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Dagmar Hänsel: Historiographie der Sonderpädagogik

Rezensiert von Prof. Dr. Werner Brill, 04.07.2024

Cover Dagmar Hänsel: Historiographie der Sonderpädagogik ISBN 978-3-7799-7758-2

Dagmar Hänsel: Historiographie der Sonderpädagogik. Kontinuitäten im Wandel von der Hilfsschul- und Heilpädagogik zur inklusiven Pädagogik. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2024. 200 Seiten. ISBN 978-3-7799-7758-2. D: 38,00 EUR, A: 39,10 EUR.

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Thema

Es handelt sich um eine Veröffentlichung, die sich mit der Geschichtsschreibung der Sonderpädagogik befasst und dabei die NS-Zeit als zentralen Gegenstand herausarbeitet. Die Autorin will den Nachweis erbringen, dass die disziplinbezogene Historiographie über Jahrzehnte tendenziös und pro domo gearbeitet hat.

Autorin

Die emeritierte Professorin Dagmar Hänsel (Universität Bielefeld) hat lange als Schulpädagogin gelehrt, geforscht und publiziert und in den letzten beiden Jahrzehnten sich immer wieder mit der Disziplin der Sonderpädagogik befasst. Dabei legte sie mehr und mehr ihr Augenmerk auf die Zeit des Nationalsozialismus. Dazu seien drei Aufsätze aus verschiedenen Fachzeitschriften genannt:

  • Quellen zur NS-Zeit in der Geschichte der Sonderpädagogik, in: Zeitschrift für Pädagogik 58(2012)2, S. 242–261
  • Sonderpädagogik im Nationalsozialismus – verschwiegene Zusammenhänge, in: Zeitschrift für Heilpädagogik 68(2017)11, Beiheft, S. 39–60
  • Die Geschichtsschreibung der Sonderpädagogik über die Zeit des Nationalsozialismus, in: Zeitschrift für Sozialpädagogik 20(2022)2, S. 189–205

Entstehungshintergrund

In der Sonder- und Heilpädagogik wird seit Jahrzehnten kontrovers über die Rolle der Disziplin und Profession in der Zeit des Nationalsozialismus diskutiert. Im Rahmen dieser Debatten hat sich die Autorin einen Namen gemacht, und sie liefert jetzt eine kritische Analyse der professionseigenen Geschichtsschreibung.

Aufbau

Ihre jüngste Publikation „Historiographie der Sonderpädagogik“ ist bei Beltz Juventa 2024 erschienen und will strukturelle Kontinuitäten von den Anfängen der Sonderpädagogik im 19. Jahrhundert bis in die heutige Zeit aufzeigen. Dabei wird die Sonderpädagogik im Nationalsozialismus „neu als Dreh und Angelpunkt […] der Sonderpädagogik bestimmt“ (Klappentext). Das Buch gliedert sich in sieben Kapitel und umfasst 181 Seiten plus einem 47-seitigen Anhang.

Inhalte

Als Zielsetzung nennt die Autorin unter anderem, „einen Forschungsbeitrag zur Historiographie der Sonderpädagogik zu leisten und die apologetischen Geschichtskonstruktionen der Sonderpädagogik […] zu überwinden“ (S. 10).

Nach der Einleitung (S. 9–16), in der die Zielsetzung und die Inhalte des Buches kurz skizziert werden, befasst sich das zweite Kapitel mit der „Abspaltung der Sonderpädagogik in ihren Konsequenzen für die Theoriebildung der Erziehungswissenschaft“ (S. 17–29). Als Gegenstand der allgemeinen Sonderpädagogik benennt Hänsel die Theorie und Geschichte der Sonderschule, spezieller der Hilfsschule, die heute als Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen bezeichnet wird und quantitativ die größte Bedeutung unter den verschiedenen Arten von Sonderschulen/Förderschulen hat.

Die Binnengliederung innerhalb der Sonderpädagogik korrespondiert mit den verschiedenen Arten von Sonderschulen. „Als Behinderungsarten werden […] Lernbehinderung, Sprachbehinderung, Verhaltensbehinderung, geistige Behinderung, körperliche Behinderung, Sehbehinderung und Hörbehinderung unterschieden“ (S. 18).

