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Nora Sellner, Werner Schönig et al.: Raumnutzungs­verhalten von Menschen in Obdachlosigkeit

Rezensiert von Dipl. Soz.-Arb. Monica Wunsch, 10.04.2025

Cover Nora Sellner, Werner Schönig et al.: Raumnutzungs­verhalten von Menschen in Obdachlosigkeit ISBN 978-3-8474-3006-3

Nora Sellner, Werner Schönig, Guido Heuel: Raumnutzungsverhalten von Menschen in Obdachlosigkeit. Grundfragen und besondere Aspekte der Coronapandemie am Beispiel Kölns. Verlag Barbara Budrich GmbH (Opladen, Berlin, Toronto) 2024. 179 Seiten. ISBN 978-3-8474-3006-3. D: 52,00 EUR, A: 53,50 EUR.
Reihe: Schriften der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen - 43.

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Thema

In der Auseinandersetzung mit dem Raumnutzungsverhalten von obdachlosen Menschen wird ein oft übersehenes, jedoch äußerst wichtiges Thema beleuchtet.

Die Studie zeigt, wie Menschen ohne Obdach (Sozial)Räume wahrnehmen, nutzen und gestalten, um ihre Bedürfnisse zu erfüllen und ihre Lebenssituation während der Coronapandemie zu bewältigen.

Die Autor*innen erforschen das Thema anhand einer partizipativen Studie in der Stadt Köln, in der sie mehrere Forschungsansätze, Methoden und Datenquellen miteinander kombinieren (Methodentriangulation): qualitative Befragungen, GPS-Tracking (neues, erstmaliges Verfahren), leitfadengestützte Abschlussinterviews und Fotografien.

Die existenzbedrohlichen Lebensbedingungen, soziale Exklusion und ihre Verschärfung während der Coronapandemie werden umfassend analysiert. Sie werfen einen neuen Blick auf die Menschen, nehmen sie als Expert:innen ihrer Lebenswelt ernst und beziehen sie in die Gestaltung, Reflexion und Auswertung der Studie maßgeblich mit ein.

Autor:innen

Dr. Nora Sellner, Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Lehrbeauftragte an der Technischen Hochschule Nürnberg

Prof. Dr. rer. pol. habil. Werner Schönig, Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen, Lehrgebiet Sozialökonomik und Konzepte der Sozialen Arbeit 

Prof. Dr. phil. Guido Heuel, Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen, Fachbereich Sozialwesen/​Gesundheitswesen Köln

Entstehungshintergrund

Der Entstehungshintergrund des Themas „Raumnutzungsverhalten von Menschen in Obdachlosigkeit“ ist vielschichtig und umfasst verschiedene gesellschaftspolitische, wirtschaftliche und soziale Aspekte. 

  • Soziale Ungleichheit: Die Zunahme von sozialer Ungleichheit und Armut in vielen urbanen Gebieten hat dazu geführt, dass immer mehr Menschen von Obdachlosigkeit betroffen sind.
  • Städtische Entwicklung: Die Urbanisierung und die damit verbundenen Veränderungen in der Stadtstruktur beeinflussen, wie obdachlose Menschen öffentliche und private Räume nutzen.
  • Politische und gesellschaftliche Relevanz: Angesichts der wachsenden Obdachlosigkeit in vielen Städten ist das Verständnis des Raumnutzungsverhaltens von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung effektiver sozialer Interventionen und politischer Maßnahmen.
  • Partizipative Ansätze: In den letzten Jahren hat sich ein Trend hin zu partizipativen Forschungsansätzen entwickelt, die es ermöglichen, die Stimmen und Erfahrungen von hier obdachlosen Menschen als Expert*innen direkt einzubeziehen.

Mit dem Wohnungslosenberichterstattungsgesetz (WoBerichtsG) wurde 2020 erstmalig die Einführung einer Statistik untergebrachter wohnungsloser Personen sowie einer begleitenden Berichterstattung beschlossen. Der erste Bericht wurde in 12/2022 veröffentlicht. Erstmals wurden Wohnungslose ohne Unterkunft und Menschen in verdeckter Wohnungslosigkeit 2022 gezählt. Seitdem führt das Statistische Bundesamt diese Statistik jährlich zum Stichtag 31. Januar durch.

Mit der hier vorliegenden, repräsentativen Studie wird „methodisches Neuland“ betreten. Sie ist zum jetzigen Zeitpunkt in Deutschland einmalig.

