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Andrea Würtz, Bastian Klamke: Altenpflege - Kämpfen statt Kündigen

Rezensiert von Volker Fenchel, 11.07.2024

Cover Andrea Würtz, Bastian Klamke: Altenpflege - Kämpfen statt Kündigen ISBN 978-3-8426-0903-7

Andrea Würtz, Bastian Klamke: Altenpflege - Kämpfen statt Kündigen. Wie Pflegekräfte ihren Berufsalltag nachhaltig verbessern können. Schlütersche Fachmedien GmbH (Hannover) 2024. 216 Seiten. ISBN 978-3-8426-0903-7. D: 34,00 EUR, A: 35,00 EUR, CH: 48,90 sFr.
Reihe: Pflege Praxis.

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Thema

Die kritische Lage in den Seniorenheimen ist schon seit vielen Jahren bekannt und spitzt sich immer weiter zu. Die Autor:innen analysieren Ursachen und Folgen dieser Krise und machen konkrete Vorschläge, was dagegen getan werden kann.

Autor:innen

Andrea Würtz ist examinierte Kinderkrankenschwester und ist als Beraterin im Gesundheitswesen tätig. Bastian Klamke arbeitet als examinierte Pflegefachkraft auf einer Intensivstation und ist freischaffender Künstler.

Entstehungshintergrund

Andrea Würtz hat als Mitarbeiterin des Gesundheitsamts Miesbach im Mai 2020 – also zu Beginn der Corona-Pandemie – in einem Seniorenheim skandalöse Zustände aufgedeckt und öffentlich gemacht. Seitdem engagiert sie sich für die Rechte der Bewohnerinnen und Bewohner; ihre Erfahrungen fließen in diese Veröffentlichung ein.

Aufbau und Inhalt

Das erste Kapitel, „Altenpflege in Deutschland geht alle an“, skizziert historische Entwicklungslinien der Pflege auf ihrem langen Weg zur Profession. In diesem Kontext wird die gesellschaftliche Bedeutung des Altenpflegeberufs anhand von Zahlen und Fakten verdeutlicht. Ursachen und Folgen des aktuellen Pflegenotstands für die Pflegekräfte und für die Bewohnerinnen und Bewohner der Heime werden ausführlich analysiert.

Im zweiten Kapitel „Neue Wege, Impulse und Strukturen für eine realitätsnahe gute Pflege“ zeigen die Autoren auf, was Pflegekräfte tun können, um ihre Arbeitssituation konkret zu verändern. Die Ausführungen lassen erkennen, dass wichtige alltägliche und zu Routinen verkommene Aufgaben wie Dokumentationsanforderungen und Übergaben anders und sinnvoller gestaltet werden können, wenn ihre ursprüngliche Intention und ihre Bedeutung für die Sicherung des Wohlbefindens der Bewohner wieder in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken.

Das dritte Kapitel, „Kontrollinstanzen – Fluch oder Segen?“, beschreibt die Rolle der Heimaufsichten und deren Möglichkeiten und Grenzen bei der Kontrolle der Heime. Vor dem Hintergrund der gemeinsamen Verpflichtung auf die Wahrung der Würde und Grundrechte der Heimbewohnerinnen und Heimbewohner wird skizziert, wie zwischen Pflege und Heimaufsicht eine konstruktive Zusammenarbeit gelingen kann.

Im vierten Kapitel wird „Die Sache mit der Verantwortung“ kritisch diskutiert und ihre alltägliche Brisanz verdeutlicht mit der Frage, was passiert, wenn sich niemand verantwortlich fühlt. Vor diesem Hintergrund werden Möglichkeiten wie die der Gefährdungsanzeige herausgearbeitet und die Garantenstellung der Pflegekräfte in ihrer rechtlichen Konsequenz ausbuchstabiert.

Das fünfte Kapitel, „Gesundheitswesen neu denken“, skizziert eine Vision für die Zukunft des Pflegeberufs und enthält Vorschläge, wie sich der Pflegeberuf ein neues Standing und mehr Verantwortung erarbeiten kann.

