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Manon Westphal: Normativität in der politikwissen­schaftlichen Hochschullehre

Rezensiert von Prof. Dr. Theresa Hilse-Carstensen, 24.02.2025

Cover Manon Westphal: Normativität in der politikwissen­schaftlichen Hochschullehre ISBN 978-3-7344-1637-8

Manon Westphal: Normativität in der politikwissenschaftlichen Hochschullehre. Wochenschau Verlag (Frankfurt am Main) 2024. 53 Seiten. ISBN 978-3-7344-1637-8. D: 12,90 EUR, A: 12,90 EUR.
Kleine Reihe Hochschuldidaktik.

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.
Inhaltsverzeichnis bei der DNB.

Siehe auch Replik oder Kommentar am Ende der Rezension

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Thema

Normativität ist ein zentrales Thema in der politikwissenschaftlichen Hochschullehre, weil ihre Gegenstände mindestens in doppelter Weise normativ geprägt sind: Erstens verkörpern Begriffe wie „Freiheit“ oder „Gerechtigkeit“ normative Ideen und Ideale. Zweitens sind sie Ergebnisse politischer Verhandlungsprozesse, in denen sich akteursspezifische Interessen und Vorstellungen durchsetzten.

Autorin

Das kleine Büchlein wurde verfasst von Dr. Manon Westphal, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Verbundprojekt „Kulturen des Kompromisses“ an der Universität Münster. Sie berichtet im Buch von eigenen Erfahrungen in der politikwissenschaftlichen Hochschullehre.

Entstehungshintergrund

Das 53-seitige Buch gehört zur kleinen Reihe Hochschuldidaktik für Politik und wird herausgegeben von Matthias Friese, Daniel Lambach, Julia Reuschenbach und Volker Best.

Aufbau

Neben einer Einleitung, der Literaturverweise und der Darstellung des Anliegens sowie der Gliederung ist das Buch inhaltlich in fünf Kapitel gegliedert:

  • Kapitel 3: Normativität erkennen, artikulieren und charakterisieren
  • Kapitel 4: Normatives Argumentieren
  • Kapitel 5: Die Situiertheit von Normativität
  • Kapitel 6: Die Rolle der Lehrenden
  • Kapitel 7: Fazit

Inhalt

Insgesamt verfolgt das Buch den Anspruch, „einen Beitrag zu der Debatte über Normativität in der politikwissenschaftlichen Hochschullehre“ (S. 7) zu leisten. Dabei fokussiert die Autorin auf folgende Kompetenzbereiche:

  1. Normativität erkennen, artikulieren und charakterisieren
  2. Normatives Argumentieren und
  3. Reflexion der Situiertheit von Normativität.

Hierzu werden konkrete Vorschläge für die Hochschullehre unterbreitet. Aus Sicht der Autorin ist für die Hochschullehre „insbesondere die Frage relevant, was es heißen kann oder […] heißen sollte, Normativität zu einem Thema und Anliegen in der Lehrpraxis zu machen“ (S. 5). Geht es um methodische und analytische Kompetenzen oder geht es um das Formulieren eigener Positionen? Mit diesem Büchlein soll das Thema weniger abstrakt i.S.d. Wissensvermittlung beschrieben werden, vielmehr steht das „Wie“ im Vordergrund.

Um dieses „Wie“ zu untersetzen, liefert die Autorin anhand der beschriebenen Kompetenzbereiche verschiedene Vorschläge für die Hochschullehre. Adressat:innen sind dabei Studierende der Politikwissenschaft, um deren Kompetenzen im Erkennen, Analysieren und Argumentieren zu schulen.

Kompetenzbereich „Normativität erkennen, artikulieren und charakterisieren“

Hierbei steht die Kompetenzvermittlung für die Analyse von normativen Inhalten im Vordergrund. Hierzu wird zunächst dargestellt, was Normativität ist und welche Normtypen unterschieden werden können. Zur Definition von Normativität wird das Sein-Sollen-Modell herangezogen und zugleich der Unterschied zwischen deskriptiven Aussagen (Beschreibung, was der Fall ist) und normativen Aussagen (Aussage, was der Fall sein soll) erläutert.

Eine mögliche Idee der Umsetzung in der Hochschullehre ist, die Studierenden dafür zu sensibilisieren, deskriptive und normative Aussagen unterscheiden zu können und selbst deskriptive und normative Aussagen zu formulieren (siehe Übung ab S. 19). Hierzu schlägt die Autorin vor, ein Protokoll einer ausgewählten Bundestagsdebatte zu analysieren und Aussagen einzuteilen in „Beschreiben was ist“, „Formulieren was sein soll“ und sogenannte „Grenzfälle“ (wo nicht eindeutig zwischen deskriptiver und normativer Aussage unterschieden werden kann). Die Präsentation der Ergebnisse soll zum Anlass genommen werden, um über die vielfältigen Möglichkeiten zu reflektieren, „mit denen ein ‚Sein-Sollen‘ in politischen Debatten zum Ausdruck gebracht werden kann“ (S. 21).

Kompetenzbereich „Normatives Argumentieren“

Die vorgestellten Übungen stellen eine Handreichung für Lehrende dar, normative Argumentationskompetenzen in die Lehre aufzunehmen und zu vermitteln. Die Autorin unterscheidet zwischen einem evaluativen Argumentieren, i.S. einer Bewertung einer Handlung oder eines Sachverhalts und einer präskriptiven Argumentation, i.S. v. Aussagen darüber, welche Handlungen oder Sachverhalte geboten oder wünschenswert sind.