Aufbau und Inhalt

Die Studie „Raumnutzungsverhalten von Menschen in Obdachlosigkeit“ analysiert die verschiedenen Aspekte, wie obdachlose Menschen Räume und Umgebungen während der Coronapandemie und damit einhergehend dem Wandel des Sozialraums nutzen und wie sich dieses Raumnutzungsverhalten geändert hat. Sie analysiert, welche Faktoren das Verhalten und die Entscheidungen dieser Personen beeinflussen, wenn es darum geht, öffentliche und private Räume zu betreten oder zu meiden. Zudem werden die Herausforderungen und Bedürfnisse der Obdachlosen in Bezug auf Sicherheit, Privatsphäre und soziale Interaktion aus der Perspektive der Betroffenen heraus erforscht. Die Studie bietet Einblicke in die Lebensrealitäten von Menschen in Obdachlosigkeit und beleuchtet, wie städtische Räume gestaltet und Rahmenbedingungen geschaffen werden können, um ihre Lebensqualität zu verbessern.

Die Studie umfasst 179 Seiten und ist in 6 Kapitel gegliedert.

Nach einer Einführung in das Thema Wohnen auf der Straße unter den begrenzenden Bedingungen der Coronapandemie wird die durchgängig partizipative und interaktive Studie vorgestellt. Diese Studie konzentriert sich auf die komplexe und widersprüchliche Beziehung zwischen Wohnen und Obdachlosigkeit. Der aktuelle Forschungsstand zum Raumnutzungsverhalten obdachloser Menschen sowie zum Verhalten im sozialen Raum in deutschen und internationalen Studien wird skizziert, die Erfahrungen und Ergebnisse in der Planung der neuen Studie berücksichtigt.

Das folgende Kapitel „Empirische Erhebung“ ist das umfangreichste. Hier wird detailliert dargelegt, wie die Forschung durchgeführt wurde, welche Methoden verwendet und welche Daten gesammelt wurden. Basierend auf vier leitenden Fragestellungen:

  • Wie nehmen obdachlose Menschen ihren Sozialraum wahr und welches Raumnutzungsverhalten Obdachloser ist zu unterschiedlichen Wochentagen und Tageszeiten zu erkennen?
  • Welche Interdependenz besteht zwischen Raumnutzungsverhalten und Versorgungsinfrastruktur?
  • Was folgt daraus für die Sozialraumorientierung, die Wohnungsnotfallhilfe und deren Nutzerorientierung?
  • Wie nehmen obdachlose Menschen unter Berücksichtigung der Coronapandemie ihren Sozialraum wahr und welches (neue/veränderte) Raumnutzungsverhalten ist zu erkennen?

und einem partizipativen Grundverständnis, umgesetzt durch methodische und inhaltliche Reflexion und Analyse dreier relevanter Stakeholder:innengruppen, wurde eine Methodentriangulation entwickelt, die verschiedene Erhebungsmethoden nutzt:

  • Stadtplan,
  • Fragebögen,
  • Trackings,
  • Fotografien und
  • Interviews.

Zu Beginn wurde ein hybrider Auftaktworkshop mit den Stakeholder:innengruppen: obdachlose Menschen im Kölner Stadtgebiet; Interessenvertreter:innen und Leitungsverantwortliche der Hilfeanbieter:innen (und Leistungsträger:innen) für obdachlose Menschen (in Köln); Mitarbeiter:innen der Einrichtungen und Angebote der Wohnungsnotfallhilfe in Köln (Träger:innen der Freien Wohlfahrtspflege und der Stadt Köln) durchgeführt.

Fragebogen und Stadtplan wurden partizipativ erarbeitet. Mithilfe des Facility-Based-Sampling wurden Personen für Tracking und Autofotografie akquiriert und in elf Angeboten und Einrichtungen der Wohungslosen-, Obdachlosen- und Suchthilfe Fragebögen ausgefüllt, teils assistiert durch Fachkräfte vor Ort.

Die Trackingdaten wurden mit den getrackten Personen gemeinsam analysiert und später inhaltsstatistisch ausgewertet. Die Ergebnisse wurden mit Fachkräften aus der Sozialen Arbeit besprochen und weitere Analysen generiert. Am Abschlussworkshop waren alle Stakeholder:innen sowie weitere Expert*innen beteiligt. Die Ergebnisse und das Forschungsvorgehen wurden reflektiert, bewertet und Schlussfolgerungen/​Handlungsempfehlungen zu vier Themenbereichen erarbeitet: Bedeutung der Erkenntnisse für die Soziale Arbeit sowie für die Menschen in Obdachlosigkeit, Bedeutung des rekonstruierten Raumnutzungsverhaltens sowie die Bedeutung der Erkenntnisse zur Coronapandemie für das Hilfesystem.

