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Astrid Rank, Sanna Pohlmann-Rother et al. (Hrsg.): Inklusion von Anfang an

Rezensiert von Pauline Spaett, 29.08.2024

Cover Astrid Rank, Sanna Pohlmann-Rother et al. (Hrsg.): Inklusion von Anfang an ISBN 978-3-17-041889-9

Astrid Rank, Sanna Pohlmann-Rother, Sarah Désirée Lange (Hrsg.): Inklusion von Anfang an. Aufgabe der Grundschule. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2024. 154 Seiten. ISBN 978-3-17-041889-9. 30,00 EUR.
Reihe: Grundschule heute.

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Thema

Prof. Dr. Astrid Rank formuliert in ihrem Buch Bedingungen eines inklusiven Grundschulsystems und zeigt anhand verschiedener Studien, Modellen und Praxisbeispielen (teilweise mit Bezug auf andere Autor*innen) Möglichkeiten zur Umsetzung eben dieser auf.

Autorin:

Frau Prof. Dr. Astrid Rank lehrt an der Universität Regensburg Grundschulpädagogik und Grundschuldidaktik und ist an dieser Universität im Rahmen des Zusatzstudiums Inklusion für die Konzeption, Umsetzung und Begleitforschung des Studiengangs verantwortlich. Darüber hinaus leitet sie mehrere Projekte zum Thema Inklusion.

Entstehungshintergrund

Das Buch „Inklusion von Anfang an. Aufgabe der Grundschule“ ist Teil der Reihe „Grundschule heute“, welche von Sanna Pohlmann-Rother und Sarah Désirée Lange herausgegeben wird. Die Reihe beschäftigt sich mit Zukunftsfragen der Grundschulpädagogik und Grundschuldidaktik sowie den institutionellen Bedingungen von Grundschule und der Frage, ob dem Diskurs, ob das Konzept Grundschule sowie die Ausbildung von Grundschullehre*innen neu bestimmt und strukturiert werden muss. Dabei stellt die Reihe die kindlichen Lebenswelten sowie die aktuellen gesellschaftlichen Veränderungen hinsichtlich der Aufwachsbedingungen von Schüler*innen in den Mittelpunkt. Jeder, in der Reihe „Grundschule heute“, erschienene Band setzt sich auf einer forschungs- und theoriebasierten Basis mit aktuellen bildungspolitischen und gesellschaftlichen Themen auseinander und zeigt anschließend in der Praxis umsetzbare Ansätze zur Gestaltung von Unterricht in Grundschulen auf.

Aufbau

Das Buch ist in ein Vorwort der Herausgeberinnen der Reihe „Grundschule heute“, Einleitung der Autorin Prof. Dr. Astrid Rank, zehn Hauptkapitel, Literaturverzeichnis und Danksagung unterteilt. Die zehn Hauptkapitel sind thematisch und für die Leser*innen verständlich aufgebaut und untergliedert:

  1. Die Grundschule als gemeinsame grundlegende Schule
  2. Inklusion in der Grundschule – Vergangenheit und Gegenwart
  3. Rechtliche Grundlagen: Behinderung, Förderbedarfe und Beschulungsformen in deutschen Grundschulen
  4. Heterogenität und Inklusion, Forschungsergebnisse
  5. Bedingungen schulischer Inklusion in der Regel-Grundschule
  6. Schulentwicklung in der inklusiven Grundschule
  7. Unterrichtsentwicklung
  8. Kooperation in der inklusiven Grundschule
  9. Kompetenzen für die inklusive Grundschule im Studium entwickeln – Ein Beispiel für die Gestaltung universitärer Lehre
  10. Versuch einer Bilanz und Blick in die Zukunft

Jedes Hauptkapitel schließt mit einer kurzen Zusammenfassung („Wichtiges auf einen Blick“) ab und stellt stichpunktartig die relevanten Fakten und Daten des Kapitels heraus. Anschließend folgen Reflexionsaufgaben die sich gezielt an die Leser*innen wenden und eine Auseinandersetzung mit den Inhalten des Gelesenen ermöglichen.

Inhalt

Im Jahr 1919 wurde in der Weimarer Republik die „Grundschule für alle“ gegründet, welche zur damaligen Zeit allerdings noch ein anderes Verständnis von dem heutigen Integrations-/​Inklusionsbegriff hatte. Mit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) im Jahr 2009, dem damit einhegenden Recht auf Inklusion und der damit verbundenen Umgestaltung der Grundschule zur gemeinsamen Schule, änderte sich dies jedoch. Die UN-BRK brachte nicht nur die Veränderung in der Umgestaltung des Grundschulsystems und die damit verbundenen Auswirkungen auf die grundlegende Bildung mit sich, sondern auch Diskussionen um die Begriffe Inklusion und Integration. Ausgangslage der Diskussionen im deutschsprachigen Raum um die beiden Begriffsbestimmungen ist die deutschsprachige Übersetzung der, im Original englischen Fassung der Behindertenrechtskonventionen, bei welcher aus dem englischen „inclusion“ im deutschen das Wort „Integration“ wurde. In der deutschen Diskussion unterscheidet sich Integration jedoch vom Verständnis der Inklusion, welche mit der Idee der unteilbaren Gruppe verbunden ist. Alle Kinder sollen ohne Ausgrenzung gemeinsam in einer Schule unterrichtet werden, die dafür die notwendigen Ressourcen erhält, anstatt eine Gruppe von Kindern in eine andere zu integrieren.

