Bernhard Heinzlmaier: Babyboomer gegen Generation Z
Rezensiert von Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer, 08.04.2025

Bernhard Heinzlmaier: Babyboomer gegen Generation Z. Vom Ende des neuen Biedermeier. Promedia Verlagsgesellschaft (Wien) 2024. 224 Seiten. ISBN 978-3-85371-534-5. D: 22,00 EUR, A: 22,00 EUR.
Nützlich ist, was mir nützt
Generationenkonflikte sind erst einmal Anzeichen dafür, dass sich im Leben der Menschen Veränderungen vollziehen müssen. Es kann und darf nicht immer so bleiben wie es ist – ob gut oder schlecht! Perspektivenwechsel ist notwendig! In der Menschheitsgeschichte hat es immer wieder Entwicklungen gegeben, bei denen Anpassung und Widerstand, evolutionäre und revolutionäre Verläufe vollzogen wurden. Besonders in der Erziehung haben die erwachsenen Erziehungsberechtigten ihren Einfluss auf Kinder und Jugendliche ausgeübt und existentielle, ethische und kulturelle, bürgerliche Werte vermittelt. Und die nachfolgenden Generationen haben dies nachvollzogen, erduldet oder missachtet. Als eine besondere Epoche hat sich die Zeit des „Biedermeier“, in den Jahren von 1815 bis 1848 gezeigt, in denen das gesellschaftspolitische Bewusstsein, die Enttäuschung von der Politik zunahmen und deshalb die häusliche, private Idylle im Mittelpunkt stand.
Entstehungshintergrund und Autor
Kritik und Desillusionierung an der Politik bewirken, dass Menschen den „Ohne-Mich-Standpunkt“ einnehmen und gewissermaßen ein „neues Biedermeier-Denken“ bilden. Der Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier sieht in den neueren, gesellschaftlichen Verläufen Veränderungen in der Generationenentwicklung: Während die in der Zeit zwischen 1950 und 1964 aufgewachsenen wohl-, überbehütet, mit den Neuen Medien ausgestatteten „Babyboomer“ ein widerständiges, freiheitliches und selbstbewusstes Denken und Handeln erprobten, zeigt die „Generation Z“, die zwischen 1995 und 2010 Geborenen, eher ein konfliktscheues, sicherheitsrelevantes, egoistisches und extravertiertes Verhalten. Risiken und Visionen werden nicht mehr gewagt sondern vermieden. Es sind nicht mehr die ethischen Fragen „Wer bin ich? – „Was kann ich wissen?“ – „Was soll ich tun? – „Was darf ich hoffen?“ (Immanuel Kant), sondern „was man sein möchte“, mit allen Mitteln.
Aufbau und Inhalt
Neben der Einleitung, in der der Autor vor „Vulnerabilität als Freiheitsverzicht“ warnt, Empathie und Vernunft zusammenbringt und „Generationen als stabile Erlebnisgemeinschaften“ darstellt, gliedert er die Studie in neun Kapitel. Im ersten setzt er sich auseinander mit den Imponderabilien, wie sie sich beim Mit- und Gegeneinander als „Kampf der Generationen“ zeigt: Konfliktkompetenz, individuelle und gouvernante Rechte, authentische und pragmatische Verhaltensweisen. Im zweiten Kapitel thematisiert er „Digitale Kultur und (vermisst) fehlende Antifragilität“: Unsere Jugend ist in eine Selbstdarstellungsgesellschaft hineingeboren worden. Im dritten Kapitel geht es darum, wie „depressiver Hedonismus und die Flucht nach rechts“ entsteht: Genuss und Vorteile sind alles! Die Spaltung der Gesellschaft als Ergebnis. Das vierte Kapitel weist aus, wie „Parallelgesellschaften“ entstehen: „Babyboomer, Gen X, Gen Y und Gen Z“: Oberflächlichkeit, Momentanismus, Sofortismus. Fünftens wird „Kultur der ‚deep attention‘ (die) Kultur der ‚hyper attention‘“ gegenübergestellt: Langanhaltende Generation auf eine Sache, geringe Ablenkbarkeit, Faktennutzung versus schneller, oberflächlicher Wechsel zwischen Aufgaben. Sechstens werden die Unterschiede der „Generationen zwischen Schein und Wirklichkeit“ herausgearbeitet: Bild und Realität. Siebtens benennt der Autor die Generarion Z als „Generation Chamäleon“: Schein und Sein. Achtens werden die „Babyboomer als Gegenbild zur Generation Z“ markiert: „Sie kamen ohne Revolution zu neuen Freiheiten“- Im Schlusskapitel „Final Countdown“ werden die Auseinandersetzungen der „Gegengemeinschaften“ thematisiert: Fridays for Future, Klimaschützer, Menschenrechtler. Die Methoden und Praxen der Protestbewegungen haben sich verändert; die alten Eliten verlieren an Einfluss. Die Einsicht – „Uns trennt nicht links und rechts, sondern woke und none-woke“.
Diskussion
Der Mensch ist frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Diese Menschenrechtsdiktion bringt zum Ausdruck, dass er sich darum bemühen müsse, seinen ihm angeborenen Verstand zu benutzen. Wir sind bei der Conditio Humana, in der die Menschenwürde als das Non-plus-ultra der Humanität zum Ausdruck kommt, und sich in der Balance-Fähigkeit von Tun und Lassen zeigt. Es sind sozialökologische, solidarische und erdbewusste Argumentationen, die eine „adaptive Lebensführung“ ermöglichen sollen. Da ist zuallererst die Korrektur, wie sie uns im abendländischen, griechisch-römischen, jüdisch-christlichen, aufgeklärten Denken überliefert ist: Emanzipation als Fortschrittsglaube: „Mit dem Verzicht auf Fortschritt wird das spätmoderne Subjekt auch von der Verantwortung für das unglaubwürdig gewordene Projekt gesellschaftlicher Perfektionierung entlastet“. Anpassung und Widerstand, Wollen und Sollen erhalten eine neue Bedeutung. Es ist der notwendige „generative“ Blick, der sich als eine Aufmerksamkeit von „Naturzeit“ und „Gesellschaftszeit“ auftut. Nicht das Podest, die Bühne und die Extrovertiertheit ist es, die Generationengerechtigkeit und –wirklichkeit schafft (Phiipp Staab, Anpassung. Leitmotiv der nächsten Gesellschaft, 2022, www.socialnet.de/rezensionen/30373.php).
Fazit
Das Bewusstsein vom Vergangenen, Gegenwärtigen und Zukünftigen ist das, was den Individuen als sapere aude – Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“ – aufgegeben ist. Es ist die Lebenskraft, die Jung und Alt am Leben erhält und verpflichtet, ein menschenwürdiges Dasein zu führen.
Rezension von
Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer
Ehemaliger Lehrbeauftragter an der Universität Hildesheim
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