Um normatives Argumentieren in der Hochschullehre einzubinden, schlägt die Autorin drei Übungen vor, die sowohl die Arbeit in Kleingruppen als auch Präsentationen und Reflexion in der Großgruppe beinhalten.

  1. Konklusion sucht Prämisse: Hierbei geht es um das Verständnis für den Aufbau von Argumenten und den Zusammenhang von Konklusion, verstanden als Aussage, für die argumentiert wird und Prämisse, verstanden als Begründungen für diese Aussage.
  2. Politische Handlungen begründet bewerten: Ziel dieser Übung ist es, evaluatives Argumentieren zu üben, in dem bewertende Aussagen begründet und in einen Plausibilitätszusammenhang eingebettet werden. Dies kann beispielsweise im Format einer Podiumsdiskussion umgesetzt werden.
  3. Politische Handlungen begründet vorschlagen: Hierbei bewegen wir uns im Kontext politischer Gestaltungsoptionen. Ziel ist es, „zu begründen, warum es wünschenswert ist, eine bestimmte Handlung durchzuführen oder einen bestimmten Sachverhalt herzustellen“ (S. 37).

Kompetenzbereich „Die Situiertheit von Normativität“

„Die Situiertheit von Normativität“ bezieht sich auf die Erkenntnis, dass wissenschaftliches Wissen und auch die Produktion von Normativität stets in historische, soziale, kulturelle und ökonomische Gegebenheiten eingebunden ist.

Vor diesem Hintergrund schlägt die Autorin vor, sich mit Fachtexten auseinanderzusetzen, die die Partikularität und Begrenztheit von wissenschaftlichem Wissen reflektieren, um in einem zweiten Schritt die eigenen Lehrinhalte und Diskussionen des Seminars kritisch zu hinterfragen.

Die Rolle der Lehrenden ist so ausgerichtet, dass sie eine eigenständige Urteilsbildung der Studierenden fördert.

Im Fazit wird betont, dass das Erkennen und Analysieren von Normativität sowie das normative Argumentieren zu den methodischen Kompetenzen der Politikwissenschaft gehört. Hierzu wurden im Büchlein systematisierte Vorschläge für die Hochschullehre vorgestellt.

Diskussion

Das Büchlein ist aus der Disziplin der Politikwissenschaft für die Politikwissenschaft geschrieben. Zu Beginn und auch immer wieder im Verlauf der Darstellung wird begründet, warum das Thema Normativität für die politikwissenschaftliche Hochschullehre zentral ist. Dies könnte durchaus auf den Anfang und die Einleitung reduziert werden. Fachfremde Personen können diese Hinweise mit Interesse zur Kenntnis nehmen und auf ihr Fach übertragen oder überlesen.

Die Übertragbarkeit der Inhalte und vor allem der Vorschläge für die Hochschullehre auf andere Fächer ist durchaus gegeben, geht es doch um die Grundsatzfrage, wie Normativität in der Lehre thematisiert werden kann.

Für die Soziale Arbeit ist dieses Thema von hoher Relevanz, da sie aufgrund ihres Gegenstandes, ihrer Aufgaben und Rollen in vielfältiger Weise normativ agiert bzw. in (sozialpolitische) Normativitätskontexte eingebunden ist. So sind z.B. der Zugang zu Angeboten und Infrastrukturen, der (sozialpolitische) Prozess der Definition sozialer Probleme, die Reflexion über „Sozialpolitik als Institution der Normativität“ (Groenemeyer 2008) oder der Umgang mit der Adressierung von Hilfen nicht losgelöst von „Sollvorstellungen“ des Handelns, die wiederum Teilhabechancen eröffnen oder verschließen können.

Aufgrund der detaillierten Beschreibung von Übungen und die Benennung von konkreten Fachtexten oder politischen Debatten, die für die jeweiligen Übungen genutzt werden können, ist das Büchlein insgesamt sehr praxisnah und bietet viele Impulse für die Hochschullehre.

Zielgruppe: Hochschullehrende, die sich mit dem Thema Normativität in der Lehre auseinandersetzen möchten und nach konkreten Beispielen im Bereich der Lehre in der Politik suchen.

Fazit

Das Buch aus der „Kleinen Reihe Hochschuldidaktik Politik“ stellt einen sehr guten Impuls dar, um zu reflektieren, inwieweit die Auseinandersetzung mit Normativität in der eigenen Lehre bereits eine Rolle spielt, eine stärkere Rolle spielen sollte und welche Kompetenzbereiche dabei adressiert werden können und sollen.

Literatur

Groenemeyer, A. (2008). Institutionen der Normativität. In: Groenemeyer, A., Wieseler, S. (eds) Soziologie sozialer Probleme und sozialer Kontrolle. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90879-3_4

Rezension von
Prof. Dr. Theresa Hilse-Carstensen
IU Internationale Hochschule Erfurt
Dipl. Sozialpädagogin/ Sozialarbeiterin (FH)
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Es gibt 10 Rezensionen von Theresa Hilse-Carstensen.

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ISSN 2190-9245