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Steve Keen: Für eine Neue Ökonomik

Rezensiert von Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer, 07.11.2024

Cover Steve Keen: Für eine Neue Ökonomik ISBN 978-3-85371-538-3

Steve Keen: Für eine Neue Ökonomik. Ein Manifest. Promedia Verlagsgesellschaft (Wien) 2024. 184 Seiten. ISBN 978-3-85371-538-3. D: 22,00 EUR, A: 22,00 EUR.
Reihe: Edition Makroskop.

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Thema

„Was wir über Wirtschaft zu wissen glauben, führt theoretisch wie praktisch in die Irre“

Dass die Menschheit in ihrem Denken und Tun die Grenzen des (ökonomischen) Wachstums erreicht haben, sollte spätestens seit 1972 durch den Bericht des Massachusetts Institute of Technology (MIT) im fachlichen, fächerübergreifenden, gesellschaftswissenschaftlichen Bewusstsein angekommen sein. In den Berichten an den Club of Rome zur Weltlage kommt zum Ausdruck, dass sich die Menschheit am Wendepunkt ihrer Geschichte stehe (1974). Die Weltkommission „Kultur und Entwicklung“ fordert auf, einen Perspektivenwechsel vorzunehmen, „sich umzuorientieren und gesellschaftlich umzuorganisieren, kurz: neue Lebensformen zu finden“. Es ist die Gesellschafts- und Kapitalismuskritik, die dem „business as usual“ und dem „throughput growth“ (Der Brundtland-Bericht „Our Common Future“, 1987) Einhalt bieten.

Entstehungshintergrund und Autor

„Die Botschaft hör‘ ich wohl…“, doch mir fehlt der Glaube, dass es gelingen könne, den Kapitalismus zu überwinden (siehe dazu auch: Nancy Fraser, u.a., Wege aus dem Kapitalismus, 2023, www.socialnet.de/rezensionen/​31187.php). Der australische Wirtschaftswissenschaftler Steve Keen ist einer, der die zementierte, scheinbar unumstößliche Auffassung, dass gegen Kapitalismus kein Kraut wächst und dem passiven „Da kann man nichts machen“, ein Trotzdem und Machbares entgegensetzt. Der Ökonom von der Duisburg-Essen-Universität, Jakob Kapeller, gehört, wie er im Vorwort zum Manifest von Steve Keen zum Ausdruck bringt, zu den WissenschaftlerInnen, die auffordern, „die Disziplin der Ökonomie grundlegend neu zu denken“. Er reiht sich damit ein in diejenigen, die davon überzeugt sind, dass eine nichtkapitalistische und nicht-neoliberale Welt möglich ist. Es sind die Krisen auf der Erde, wie z.B. die Finanzkrise, und auch die humane Krise, dass die Wohlhabenden immer reicher und die Habenichtse immer ärmer werden, die der kapitalistischen Botschaft, „Geld regiert die Welt“ das Humanum des guten Lebens für alle Menschen entgegensetzen.

Aufbau und Inhalt

Es sind die Auseinandersetzungen mit den klassischen Wirtschaftstheorien und den egozentristischen Praktiken des „Immer-mehr“, die das Manifest bestimmen. Es sind nicht illusionäre Ideen, dass es den Menschen gut und besser gehe, wenn sie wieder auf die Bäume zurückkehren… Es geht auch nicht um die Abschaffung des Kapitals; aber es geht um Fragen, wie Schulden gemacht werden und was sie individuell und volkswirtschaftlich bewirken (siehe z.B. dazu auch: David Graeber (+), Schulden. Die ersten 5000 Jahre, 2012, www.socialnet.de/rezensionen/​13486.php). Eine „Revolution in der Ökonomik“ könnte so aussehen: Sie wird „grundlegend monetär sein, im Gegensatz zu dem falschen, geldlosen Tauschmodell“ – Sie anerkennt, „dass die Wirtschaft ein komplexes System und kein Gleichgewichtssystem“ – Sie wird „mit der fundamentalen Physik, insbesondere den Gesetzen der Thermodynamik, übereinstimmen“ – Sie beruht „auf empirischem Realismus und nicht auf der Phantasie von ‚Als-ob‘- Annahmen“ – Sie basiert „auf den Techniken der System Dynamics und verwandten, nicht gleichgewichtsorientierten Ansätzen“.

