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Jennifer Dahmen-Adkins, Andrea Wolffram (Hrsg.): Wissenschafts­karrieren und Gender Bias

Rezensiert von Dr. Franziska Sophie Proskawetz, 22.10.2024

Cover Jennifer Dahmen-Adkins, Andrea Wolffram (Hrsg.): Wissenschafts­karrieren und Gender Bias ISBN 978-3-8474-2580-9

Jennifer Dahmen-Adkins, Andrea Wolffram (Hrsg.): Wissenschaftskarrieren und Gender Bias. Chancengerechtigkeit an Hochschulen zwischen formellen Vorgaben und informellen Einflüssen. Verlag Barbara Budrich GmbH (Opladen, Berlin, Toronto) 2024. 240 Seiten. ISBN 978-3-8474-2580-9. D: 49,90 EUR, A: 51,30 EUR.

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Thema und Entstehungshintergrund

Im Bereich wissenschaftlicher Karrieren besteht weiterhin ein deutlicher Gender Bias, der insbesondere Wissenschaftlerinnen auf Professuren und in Führungspositionen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen betrifft – sowohl in Deutschland als auch in anderen europäischen Ländern. Zwar ist ein kontinuierlicher Anstieg des Frauenanteils auf allen akademischen Qualifikations- und Karrierestufen zu beobachten, doch hat sich dieses Wachstum in den letzten Jahren stark verlangsamt und ist nahezu zum Stillstand gekommen. Die Ursachen hierfür liegen häufig in informellen, subtilen Abläufen und Prozessen innerhalb der Organisationen, die meist nur schwer zu erkennen und noch schwerer nachzuweisen sind.

Die Beiträge des Sammelbands beschäftigen sich mit dieser Thematik. Sie basieren größtenteils auf zwei transferorientierten Forschungsprojekten der Herausgeberinnen: dem nationalen Projekt „Gender Bias in den Karriereverläufen von Frauen in den Ingenieurwissenschaften und der Informationstechnik durch informelle Förderbeziehungen und Netzwerke“ (gefördert vom BMBF) und dem internationalen Projekt „CHAlleNging Gender (in)Equality in Science and Research“ (Europäische Kommission).

Herausgeberinnen

Dr. des. Jennifer Dahmen-Adkins ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziologie der RWTH Aachen University. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der Geschlechter- und Intersektionalitätsforschung sowie der Hochschul- und Organisationsforschung, jeweils mit einem starken „Theorie-Praxis-Bezug“.

Priv.-Doz. Dr. Andrea Wolffram ist ebenfalls wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziologie der RWTH Aachen University. Ihre Forschung konzentriert sich unter anderem auf Geschlechterverhältnisse und Karriereverläufe in den Technikwissenschaften.

Aufbau und Inhalt

Das Buch beginnt nach einem knappen Vorwort mit einem einleitenden Aufsatz der Herausgeberinnen, in dem sie auf die anhaltende Reproduktion von Geschlechterungleichheiten in beruflichen Laufbahnen eingehen und mögliche Ursachen dafür aufzeigen, die sie vor allem in informellen Prozessen und Beziehungen verorten.

Der Sammelband ist in drei Teile gegliedert und umfasst elf Beiträge, darunter drei englischsprachige Beiträge. Die Beiträge vereinen unterschiedliche Perspektiven auf das Thema und konzentrieren sich überwiegend auf das Wissenschafts- und Hochschulsystem in Deutschland, stellen aber auch teilweise europäische Vergleiche an. Ein Teil der Beiträge beleuchtet die Perspektive von Wissenschaftlerinnen, während ein anderer Teil den Fokus auf sogenannte Gatekeeper*innen in Forschungsorganisationen legt.

Im Folgenden werde ich eine Übersicht über die einzelnen Teile des Sammelbandes geben und exemplarisch auf die Inhalte des ersten Beitrags eingehen.

Teil I: Gender Bias in Wissenschaftskarrieren Der erste Teil des Sammelbandes vereint Beiträge, die sowohl formelle Vorgaben als auch informelle Einflüsse bei der Gestaltung von Wissenschaftskarrieren thematisieren. Im Fokus stehen dabei spezifische Karrierephasen von (angehenden) Wissenschaftlerinnen, beginnend mit der Studienabschlussphase bis hin zur Besetzung von Professuren. Die Autor*innen beleuchten, wie diese Phasen durch institutionelle Strukturen, aber auch durch subtile, oft unsichtbare Dynamiken geprägt sind, die den Karriereverlauf beeinflussen können.

