Katharina Bey, Anil Batra et al. (Hrsg.): Zwangsstörungen
Rezensiert von Sebastian Kron, 03.07.2024

Katharina Bey, Anil Batra, Alexandra Philipsen (Hrsg.): Zwangsstörungen. Ein evidenzbasiertes Behandlungsmanual.
Kohlhammer Verlag
(Stuttgart) 2024.
184 Seiten.
ISBN 978-3-17-041785-4.
39,00 EUR.
Reihe: Störungsspezifische Psychotherapie.
Thema
Zwangserkrankte leben in einer Welt, die sich für gesunde Menschen jeglicher Logik entzieht, die in der Regel von einem enormen, psychischen Leidensprozess gekennzeichnet ist und in der Lebensqualitäten, Hobbies und Lebensaufgaben zugunsten des Zwangs verloren gehen. Viele dieser Menschen können ihren alltäglichen Aufgaben nicht mehr nachkommen.
Menschen, die Handlungen stets und ständig ausführen müssen, die unter quälenden, sich aufdrängenden Gedanken leiden, sind oftmals von einer Zwangsstörung betroffen. Derartige, psychische Prozesse werden genau dann pathologisch, wenn quälende Unruhe, Ängste, Scham, Ekel oder andere psychische Leidensprozesse den Zwang begleiten. Eine Person, die sich oftmals die Hände wäscht, leidet nicht zwangsläufig unter einem Waschzwang. Krankhaft wird das Verhalten erst, wenn Betroffene stundenlang vor dem Waschbecken stehen, sich die Hände schruppen, bis sie blutig werden und das Verhalten zu einer Tagesaufgabe wird, die oftmals an einem Leidensprozess gebunden ist.
Autor:in
Frau Dr. phil. Katharina Bey ist Psychotherapeutin und Leiterin der Spezialambulanz für Zwangsstörungen am Universitätsklinikum Bonn.
Entstehungshintergrund
Derweil wird deutlich, dass sich mit Blick auf pathologische Zwänge einiges im Bereich der klinischen Psychologie getan hat und einiges in Bewegung geraten ist. Dies lässt den Entschluss zu, dass Zwangsstörungen nicht mehr zu den seltensten Erkrankungen zählen und dass Zwänge auch Bestandteil vieler anderer psychischer Störungsbilder sein können.
Aufbau und Inhalt
Das vorliegende Fachbuch lässt sich der Reihe „Störungsspezifische Psychotherapie“ zuordnen, die unter der Herausgeberschaft von Herrn Prof. Batra und Frau Prof. Philipsen ins Leben gerufen wurde. Das Buch hat einen vorwiegend verhaltenstherapeutischen Kontext und widmet sich der Umstrukturierung von Gedanken, Intrusionen und Verhaltensmuster, die im Rahmen einer Zwangsstörung auftreten (können). Grundsätzlich grenzt das Manual einzel- und gruppentherapeutische Maßnahmen ab. Beide Verfahren haben sich in der Vergangenheit bewährt. Die Verhaltenstherapie hat ihren positiven Ruf bei Zwangserkrankungen nach wie vor erhalten.
Im Kapitel „Grundlagen der Erkrankung“ diskutiert das Manual das Störungsbild an sich, geht auf ätiologische und aufrechterhaltende Faktoren sowie Differenzialdiagnosen ein. Hier wird eindeutig formuliert, dass es von großer Bedeutung ist, zu diagnostizieren, ob ein zwangsartiges Leiden im Rahmen einer Zwangsstörung oder einer anderen psychischen Beeinträchtigung in Erscheinung tritt.
Im Rahmen der Diagnostik werden unter anderem Screening- und strukturierte Interviewverfahren diskutiert. Weiterhin geht es in der Diagnostik ebenso darum, unpassende Verhaltensweisen messbar zu machen. Die Schweregradmessung gibt die Ausprägung der einzelnen Parameter innerhalb der Erkrankung an.
