Katrin Böhm: Kinderschutzkonzept konkret
Rezensiert von Alexandra Großer, 13.08.2024
Katrin Böhm: Kinderschutzkonzept konkret.. 55 Methoden zur Erstellung und Reflexion eines Gewaltschutzkonzepts in Kita und Kindertagespflege. Verlag Herder GmbH (Freiburg, Basel, Wien) 2024. 272 Seiten. ISBN 978-3-451-39828-5. D: 20,00 EUR, A: 20,60 EUR, CH: 21,65 sFr.
Thema
Kinderschutz bedeutet einen sicheren Ort für Kinder zu schaffen. Ein sicherer Ort für Kinder zu sein. Kinderschutz findet im alltäglichen miteinander statt. Diese miteinander wird in der Kinderschutzkonzeption festgeschrieben.
Kinderschutzkonzepte sind für Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege gesetzlich vorgeschrieben. Ohne Kinderschutzkonzept keine Betriebserlaubnis. Das Buch enthält einen „Methodenschatz“ (Klappentext) zu „allen Bausteinen eines Kinderschutzkonzepts“ (Klappentext). Von der Risikoanalyse über die Erarbeitung eines Verhaltenskodex hin zum gegenseitigen Feedback bei Grenzverletzungen, finden Fort- und Weiterbildner*innen, Leitungen, Fachberatungen, Dozent*innen Methoden zur Erarbeitung und Reflexion der Bausteine.
Autorin oder HerausgeberIn
Katrin Böhm ist Diplom-Pädagogin und arbeitet als insoweit erfahrene Fachkraft im Kinderschutz. Sie ist pädagogische Fachberatung und freiberufliche Referentin für die Themen Kinderschutz, Elementarpädagogik, Erziehungspartnerschaft und Gesprächsführung.
Aufbau und Inhalt
Das Buch besteht neben Einleitung, Literaturverzeichnis und Kopiervorlagen aus insgesamt vier Kapiteln. Die umfangreiche Sammlung an Kopiervorlagen zu den einzelnen Methoden können auch per Downloadlink auf den Seiten des Verlags abgerufen werden.
Das erste Kapitel beschäftigt sich mit den Bausteinen eines Gewaltschutzkonzepts, im zweiten Kapitel geht es um didaktische Überlegungen und Hinweise zum Aufbau der Methoden. Das dritte Kapitel enthält Methoden zur Konzeptentwicklung im Team und im vierten Kapitel werden Methoden zur prozessbegleitenden Selbstreflexion vorgestellt. In farbig abgesetzten Kästen und mit kleinen Symbolen markiert finden sich Tipps und Hinweise sowie weiterführende Literatur.
Im ersten Kapitel Bausteine eines Gewaltschutzkonzepts werden die Bausteine des Kinderschutzkonzepts als Haus dargestellt. Basis des Hauses ist die Risiko- und Ressourcenanalyse, die den IST-Stand darstellt. Das Leitbild, indem die „gemeinsamen Werte und Haltungen“ (S. 8) festgehalten sind, die „die pädagogische Arbeit und das Miteinander prägen“ (ebd.) bilden das Dach. Dazwischen stehen die zu erarbeitende Bausteine: „Personalauswahl, Verhaltenskodex, Partizipation, Beschwerdeverfahren, Prävention/sexualpädagogisches Konzept, Zusammenarbeit mit Familien, Handlungsplan, Qualitätssicherung und Kooperationen/unterstützende Netzwerke“ (ebd.). Sie münden in „verbindlich geltende Vereinbarungen zu den einzelnen Punkten“ (ebd.) für alle pädagogisch Tätige.
Im zweiten Kapitel erörtert Katrin Böhm ihre didaktischen Überlegungen und Hinweise zum Aufbau der Methoden. Sie berücksichtigt „bei der Planung und Durchführung eines Seminars“ (S. 10) das Prinzip „der Kompetenzorientierung“ (ebd.), welches wiederum vier Prinzipien in sich vereint:
- Subjektorientierung
- Handlungsorientierung
- Reflexionsorientierung und
- Komplexitätsorientierung.
Dadurch wird der Erwerb von neuem Wissen, Austausch sowie das Hinterfragen eigener „Handlungsweisen und Haltungen“ (S. 11) ermöglicht und nachhaltige Veränderung erreicht.
Im dritten Kapitel stellt die Autorin zahlreiche Methoden zur Konzeptentwicklung im Team vor. Der Aufbau der Methodenvorstellung folgt dem immer gleichen Schema. Zunächst geht sie auf das benötigte Material ein, gibt anschließend Hinweise zur Umsetzung und zum Schluss, zeigt sie auf, welche Ziele damit erreicht werden. Jedes Unterkapitel, welches dem Aufbau der Bausteine des Kinderschutzkonzepts folgt, enthält einen kurzen theoretischen Impuls.