Klammert man die Diskussion um die beiden Begrifflichkeiten aus, so geht es insgesamt um eine „Pädagogik der Vielfalt“, die als Sammelbegriff für verschiedene Strömungen gilt, die sich durch die Anerkennung unterschiedlicher Lebens- und Lernweisen als gleichberechtigt auszeichnen und sich an den menschenrechtlichen Prinzipien universeller Gleichheit, Freiheit und Solidarität orientieren. Ähnlich wie der Inklusionsbegriff ist auch der Begriff der Behinderung ein häufig umstrittener Ausdruck, der jedoch geläufig benutzt wird. Die Begrifflichkeit lässt sich unterschiedlich betrachten und auslegen: medizinisch, sozial(rechtlich), systemisch und kulturell und bringt somit verschiedene Anschauungs- und Umgangsformen mit sich.

Der Begriff der Behinderung wird stellenweise vom Begriff „(sonderpädagogischer) Förderbedarf“ abgelöst, der sich auf verschiedene Förderschwerpunkte bezieht. Dabei ist allerdings wichtig zu unterscheiden, dass eine Behinderung zu haben, nicht zwingend meint einen sonderpädagogischen Förderbedarf zu haben und umgekehrt. Eine Misslichkeit, welche mit der Festlegung einer Behinderung oder eines Förderbedarfs durch Fachärzt*innen einhergeht, ist eines der meistdiskutierten Dilemmata im Kontext inklusiver Grundschule: das Ressourcen-Etikettierungs-Dilemma, bei dem Kinder mit einem Förderbedarf und den damit einhergehenden Konsequenzen „etikettiert“ werden. Der diagnostizierte Förderbedarf ist jedoch notwendig, für den Erhalt von Ressourcen (z.B. zusätzliche Lehrkräfte) und birgt anderseits die Gefahr, dass Menschen auf dieses eine Merkmal reduziert werden und Stigmatisierungen stattfinden, die auch in Grundschulklassen zu beobachten sind. So zeigt beispielweise die Studie von Stefanie Krawinkel et al aus dem Jahr 2017, dass Kinder mit Förderbedarf weniger beliebt sind, häufiger abgelehnt werden und sich selbst als weniger partizipierend einschätzen. Auch Hans Wocken (1993) und Anke de Boer et al (2012) beschreiben in ihren Forschungsergebnissen Tendenzen sozialer Distanziertheit von Kindern ohne Förderbedarf gegenüber Kindern mit Förderbedarf. Krawinkel et al schreiben beschreiben einen positiv erkennbaren Zusammenhang zur Akzeptanz von Kindern mit Förderbedarf im Klassengefüge, wenn es eine Korrelation zwischen dem Klassenklima und der Bezugsnormorientierung der Lehrkraft gibt. Dies zeigt, dass Lehrkräfte eine große Bedeutung in Bezug auf die Akzeptanz von Kindern mit Förderbedarf in inklusiven Grundschulen haben. Dies lässt sich auch im Modell der drei Ebenen – Makro-, Meso- und Mikroeben – erkennen, mit dem sich die Bedingungen eines inklusiven Schulsystems unterscheiden lassen. Die Makroebene beschreibt dabei das gesamte Schulsystem, während die Mesoebene die Frage nach Bedingungen zur Inklusion einzelne Schulen betreffend stellt und die Mikroebene die Bedingungen der Inklusion im Unterricht untersucht. Dabei ist zu beachten, dass günstige Bedingungen auf der Mikroebene nur dann gegeben sind, wenn sie auch auf der Makro- sowie Mesoebene vorhanden sind. Der Mesoebene lässt sich beispielsweise das Schulklima als entscheidende variabel für gelingende Inklusion zuschreiben, während auf der Mikroebene sachliche, personelle und räumliche Voraussetzungen eine Rolle spielen, die wiederrum von den finanziellen Ressourcen einer Schule abhängen.