Als Behandlungsmethode der ersten Wahl haben sich kognitiv-verhaltenstherapeutische Maßnahmen bewährt. Es geht in erster Linie bei dieser Form der Intervention darum, herauszufinden, durch welche Gedanken und Intrusionen derartige Gefühle, wie Ängste, Ekel und Unbehagen ausgelöst werden. Diese werden dann durch evidenzbasierte verhaltenstherapeutische Maßnahmen angegangen und entsprechend umstrukturiert.
In einem weiteren Kapitel wird diskutiert, wo Potenziale und Vorzüge einer Einzel- oder Gruppentherapie im stationären oder ambulanten Kontext verborgen liegen. Grundsätzlich lässt sich hervorheben, dass es bei Einzeltherapien einen geschützten Rahmen gibt, in dem Betroffene über das eigene Erleben und Verhalten hemmungslos und unvoreingenommen sprechen können. Dieser geschützte Rahmen bietet ebenso Raum, inhaltliche Dimensionen des Zwangs zu intervenieren. Gruppentherapien stärken die Selbstwirksamkeit in der Gruppe und bieten psychoedukative Maßnahmen an. Präferenzen für einen ambulanten oder stationären Aufenthalt muss jede*r Einzelne individuell abschätzen.
Neben den Handlungsmaximen in der Arbeit mit Zwangserkrankten wird auch die besondere Bedeutung der therapeutischen Beziehung hervorgehoben. Der Austausch über schambehaftete Inhalte der Gedanken und Handlungen muss gegeben sein. Vorurteile oder Zuschreibungen sollten vom therapeutischen Prozess weitgehend ausgeschlossen werden. Im Rahmen einer Psychoedukation haben Betroffene die Möglichkeit, sich über ihre Erkrankung auszutauschen, Neues über das Krankheitsbild in Erfahrung zu bringen und sich selbst, auch vor dem Hintergrund der Erkrankung, besser kennenzulernen. Im Weiteren werden Therapieziele festgesetzt und eine Zwangshierarchie erstellt. Diese Zwangshierarchie stellt dar, welche Gedanken und Handlungen inhaltlich besonderes Unbehagen auslösen, welche eher weniger. Anhand dieser Hierarchie kann ein genaues Vorgehen innerhalb der therapeutischen Arbeit gefunden werden. Expositionsverfahren bilden eine Auseinandersetzung mit angstauslösenden Befürchtungen und Vorstellungen. Therapeutische Übungen einer besonderen Selbstachtsamkeit und im Umgang mit typischen Eigenschaften Zwangserkrankter (z.B. Perfektionismus, übermäßige Unsicherheiten) werden vorgestellt.
Weiterhin werden verschiedene Dimensionen und Heterogenitäten der Zwangserkrankung thematisiert. Abschließend werden Fehler in der Behandlung dargestellt, die therapeutische Maßnahmen in der Umsetzung erschweren.
Diskussion
Soziale Arbeit mit Zwangserkrankten setzt einen toleranten Umgang mit rigiden Verhaltensweisen voraus. Sie setzt dort an, wo Verständnis auf Perfektionismus, quälenden Gedanken und Vorstellungen der Betroffenen trifft.
Soziale Arbeit kann wertschätzend für Betroffene da sein, sie im Alltag unterstützen und Lebensqualitäten der Betroffenen einen neuen Sinn verleihen. Sie kann ressourcenorientiert agieren und ein breitgefasstes Netzwerk generieren. Ferner kann sie an der Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen im Sozialraum mitwirken.
Fazit
Das Buch vermittelt kurz und knapp fundamentales Wissen zur Therapie von Zwangsstörungen, setzt einen Fokus auf kognitiv-verhaltenstherapeutische Maßnahmen und schärft den Blick für derartige Störungsbilder. Mit etwas Vorwissen zum Störungsbild kann es helfende Berufsgruppen unterstützen, professionsübergreifend zu denken.
Rezension von
Sebastian Kron
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