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Johannes Huber: Kinder brauchen Bindung

Rezensiert von Dr. phil. Anja Lorenz, 19.12.2024

Cover Johannes Huber: Kinder brauchen Bindung ISBN 978-3-17-037990-9

Johannes Huber: Kinder brauchen Bindung. Beziehungsgestaltung in Familie und Kita. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2024. 200 Seiten. ISBN 978-3-17-037990-9. 29,00 EUR.
Reihe: Praxiswissen Erziehung.

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Thema

Dieser Band arbeitet die Bedeutung von Bindung für die (früh)kindliche Entwicklung heraus. Als relevante Bezugspersonen und Zielgruppen dieses Fachbuchs wählt der Autor die Eltern, sowie Fachpersonal in Betreuungssettings für Kinder bis zum 6. Lebensjahr.

Autor

Johannes Huber ist Psychologe und lehrt an der Technischen Hochschule Rosenheim an der Sozialwissenschaftlichen Fakultät. Seine Forschungsschwerpunkte sind frühkindliche Entwicklung, insbesondere in Bezug auf geschlechtersensible Dimensionen, sowie Elternschaft mit Fokus auf Vaterschaft.

Entstehungshintergrund

In einem persönlichen Vorwort erläutert Huber seine Zugänge zum Themenfeld der Bindungsforschung und -entwicklung zwischen Kindern und ihren erwachsenen Bezugspersonen im privaten und öffentlichen Raum.

Als für den Autor wesentliche Forschungen greift er die Arbeiten zweier international anerkannte BindungsforscherInnen heraus. Daneben betont er für seine eigene Bindungserfahrung und -forschung die Beziehungen zu seinen eigenen Kindern.

Als Forschungsmitarbeiter lernte Huber in einem Familienpräventionsprojekt das Präventionsprogramm SAFE kennen, das Prof. Dr. Karl Heinz Brisch entwickelte und nahm eine Zeitlang später als junger Vater an ebendiesem Programm teil. Für die Bindungsforschung, die Beziehungen von Betreuungspersonal und den ihnen anvertrauten Kindern von Einrichtungen für Kinder bis zum Vorschulalter untersucht, nennt der Autor die Arbeit von Prof.in Dr.in Lieselotte Ahnert, die hier grundlegende Erkenntnisse zur Bindung gewinnen konnte.

Aufbau und Inhalt

Der Fachband ist in elf Kapitel aufgegliedert, mit einem anschließenden ausführlichen Literaturverzeichnis. Hilfreich sind kurze, optisch abgegrenzte, Zusammenfassungen wesentlicher Begrifflichkeiten sowie Literaturempfehlungen in den jeweiligen Kapiteln.

In Kap. 1, der Einleitung, fragt Huber allgemein nach guten Bedingungen für das Aufwachsen von Kindern. Kurze Hinweise reißen Themen wie Kinderarmut in Deutschland an, die Abhängigkeit von Bildung und medizinischer Versorgung von sozialer Herkunft, die Vernachlässigung der Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen in der Pandemie, ebenso wie die Folgen der Klimakrise für die nachkommenden Generationen.