Neben den vorhandenen Ressourcen einer Schule ist ein Schulentwicklungsplan eine wichtige Komponente zur Umsetzung eines inklusiven Grundschulsystems. Dieses hängt von der jeweiligen Vision der Schule ab und lässt sich, ausgehend davon, mit unterschiedlichen Qualitätsskalen, Indexen und Kriterienkatalogen überprüfen, welche einzelne Indikatoren zur Definition inklusiver Schulen operationalisieren. Ausgangslange des Schulentwicklungsplan ist, neben der Schuleigenen Vision, ein partizipatives Leitbild, welches mit allen Beteiligten entwickelt und getragen werden muss sowie die Bereitschaft der Mitwirkenden zu vielfältigen Veränderungen auf unterschiedlichen Ebenen. Ein Entwicklungsschwerpunkt der Schulentwicklung ist unter anderem die Unterrichtsentwicklung, für die sich sowohl in Amerika als auch in Deutschland viele Praxisbeispiele finden lassen und für die es unterschiedliche Methoden und Konzepte gibt, auf die Astrid Rank in Kapitel 7 „Unterrichtsentwicklung“ eingeht. Die Kernaussage der vielfältigen Konzeptionen ist, dass ein notwendiges Umdenken hin zur Ermöglichung und Berücksichtigung individueller Lernwege für alle Kinder im inklusiven Unterricht vorteilhaft wäre. Unterstützung hierbei finden Lehrkräfte bei Kooperationspartner*innen (z.B. andere Lehrkräfte, Beratungsstellen, Behörden und außerschulische Partner wie Organisationen und Träger), die ihnen im Rahmen der Inklusion für einen Austausch und Hilfestellungen zur Verfügung stehen. Ferner müssen sich Lehrkräfte im Rahmen von Aus- und Fortbildungen professionalisieren, um in den inklusiven Grundschulen ein multiprofessionelles Team abbilden zu können, welches auf die individuellen Bedürfnisse der Grundschüler*innen mit und ohne Förderbedarf eingehen kann.

Am Beispiel des an der Universität Regensburg durchgeführten „Zusatzstudiums Inklusion Basiskompetenzen“ (ZIB), für welches Astrid Rank selbst verantwortlich ist, soll aufgezeigt werden, wie Hochschullehre zur Professionalisierung für inklusiven Unterricht beitragen kann, indem Wissen und Verständnis erworben, Einstellungen und Überzeugungen reflektiert sowie Handlungskompetenzen entwickelt werden.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Inklusion zwar in der Praxis bereits Realität ist, aber bisher nicht vollständig in den Köpfen gesellschaftlich relevanter Personen verankert ist. Es gibt das Recht auf Inklusion, Schulen, die sich auf den Weg gemacht haben, etablierte Konzepte und ermutigende Forschungsergebnisse. Dennoch stehen der Umsetzung in der Grundschule aktuell viele Hindernisse im Weg, wie der Mangel an Lehrkräften und der Ausbau der für Inklusion notwendigen Kompetenzen von Pädagogen. Für eine erfolgreiche inklusive Grundschule sind hochwertige Aus- und Fortbildungen für Lehrkräfte sowie Entlastungsstrukturen durch den Einsatz weiterer Pädagogen in multiprofessionellen Teams erforderlich.

Diskussion

Astrid Rank schafft es in ihrem Buch, die Herausforderungen und Bedingungen einer inklusiven Grundschule leicht verständlich und gleichzeitig wissenschaftlich fundiert aufzuführen. Die einzelnen Kapitel bauen aufeinander auf und machen es den Lesenden dadurch leicht und erlauben einen guten Lesefluss. Bezugnahmen auf andere Autor*innen und Forschende, die sich ebenfalls mit dem Themengebiet Inklusion befassen, laden dazu ein, sich weitergehend mit dem Thema auseinanderzusetzen und die eigene Einstellung und Überzeugungen zu reflektieren. Durch die vielfältigen Praxisbeispiele werden die umfangreichen Aufgaben und Anforderungen einer inklusiven Grundschule greifbar und deutlich und zeigen auf, an welchen Stellschrauben des deutschen Schulsystems gedreht werden muss, um gelingende inklusive (Grund-)Schule möglich zu machen. Das Buch bietet Lehrkräften, Pädagog*innen und allen Mitwirkenden in Grundschulen einen Denkanstoß und zeigt erste Schritte für ein inklusives und partizipierendes Schulkonzept auf.

Fazit

Astrid Rank fasst in ihrem Werk die derzeitigen Entwicklungen im deutschen (inklusiven) Grundschulsystem prägnant und nachvollziehbar zusammen und zeigt anhand vielfältiger Praxisbeispiele (und unter Bezugnahme auf Fremdwerke) Konzeptionen, Methoden und Modelle zur Gestaltung eines Grundschulsystems auf, welches sich an alle Kinder (mit und ohne Förderbedarf) richtet. Das Buch eignet sich sowohl für Lesende, die sich in einem inklusiven Schulsystem bewegen und nach neuen Denkanstößen und Handlungskompetenzen suchen als auch für fachfremde, interessierte Leser*innen.

Rezension von
Pauline Spaett
Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin und Studentin im Masterstudiengang Kindheits- und Sozialwissenschaften (MAKS) an der HS Koblenz.
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Es gibt 1 Rezension von Pauline Spaett.

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Zitiervorschlag
Pauline Spaett. Rezension vom 29.08.2024 zu: Astrid Rank, Sanna Pohlmann-Rother, Sarah Désirée Lange (Hrsg.): Inklusion von Anfang an. Aufgabe der Grundschule. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2024. ISBN 978-3-17-041889-9. Reihe: Grundschule heute. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/32266.php, Datum des Zugriffs 14.09.2024.


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