Thorben Prenzel: Mit Populisten reden
Rezensiert von Dr. Antje Flade, 25.07.2024

Thorben Prenzel: Mit Populisten reden. Ein Leitfaden in sechs Schritten.
Wochenschau Verlag
(Frankfurt am Main) 2024.
104 Seiten.
ISBN 978-3-7344-1644-6.
D: 14,90 EUR,
A: 15,40 EUR.
Reihe: Politisches Fachbuch.
Thema
Es wird eine Handlungsanweisung geliefert, wie man mit Menschen, die als populistisch gelten, kommuniziert und wie man sie beeinflusst.
Autor
Thorben Prenzel ist Kommunikationsexperte und Lobbyist. Er ist Geschäftsführer von Rad.SH, einer Arbeitsgemeinschaft zur Förderung des Fuß- und Radverkehrs.
Inhalt
Der Autor stellt einen aus sechs Schritten bestehenden Leitfaden vor, der dazu verhelfen soll, mit Populisten so zu reden, dass sie von ihrer Meinung Abstand nehmen. Ein Grund, warum wir mit Populisten reden müssen, ist seiner Ansicht nach, dass Schweigen als Zustimmung gedeutet werden könnte. Die Zielgruppe, mit der man reden sollte, sind diejenigen, die anfällig für populistische Argumente, aber noch keine extremen Populisten sind. Was die Definition von Populismus betrifft, verweist der Autor auf Wikipedia sowie zwei weitere Quellen. Bei allen Definitionen werden Merkmale aufgelistet, die nicht unbedingt ein geschlossenes Bild ergeben. Einerseits berufen sich Populisten auf die Stimme des Volkes, andererseits neigen sie dazu, einer charismatischen Person zu folgen. Die Vorgehensweise: wie man am besten mit Populisten redet, wird in sechs Abschnitten beschrieben.
Im ersten Abschnitt werden zehn goldene Regeln präsentiert, z.B. „Sie haben es mit Menschen zu tun“, „Menschen überzeugt man nicht mit Fakten“, „Führen Sie eine Unterhaltung, kein Streitgespräch“.
Der zweite Abschnitt startet mit dem Motto „Sie haben Ihre Emotionen im Griff“. Die Vorschläge reichen von Emotionen akzeptieren über Aufschieben, Pause machen, Anker setzen bis mehr Gelassenheit.
Der dritte Abschnitt befasst sich mit der Gesprächsführung. Wichtig ist, die Kontrolle über das Gespräch zu behalten. Der Autor spricht von der ICE-Methode, wobei I für „interest“, C für „concern“ und E für „emotion“ steht. Hier geht es darum, den Gesprächspartner besser zu verstehen. Fragen stellen ist von Nutzen, weil „Wer fragt, der führt“ (S. 46). Weitere Ratschläge sind: In schwierigen Situationen können Floskeln helfen, Zeit zu gewinnen. Zu viele Argumente sind abträglich, drei Argumente genügen.
Im vierten Abschnitt geht es um das Ziel, nämlich eine Botschaft zu verankern. Das Motto ist dabei „keep it short and simple“(S. 60). Mit vielen Beispielen wird das „keep it short and simple“ veranschaulicht. Weitere Empfehlungen sind, die Botschaft mit einer Geschichte anzureichern, denn Geschichten werden besser behalten.
Im fünften Abschnitt wird eine Handlungsanweisung, die vom Autor entwickelte „Triple-A-Methode“, die auf drei Schritten beruht, vorgestellt: Präsentieren einer Aussage, Vermittlung von Anerkennung und Verständnis für die Position des anderen, Liefern von Argumenten für die Aussage.
Im sechsten Abschnitt wird geschildert, wie man das Gespräch in drei Schritten beendet: Danke sagen, Zusammenfassen, Wiederholung der Aussage.
Am Schluss stellt der Autor typische populistische Muster vor, darunter Vereinfachen, Annehmen von Kausalitäten, wo keine sind, Glauben an Verschwörungen. Er räumt aber auch ein, dass Menschen vor allem in Krisenzeiten nach einfachen Lösungen suchen, um Halt zu finden. Bemerkenswert ist seine Aussage, dass es keine klare „richtige“ Seite gibt, obwohl er dann wieder zwischen Populisten und Nicht-Populisten unterscheidet.