Huber gibt abschließend eine kurze, aber prägnante, gesellschafts-historische Einordnung von Beziehungs- und Bindungsrelevanz und damit verbundene theoretische Konzeptionalisierungen. Im 2. Kap. geht es um eine Einführung in das Verständnis des Konzepts von Bindung und der davon abhängigen Explorationsfähigkeit. Die Sicherheit in beiden Fähigkeiten ist grundlegend für eine gesunde psychosoziale Entwicklung von Kindern und hängt von einem entsprechenden Beziehungsangebot der signifikanten Bezugspersonen ab, die zum einen vermitteln, als sicherer Hafen zur Verfügung zu stehen und andererseits als sichere Basis, die Exploration ermöglicht (vgl. Huber, 2024, 39). In Kap. 3, wird in einem Exkurs versucht, die Sicht von Kindern aufzugreifen. Hierzu stellt Huber einige Studien vor, die sich vorgenommen haben, einen Zugang in ihren Projekten zu finden, der die Kinder als Subjekte versteht und ihr Erleben in den Fokus stellt. Kap. 4 stellt die bekannten Bindungsstile vor (sicher gebunden, unsicher-vermeidend, unsicher-ambivalent, desorganisiert), sowie abgrenzend dazu die Bindungsstörung. In Kap. 5 greift der Autor die Faktoren der Beziehungsgestaltung zwischen Kind und Bezugsperson auf, die die Bindungsentwicklung und -qualität beeinflussen. Hier geht Huber ein auf drei Kompetenzen zur Beziehungsgestaltung der Erwachsenen: Feinfühligkeit, inneres Bindungsmodell und Mentalisierungsfähigkeit, sowie auf die Eigenschaften des Kindes. Kap. 6 setzt sich mit der Vater-Kind-Beziehung auseinander und versucht einen Beitrag dazu zu leisten, sie in ihrer Bedeutung für die kindliche Entwicklung aufzuwerten. Die Relevanz der Beziehungen für die Bindungsentwicklung der Kinder in frühpädagogischen Settings ist das Thema in Kap. 7, gefolgt von einem weiteren Exkurs in Kap. 8, in dem es speziell um Jungen und ihre geschlechtsspezifische Sozialisation geht. In den beiden folgenden Kap. 9 und 10 stellt der Autor Möglichkeiten zur Diagnostik von Bindung vor und Präventionsansätze zur Förderung von Bindungssicherheit. Im abschließenden 11. Kap. fasst Huber wesentliche Aspekte zu einer gelingenden Beziehungsgestaltung zwischen Eltern, päd. Fachkräften und Kindern zusammen.

Diskussion

Die Bedeutung von Bindung für die Entwicklung von Kindern und über die gesamte Lebensspanne auch außerhalb des klinischen Settings, insbesondere in der Prävention, zu vermitteln, kann aus meiner Sicht gar nicht überschätzt werden.

Die differenzierte Untersuchung des Einflusses verschiedenster erwachsener Bezugspersonen auf die Bindungsentwicklung in Kindheit und Jugend ist hierfür zentral.

Die Differenzierungen wie das Aufgreifen genderspezifischer Ansätze zur Untersuchung von Bindung und die Relevanz von Bezugspersonen außerhalb der Kernfamilie, ebenso wie Fragen nach Familienmodellen, die nicht dem klassisch-konservativen Familienkonzept entsprechen, müssen dringend weiter spezifiziert und erforscht werden, um die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen adäquat fördern zu können.

Ein weiteres Feld, das Fragen zur Bindungsentwicklung aufwirft, sind moderne Formen der künstlichen Befruchtung oder auch das Nutzen von Samenbanken.

Fazit

Der Autor setzt sich in diesem Band mit der Relevanz von Bindung in der (früh)kindlichen Entwicklung, sowie den Auswirkungen des Fehlens von Bindungssicherheit auseinander. Er arbeitet heraus, wie familiäre Bezugspersonen, aber auch Bezugspersonen in Betreuungseinrichtungen wie KiTas in ihrem Beziehungsangebot Einfluss nehmen (können) auf die Entwicklung von Bindungssicherheit bei Kindern.

Ich hoffe sehr, dass dieser Band eine große Leser:innenschaft findet!

Rezension von
Dr. phil. Anja Lorenz
Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin (TP); Kreative Leib- und Gestalttherapeutin
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Es gibt 2 Rezensionen von Anja Lorenz.

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Zitiervorschlag
Anja Lorenz. Rezension vom 19.12.2024 zu: Johannes Huber: Kinder brauchen Bindung. Beziehungsgestaltung in Familie und Kita. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2024. ISBN 978-3-17-037990-9. Reihe: Praxiswissen Erziehung. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/32384.php, Datum des Zugriffs 24.01.2025.


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