Im folgenden Kapitel werden die Methodentriangulation sowie der finanzielle Rahmen der Studie, der zeitliche Bezug und die beteiligten Personen differenziert reflektiert.

In den darauffolgenden Handlungsempfehlungen werden der quantitative und qualitative Teil gesondert ausgewiesen sowie der Bedarf und Nutzen einer stetig aktualisierten Stadtkarte hervorgehoben. Die praktische Unterstützung durch Fachkräfte vor Ort hat sich als besonders hilfreich und gut durchführbar bewiesen. Dies bezieht sich auf das Ausfüllen von Fragebögen sowie auf das gemeinsame Visualisieren und Besprechen des alltäglichen Raumnutzungsverhaltens gemeinsam mit den Nutzer:innen der Angebote Sozialer Arbeit. Der Erkenntnisgewinn und die Reflexion erweitern die Selbstkompetenz. Aufgrund fehlender eigener Rückzugsmöglichkeiten im Tagesverlauf sind obdachlose Menschen auf öffentliche Einrichtungen und professionelle Angebote angewiesen. Sichere Aufenthaltsorte-, Rückzugs- und Schutzräume sind 24/7 notwendig und sollten dringend ausgebaut werden. Das Bedürfnis nach Hygiene, persönlicher und medizinischer Körperpflege ist essenziell. Gesundheitsorientierter Ausbau der Kontaktstellen oder lokale Gesundheitsläden, sowie die Sicherstellung öffentlicher kostenfreier Toiletten und Waschmöglichkeiten im gesamten Stadtgebiet, werden konstatiert. Aufgrund der aktuell erforderlichen hohen Mobilität zur Abdeckung der Grundbedürfnisse ist die kostenfreie Nutzung von ÖPNV und Fahrrädern, sowie angemessenes Schuhwerk erforderlich. Zur Sicherstellung der Teilhabe am sozialen sowie wirtschaftlichen Leben werden Wissen und Informationen benötigt. Als Möglichkeiten werden hier kostenfreies WLAN im öffentlichen Raum und Versorgung mit adäquaten Endgeräten dargestellt.

In der quantitativen als auch qualitativen Erhebung wurde als vordringlicher Wunsch der obdachlosen Menschen das Bedürfnis nach Wohnung und Arbeit deutlich. Hier ergibt sich Handlungsbedarf auf verschiedensten Ebenen, um flexible Wege des Ausgangs aus der Obdachlosigkeit zu entwickeln. 

Abschließend werden das methodische Vorgehen und die Ergebnisse erläutert und bewertet und zukünftiger Forschungsbedarf dargestellt. Die Methodentriangulation im Kontext der partizipativen Vorgehensweise und Beteiligung der relevanten Stakeholder:innen werden als erfolgreich beschrieben. Die 165 in der Befragung ausgewerteten Fragebögen werden als „näherungsweise repräsentativ“ angesehen. Darüber hinaus decken sich zentrale Eckdaten zu Geschlecht, Alter und Staatsangehörigkeit mit anderen Studien. Abweichungen bezüglich der stärkeren Frauenquote (ca. 1/3) und diversen Personen (ca. 5 %) werden durch die gezielte Befragung von Einrichtungen für Frauen und junge Menschen begründet.

Darüber hinaus wurden die quantitativen Befragungsergebnisse nach den Merkmalen Geschlecht, Alter, Herkunft/​sozialrechtlicher Anspruch und Dauer der Obdachlosigkeit kreuztabelliert.

  • Die Studienergebnisse weisen ein geschlechtsspezifisch unterschiedliches Raumnutzungsverhalten und unterschiedliche Bewältigungsstrategien auf.
  • Es werden signifikante Unterschiede zwischen Frauen und Männern im Bereich der Schlaforte und Orten der Begegnung festgestellt.
  • Diverse Personen und Transgender sind in ihren Bedürfnissen und Bewältigungsstrategien bisher kaum erfasst. Die Entwicklung gender- und diversitätssensibler Konzepte sowie passgenauer Angebote steht noch aus.
  • Auch die spezifischen Bedarfe älterer obdachloser Menschen wurde erhoben und weisen auf die zunehmende Bedeutung professioneller Hilfe hin. Die jüngsten und ältesten nutzen vermehrt private Unterstützung, während sich die Menschen in Obdachlosigkeit aus der mittleren Altersgruppe (45 J.) auf Bewältigungsstrategien im öffentlichen Raum fokussieren.
  • Die Herkunft obdachloser Menschen hat aus sozialrechtlichen und sozialökonomischen Gründen Einfluss auf ihr Nutzungsportfolio.
  • Obdachlose Menschen aus anderen Herkunftsländern sind oft in der Nutzung professioneller Angebote und privater Unterstützung eingeschränkt, was sie stärker auf den öffentlichen Raum verweist. Ankerplätze stehen ihnen kaum zur Verfügung.

