanagements. Das vorgestellte Konzept ist themenoffen formuliert und lässt bei der Umsetzung Schwerpunktsetzungen zu, im Bereich der Themenwahl als auch bei der speziellen Anpassung an das vorliegende Belegschaftskollektiv.

Das neunte Kapitel – Professionelles Handeln im Kontext gesellschaftlicher Verantwortung – schließt das Buch mit einem Fazit und einem Appell an die Leser*innen ab. Darin wird die Relevanz einer Implementierung sowie einer dauerhaften Verankerung eines Diversityorientierten Betrieblichen Gesundheitsmanagements noch einmal begründet, um auf Unsicherheiten und unerwartete Situationen mit adäquaten Lösungs- und Bewältigungsstrategien als Unternehmen reagieren zu können.

Diskussion

Gudrun Fallers Buch bietet einen fundierten und praxisnahen Einblick in die Bedeutung und Umsetzung eines Diversityorientierten Betrieblichen Gesundheitsmanagements. Die Autorin stellt einen Ansatz vor, der die Integration von Gesundheit und Vielfalt in den Unternehmensalltag fördert und somit einen Lösungsweg für den aktuellen Fachkräftemangel aufzeigt. Durch die systematische Darstellung verschiedener Paradigmen der Organisationsveränderung und die kritische Reflexion bestehender Praxisempfehlungen liefert das Buch wertvolle Impulse für die betriebliche Praxis. Ein besonders hervorzuhebender Aspekt des Buches ist die umfassende Analyse der gesundheitlichen Lage diverser Beschäftigtengruppen und die damit verbundene Forderung nach strukturellen Veränderungen in Unternehmen. Gudrun Fallers empirisch fundierten Handlungsnotwendigkeiten bieten einen klaren Handlungsrahmen für die Förderung von Gesundheit und Vielfalt am Arbeitsplatz. Das Buch zeigt dabei auf, dass eine erfolgreiche Implementierung eines Diversityorientierten Betrieblichen Gesundheitsmanagements nur durch die aktive Beteiligung der Beschäftigten und die Offenheit der Unternehmensführung gegenüber notwendigen Umstrukturierungen möglich ist. Das achte Kapitel, das ein praxisbezogenes Vorgehensmodell zur Implementierung eines diversityorientierten Gesundheitsmanagements vorstellt, ist wertvoll für Praktiker*innen. Die zehn Schritte des Modells bieten eine konkrete Anleitung zur Umsetzung und Anpassung an die spezifischen Bedürfnisse der Belegschaft. Gudrun Fallers Ansatz, der die individuellen Bedarfslagen der Beschäftigten in den Mittelpunkt stellt, unterstreicht die Bedeutung einer maßgeschneiderten und partizipativen Vorgehensweise. Trotz der umfassenden und tiefgehenden Analyse bleibt die Notwendigkeit weiterer Forschung bestehen, insbesondere bezüglich der Wechselwirkungen verschiedener Einflussfaktoren auf die Gesundheit der Beschäftigten. Die Autorin weist zudem darauf hin, dass die aktuellen gesetzlichen Grundlagen Lücken aufweisen – die es zu schließen gilt – um eine effektive Umsetzung eines Diversityorientierten Betrieblichen Gesundheitsmanagements zu gewährleisten.

Insgesamt ist Fallers Buch eine wertvolle Ressource für Wissenschaftler*innen, Praktiker*innen und Entscheidungsträger*innen in Unternehmen. Es liefert nicht nur theoretische Grundlagen und empirische Erkenntnisse, sondern auch praxisnahe Empfehlungen für die Implementierung eines Diversityorientierten Betrieblichen Gesundheitsmanagements. Die klare Struktur und die praxisorientierte Herangehensweise machen das Buch zu einem Leitfaden für alle, die sich mit der Förderung von Gesundheit und Vielfalt in Unternehmen beschäftigen wollen.

Fazit

Gudrun Fallers Buch bietet eine umfassende und praxisnahe Anleitung zur Implementierung eines Diversityorientierten Betrieblichen Gesundheitsmanagements. Die Verknüpfung der beiden Dimensionen Gesundheit und Vielfalt im organisationalen Handeln ist die Besonderheit in dem hier vorgestellten Ansatz eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements. Mit fundierten Analysen und konkreten Handlungsempfehlungen stellt das Werk eine wertvolle Ressource für Unternehmen dar, die den aktuellen Fachkräftemangel bewältigen und gleichzeitig die Arbeitsqualität und Innovationsfähigkeit steigern wollen.

Rezension von
Lisa Marie Holzheimer
Sozialpädagogin
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Es gibt 1 Rezension von Lisa Marie Holzheimer.

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Zitiervorschlag
Lisa Marie Holzheimer. Rezension vom 21.08.2024 zu: Gudrun Faller: Diversityorientiertes betriebliches Gesundheitsmanagement. Integration von Gesundheit und Vielfalt in Arbeits- und Organisationskontexten. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2023. ISBN 978-3-7799-7531-1. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/32208.php, Datum des Zugriffs 13.09.2024.


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