Hänsel kritisiert, dass die Sonderschule gegenüber der allgemeinen Schule ein hermetisch abgeschlossenes System sei und diese Kinder als besondere Spezies beschreibe. Dies liegt in der historischen Entwicklung dieser Schulform und der Typologisierung der Schülerschaft zunächst als andersartig wegen des „angeborenen Schwachsinns“. „Die sonderpädagogisch Geförderten werden als Behinderte in Gegensatz zu Nichtbehinderten in der allgemeinen Schule gestellt und als dauernd Andere bestimmt“ (S. 19). Zugleich bedeutet die Trennung der Sonderpädagogik von der allgemeinen Erziehungswissenschaft, dass die Sonderpädagogik ein Deutungsmonopol erhält und ein selbstreferentieller Zirkel entsteht, was für die Betrachtung der NS-Zeit fatale Folgen habe (S. 20).

Durch diese Abspaltung der Sonderpädagogik entstehen problematische Lücken zum Beispiel in der empirischen Schulsystemforschung, weil bei den meisten empirischen Studien die Sonderschule nicht einbezogen wird. Besonders für die Grundschule hat dies Auswirkungen, weil sie nicht mehr die Schule für alle Kinder ist, sondern für diejenigen, „die die Sonderpädagogik für sie übrig lässt“ (S. 22).

Sowohl die Schulgeschichtsschreibung als auch die historische Bildungsforschung formulieren eine Geschichte der „Nichtbehindertenschule“ und übernehmen unkritisch die Perspektive der Sonderpädagogik (S. 24).

Hänsel plädiert aus mehreren Gründen dafür, dass die allgemeine Erziehungswissenschaft sich der Sonderpädagogik hinwenden müsse. „Der Allzuständigkeitsanspruch der Sonderpädagogik erlaubt es der Erziehungswissenschaft nicht länger, die Sonderschule und die Sonderpädagogik aus ihrem Blick auszusparen und damit an der bestehenden Arbeitsteilung mit der Sonderpädagogik festzuhalten und deren Gruppierungen und Kategosierungen der Kinder im Schulbereich zu übernehmen“ (S. 29).

„Die Klassifizierung von Kindern durch die Sonderpädagogik in historischer Perspektive“ ist der Inhalt von Kapitel drei (S. 30–57).

In verschiedenen Unterpunkten beschreibt Hänsel hier mehrere Phasen der Entwicklung, in denen sich die Definition der Klientel der Sonderpädagogik vollzog und perpetuierte:

  • Entstehung als eigenständiges Fach (1890 bis 1920er Jahre)
  • Anpassung an die eugenische Praxis des Nationalsozialismus (1933 bis 1945)
  • Etablierung als eigenständiges akademisches Fach (1949 bis 1990er Jahre)
  • Verallgemeinerung der Sonderpädagogik unter dem Anspruch der Inklusion (ab 2009)

Vor allem durch die Lehrer Heinrich Stötzner, Ludwig Strümpell und Arno Fuchs wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts der Grundstein gelegt für die Beschreibung der Kinder für eine neue Schulform, die sog. Hilfsschule. Es handelt sich u.a. um folgende Publikationen:

  • Heinrich Ernst Stötzner: Schulen für schwachbefähigte Kinder, 1864
  • Ludwig Strümpell: Die Pädagogische Pathologie und die Lehre von den Fehlern der Kinder, 1890
  • Arno Fuchs: Schwachsinnige Kinder, ihre sittliche und intellektuelle Rettung, 1899

Das Gemeinsame ihrer Beschreibungen der Kinder war die enge Anlehnung an die Medizin und die Ansicht, es handele sich um kranke Kinder (Pathologiebegriff; Schwachsinnsbegriff), die einer Behandlung bedürften.

Zentral für die NS-Zeit gilt für die Autorin das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses (GzVeN), das am 14. Juli 1933 verabschiedet wurde und zum 1. Januar 1934 in Kraft trat. „Durch die neue gemeinsame praktische rassenhygienische Aufgabe, die sich allen Sonderschullehrergruppen mit dem Gesetz stellte, wurden wichtige Grundlagen für die Entwicklung der Sonderpädagogik als übergreifender Disziplin gelegt“ (S. 39).