Diskussion
Die Feststellung, dass es keine einheitliche Definition von Populismus gibt, macht die Sache nicht einfacher, weil man dann nicht sagen kann, wer Populist ist und wer nicht. Die aus drei Quellen entnommenen Definitionen von Populismus sind vage und eher Auflistungen. Der Autor kommentiert nicht, wenn es z.B. bei Wikipedia heißt, dass Populisten vorhandene Stimmungslagen zu eigenen politischen Zwecken ausnutzen. Hier fragt sich nämlich, inwieweit Politiker nicht immer auch Populisten sind. Das Merkmal, dass Populisten Angst und Unsicherheit schüren, indem sie überwiegend über Negatives berichten, gilt für die Berichterstattung in vielen Medien. Damit wären diese Medien populistisch. Das Bestreben, Komplexität zu reduzieren und Sachverhalte zu vereinfachen, findet sich bei allen Menschen, denn gesellschaftliche Prozesse sind viel zu komplex, als dass die Menschen sie in ihrer Gänze verstehen können. Sie kommen nicht umhin, die ungeheure Komplexität von Wirkungszusammenhängen zu reduzieren. Auch Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen arbeiten stets mit Modellen, die ein vereinfachtes Abbild der Wirklichkeit sind. Und der Autor selbst propagiert ein „keep it short and simple“. Zwischen Populisten und Nicht-Populisten abzugrenzen, fällt deshalb schwer. Doch gerade an diesem Graubereich sollen Gespräche geführt werden, denn mit den extremen Populisten kann man, wie der Autor meint, nicht reden. Seine Vorstellung ist offensichtlich, dass eine nicht populistische Person gemäßigt populistische Personen belehrt und sie von ihrem Irrglauben befreit.
Doch Kommunikation ist eine soziale Interaktion und keine Einbahnstraße. Die vielen Regeln und Ratschläge nützen in Interaktionen wenig, weil man es, wie es in der ersten goldenen Regel des Autors heißt, mit Menschen zu tun hat, die nicht nur reagieren, sondern auch agieren, indem sie selbst Argumente formulieren. Im Alltag stoßen wir, wie der Autor schreibt, immer wieder auf Aussagen von Freunden, Bekannten, Kollegen und Familienmitgliedern. Es sind also offensichtlich recht viele, die dem Populismus anhängen, was die Frage aufwirft, ob diese vielen nicht auch Gründe für ihre Sicht der Welt haben könnten und inwieweit es nicht eine Anmaßung ist, sich selbst als frei von populistischem Denken darzustellen. Wenn der Autor schreibt, dass eine Botschaft kurz und einfach sein soll („keep ist short and simple“), erinnert das an die den Populisten unterstellte Eigenschaft, Sachverhalte zu vereinfachen. Bezugnehmend auf die erste der zehn goldenen Regeln, die der Autor zu Beginn auflistet, dass man es mit Menschen zu tun hat, die nicht immer rational handeln und die bestimmte Meinungen haben, stößt man unweigerlich auf das Thema Meinungsfreiheit, die in unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert hat. Auf die Diskrepanz zwischen der hochgeschätzten Meinungsfreiheit und dem Bestreben, vermeintlich falsche Meinungen zu beeinflussen, geht der Autor nicht ein.
Fazit
Das kleine Buch liefert eine Einführung in Kommunikationstechniken. Mit vielen Beispielen veranschaulicht der Autor, wie man Populisten beeinflussen könnte. Er lässt jedoch die eigentliche Zielgruppe, die extremen Populisten, außen vor, weil sie aus seiner Sicht nicht beeinflussbar sind. Doch gerade an dieser Stelle hätte man Vorschläge erwartet. Davon abgesehen lädt der Leitfaden zum Ausprobieren in Gesprächen ein, die sich mit politischen und gesellschaftlichen Themen befassen.
Rezension von
Dr. Antje Flade
Psychologin, Sachbuchautorin
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