Diskussion

Das Buch stellt eine wichtige Ergänzung zu den einschlägigen aktuellen Veröffentlichungen zu dieser Thematik [1] dar. Das Besondere ist zunächst einmal die Zielgruppe, denn es richtet sich mit einem klaren Appell explizit an Pflegekräfte: Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen und nicht weiter ein System zu stützen, das seinem gesellschaftlichen Auftrag nicht mehr gerecht wird. Dieser lautet, denjenigen Menschen ein würdevolles Leben zu ermöglichen, die aufgrund eines Bedarfs an Pflege in Seniorenheimen leben. Diese ethische Verpflichtung der Pflege zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. Die Autor:innen benennen deutlich und unmissverständlich die Ursachen für diese Schieflagen in der Altenpflege und schildern die dramatischen Folgen für die Lebensqualität in den Heimen. In Bezug auf die Wirksamkeit der bisherigen politischen Maßnahmen, die darauf abzielen, die Situation zu verbessern – von der Anhebung des Mindestlohns über die Anwerbung von Pflegekräften aus dem Ausland bis hin zur neuen Personalbemessung – ziehen die Autor:innen ein ernüchterndes Fazit. Sie halten andere Lösungsansätze dagegen, die auf der Grundlage ihrer Analyse tragfähige Veränderungen ermöglichen können. Und hierbei schreiben sie den Pflegekräften eine entscheidende Rolle zu. Das Buch lädt diese zur Rückbesinnung ein auf die Tradition, das Berufsethos und das Selbstverständnis der Pflege als Profession, das im letzten Jahrhundert mühsam erkämpft worden ist. Die Autor:innen zeigen Wege auf, wie die Pflege wieder eine aktive, gestaltende Kraft werden kann und damit zugleich ihrer Garantenstellung für die älteren Menschen gerecht wird. Dazu braucht es mehr kritisches Bewusstsein in der Altenpflege, die sich für mehr als nur Gesundheit oder Krankheit zu engagieren hat, nämlich für ein lebenswertes Leben der ihnen anvertrauten Menschen. Und es sind engagierte Menschen nötig, die sich für gute Arbeitsbedingungen einsetzen, weil diese die Voraussetzung für gute Pflege sind. Und hier sind vor allem die Absolventinnen und Absolventen der Generalistischen Ausbildung, die Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner, wichtige und richtige Adressat:innen. Dem trägt das Buch sowohl mit seiner klaren Sprache Rechnung. Zahlreiche Verweise auf Internetquellen zur Vertiefung einzelner Themen, aber auch das Layout mit vielen Cartoons, Bilder und Grafiken erhöhen die Attraktivität für diese Zielgruppe. 

Fazit

Die Lektüre dieses Buch ist Pflegekräften auf allen Hierarchieebenen – und nicht nur – im Seniorenheim sehr empfohlen. Das Buch zeigt, welches Potenzial sie besitzen, um das dringend reparaturbedürftige System zukunftsfähig zu machen und wieder in den Dienst der Menschen zu stellen. Es ist zu hoffen, dass das Buch aufrüttelt dazu beiträgt, dass sich dieses Potenzial auch entfaltet!

[1] Zu nennen sind hier vor allem R. Gronemeyer; O. Schultz (2023): Die Rettung der Pflege: Wie wir Care-Arbeit neu denken und zur sorgenden Gesellschaft werden. München: Kösel sowie Betzelt, S., Bode, I., Parschick, S., Albert, A. (2023): Organisierte Zerrissenheit. Emotionsregimes und Interaktionsarbeit in Pflege und Weiterbildung. Bielefeld: transcript

Rezension von
Volker Fenchel
Diplom-Gerontol., M.A.; Senior Referent für Pflege in der Abteilung Fort- und Weiterbildung an der Hans-Weinberger-Akademie der AWO e.V. in Augsburg und Trainer für My Home Life Deutschland
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Es gibt 5 Rezensionen von Volker Fenchel.

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ISSN 2190-9245