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Nicole Pötter: Schulsozialarbeit

Rezensiert von Oliver Schleck, 28.10.2024

Cover Nicole Pötter: Schulsozialarbeit ISBN 978-3-7841-3463-5

Nicole Pötter: Schulsozialarbeit. Lambertus Verlag GmbH Marketing und Vertrieb (Freiburg) 2024. 3. Auflage. 153 Seiten. ISBN 978-3-7841-3463-5. D: 21,00 EUR, A: 21,60 EUR.
Reihe: Soziale Arbeit.

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Entstehungshintergrund und Thema

Bei der vorliegenden Veröffentlichung handelt es sich um die dritte Auflage der Monographie „Schulsozialarbeit“, welche in erster Auflage von Benjamin Lachat verfasst worden ist und bereits in zweiter Auflage durch Nicole Pötter aktualisiert und überarbeitet wurde. Das Buch widmet sich einer auf das Arbeitsfeld zugeschnittenen Auseinandersetzung grundsätzlicher theoretischer Aspekte von Schulsozialarbeit sowie einer darauf aufbauenden Schilderung handlungsrelevanter Situationen, anhand derer mögliches methodisch-professionelles Vorgehen diskutiert und reflektiert wird. Trotz der relativ kurzen Zeitspanne zwischen zweiter und dritter Auflage, betont die Autorin im Vorwort, „dass sich vieles in diesen sechs Jahren verändert hat“ (S. 7). Sie hebt hervor, dass insbesondere Themen wie Digitalisierung, Klimawandel und Migration deutlich an Relevanz und Dringlichkeit gewonnen haben. Somit wurde vor allem der erste Teil, welcher (aktuelle) Entwicklungen des theoretischen Profils Schulsozialarbeit skizziert, für diese Auflage aktualisiert. Darüber hinaus wurde ein Exkurs eingefügt, welcher sich mit dem Umgang mit sowie den Folgen von der Covid-19-Pandemie im Kontext von Schulsozialarbeit auseinandersetzt.

Autorin

Prof.in Dr.in Nicole Pötter ist Professorin für Grundlagen der Sozialen Arbeit mit dem Schwerpunkt Bildungsfragen an der Hochschule München

Aufbau und Inhalt

Die Veröffentlichung teilt sich in vier Kapitel auf, wobei Kapitel Eins als Auftakt sowie einleitende Problemskizze und Kapitel Vier als eine Art resümierendes Plädoyer fungieren.

Das erste und einleitende Kapitel mit dem Titel „Schulsozialarbeit – inmitten einer blühenden Bildungslandschaft“ verdeutlicht anhand der Erzählung über einen Schüler in Form eines Zukunftsbildes, welch enorme Bedeutung Schule als ein zentraler Ort des Aufwachsens für Schüler*innen haben kann. Ebenfalls wird anhand der Geschichte erkennbar, wie eine nicht auf Lerninhalte und Unterricht verkürzte (Schul-)Bildung zentrale und vor allem positive Akzente für das Heranwachsen setzen kann. Einen wesentlichen Anteil an dieser Zukunftsvision hat, so die Autorin, die Schulsozialarbeit, welche sie als „Kern“ (S. 16) einer perspektivischen kommunalen Bildungslandschaft versteht, die in gemeinsamer Verantwortung von Schule, der Kinder- und Jugendhilfe sowie weiteren Institutionen und Einrichtungen vor Ort initiiert und getragen wird.