So kommt Steve Keen zu der Feststellung: „Geld ist wichtig“, indem er einen historischen Ritt durch die klassische Ökonomik und die monetäre Bedeutung des „Tausch“-Mittels unternimmt. Dabei geht es nicht in erster Linie um Bargeld, sondern um Bank- und Währungsregulierungen, um Kreditvergaben, Aktien, Gewinnen und Schulden: „Ich schlage vor, ‚Aktien‘ in der Weise neu zu definieren, dass die Verlockung eines unbegrenzten Kursanstiegs entfällt und der Primärmarkt Vorrang vor dem Sekundärmarkt haben kann“.

Wenn wirtschaftliches Denken und Handeln nicht als Irrweg, sondern als ein komplexes, gleichgewichtiges, ganzheitliches Bewusstsein. Es sind mikro- und makroökonomische Erkenntnisse, dass „die (ungerechte, JS) Einkommensverteilung den Konsum beeinflusst“, und sich als makroökonomische Gleichung darstellt: „Die prozentuale Veränderungsquote ist gleich der prozentualen Veränderungsrate der Beschäftigten geteilt durch die prozentuale Wachstumsrate der Bevölkerung“ – „die prozentuale Veränderungsrate des Lohnanteils am BIP ist die prozentuale Veränderungsrate der Lohnsumme geteilt durch die prozentuale Veränderungsrate des BIPs“ – „die prozentuale Veränderungsrate der Verschuldungsquote ist die prozentuale Veränderungsrate der Verschuldung geteilt durch die prozentuale Veränderungsrate des BIPs“.

In der Gemengelage von Ökonomik, Energie und Umwelt, wie sie in den klassischen Wirtschaftswissenschaften (Adam Smith) sich entwickelt und etabliert hat, als „Überschuss des Outputs über den Input“, hat die energetische Bedeutung eine „Verbrauchs“-Gesinnung entstehen lassen. Nachhaltige, bewahrende, mach- und lebbare Entwicklungen, wie z.B. ein kluger Umgang mit dem Klimawandel, würde bewirken, den Mythos der Mainstream-Ökonomik, etwas Selbstverständliches, Allgegenwärtiges und Feststehendes zu sein, in Frage zu stellen. M. Friedman und andere waren es, die die „neoklassische Krankheit“ hervorriefen und alternativen, nachhaltigen Theorien und Konzepten keine Chance gaben.

Diskussion

Kapitalistisches Wirtschaften, wenn es aus den Angeln gerät und zum bösen Tun wird, hat Namen: „Kamikaze-Kapitalismus“ (David Graeber), „Gespenst“ (Joseph Vogl), „Allesfresser“ (Wolfgang Streeck), „Raubtier-Kapitalismus“ (Peter Jüngst). Um ein post-neoklassisches Wirtschaftssystem zu kreieren, bedarf es eines Bewusstseins, wie es mit den Theorien und Praxen des „Dynamic Models of Economic Systems and Industrial Organizations“ (Forrester 2003) präsentiert wurde. Keens Contra richtet sich vor allem an die wissenschaftlichen, ökonomischen Studienorte und Studierenden: „Ziehen Sie aus einem Studiengang in Betracht, der Ihnen die Möglichkeit gibt, Ihre Ausbildung individuell zu gestalten, anstelle eines wirtschaftswissenschaftlichen Standardstudiums mit seinem unvermeidlichen neoklassischen Kern“.

Fazit

Es gilt, im ökonomischen Denken die interdisziplinären, ganzheitlichen Türen zu öffnen! Mit dem umfangreichen Literatur- und alphabetisch geordneten Stichwortverzeichnis bietet Steve Keen Studierenden und am Ökonomie- und Marktverlauf Interessierten ein Feuerwerk von Theorien und Praxen für eine „Neue Ökonomik“.

Rezension von
Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer
Ehemaliger Lehrbeauftragter an der Universität Hildesheim
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Zitiervorschlag
Jos Schnurer. Rezension vom 07.11.2024 zu: Steve Keen: Für eine Neue Ökonomik. Ein Manifest. Promedia Verlagsgesellschaft (Wien) 2024. ISBN 978-3-85371-538-3. Reihe: Edition Makroskop. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/32337.php, Datum des Zugriffs 13.12.2024.


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