Die Methodensammlung startet mit Impulsen zu Einführung ins Thema & Risiko- und Ressourcenanalyse. Insgesamt finden sich hier sieben Methoden dazu. Im nächsten Kapitel gibt es drei Methoden zur Beschäftigung mit dem Leitbild. Die Impulse zu den Gesetzlichen Grundlagen nehmen einzelne Kinderrechte in den Fokus sowie die „Gesetzlichen Grundlagen für den (institutionellen) Kinderschutz“ (S. 36). Im Anschluss beschäftigen sich verschiedene Methoden mit der Erarbeitung eines Verhaltenskodex und Selbstverpflichtungserklärung. In diesen Übungen werden Bedürfnisse der Kinder ebenso besprochen wie Grenzverletzungen. Im Unterkapitel Geschlechtersensible Pädagogik setzen sich die Teilnehmenden mit Aspekten der Sexualpädagogik auseinander sowie der psychosexuellen Entwicklung und Nähe-Distanz-Problematik. Der nächste Abschnitt befasst sich mit der Beteiligung der Kinder in der Kita und Kindertagespflege. Dieser leitet in das Unterkapitel Beschwerdeverfahren über und beschäftigt sich mit Fragen, wozu es Beschwerdeverfahren geben sollte, und wie sich Kinder in Krippe, Kita und Kindertagespflege beschweren. Die nächsten beiden Unterkapitel beherbergen Methoden zur Zusammenarbeit mit Familien und Feedbackverfahren und Handlungsplänen zum internen und externen Kinderschutzverfahren.
Das vierte Kapitel enthält Methoden zur prozessbegleitenden Selbstreflexion. Hier finden sich Methoden zur Ressourcenarbeit, Biografiearbeit und Adultismus. Bei den Impulsen zur Ressourcenarbeit werden neben eigenen Ressourcen und Kompetenzen auch Herausfordernde Situationen besprochen und auf positive Perspektiven untersucht. Mit den biografischen Impulsen gehen die Teilnehmenden auf Schatzsuche. Die Impulsübungen zum Adultismus beschäftigen sich mit den Themen Sprachgewalt und Regeln.
Der umfangreiche Anhang enthält die Kopiervorlagen zu den 55 Methoden. Die Kopiervorlagen bestehen aus Tabellen, Reflexionsfragen, theoretischen Basisinformationen, To-Do Listen und Karten mit verschiedenen Aussagen beziehungsweise Informationen zu verschiedenen Themen.
Diskussion
Mit der Methodensammlung zeigt die Autorin Wege auf, wie die Entwicklung eines Kinderschutzkonzepts und Auseinandersetzung mit den Inhalten, in einem Team, einer Fortbildung oder Seminar zum Thema, beziehungsweise einzelnen Bausteinen stattfinden kann. Die Methoden sind verständlich erklärt und durch die dazugehörigen Kopiervorlagen gut umzusetzen. Neben den Nennungen von Material, den Hinweisen zur Umsetzung und Zielen der Übungen wäre es gut gewesen auch Zeitangaben zu haben. In mancher Erläuterung zur Durchführung findet sich der Hinweis, genügend Zeit einzuplanen. Dies beinhaltet jedoch auch, dass ich als Fortbildnerin eine Vorstellung davon habe, wie lange welche Methode ungefähr dauert, um genügend Zeitpuffer einplanen zu können.
Die Methodensammlung ist gut geeignet, um einen „Prozess der Veränderung“ (S. 7) anzuschieben. Katrin Böhm hat für jeden Baustein des Kinderschutzkonzepts „Methoden zur Reflexion, zur Wissensvermittlung und zum Austausch“ zur Verfügung gestellt. Die auch so manchen Aha-Effekt beinhalten und aufeinander aufbauen.
Katrin Böhm schreibt aus der Sicht der Referent*in, welche über das notwendige Fachwissen verfügt, um die Methoden in Workshops und Seminaren sicher einsetzen zu können.
Bei manchen Methoden finden sich gezielte Hinweise zu Themenschwerpunkten, die im einführenden Impulsvortrag vor dem Methodeneinsatz enthalten sein sollten. Damit setzt die Autorin voraus, sich mit der empfohlenen Literatur auseinanderzusetzen bzw. bereits Fachwissen zur Thematik zu haben.
Viele der beschriebenen Methoden jedoch können Leitungen und Kindertagespflegepersonen sofort für die Erarbeitung eines Schutzkonzepts sowie zur Reflexion des IST-Stands und Selbstreflexion als auch Weiterentwicklung einsetzen. Der Methodenfundus ermöglicht es jeder Kita und Kindertagespflege ein individuelles Kinderschutzkonzept zu erarbeiten.
Die umfangreichen Kopiervorlagen können auf den Seiten des Verlags heruntergeladen und für die Teilnehmer*innen ausgedruckt werden.
Fazit
Leitungen, Kindertagespflegepersonen, Fachberater*innen, Aus-, Fort- und Weiterbildner*innen, die sich mit dem Thema Kinderschutz in der Kita beschäftigen, finden im Buch eine reichhaltige Methodensammlung, die die Auseinandersetzung und Austausch unter den Teilnehmer*innen mit dem Thema anregen.
Rezension von
Alexandra Großer
Fortbildnerin, päd. Prozessbegleiterin, systemische Beraterin
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Zitiervorschlag
Alexandra Großer. Rezension vom 13.08.2024 zu:
Katrin Böhm: Kinderschutzkonzept konkret.. 55 Methoden zur Erstellung und Reflexion eines Gewaltschutzkonzepts in Kita und Kindertagespflege. Verlag Herder GmbH
(Freiburg, Basel, Wien) 2024.
ISBN 978-3-451-39828-5.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/32415.php, Datum des Zugriffs 12.09.2024.
Urheberrecht
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