Kapitel Zwei widmet sich in kurzen, aber prägnanten Unterkapiteln den theoretischen und fachlichen Grundlagen des Arbeitsfeldes sowie aktuellen Entwicklungs- und Diskurslinien rund um Schulsozialarbeit. Zunächst werden die Schwierigkeiten und Unstimmigkeiten der Begrifflichkeit Schulsozialarbeit diskutiert, um daran anschließend die im Fachdiskurs weithin anerkannte Definition von Karsten Speck vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen kritisch zu beleuchten. Nachfolgend wird auf der Grundlage vorhandener Statistiken der quantitative Ausbau des Arbeitsfeldes beschrieben, welcher scheinbar auf eine Erfolgsgeschichte hindeutet. Nicole Pötter macht in diesem Zusammenhang jedoch darauf aufmerksam, dass es „bislang keine einheitliche Statistik und somit auch keine verlässlichen Daten“ (S. 20) gibt. Ebenfalls wird die fachliche Einschätzung vorgetragen, dass es trotz positiver Entwicklungen statistisch gesehen nach wie vor einen Mangel an Schulsozialarbeiter*innen an (bestimmten) Schulen gibt. Anschlussfähig an die Definition von Karsten Speck wird das Arbeitsfeld in der Folge explizit in der Kinder- und Jugendhilfe verortet, sodass alle Fachkräfte – auch solche in schulischer Trägerschaft – „den Werten, Grundsätzen und Handlungsprinzipien“ (S. 23) ebendieser verpflichtet sind. Dies wird über die Gegenüberstellung und Differenzierung von Schule auf der einen und von der Kinder- und Jugendhilfe auf der anderen Seite verdeutlicht. Darauf aufbauend entwickelt die Autorin das Leitbild einer ganzheitlich ausgerichteten, lebensweltbezogenen Schulsozialarbeit, welche als „ein notwendiges Korrektiv zur Schule“ vor allem „Gerechtigkeitsfragen und Teilhabechancen“ (S. 27) im schulischen Kontext adressiert und auf diese Weise den Auf- und Ausbau kommunaler Bildungslandschaften maßgeblich (mit-)gestaltet. In der Folge werden die fachlichen Diskurse um Zielgruppen, Aufgaben, Handlungsprinzipien sowie rechtliche Grundlagen von Schulsozialarbeit erörtert und reflektiert. Ein Fokus bei letzterem bildet die Neuerung des rechtlichen Rahmens über die Einführung des § 13a „Schulsozialarbeit“ in das Sozialgesetzbuch VIII Kinder- und Jugendhilfe, wobei auf positive Auswirkungen und Schwächen in den Formulierungen gleichermaßen eingegangen wird. Das nachfolgende Unterkapitel „Rahmenbedingungen“ konzentriert sich auf die kooperative Entwicklung und Fortschreibung eines auf die lokal-institutionellen Bedarfe zugeschnittenen Konzepts, welches exemplarisch über einzelne aufeinander aufbauende Handlungsschritte anschaulich dargestellt wird. Das neu ausgearbeitete Unterkapitel über den Umgang mit und die Folgen der COVID-19 Pandemie rundet schließlich die theoretisch-fachliche Skizze des Arbeitsfeldes ab. Hier werden primär auf Basis verschiedener empirischer Studien die Auswirkungen der pandemischen Lage auf die Lebenslagen von Schüler*innen beschrieben und Herausforderungen für die schulsozialpädagogische Praxis diskutiert. Die vielen verschiedenen Bedarfe unterschiedlicher Kollektive in und um Schule und die zentrale Rolle von Schulsozialarbeit im Hinblick auf die Bearbeitung dieser Bedarfe verdeutlichen, dass Schulsozialarbeiter*innen zu „Krisenmanager:innen in einer Zeit [wurden], in der sie selbst beruflich und privat mit den Auswirkungen der Krise zu kämpfen hatten“ (S. 44).

Das dritte und längste Kapitel des Buches legt praktische Fallbeschreibungen vor, die als Folie zur Darlegung, Erläuterung und Reflexion möglicher methodischer Ansätze und fachlicher Handlungsmöglichkeiten von Schulsozialarbeit dienen, wobei die vier beschriebenen Aufgabenbereiche (Unterkapitel 2.6) als Kapitelstruktur dienen.

