Birgit Lütje-Klose, Elke Wild et al. (Hrsg.): Kooperation in inklusiven Schulen
Rezensiert von Dr. Julia Höke, Antonia Katzke, 19.06.2025

Birgit Lütje-Klose, Elke Wild, Sandra Grüter, Julia Gorges, Phillip Neumann u.a. (Hrsg.): Kooperation in inklusiven Schulen. Ein Praxishandbuch zur Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams und mit Eltern.
transcript
(Bielefeld) 2024.
256 Seiten.
ISBN 978-3-8376-6068-5.
D: 25,00 EUR,
A: 25,00 EUR,
CH: 31,60 sFr.
Reihe: Pädagogik.
Thema
Das vorliegende Buch beschäftigt sich mit der Herausforderung, wie inklusive Bildung in Schulen vor dem Hintergrund zunehmend multiprofessionell besetzter Teams und der Zusammenarbeit mit einer heterogenen Elternschaft im Kontext des zunehmenden Ausbaus von Ganztagsbetreuung gestaltet und optimiert werden kann. Dabei liegt der Fokus der Autor:innen nicht auf einer rein fachlich-theoretischen Auseinandersetzung, ihr Buch richtet sich an die Praxis – sowohl an Fortbildner:innen und Multiplikator:innen, die zu diesen Themen im Feld der Schule unterwegs sind als auch an Schulleitungen und Lehrkräfte, die sich an ihren Schulen konkret auf den Weg machen wollen, Inklusion durch Kooperation zu verbessern. Die Autor:innen stellen dafür das von ihnen entwickelte, durchgeführte und evaluierte Bielefelder Fortbildungskonzept zur Kooperation an inklusiven Schulen vor, welches so aufbereitet wurde, dass eine autodidaktische Einarbeitung und Durchführung der Fortbildung sowie eine langfristige Begleitung von Teamentwicklungsprozessen ermöglicht wird.
Entstehungshintergrund
Die Publikation beruht im Wesentlichen auf dem Projekt BiFoKi (Bielefelder Fortbildungskonzept zur Kooperation in inklusiven Schulen), welches in dreijähriger Laufzeit mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) an Bielefelder Gesamtschulen entwickelt, durchgeführt und evaluiert wurde und bei dem die drei Autor:innen Birgit Lütje-Klose, Elke Wild und Philip Neumann die Projektleitung innehatten.
Aufbau
Das Buch „Kooperation in inklusiven Schulen – Ein Praxishandbuch zur Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams und mit Eltern“ ist in zwei Teile gegliedert. Der erste Teil befasst sich mit der theoretischen Einführung in das Thema Inklusion im Allgemeinen und speziell am Bildungsort Schule und nimmt darüber hinaus auch das Thema Kooperation in multiprofessionellen Settings sowie die Kooperation zwischen Schule und Familie in den Blick. Im zweiten Teil stellen die Autor:innen das Bielefelder Fortbildungskonzept zur Kooperation in inklusiven Schulen (BiFoKi) vor. Thematisiert werden die Adressat:innen und das Konzept der Fortbildung, die konkrete Umsetzung und die Ergebnisse der Evaluation der Pilotierung. Online zur Verfügung gestellt werden darüber hinaus Materialien, die für die Qualifizierung von Mitarbeitenden an inklusiv arbeitenden Schulen zur Förderung der Kooperation eingesetzt werden können.
Inhalt
Teil 1 – Theoretische Grundlagen: Inklusion durch Kooperation?
