Sylvia Wagenaar: Kollegiale Beratung in der Sozialen Arbeit
Rezensiert von Michael Mayer, 17.12.2024
Sylvia Wagenaar: Kollegiale Beratung in der Sozialen Arbeit.
Kohlhammer Verlag
(Stuttgart) 2024.
111 Seiten.
ISBN 978-3-17-042182-0.
19,00 EUR.
Reihe: Soziale Arbeit - kompakt & direkt.
Thema
Kollegiale Beratung spielt nicht nur in der Sozialen Arbeit eine wichtige Rolle. In vielen Qualifizierungen von Sozial- und Gesundheitsberufen gehört sie zum Ausbildungsstandard. Häufig werden dabei Ablaufschemata ohne großen theoretischen Hintergrund angewandt. Das kann erfolgreich sein. Für die Qualität kollegialer Beratung ist es jedoch hilfreich, wenn die Methode verstanden wird und die Abgrenzung zu anderen Beratungsformen klar ist. Das hier besprochene Buch versucht auf 111 Seiten eine umfassende, sozialwissenschaftlich fundierte Einführung in die Grundlagen und Zusammenhänge der Kollegialen Beratung.
Autorin
Sylvia Wagenaar ist Religionspädagogin und Sozialarbeiterin. Sie hat einen Masterabschluss in mehrdimensionaler Organisationsberatung und hat sich bereits in ihrer Masterarbeit mit dem Thema Intervision beziehungsweise kollegiale Beratung beschäftigt. Sie arbeitet an der Universität Oldenburg und freiberuflich als Supervisorin, Coach und Organisationsberaterin.
Aufbau und Inhalt
Ziel des Buches ist es, eine wissenschaftlich fundierte, aber dennoch kompakte und gut lesbare Einführung in die Kollegiale Beratung zu geben. Dazu widmet sich jedes der sieben Kapitel einer zentralen Fragestellung.
1 Was ist Kollegiale Beratung?
Nach einer Definition der Kollegialen Beratung charakterisiert die Autorin das Format durch vier zentrale Merkmale. Diese sind das Einbringen berufsbezogener Fälle, der Gruppenmodus, die wechselnden Rollen der Teilnehmenden und die feste Ablaufsystematik.
2 Warum und wozu Kollegiale Beratung?
Die allgemeinen Ziele der Kollegialen Beratung sind zum Beispiel die Förderung der Reflexion, die Entwicklung von Handlungsideen und die Steigerung der Beratungskompetenz. Darüber hinaus wird die Anwendung in verschiedenen Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit dargestellt. Der Einsatz in multiprofessionellen Teams, die Abgrenzung zur Fallbesprechung und die Herausforderungen bei kollektiven Anliegen werden diskutiert.
3 Wie läuft Kollegiale Beratung ab?
Eine Kollegialen Beratung verläuft in verschiedenen Phasen, die sich an der Normalform der Fallarbeit in der Supervision orientieren. Wagenaar geht auf die fünf Phasen Vorphase, Aushandlungsphase, Falleinbringungsphase, Fallbearbeitungsphase und Abschlussphase ein. Dabei stellt sie auch verschiedene Ablaufschemata und Modelle der Kollegialen Beratung vor und vergleicht diese miteinander.
4 Wie arbeitet Kollegiale Beratung?
Die beiden zentralen Funktionen der Fallarbeit, das Verstehen und die Handlungsorientierung, stehen im Mittelpunkt dieses Kapitels. Die verstehende Funktion zielt auf das Verstehen der subjektiven Deutungsmuster der falleinbringenden Person und der Beziehungsdynamiken im Fall. Die aktionale Funktion zielt auf die Entwicklung von Handlungsmöglichkeiten. Die Bedeutung der Prozesssystematik für die Gewährleistung beider Funktionen wird hervorgehoben.
5 Worauf gründet sich Kollegiale Beratung?
In ihrer theoretischen Begründung kann die Kollegiale Beratung nach Wagenaar auf viele verschiedene theoretische Grundlagen zurückgreifen. Prägend sind vor allem systemische und psychoanalytische Theorien. Die Autorin verweist aber auch auf Bezüge zum Forschungsprogramm der Subjektiven Theorie sowie zu Lerntheorien.
