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Martina Rudolph (Hrsg.): Skillstraining bei Dissoziativer Identitätsstörung und Trauma

Rezensiert von Wolfgang Schneider, 17.12.2024

Cover Martina Rudolph (Hrsg.): Skillstraining bei Dissoziativer Identitätsstörung und Trauma ISBN 978-3-608-40190-5

Martina Rudolph (Hrsg.): Skillstraining bei Dissoziativer Identitätsstörung und Trauma. Wegweiser durch die Behandlung der DIS. Schattauer (Stuttgart) 2024. 200 Seiten. ISBN 978-3-608-40190-5. D: 48,00 EUR, A: 49,40 EUR.

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Thema

Das Buch gibt einen Überblick über die Hintergründe der Erkrankung und skizziert wichtige Rahmenbedingungen für die Behandlung. Das Manual stellt effiziente Unterstützung im Gruppensetting bereit, ist aber auch im Einzelsetting gut bedarfsangepasst anzuwenden. In 10 Modulen wird die Selbstverantwortung und -wirksamkeit der Patient:innen gefördert. Nach dem psychoedukativen Input üben sie z.B. den Umgang mit Triggern, die Verbesserung der inneren Sicherheit sowie der inneren Kommunikation. Die spielerische Komponente der Übungen erhöht die Akzeptanz.

Herausgeberin

Martina Rudolph ist leitende Ärztin Klinik am Waldschlößchen; ausgebildet in Spezielle Traumatherapie (DeGPT), EMDR-Therapie (EMDRIA), Medizinische Sachverständige cpu (DIU); Zusatzbezeichung Sozialmedizin Medizinische Sachverständige (DIU), EMDR-Supervisorin (EMDRIA), Tätigkeit als Supervisorin an der AAP und DGVT, Tätigkeit als Supervisorin in der Psychosomatik am Weißen Hirsch, Dresden. Seit 2012 regelmässige Seminare in den Erfurter Psychotherapietagen. Dozentin an der AAP. Zahlreiche Vorträge, Workshops, Seminare mit dem Schwerpunkt Traumafolgestörungen. Sie wurde unterstützt von Linda Koos und Mirjam Urban.

Aufbau und Inhalt

Dass die Diagnose DIS gar nicht so alt ist, ist den meisten Leser:innen wahrscheinlich bekannt – und das obwohl die beschriebenen Symptome schon vor Urzeiten ausführlich beschrieben wurden. Der Grundstein wurde im alten Griechenland gelegt, als die Fachleute von sogenannter Hysterie bei Patientinnen berichteten, die durch dissoziative Symptome gekennzeichnet waren. Als Ursache wurde damals ein Wandern der Gebärmutter vermutet. Der Begriff der Hysterie hatte somit für Jahrhunderte Einzug in die Psychiatrie gehalten. In den Fokus der Forschung geriet das Störungsbild dann jedoch erst wieder zum Ende des 19. Jahrhunderts. Der Begriff der Hysterie hielt sich noch lange, verschwand erst im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts. Neben diesen historischen Grundlagen und den vorliegenden Diagnoseinstrumenten informiert Martina Rudolph im ersten Teil DIS: Hintergründe, Modelle, Diagnostik und Behandlungsgrundlagen neben Diagnoseinstrumenten und Behandlungsansätzen auch über die psychosozialen äußeren Stressoren von Betroffenen, geht aber auch auf die Herausforderungen ein, die die Arbeit mit von DIS oder PTBS Betroffenen für die Fachkräfte (nicht nur) in therapeutischen Settings bedeutet. Denn diese berichten zum Beispiel häufig von einem unermesslichen Ausmaß von erlebtem Leid, das es auf Seiten der Fachleute auszuhalten gilt. Auch Widersprüchlichkeiten im Verhalten der Betroffenen – zum Beispiel im immer wieder gesuchten Kontakt zu schädigenden Einflüssen – werden erklärt und Fallstricke in der therapeutischen Beziehung aufgedeckt. Antworten gibt es auf die Frage nach Unterstützungsmöglichkeiten für Betroffene, die neben psychotherapeutischen Angeboten auch Beratung und psychosoziale Hilfen in Anspruch nehmen können. Hierzu findet sich eine Übersicht über die Standardwerke der Fachliteratur zur Thematik und Behandlungsempfehlungen zur DIS sowie ein Blick auf Studien zur Therapiewirksamkeit. Abgerundet wird der erste Teil von einem ausführlichen Fallbeispiel.