In Kapitel 1 „Schulische Inklusion – Umgang mit Vielfalt“ wird zunächst Inklusion als allgemeiner Begriff definiert und anschließend mit Hilfe aktueller Berichte und Statistiken, die den Ausbau inklusiver Beschulung thematisieren, auf die Aktualität und Notwendigkeit des Themas inklusiver Bildung aufmerksam gemacht. Weitere Schwerpunkte des ersten Kapitels sind die wesentlichen Bedingungen für eine gelingende Inklusion an der Schule, zu der zum Beispiel eine positive Einstellung zur Heterogenität der Schüler:innen- (und Lehrer:innen)schaft, verlässliche Teamstrukturen oder auch geteilte Verantwortung im Kollegium zählen. Besonders erwähnt wird die Notwendigkeit, das Fachpersonal durch Fort- und Weiterbildung zu professionalisieren. Durch Lern-, Sprach- oder andere Beeinträchtigungen folgt für die Schüler:innen auch oft eine soziale Benachteiligung. Das Personal an Schulen soll durch ausreichende Ausbildung einer solchen Benachteiligung entgegenwirken und Inklusion als eine gemeinsame Schul- und Unterrichtsentwicklung leben, statt sie als Nischenaufgabe einzelner Förderfachkräfte zu sehen. In Kapitel 2 „Multiprofessionelle Kooperation“ wird die Kooperation als Faktor für gelingende Inklusion auf ein multiprofessionell aufgestelltes Team bezogen. Es definiert zunächst die verschiedenen Begriffe und Formen von Kooperation und bettet diese später in einen gesamtgesellschaftlichen Kontext ein. Dabei wird der Begriff der Kooperation als absprachebedürftige Zusammenarbeit verschiedener Personen an einem gemeinsamen Ziel definiert, wobei die Aufgabenbereiche getrennt bleiben, und eine klare Zuständigkeitsverteilung herrscht. Dabei greifen die Autor:innen auf das im schulischen Kontext verbreitete Konzept der vier Stufen der Kooperation (Gräsel, Fußangel, Pröbstl 2006) zurück und beziehen dies auf den spezifischen Kontext der multiprofessionellen Kooperation in inklusiven Settings. Daran anknüpfend adaptieren die Autor:innen mit Blick auf die Ebenen der Kooperation das Modell „integrativer Prozesse“ von Reiser et. al (1986) auf das Handlungsfeld der schulischen Kooperation. Sie beschreiben die (Aus)Wirkungen, die diese Form der Zusammenarbeit auf den verschiedenen Ebenen hat, in fünf Stufen:
- Kulturell-gesellschaftliche Ebene (gesetzliche Rahmenbedingungen)
- Institutionelle Ebene (System Schule)
- Individuelle Ebene (persönliche Ressourcen des Teams)
- Interaktionelle Ebene (Kommunikation und Zwischenmenschlichkeit im Team)
- Sachebene (Inhaltliche Arbeit und Rollenverteilung im Team)
Abschließend folgt als Resümee, dass Kooperation nicht automatisch passiert, sondern aktiv entwickelt werden muss. Hier soll mit dem BiFoki (Bielefelder Fortbildungskonzept zur Kooperation an inklusiven Schulen) mit Blick auf die Kooperationsgestaltung in multiprofessionellen Teams angesetzt werden.
Über die Ebene der Teams hinaus spielt für die Gestaltung von Inklusion auch die Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus eine zentrale Rolle, da lt. Autor:innen durch die Konzepte der Ausweitung schulischer Inklusion, sowie des Ganztagsausbaus Absprachen zwischen Eltern und Schule immer bedeutender werden. In der Realität ist ein regelmäßiger und vor allem intensiver Austausche jedoch häufig nicht gegeben, sodass es zu Konflikten kommen kann. Darum widmet sich ein weiteres Kapitel im Kontext der theoretischen Grundlagen der Gestaltung von Elternarbeit mit Blick auf die Umsetzung der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft zwischen Schule und Familie und skizziert in diesem Kontext Herausforderungen und mögliche Spannungsfelder, die an inklusiven Schulen bearbeitet werden müssen. Die Autor:innen plädieren dafür, dass Eltern als mitverantwortliche Partner:innen wahr- und ernstgenommen werden. Um die Kooperation zu erleichtern, werden Kriterien für eine professionelle Zusammenarbeit genannt. Besonders hervorgehoben wird dabei eine auf Gegenseitigkeit beruhende wertschätzende Haltung und eine systematische Reflexion der Praxis. Auch an der Gestaltung diesen Aufgaben soll das Bielefelder Fortbildungskonzept zur Kooperation an inklusiven Schulen (BiFoKi) ansetzen und Mitarbeitende an Schulen für diese qualifizieren.
