Sebastian Thieme: Wohlstand
Rezensiert von Dr. Helen Schneider, 31.10.2025
Sebastian Thieme: Wohlstand. Ideengeschichtliche Positionen von der Frühgeschichte bis heute. Verlag Barbara Budrich GmbH (Opladen, Berlin, Toronto) 2024. 316 Seiten. ISBN 978-3-8252-6320-1. D: 29,90 EUR, A: 30,80 EUR, CH: 37,50 sFr.
Thema
„Was ist Wohlstand? Die Beantwortung dieser Frage ist gar nicht so einfach. Denn dieser ökonomische Alltagsbegriff ist nicht eindeutig. In der Ökonomik wird ‚Wohlstand‘ selten definiert, es existieren verschiedene Verständnisse nebeneinander und diese sind in spezifische Narrative eingebettet. Das Lehrbuch bietet einen systematischen Überblick über die Geschichte der Verwendung des Begriffs in der Ökonomik sowie die Schwierigkeiten und Perspektiven der wirtschaftstheoretischen Auseinandersetzungen. Durch die differenzierte Systematisierung bietet das Buch Studierenden der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften einen perfekten Ausgangspunkt für die tiefere Beschäftigung mit dem Thema Wohlstand.“ (Klappentext).
Autor
Dr. Sebastian Thieme ist promovierter Volkswirt und forscht zum Thema Wohlstand an der Katholischen Sozialakademie Österreichs in Wien.
Aufbau
Der Haupttext gliedert sich in sechs Teile mit jeweils mehreren Kapiteln, die theoriegeleitet das Phänomen des Wohlstands beleuchten.
Inhalt
Nach einem Vorwort beinhaltet das Buch eine einführende Einleitung und befasst sich mit dem Wohlstand als ökonomischem Begriff. Es geht dabei um die Frage nach verschiedenen Wohlstandsbegriffen und -assoziationen.
Der darauffolgende erste Teil „Wohlstand in volkswirtschaftlichen Nachschlagewerken“ fokussiert zunächst die Wohlfahrt als ein Synonym für Wohlstand und leitet anschließend zum Begriff des Gemeinwohls als Synonym für Wohlstand über.
Im zweiten Teil „Ideengeschichtliche Schlaglichter“ verankert der Autor den Wohlfahrtsbegriff historisch von den ersten Zeugnissen ökonomischen Denkens weiter über Mittelalter, Merkantilismus, Kameralismus und Physiokratie hin zu einem ideengeschichtlichen Überblick zur Wohlfahrtsökonomik und Ludwigs Erhards Idee vom Wohlstand für alle. Er schließt das Kapitel mit der Schlussfolgerung, dass sich der Wohlstandbegriff historisch betrachtet in drei primäre Perspektiven gliedern lässt. Eine normativ-ethisch/​eudaimonische, eine hedonistische und vertragstheoretische Perspektive.
Der dritte Teil befasst sich mit dem Thema „Wohlstand in ökonomischen Lehrbüchern“ Dabei liegt der Fokus zunächst auf einer Einführung zu Wohlstandsbegriffen und der Frage, was Wohlstand eigentlich ist. Anschließend geht er in diesem Zusammenhang vertiefend auf den Begriff der Wohlfahrtsökonomik ein und fokussiert dabei insbesondere die Ausführungen von Varian, Mankiw und Taylor, bevor er sich mit der Kritik am BIP als Wohlfahrtsmaß, normativen Fragen zum Wohlstand und Wohlstandsnarrativen befasst.
Im vierten Teil „Wohlstand in heterodoxen Lehrbüchern“ befasst sich der Autor tiefergehend mit der heterodoxen Kritik bei Bontrup und Marquardt. Dabei vertieft er unter anderem einen Exkurs zur alternativen Wohlfahrtsmessung als auch Wohlfahrtsmessung im deutschsprachigen Raum. Weiterhin vertieft er Ausführungen zur sozialökologischen Perspektive von Biesecker und Kesting und fokussiert sich sowohl auf die Kritik am orthodoxen Wohlstandskriterium als auch auf mögliche Alternativen.
In Teil fünf „Zusammenfassung: Stand und Probleme im Verstehen von Wohlstand“ beschreibt der Autor abschließend nochmal einige kritische Perspektiven zum Wohlstandsbegriff und geht insbesondere nochmals der Frage nach, wie gerade das viel kritisierte BIP zum dominierenden Wohlfahrtsmaß avancieren konnte.
Der sechste Teil „Schlussfolgerungen: Was ist Wohlstand?“ geht abschließend zunächst der Frage nach sozialem Wohlstand nach, bevor der Autor anschließend Armut, Reichtum und Wohlfahrtsstaat fokussiert. Abschließend befasst er sich mit der Frage, ob man nicht besser in Wohlstandsstilen statt einfach nur in Wohlstand denken sollte und bezieht sich damit auf diesbezügliche Ausführungen von Alfred Müller-Armack und Arthur Spiethoff.
Diskussion
Bei der Lektüre des Buches fällt zunächst die inhaltliche Tiefe auf, mit der das Phänomen des Wohlstands aufgebrochen und auf verschiedensten Ebenen beleuchtet wird. Dem Autor ist ein umfassender Überblick gelungen, der den Wohlstandsbegriff nicht nur auf historische Entwicklungslinien reduziert, sondern auch in umfassender Form verschiedene Perspektiven und Schwierigkeiten der wirtschaftstheoretischen Auseinandersetzung mit diesem Begriff analysiert. Weiterhin ist die sinnvolle Strukturierung der Kapitel zu betonen, die die inhaltliche Tiefe des Buches unterstreicht. Das Buch eignet sich somit sowohl als Einstieg in die Auseinandersetzung mit dem Wohlstandsbegriff als auch als Vertiefung für Personen, die mit dem Thema bereits vertraut sind.
Fazit
Das Buch richtet sich primär an Studierende der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, eignet sich aber auch für forschende Personen in diesem Themenbereich und andere Personen, die an dem Feld interessiert sind.
Rezension von
Dr. Helen Schneider
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