Der erste Aufgabenbereich umfasst „Einzelhilfe und Beratung in individuellen Problemsituationen“, welcher als „Kernaufgabenfeld“ (S. 52) der Schulsozialarbeit gefasst wird. Die vielfältigen Themen, die in dem Setting zur Sprache kommen, erfordern eine grundsätzliche Offenheit gegenüber den Anliegen von Schüler*innen, wobei Schulsozialarbeiter*innen als potenzielle „Alltagsbegleiter*innen“ (S. 53) fungieren und auf diese Weise einen niedrigschwelligen Zugang ermöglichen. Die Fallbeschreibungen behandeln unter anderem die Themen Krisenintervention, Mediation und Mobbingintervention. Praxisnahe Vorgehensweisen werden über Erzählungen und Beschreibungen veranschaulicht, wobei die Autorin den Aspekt von Vertrauen in der Beziehungsarbeit in besonderem Maße hervorhebt. Auch die enge Zusammenarbeit zwischen Schulsozialarbeiter*innen und Lehrkräften wird mehrfach als essentiell betont. Kurze Einblicke in weitere Themenfelder wie Berufsorientierung, Beratung von Eltern und Personensorgeberechtigte sowie kollegiale Beratung mit anderen Professionen folgen. Allein die Bandbreite an Betätigungsfeldern in diesem Aufgabenbereich verdeutlicht, dass Schulsozialarbeiter*innen „fachlich sehr breit aufgestellt sein“ (S. 86) müssen. Dies wiederum macht auf die Notwendigkeit von Supervision und Coaching aufmerksam, damit Fachkräfte sich mit dem eigenen professionellen Handeln und den Vorstellungen darüber reflexiv auseinandersetzen können.

Der zweite Abschnitt thematisiert den Aufgabenbereich „sozialpädagogische Gruppenarbeit, Projekte und Arbeit mit Schulklassen“. Angebote, die sich an Gruppen richten und die Förderung zentraler Fähigkeiten im Hinblick auf soziale Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen fokussieren, werden hier skizziert. Insgesamt werden neun Bereiche unter diesem Aufgabenbereich zusammengefasst: u.a. Klassenrat, Projekte zur Suchtprävention, Gewaltprävention, medienpädagogische Angebote oder auch Demokratieerziehung. Besonders lesenswert sind die Ausführungen zur Stärkung von Medienkompetenz, welche ebenfalls über Praxisbeispiele veranschaulicht werden. Das vergleichsweise längere Unterkapitel nimmt immer wieder Bezug zu den im zweiten Kapitel vorgenommenen Darlegungen zur Pandemie. Insgesamt wird bei allen in diesem Abschnitt beschriebenen Angeboten der Erbringungsort Schule konsequent mitgedacht und reflektiert.

Ein weiterer Aufgabenbereich ist die „innerschulische und außerschulische Vernetzung und Gemeinwesenarbeit“, welcher laut Nicole Pötter „selbstverständlich zum Handwerkszeug der Schulsozialarbeit“ (S. 118) gehört, um die Öffnung von Schule entscheidend vorantreiben zu können. Insgesamt werden neun Themenfelder erläutert und teilweise mit praktischen Beispielerzählungen ergänzt. Hierzu gehören unter anderem Teamsitzungen und kollegialer Austausch, Austausch mit der Schulleitung, Öffentlichkeitsarbeit sowie die Mitwirkung in regionalen und landesweiten Netzwerken von Schulsozialarbeiter*innen. In nahezu allen dieser Felder wird der Wert und der Nutzen von Kooperation (mit anderen Schulsozialarbeiter*innen, mit Lehrkräften, mit Eltern/​Erziehungsberechtigten oder mit anderen Professionen) betont.

Der vierte und letzte Abschnitt behandelt schließlich „offene Angebote für alle Schülerinnen und Schüler“. Über die Darstellung der Angebote Schüler*innencafé oder die aktive Pausengestaltung wird nicht nur der diesen größtenteils inhärente spontane, kreative Charakter verdeutlicht, sondern auch die Idee einer partizipativen Ausrichtung, welche sich positiv auf die Schulkultur auswirken kann.

Im abschließenden Kapitel wird Schulsozialarbeit in einer Art Abschlussplädoyer als „anspruchsvolle Aufgabe“ (S. 136) gerahmt, welche durch diverse strukturelle Herausforderungen und teilweise schlechte Arbeitsbedingungen charakterisiert ist. Aus der Ich-Perspektive formuliert die Autorin einen abschließenden Ausblick, in welchem sie sich für eine nachhaltige Weiterentwicklung von Schule und Bildung ausspricht, für die es professionell ausgebildete und fachlich kompetente Schulsozialarbeiter*innen bedarf.