Teil 2 – Das Bielefelder Fortbildungskonzept zur Kooperation an inklusiven Schulen
Im zweiten Teil des Buches „Kooperation in inklusiven Schulen – Ein Praxishandbuch zur Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams und mit Eltern“, stellen die Autor:innen auf Basis der vorgestellten theoretischen Erkenntnisse das Bielefelder Fortbildungskonzept zur Kooperation an inklusiven Schulen (BiFoKi) ausführlich vor. Die Kapitel sind dabei so gestaltet, dass insbesondere der Transfer auf andere Schulen ermöglicht wird. Zunächst widmen sie sich den Adressat:innen und erläutern die Konzeption der Fortbildung unter Rückbezug auf die theoretischen Grundlagen. Dabei berufen sich die Autor:innen darauf, dass Inklusion und auch die Fortbildung nur funktionieren, wenn das gesamte Kollegium eingebunden wird. So wird das gesamte System Schule in die Fortbildung miteinbezogen. Die verschiedenen Module und ihr Inhalt werden in Kapitel 5 im Sinne eines Manuals näher erläutert. Insgesamt umfasst die Fortbildung einen Schulleitungsworkshop und eine Fortbildung, die sich an Jahrgangsteams richtet und in vier Module (A – D) gegliedert ist:
- Modul SW Schulleitungsworkshop: Das Modul beinhaltet Informationen zu den wesentlichen Inhalten und relevanten Argumenten der Fortbildung, um die anschließende Jahrgangsteamfortbildung schulintern sowohl inhaltlich als auch bzgl. der erforderlichen Rahmenbedingungen vorzubereiten und die notwendige Unterstützung zu schaffen. Schulleitungen sind zentrale Schlüsselpersonen für die Umsetzung von Schulinnovationen, ihre Unterstützung ist maßgeblich für die positive Wirkung der Fortbildung insgesamt.
- Modul A Multiprofessionelle Kooperation in inklusiven Ganztagsschulen (Teil 1): Diese Einheit besteht aus einer Einführung in die Themen Inklusion, Ganztag und Teamarbeit in Form eines Impulsvortrags. Anschließend werden Ziele für die multiprofessionelle Kooperation formuliert.
- Modul B Multiprofessionelle Kooperation in inklusiven Ganztagsschulen (Teil B): Aufbauend auf Modul A vertieft dieses Seminar die Ebenen der Teamarbeit. Ziel ist es, dass insbesondere Jahrgangsteams in der Lage sind, konkrete Schritte für eine funktionierende Kommunikation und Abstimmung zu planen.
- Modul C Elternforum: Diese Einheit hat die Zusammenarbeit zwischen Eltern und Fachkräften im Fokus. Das Modul zielt darauf ab, einen gemeinsamen Elternabend vorzubereiten und durchzuführen, auf dem sich über die gegenseitigen Bedürfnisse ausgetauscht und die Zusammenarbeit mit Eltern im Sinne der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft gestärkt wird.
- Modul D Kooperation mit Familien stärken: Im letzten Block der Fortbildung soll die Kooperation zwischen Familie und Schule noch einmal vertieft werden. Insbesondere Jahrgangsteams entwickeln konkrete Maßnahmen, um die Zusammenarbeit mit den Eltern zu verbessern. Es werden Ziele für eine inklusionsfreundlichere Elternarbeit formuliert.
Im Anschluss an das ausführliche Manual werden die Ergebnisse des Pilotversuchs der Fortbildung dokumentiert. Sie wurde anhand von Fragebögen an Schulleitungen, Fachkräften und Eltern durchgeführt. Insgesamt wurde die Fortbildung sehr positiv bewertet. Inhaltlich gaben die Teilnehmenden an, dass nach den Modulen ein höheres Kooperationsverständnis im Team zu spüren war. Insgesamt bestätigt die Evaluation, dass eine Maßnahme wie BiFoKi die Bereitschaft zu multiprofessioneller Kooperation und einer Bildungspartnerschaft mit den Eltern fördern kann.