Vor allem die Verbandsfunktionäre Martin Breitbarth (1871-1944) und Karl Tornow (1900-1985), die Hänsel als Zeugen ihrer Argumentation zurate zieht, waren als führende Vertreter der Berufsorganisation der Hilfsschullehrer aktiv in der Übernahme eugenischen Denkens während der Zeit des Nationalsozialismus. So wurde z.B. in einer Denkschrift der Heilpädagogischen Arbeitsgemeinschaft Berlin im August 1933, die dem Preußischen Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung vorgelegt wurde, der Anspruch der Heilpädagogen auf Mitarbeit bei der Sterilisation von Erbkranken im Rahmen des GzVeN formuliert. Breitbarth schrieb, die Aufgabe jedes Heilpädagogen liege in der „optimalen Wertigmachung der ihm anvertrauten geschädigten, werdenden Volksglieder für die Volkheit“ (S. 41). Im Rahmen dieser Argumentation für die Unentbehrlichkeit der Sonderpädagogen wurden auch die Überlegenheit der sonderpädagogischen gegenüber der psychiatrischen bzw. psychologischen Diagnostik sowie die größere Kenntnis der familiären Verhältnisse seitens dieser Lehrergruppe für die erbbiologische Forschung behauptet.

Als dritte Phase der Entwicklung nennt Hänsel die Zeit von 1949 bis in die 1990er-Jahre (S. 47–52). Hier setzt sich auch der Terminus Behindertenpädagogik durch, als zwei zentrale Figuren nennt die Autorin Heinz Bach (1923-2013) und Ulrich Bleidick (1930-2022), deren wichtige grundlegende Publikationen in den 1970er-Jahren erschienen. Diese Betrachtung bezieht sich allerdings lediglich auf die frühere BRD, die Situation und Entwicklung in der DDR, die durchaus Parallelen und wenige Unterschiede hat, bleibt ausgeblendet. In dieser Zeit entstehen in beiden deutschen Staaten akademische Ausbildungsgänge für das Lehramt an Sonderschulen und zwar gegliedert nach Art der Behinderung (BRD) oder der Schädigung (DDR). Damit geht einher eine ökonomische Besserstellung der Sonderschullehrer gegenüber früher und gegenüber den meisten anderen Lehrergruppen.

Für die letzte Phase (ab 2009) behauptet die Autorin eine Verallgemeinerung der Sonderpädagogik unter dem Anspruch der Inklusion, worauf noch weiter unten kritisch einzugehen sein wird. Ein Fazit lautet: „Die Klassifizierung der Kinder durch die Sonderpädagogik ist nicht nur mit dem Ausbau der Sonderschule verbunden, sondern auch von der Perspektive und dem Interesse der Hilfsschul- und Lernbehindertenpädagogik bestimmt“ (S. 57).

Das vierte Kapitel will strukturelle Kontinuitäten zwischen der Sonderpädagogik im Nationalsozialismus und der inklusiven Sonderpädagogik aufzeigen (S. 58–72). Hier geht es der Autorin um Gemeinsamkeiten in der historisch begründeten und aktuellen Sonderpädagogik. Als Zeugen für die Wende zu „grundlegend Neuem“ in der NS-Zeit zieht Hänsel bekannte Namen und Funktionäre heran wie Alfred Krampf (Hannover), Martin Breitbarth (Halle), Karl Heinrichs (Magdeburg), Hermann Maeße (Berlin), Hugo Schmidt (Magdeburg), Karl Tornow, Erich Wittke (Chemnitz), Reinhard Rimbach (Essen), Fritz Zwanziger (Nürnberg). Diese eindeutig eugenisch und völkisch orientierten Äußerungen (Beispiel Wittke: Erziehung zur Opferbereitschaft gegenüber der Sterilisierung) sind allerdings nicht erst in der NS-Zeit entstanden, sondern haben gedankliche Vorläufer im 19. Jahrhundert und in den 1920er-Jahren. Hier sieht Hänsel Parallelen in neueren Diskussionen in der Sonderpädagogik, und zwar im Pathos und in dem Gedanken, neue Wege (Inklusion) zu beschreiten. Auch in der „Abgrenzung von Gruppen“ (S. 65–70) stellt Hänsel Gemeinsamkeiten zwischen der NS-Zeit und den aktuellen Positionen fest. Wiederum führt sie bekannte Namen aus der Zeit des Nationalsozialismus an, die sich um stets neue Abgrenzungen der ihnen anvertrauten Kinder bemühten, um dann in der inklusiven Pädagogik Ähnlichkeiten zu sehen: „Neben den Behinderten im engeren Sinne werden von der inklusiven Pädagogik Behinderte im weiteren Sinne unterschieden, denen insbesondere Mädchen und Migranten zugerechnet werden (Prengel 1993; Hinz 1993). Gemeinsam ist diesen und anderen Gruppen von Behinderten ihre gesellschaftliche Benachteiligung“ (S. 69).