Um einen genaueren Einblick in den Sammelband zu geben, möchte ich auf den Beitrag von Andrea Wolffram eingehen, die zugleich Herausgeberin des Sammelbands ist. Ihr Beitrag trägt den Titel „Die Herstellung von Vertrauenswürdigkeit, Potenzialanerkennung und sozialem Kapital von Wissenschaftlerinnen im Übergang in eine wissenschaftliche Laufbahn.“ In diesem Beitrag untersucht Wolffram, wie es dazu kommt, dass sich Personen dazu entschließen, eine wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen bzw. eine Promotion zu beginnen. Dabei beleuchtet sie insbesondere die Rolle von Professor*innen, die in dieser Phase als Gatekeeper*innen fungieren. Diese entscheiden darüber, welchen Nachwuchswissenschaftler*innen eine wissenschaftliche Karriere zugetraut wird und wem Potenzial sowie Förderungswürdigkeit zugesprochen wird.

Wolffram arbeitet heraus, wie die Faktoren Potenzial, Vertrauen und soziales Kapital im Zusammenspiel als karriereförderliche Elemente wirken. Auf Basis qualitativer Daten untersucht sie, welche formellen und informellen Kriterien bei der Auswahl von Promovierenden durch Gatekeeper*innen – insbesondere im Bereich der Technikwissenschaften – zur Anwendung kommen. Diese Auswahl basiert nicht nur auf der Erbringung hervorragender Leistungen, sondern auch auf den weiteren Interaktionserfahrungen zwischen Promotionsinteressierten und Gatekeeper*innen. Wolffram zeigt eindrücklich, dass sowohl Leistung als auch Gestaltung von Interaktion eine entscheidende Rolle bei der Förderung und dem Zugang zu wissenschaftlichen Karrieren spielen.

Teil II: Akteur*innen und Dynamiken im Wandel von Wissenschaftsorganisationen

Teil III: Chancengerechtigkeit an Wissenschaftsorganisationen im EU-Kontext: Zwischen formellen Vorgaben und informellen Einflüssen

Im zweiten und dritten Teil des Sammelbands finden sich Beiträge, die sich mit organisationalen Bedingungen von Forschungseinrichtungen unter Berücksichtigung aktueller gleichstellungspolitischer Entwicklungen beschäftigen, wobei der dritte Teil auf den EU-Kontext fokussiert. Drei der Beiträge in Teil 2 und 3 sind dementsprechend englischsprachig.

Die Beiträge umfassen im Schnitt jeweils etwa 20 Seiten. Das Buch schließt mit Kurzbiografien der Autor*innen. Es umfasst 240 Seiten und ist 2024 im Verlag Barbara Budrich erschienen.

Diskussion

Der Sammelband greift ein hochaktuelles Thema auf und überzeugt durch einen anschaulichen, klaren Aufbau sowie eine durchdachte Struktur. Die Autor*innen stützen ihre Interpretationen und Ergebnisse auf fundiertes empirisches Datenmaterial, Interviewausschnitte machen die Text anschaulich.

Vor allem Wissenschaftlerinnen in unterschiedlichen Karrierestufen werden sich in den Beiträgen wiederfinden. Der erste Teil, mein persönlicher Favorit, den ich mit besonderer Spannung gelesen habe, bietet möglicherweise gerade ihnen Orientierung und Verständnis für den eigenen Karriereverlauf (auch im Rückblick) und regt zum Nachdenken an. Insofern kann der Band als hilfreiche Lektüre für diejenigen dienen, die ihre akademische Laufbahn reflektieren und besser verstehen wollen.

Fazit

Der Sammelband bietet eine fundierte und differenzierte Auseinandersetzung mit dem Gender Bias in wissenschaftlichen Karrieren, wobei er sowohl formelle Strukturen als auch subtile, informelle Einflüsse beleuchtet. Die empirisch fundierten Beiträge, die unterschiedliche Perspektiven einnehmen, regen zur Reflexion an und liefern wertvolle Einsichten für Wissenschaftler*innen in verschiedenen Karrierestufen. Der klar strukturierte Aufbau und die praxisnahen Perspektiven machen das Werk zu einer wichtigen Lektüre für alle, die sich mit Geschlechtergerechtigkeit in der Wissenschaft auseinandersetzen.

Rezension von
Dr. Franziska Sophie Proskawetz
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Es gibt 13 Rezensionen von Franziska Sophie Proskawetz.

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ISSN 2190-9245