Abschließend fassen die Autor:innen die zentralen Erkenntnisse aus Theorie und praktischer Erfahrung zusammen. Sie stellen heraus, dass das Bielefelder Fortbildungskonzept zur Kooperation an inklusiven Schulen einem ganzheitlichen Ansatz folgt und die Verantwortung für die Gestaltung inklusiver Settings in Ganztagsschulen für die Schüler:innen auf das gesamte Kollegium verteilt.
Diskussion
Bereits im Titel des Buchs „Kooperation in inklusiven Schulen – ein Praxishandbuch zur Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams“ tauchen Schlagworte auf, die Schulen heute vor besondere Herausforderungen stellen – Kooperation, Inklusion, Zusammenarbeit mit Eltern, Multiprofessionalität sind jeweils für sich bzgl. ihrer Gestaltung und Umsetzung komplex zu betrachten und beinhalten besondere Spannungsfelder. Mit Blick darauf, dass das Buch sich diesen Themen nicht nur theoretisch nähern, sondern als Praxishandbuch konkrete Implikationen für die Entwicklung des Systems Schule bereit stellen will, geben sich die Autor:innen selbst einen hohen Anspruch. Vor dem Hintergrund, dass die vorgestellten Ergebnisse aus einem mit Mitteln des BMBF geförderten Projekts stammen, stellt sich von Vornherein die Frage nach dem Transfer auf Schulen, die nicht über diese Rahmenbedingungen verfügen, in besonderer Weise. Allerdings zeigt sich bei der Betrachtung des Buches, dass den Autor:innen diese „Quadratur des Kreises“ durchaus gelungen ist. Die skizzierten theoretischen Grundlagen führen differenziert und fachlich fundiert in die einzelnen Themenfelder ein, lediglich das Konstrukt der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft als Leitbild hätte ggfls. noch etwas kritischer betrachtet werden können. Die praktischen Implikationen, die in Form eines Manuals die Bestandteile der Fortbildung transparent und nachvollziehbar erläutern, ermöglichen die Übertragung der Inhalte auf andere Schulen, die sich auf den Weg machen wollen, Inklusion durch Kooperation zu stärken. Insbesondere die bereitgestellten Online-Materialien ermöglichen in besonderer Weise die Handhabbarkeit der skizzierten Fortbildungsmodule. Es bleibt zu hoffen, dass das Buch die anvisierten Zielgruppen von Fortbilder:innen, Multiplikator:innen und engagierten Schulteams auch erreicht, damit diese von der hier dargestellten Expertise profitieren können.
Fazit
Das Buch „Kooperation in inklusiven Schulen – Ein Praxishandbuch zur Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams und mit Eltern“ beinhaltet sowohl fachlich fundiert und differenziert aufbereitete theoretische Grundlagen zu den Themen Inklusion und Kooperation im Kontext von multiprofessionellen Teams als auch mit Blick auf die Zusammenarbeit mit Eltern als auch ein umfassendes Manual zur Durchführung von Fortbildungen in Schulen, die inklusive Bildung über die Intensivierung von Kooperationsbeziehungen stärken wollen. Es richtet sich also sowohl an fachlich interessierte Personen, die sich mit den Herausforderungen der Gestaltung von Kooperation und Inklusion an Schulen, ihrer Rahmenbedingungen und Herausforderungen beschäftigen wollen als auch an Praktiker:innen, die sich im eigenen Schulsystem im Kontext inklusiver Bildung weiter professionalisieren wollen oder Schulen auf diesem Weg begleiten und kann von beiden Personengruppen mit Gewinn gelesen werden. Die bereit gestellten Materialien im Buch und online sind so aufbereitet, dass sich diese handhabbar und unaufwändig einsetzen lassen.
Rezension von
Dr. Julia Höke
Katholische Hochschule NRW, Paderborn
Fachbereich Sozialwesen
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Antonia Katzke
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