Als weitere Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Zeiträumen nennt die Verfasserin die Interessen und Überzeugungen (NS-Sonderpädagogik; inklusive Pädagogik), dass diese Kinder einer sonderpädagogischen Förderung bedürften.

Selbstverständlich ist die Sonderpädagogik mit dem dreifachen Interesse verbunden, „die Sonderschule als eigenständige Institution, die Sonderschullehrerschaft als eigenständige Profession und die Sonderpädagogik als eigenständiges Fach zu gestalten und zu legitimieren“ (S. 72).

In Kapitel fünf geht es die Etablierung der sonderpädagogischen Diagnostik im Nationalsozialismus und ihre Kontinuitäten (S. 73–136). Die hilfsschulspezifische Diagnostik, die bei der Gründung des Verbandes diskutiert wurde (1898), zieht sich über Jahrzehnte durch die Geschichte der Sonderpädagogik, zusammen mit den Diskussionen zum Personalbogen für die Kinder. Ein Wandel der Diagnostik vollzieht sich im Zuge des GzVeN; Die Mitarbeit am GzVeN sieht Hänsel in drei Punkten gegeben: durch die Erziehung, durch sonderpädagogische Diagnostik und durch Propaganda (S. 98–115). Sowohl die „Allgemeine Anordnung über die Hilfsschulen in Preußen“ von 1938 als auch den 1940 eingeführten Personalbogen sieht Hänsel als Ausführungsbestimmung zum GzVeN an. Es ging wieder um die optimalere „erbbiologische Erfassung des Hilfsschulkindes“ und die Verpflichtung an das Lehrpersonal, dem zuzuarbeiten. Zusammen mit dem sog. Magdeburger Verfahren sieht sie Kontinuitäten, die zentral in der NS-Zeit geprägt wurden. Im letzten Unterpunkt dieses Kapitels moniert Hänsel generell die Feststellung eines Förderbedarfs, der über die Schule hinausreicht, weil er als lebenslange Stigmatisierung im Sinne sozialer Benachteiligung wirksam bleibt (Bsp. Studie von Lisa Pfahl 2011). Damit darf sie sich in ihrer Kritik im Konsens von zahlreichen Vertretern der Integrationspädagogik sehen.

Das sechste Kapitel beschreibt die Zeit des Nationalsozialismus in ihrer Bedeutung für die Sonderpädagogik bis heute (S. 137–151). Das GzVeN als Gefährdung von Hilfsschulkindern lässt sich nicht nur aus dem Gesetz selbst ablesen, sondern findet sich auch in zahlreichen Bekundungen zeitgenössischer Sonderpädagogen (s.o.). Die Entwicklung der sonderpädagogischen Profession, die mit einer Modernisierung der Disziplin und dem Ausbau der Hilfsschule zum Sonderschulsystem einhergeht, beschreibt Hänsel als problematisch und gesellschaftlich wenig hinterfragt.

Auf S. 138 fehlen leider Belege für die konkrete Zuarbeit des Lehrpersonals zu dem GzVeN. Hier hätten Archivrecherchen zum Rassenpolitischen Amt der NSDAP (RPA) noch mehr Argumente für Hänsel liefern können, so wie ich sie aus dem Bundesarchiv benutzt habe.

