Fritz B. Simon: Die kommenden Diktaturen
Rezensiert von Wolfgang Schneider, 19.07.2024

Fritz B. Simon: Die kommenden Diktaturen. Ein Worst-Case-Szenario.
Carl-Auer Verlag GmbH
(Heidelberg) 2024.
96 Seiten.
ISBN 978-3-8497-0556-5.
D: 14,00 EUR,
A: 14,40 EUR.
Reihe: update gesellschaft.
Thema
Autoritarismus gewinnt nicht nur weltweit an Zustimmung, sondern tatsächlich auch an Einfluss und Macht – Demokratien geraten ernsthaft in Gefahr. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir Diktaturen, und damit Diktatoren, das Ruder überlassen werden, wächst. Fritz B. Simons Essay macht klar, was wir riskieren.
Autor
Dr. med. Fritz B. Simon ist Professor für Führung und Organisation am Institut für Familienunternehmen der Universität Witten/Herdecke, Systemischer Organisationsberater, Psychiater, Psychoanalytiker und systemischer Familientherapeut. Er ist Autor beziehungsweise Herausgeber von rund 300 wissenschaftlichen Fachartikeln und 34 Büchern, die in 15 Sprachen übersetzt worden sind.
Aufbau und Inhalt
Krisen überall: Klima, Konjunktur, Kapitalismus, Kriege. Werden wir sie lösen können? Fritz B. Simon entwirft in diesem Essay einen mehr als skeptischen Blick auf die politischen Entwicklungen im Kontext der unübersehbaren internationalen Probleme und zeigt auf, dass diese nach wie vor nur national angegangen werden. Angesichts fehlender politischer Lösungserfolge gewinnt der Autoritarismus an Zustimmung und tatsächlich auch an Einfluss und Macht, Demokratien geraten ernsthaft in Gefahr. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir Diktaturen, und damit Diktatoren, das Ruder überlassen werden, wächst. Anhand der Neueren Systemtheorie versucht der Autor nachhaltig zu erklären, was gerade in der Gesellschaft geschieht. Wer versteht, was vor sich geht, kann nicht überrascht sein, wenn am Ende Freiheiten und Wohlstand radikal eingeschränkt werden. Und dass autoritären bzw. diktatorischen Regierungen gelänge, was wissenschaftlich angeraten scheint, um die Erde großflächig bewohnbar zu halten, mag eine Hoffnung sein, darf aber bezweifelt werden.
Anhand der Klimakrise und dem Umgang damit wird zunächst dargestellt, dass Demokratien häufig langsam und träge agieren, während es in einem autokratischen Staat wesentlich schneller gelingt, Maßnahmen umzusetzen. Aber ist die Diktatur oder Autokratie deshalb die bessere Staatsform? Die Staatsform, durch die es gelingt, unseren Lebensstandard zu halten und trotzdem dafür zu sorgen, dass der Planet gerettet wird? Hier bezieht Fritz B. Simon klar Stellung: Nein!
Hinter dem Wunsch nach dem ‚starken Mann‘ steht die Hoffnung, komplexe Vorgänge, von denen sich Menschen bedroht fühlen, besser händeln zu können. Wer einfach mal auf den Tisch haut, der macht das schon! Dass aber genau das nicht der Weg sein kann und eine fehlgeleitete Hoffnung ist, breitet der Autor informativ aus und zeigt – da ist er eben Systemiker durch und durch –, dass die Menschen in einer Unzahl von Systemen (Politik, Wirtschaft, Religionen, Gesetze…) lavieren, die alle ganz unterschiedliche Ziele verfolgen, was zwangsläufig zu Konflikten führt.
Diskussion
Eines muss man direkt sagen: Dieses kleine Büchlein ist alles andere als leichte Kost, die man so eben zwischendurch lesen kann. Dafür ist das, was Fritz B. Simon hier schreibt, zu schonungslos, zu klar und an manchen Stellen auch verdammt erschreckend. Aber gerade damit gelingt es dem Autor, die Leser:innen wachzurütteln und schafft es, ihnen Argumente an die Hand zu geben für Diskussionen mit Menschen, die sich ‚nach der starken Hand sehnen‘, die alles wieder gut macht, ohne dabei zu viel zu verändern. Dass diese Vorstellung eine Utopie ist, wird mit jeder Seite dieses Essays deutlich. Wer jetzt denkt, dass der Text reine Schwarzmalerei ist, der irrt, was sich allerletzten Satz sehr gut zeigt: „Worst-Case-Szenarien haben den Zweck, eine schwarz ausgemalte Zukunft zu verhindern“ (S. 77) heißt es dort.
Fazit
Fritz B. Simon zeichnet ein einleuchtendes Worst-Case-Szenario, das aufrüttelt und klarmacht, was wir riskieren, wenn wir uns auf der Suche nach Reduzierung von Komplexität den ‚starken Mann‘ an der Spitze wünschen. Und so entsteht ein brillanter Text, den man eigentlich all jenen, die sich trotzdem danach sehnen, im wahrsten Sinne des Wortes um die Ohren hauen müsste.
Rezension von
Wolfgang Schneider
Sozialarbeiter
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