6 Wie steht Kollegiale Beratung zu den benachbarten Formaten Supervision und Coaching?
Zwischen den Beratungsformen Supervision, Coaching und Kollegiale Beratung gibt es Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Die Kollegiale Beratung hat sich aus der Supervision entwickelt. In den letzten Jahren ist aber auch ein Einsatz im Coaching zu beobachten. Die damit verbundene Orientierung an ökonomischen Zielen und die Verschiebung der Funktion der Kollegialen Beratung wird von der Autorin kritisch hinterfragt.
7 Wie funktioniert Kollegiale Beratung online?
Abschließend beleuchtet Wagenaar die Durchführung der Kollegialen Beratung in digitalen Settings, zum Beispiel als Videokonferenz, als textbasierte asynchrone Form oder als Chatberatung. Dabei geht sie auch auf die Auswirkungen von Asynchronität und Schriftlichkeit auf den Beratungsprozess ein.
Diskussion
Natürlich gibt es schon viele Bücher über Kollegiale Beratung. Oft wird darin eine bestimmte Form der Beratung praktisch vorgestellt. Der Ansatz von Wagenaar unterscheidet sich von den häufig zu findenden Ratgebern zur Durchführung von Kollegialer Beratung. Ihr geht es darum, die Hintergründe verständlich zu machen. So wie die Kollegiale Beratung selbst darauf abzielt, „das alltägliche Muster des ‘Problemlösens ohne vorheriges Verstehen’ zu durchbrechen“ (S. 47).
Zielgruppe des schmalen Büchleins sind Studierende und Interessierte, die mehr über die Hintergründe der Kollegialen Beratung erfahren möchten. Der Autorin gelingt es, das Thema knapp, gut strukturiert und dennoch recht umfassend darzustellen. Dazu tragen auch die im Layout besonders hervorgehobenen didaktischen Elemente wie Textcontainer oder Piktogramme bei. Als weitere didaktische Elemente finden sich im Text grau unterlegte Praxistipps und Begriffsdefinitionen.
Jedes Kapitel beginnt mit einer kurzen Einführung in das Thema und endet mit einer sehr guten Zusammenfassung der Inhalte, die passend mit „Auf den Punkt gebracht“ überschrieben ist. Darüber hinaus gibt es zu jedem Kapitel Reflexionsfragen, die das kritische Denken der Leserinnen und Leser unterstützen. Hinweise auf weiterführende Literatur zur eigenen Vertiefung runden viele Kapitel ab. Als Zusatzmaterial steht im Downloadbereich eine Übersicht über die Ablaufschemata von vier Modellen kollegialer Beratung zur Verfügung.
Das Buch erhebt nicht den Anspruch, eine praktische Anleitung zur Durchführung von Kollegialer Beratung zu geben. Vielmehr geht es darum, die Hintergründe dieser Form der Peer-Beratung zu verstehen. Dennoch finden sich viele praktische Anregungen für die Durchführung einer Kollegialen Beratung. Es ist allen zu empfehlen, die verstehen wollen, was sie tun, wenn sie Kollegiale Beratung einsetzen.
Fazit
Die Autorin beleuchtet die verschiedenen Facetten des Themas, von der Definition und den Zielen über den Ablauf und die Arbeitsweise bis hin zur theoretischen Fundierung und dem Verhältnis zu anderen Beratungsformaten, insbesondere zu Online-Formaten der kollegialen Beratung. Sie bietet damit einen umfassenden Überblick zum Thema, der sowohl Studierenden als auch Lehrenden als guter Einstieg dienen kann.
Rezension von
Michael Mayer
M. A. soziale Verhaltenswissenschaften, Erziehungswissenschaften und Philosophie, Supervisor, Krankenpfleger für Psychiatrie, Leitung Akademie der Bezirkskliniken Schwaben.
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Es gibt 12 Rezensionen von Michael Mayer.
Zitiervorschlag
Michael Mayer. Rezension vom 17.12.2024 zu:
Sylvia Wagenaar: Kollegiale Beratung in der Sozialen Arbeit. Kohlhammer Verlag
(Stuttgart) 2024.
ISBN 978-3-17-042182-0.
Reihe: Soziale Arbeit - kompakt & direkt.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/32284.php, Datum des Zugriffs 24.01.2025.
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