Im siebten Kapitel wird die „Historiographie der Sonderpädagogik in der Sonderpädagogik“ behandelt (S. 152–170). Im Gegensatz zu einem Beitrag der Sonderschullehrerin G. Kremer (2021) moniert Hänsel das Faktum, dass in der Sonderpädagogik die Auseinandersetzung und Erforschung der NS-Zeit wie kaum einer Disziplin vernachlässigt worden ist. Die vorgelegten Arbeiten von Verbandsvertretern (Lesemann, Myschker, Bleidick, Möckel) seien im Charakter von Festschriften verfasst, eine Verbandsgeschichte im Kontext des NSLB sei „in der Sonderpädagogik bisher nicht erfolgt“ (S. 157).

Diskussion

Die Arbeit von Dagmar Hänsel ist mit großer historischer Sach- und Literaturkenntnis verfasst, sie liefert eine längst überfällige Darstellung zum Thema Sonderpädagogik und NS-Geschichtsschreibung. Ihrem Anliegen, dass sich die allgemeine Erziehungswissenschaft und die Geschichtswissenschaft dem Thema „Sonderpädagogik und Nationalsozialismus“ annehmen solle, ist zwingend zuzustimmen. Dies ermöglichte, apologetischen und verfälschenden Darstellungen, die aus der eigenen Disziplin der Sonderpädagogik stammen, endlich reale und historisch fundierte Forschungsergebnisse entgegenzustellen.

Eine kritische Bemerkung zum Thema Inklusion

Während die traditionelle Sonderpädagogik in den 1970er- und 1980er-Jahren sich vehement gegen die Idee der (schulischen) Integration wandte und von ihr empirische Beweise einforderte, die das Wohl der Kinder belegen sollten (woraus zahlreiche empirische Studien entstanden sind), haben diese Vertreter der Sonderpädagogik mit dem Aufkommen der neuen Inklusionsdebatte Anfang der 2000er-Jahre diese nicht mehr kritisiert, sondern sich selbst schnell als Vertreter dieser Idee erklärt und sie verbal okkupiert. Die Intention war, eine neue Debatte zu nutzen, um ihre alten sonderpädagogischen Institutionen zu erhalten und gleichzeitig sich gegenüber einem neuen Diskurs als offen zu präsentieren. Das ist ihnen weitgehend gelungen. Dagmar Hänsel kritisiert zu Recht diese Tendenzen, sie ignoriert aber, dass es hier zwei Gruppen gibt: diejenigen, die sich des Terminus der Inklusion bedienen, um alte Strukturen zu erhalten, und diejenigen, die mit dem Begriff Inklusion eine wirkliche Veränderung und die Abschaffung von Sonderschulen/Förderschulen anstreben. Insofern muss die wiederholte Benennung einer „Sonderpädagogik, die sich als inklusive Pädagogik versteht“, zurückgewiesen werden.

Fazit

Es steht zu hoffen, dass diese Publikation von Dagmar Hänsel zu weiteren historischen Forschungen anregt, sie hat dafür mit der benutzten Literatur als auch durch ihre pointierte Argumentation und Wortwahl einen Meilenstein vorgelegt. Mit dieser Arbeit hat Hänsel das grundlegende Werk zur Geschichtsschreibung der Sonderpädagogik, speziell zur NS-Zeit, vorgelegt, das für jede weitere Betrachtung zurate gezogen werden muss. Es darf in keiner Bibliothek fehlen.

Literatur

Pfahl, Lisa: Techniken der Behinderung. Der deutsche Lernbehinderungsdiskurs, die Sonderschule und ihre Auswirkungen auf Bildungsbiografien, Bielefeld 2011

Rezension von
Prof. Dr. Werner Brill
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Es gibt 2 Rezensionen von Werner Brill.

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Zitiervorschlag
Werner Brill. Rezension vom 04.07.2024 zu: Dagmar Hänsel: Historiographie der Sonderpädagogik. Kontinuitäten im Wandel von der Hilfsschul- und Heilpädagogik zur inklusiven Pädagogik. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2024. ISBN 978-3-7799-7758-2. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/32391.php, Datum des Zugriffs 26.01.2025.


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