Der zweite Teil widmet sich unter der Überschrift Das Skillstraining: Voraussetzungen, Rahmenbedingungen, Planung und Durchführung der praktischen Arbeit mit Betroffenen, für die – das sollte eigentlich klar sein- eine fundierte therapeutische Ausbildung und eine große Menge an Fachwissen erforderlich ist. Hier erfahren die Leser:innen, wie sich ambulant, stationär oder im Einzelsetting das Skillstraining gestalten lässt und wo dieser Ansatz überhaupt herkommt. Anschließend werden die zehn Module erläutert, aus denen sich das hier vorgestellte Programm zusammensetzt:

  • Orientierungshilfen im Hier und Jetzt
  • Orientierung im Innen
  • Äußere Sicherheit verbessern
  • Innere Sicherheit verbessern
  • Umgang mit äußeren Triggern
  • Umgang mit inneren Triggern
  • Ausstieg aus äußeren Täter-Opfer-Retter-Dynamiken
  • Innenkommunikation
  • Umgang mit aktuellen Gefühlen
  • Umgang mit aktivierten Gefühlen anderer Anteile.

Den Abschluss bildet ein Kapitel zur Evaluation der Vorgehensweise. Die entsprechenden Fragebögen finden sich im Anhang.

Diskussion

Patient:innen mit der Diagnose DIS haben häufig einen langen Weg hinter sich, bevor sie spezifische Versorgung erfahren. Ihre Therapeut:innen stehen in der Differenzialdiagnostik und in der Beziehungsgestaltung vor besonderen Herausforderungen und haben es manchmal aufgrund der Komplexität der Symptomatik schwer, den roten Faden zu halten. Und genau setzt dieses wegweisende Praxisbuch an, indem es wichtige Grundlagen mit Beispielen aus der Praxis schafft, die ein breites Spektrum abbilden: Symptombilder und Komorbiditäten, Potenziale und Fallstricke der therapeutischen Beziehung. Gerade die Darstellung der Module in einem übersichtlichen Layout, das sehr hilfreich bei der praktischen Umsetzung sein dürfte, überzeugt besonders. Dass jeweils mittels eines Ampelsystems dargestellt wird, was welche Patient:innen je nach emotionaler Verfassung umsetzen können, macht die hohe Praxisnähe des Buches deutlich. Alles in allem entsteht so ein überzeugender und von hoher Kompetenz geprägter Wegweiser durch die Behandlung der DIS – genau so, wie es der Untertitel verspricht. Online-Material zum im Buch eingeführten Ampelmodell und Arbeitsblätter sind eine gute Ergänzung.

Fazit

Auch wenn das Buch sich in erster Linie an Therapeut:innen wendet, bietet es auch für andere Fachkräfte, die mit Menschen aus dem dissoziativen Spektrum zu tun haben, viel wissenswerten Input. Insofern ist das Buch eine Empfehlung, weil es gelingt, eine der komplexesten Diagnosen verständlicher werden zu lassen.

Rezension von
Wolfgang Schneider
Sozialarbeiter
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Zitiervorschlag
Wolfgang Schneider. Rezension vom 17.12.2024 zu: Martina Rudolph (Hrsg.): Skillstraining bei Dissoziativer Identitätsstörung und Trauma. Wegweiser durch die Behandlung der DIS. Schattauer (Stuttgart) 2024. ISBN 978-3-608-40190-5. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/32317.php, Datum des Zugriffs 24.01.2025.


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