Die Nutzungsmuster verändern sich mit der Dauer der Obdachlosigkeit, jedoch geschieht dies selten linear. Vielmehr zeigen sie meist ein- oder zweigipflige Verläufe.

Auffällig ist, dass es häufig Ähnlichkeiten zwischen der kurzen Dauer von weniger als einem Jahr und der sehr langen Dauer von über zehn Jahren gibt. In beiden Fällen spielen professionelle Einrichtungen eine große Rolle, während private Unterstützung weniger bedeutend ist. Bei den Gruppen mit mittlerer Dauer hingegen wird auf ein breiteres Spektrum an Optionen zurückgegriffen.

Die Analyse der Trackings wurde sowohl auf formaler als auch auf inhaltlicher Ebene durchgeführt und lieferte differenzierte Erkenntnisse über das Raumnutzungsverhalten obdachloser Menschen im Kölner Stadtgebiet. Dadurch konnten sowohl formale als auch inhaltliche Nutzungsmuster rekonstruiert werden. Formal ähnliche Nutzungsmuster weisen eine vergleichbare Struktur und Ausdehnung der Raumnutzung auf. Die Trackings deuten auf drei verschiedene Muster der Raumnutzung hin:

  1. sternförmig-variabel,
  2. linienförmig-weitläufig und
  3. kleinräumig-eng.

Diese Muster zeigen unterschiedliche Strategien in der Herstellung von Handlungsfähigkeit. Es gibt Hinweise auf die Zeit, seit der die Person obdachlos ist sowie auf die gesundheitliche Behandlung bei psychiatrischen Erkrankungen. Hierzu werden weitere Forschungen benötigt.

Ergänzend konnten inhaltlich-funktionale Nutzungsmuster ermittelt werden, die auf der Fallebene und im Fallvergleich dargestellt wurden. So konnte das Raumnutzungsverhalten eingehend analysiert werden und drei Typen der Raumnutzung identifiziert werden.

Die Mehrheit der obdachlosen Menschen in Köln agiert angebotsorientiert und nimmt aktiv die öffentlichen Unterstützungsangebote der Stadt und Sozialen Arbeit in Anspruch.

Der selbstständige Typ hingegen kümmert sich eigenverantwortlich um seine Angelegenheiten, ohne auf die Hilfsangebote zurückzugreifen. Der dritte Typ agiert hybrid, angebots- und selbstinitiiert. Die Trackingdaten zeigen deutlich, dass obdachlose Menschen über die Fähigkeit verfügen, ihre eigene Tagesstruktur zu gestalten, was ihnen häufig nicht zugestanden wird. Dabei handelt es sich um hochstrukturierte Menschen, die im öffentlichen Raum ihr Überleben organisieren.

Diskussion

Der Forschungsstand ist prekär. Warum? Interessiert es niemanden wie Obdachlosigkeit entsteht und warum sich obdachlose Menschen wie Verhalten, was adäquate Strategien, Ziele, Methoden und Maßnahmen zur Unterstützung in ein selbstbestimmtes Leben sein können? Denken alle: mich betrifft es ja nicht. Oder: Ich hoffe, der Kelch geht an mir vorbei.

Macht es nicht Sinn sich intensiv mit dem Thema Obdachlosigkeit zu befassen und Gegensteuerungsmaßnahmen, Harm Reduction und Auswege aus der Obdachlosigkeit zu entwickeln?

Die hier vorgelegte Studie ist aktuell einzigartig. Sie macht besonders, dass sie quantitative und qualitative Methoden kombiniert. Sie weist durch ihre innovative Methodentriangulation eine Vielzahl neuer Erkenntnisse auf. Die gewählte Herangehensweise und die stringent partizipative Umsetzung ermöglicht es, die Perspektiven der Betroffenen zu verstehen und ihre Bedürfnisse und Herausforderungen zu erkennen. Sie sensibilisiert für die komplexen Lebensrealitäten von Menschen in Obdachlosigkeit. Die Studie trägt dazu bei, Vorurteile abzubauen und ein besseres Verständnis für die sozialen Dynamiken zu fördern. Die Wechselwirkungen zwischen urbaner Raumstruktur, Raumnutzung sowie Unterstützungsangeboten werden klar ersichtlich.