Eine Auflistung hilfreicher Websites, die eine Weiterbeschäftigung mit dem Arbeitsfeld und darüber hinaus mit vielen im Buch entwickelten und (an-)diskutierten Themen ermöglichen, runden dieses Werk ab.

Diskussion

Die Autorin schafft es über den vorliegenden Titel einen umfassenden Überblick über das Arbeitsfeld Schulsozialarbeit und über viele mit diesem assoziierte Tätigkeitsfelder zu liefern. Die aufeinander abgestimmten Kapitel greifen diverse Diskurse im Kontext von Schulsozialarbeit auf und nehmen immer wieder Bezug aufeinander. Nicole Pötter verbindet die theoretischen Ausführungen mit exemplarischen Fallbeschreibungen und -verläufen, sodass wichtige Handlungsprinzipien, praktische Fähigkeiten und die rechtliche Einbettung veranschaulicht und für die Leser*innen greifbar werden. Dies spiegelt sich ebenfalls im Zusammenspiel wissenschaftlicher Ausführungen und gekonnt eingesetzter alltagssprachlicher Rhetorik, welches das Buch zu einer spannenden und unterhaltsamen Lektüre machen. Die explizite Verortung des Arbeitsfeldes in der Kinder- und Jugendhilfe mag vielleicht nicht verwundern und doch ist diese Positionierung für die inhaltlich-praktische Ausrichtung schulsozialpädagogischer Praxis von besonderer Bedeutung. Denn: Schulsozialarbeiter*innen als „Expert:innen für die Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen und deren Familien“ (S. 138) werden auch in Differenz zur Schule und zu Lehrkräften zu zentralen (Mit-)Gestalter*innen für die von der Autorin geforderten Veränderungsprozesse in und rund um Schule. Dennoch: Die vielen Aufgaben- und Tätigkeitsbereiche veranschaulichen, was in der Schlussbetrachtung von Nicole Pötter zum Ausdruck gebracht wird. Soziale Arbeit in Schule ist ein abwechslungsreiches, ein spannendes, aber gleichwohl auch genau deshalb ein anspruchsvolles Tätigkeitsfeld, weshalb professionell agierende, gut ausgebildete „Profis“ (S. 137) benötigt werden. Die Lektüre des vorliegenden Buches kann als Reflexionsfolie fachlicher Dimensionen einen wertvollen Teil dazu beitragen.

Fazit

Die von Nicole Pötter in diesem Werk vorgetragenen Ausführungen, Überlegungen und Positionierungen zeichnen sich insbesondere über die gelungene Verbindung von Theorie und Praxis aus. In der Gesamtschau wird dem selbstauferlegten Anspruch, Schulsozialarbeiter:innen Methoden und Handlungskonzepte in Form eines „Werkzeugkasten“ (S. 17) zur Verfügung zu stellen, gerecht. Neben der hohen Praxisrelevanz, die sich durch zahlreiche Orientierungsangebote für Berufseinsteiger*innen genauso wie für langjährige Schulsozialarbeiter:innen auszeichnet, bietet die Lektüre ebenfalls die Möglichkeit einer vertieften Auseinandersetzung mit dem Arbeitsfeld und fachlicher Grundsätze der Kinder- und Jugendhilfe für Studierende der Sozialen Arbeit/​Sozialpädagogik. Auch wenn es sich explizit um eine Einführung in das Arbeitsfeld und damit um eine überblicksartige Gesamtschau zur Schulsozialarbeit handelt, werden genügend Hinweise und Denkanstöße gegeben, die ein Weiterdenken der Theorie-Praxis-Folien ermöglichen. Die explizite Forderung der Autorin nach einer Reformierung des Bildungssystems, bei der sie vor allem die Positionen und die Gestaltungskräfte der Schulsozialarbeit hervorhebt, fungieren als ein starkes und notwendiges Plädoyer für den (weiteren) Ausbau des Arbeitsfeldes Schulsozialarbeit.

Rezension von
Oliver Schleck
wissenschaftl. Mitarbeiter am Institut für Sozialpädagogik, Erwachsenenbildung und Pädagogik der frühen Kindheit (ISEP) an der TU Dortmund
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Es gibt 2 Rezensionen von Oliver Schleck.

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ISSN 2190-9245