Die empirische Studie weist konkrete Handlungsempfehlungen für Politik und Gesellschaft auf, um die Lebensbedingungen von obdachlosen Menschen zu verbessern und ggf. auch Obdachlosigkeit zu reduzieren.

  1. Raumnutzung und Sicherheit: Ein wichtiger Aspekt der Studie ist die Suche nach sicheren Räumen. Viele Menschen in Obdachlosigkeit sind gezwungen, sich in städtischen Umgebungen zu bewegen, wo sie oft mit Bedrohungen konfrontiert sind. Die Studie zeigt, dass bestimmte Orte, wie Parks oder Bahnhöfe, als Rückzugsorte dienen, obwohl sie nicht immer sicher sind. Diese Erkenntnis wirft Fragen zur Gestaltung öffentlicher Räume auf und wie diese sicherer und einladender für alle Bürger gemacht werden können.
  2. Soziale Interaktion: Ein weiterer Punkt, der in der Studie behandelt wird, ist die soziale Interaktion. Menschen in Obdachlosigkeit nutzen Räume nicht nur für physische Sicherheit, sondern auch für soziale Kontakte. Die Studie hebt hervor, dass Gemeinschaftsbereiche, wie Unterkünfte, Kontaktläden und andere Ankerpunkte entscheidend für das Überleben und den sozialen Zusammenhalt sind. Diese Orte bieten nicht nur Schutz, sondern auch die Möglichkeit, Beziehungen aufzubauen und Unterstützung zu finden.
  3. Einfluss von Stadt- und Sozialplanung: Die Ergebnisse der Studie haben auch Implikationen für die Stadt- und Sozialplanung. Es wird deutlich, dass die Gestaltung von Städten und öffentlichen Räumen einen direkten Einfluss auf das Raumnutzungsverhalten von Menschen in Obdachlosigkeit hat. Eine integrative und inklusive Stadtplanung, die die Bedürfnisse aller Bürger berücksichtigt, trägt dazu bei, die Lebensqualität für vulnerablen Gruppen zu verbessern. Städtische und soziale Einrichtungen steigern ihre Effizienz und Effektivität durch passgenaue Verortung und bedarfsgerechte Angebotsverifizierung.
  4. Herausforderungen und Lösungsansätze: Die Studie thematisiert die Herausforderungen, mit denen Menschen in Obdachlosigkeit konfrontiert sind, wie Stigmatisierung und mangelnde Ressourcen. Es ist wichtig, dass Politik und Gesellschaft diese Herausforderungen anerkennen und Lösungen entwickeln, die über kurzfristige Maßnahmen hinausgehen. Langfristige Strategien, die auf Prävention und Integration abzielen sind notwendig, um nachhaltige Veränderungen zu bewirken. Dies betrifft neben Möglichkeiten zur hygienischen und gesundheitlichen Versorgung erweiterte Mobilitätskonzepte, informative Teilhabe, Fokussierung der geschlechts- und genderbezogenen Bedarfe. Drohender Wohnraumverlust und schlicht fehlender Wohnraum gehen oftmals mit Erwerbslosigkeit einher. Dies erfordert als dringliche soziale Frage und Bedarf die Eröffnung von Wohn- und Arbeitsplätzen für Wohnungs- und Obdachlose.

Fazit

Die Studie „Raumnutzungsverhalten von Menschen in Obdachlosigkeit“ ist eine herausragende, neuartige und innovative empirische Studie. Mit ihrer Methodentriangulation und ihrem partizipativ-interaktiven Vorgehen zeichnet sie ein umfassendes Bild am Beispiel Köln zu den Herausforderungen und notwendigen Strategien. Sie regt zu einem Umdenken in der Stadt- und Sozialpolitik sowie in der Angebotsstrukturierung für die Wohnungs- und Obdachlosenhilfe an und bietet erste Handlungsoptionen.

Rezension von
Dipl. Soz.-Arb. Monica Wunsch
Mercedes Monica Wunsch Dipl.-Soz.Arb. (FH) Geschäftsführender Vorstand Zug um Zug e.V. und Tochtergesellschaften (Köln)
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Es gibt 11 Rezensionen von Monica Wunsch.

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ISSN 2190-9245