Suche nach Titel, AutorIn, RezensentIn, Verlag, ISBN/EAN, Schlagwort
socialnet Logo

Hoang Long Nguyen: Betriebliche Sozialberatung

Rezensiert von Prof. Dr. Edgar Baumgartner, 20.05.2025

Cover Hoang Long Nguyen: Betriebliche Sozialberatung ISBN 978-3-7639-7354-5

Hoang Long Nguyen: Betriebliche Sozialberatung im Kontext von Corporate Social Responsibility. Eine empirische Untersuchung zu Arbeitsaufgaben und Anforderungen in der betrieblichen Sozialberatung in Deutschland. wbv (Bielefeld) 2023. 260 Seiten. ISBN 978-3-7639-7354-5. 49,90 EUR.

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.
Inhaltsverzeichnis bei der DNB.

Kaufen beim socialnet Buchversand

Thema

Das Buch untersucht das Arbeitsfeld der Betrieblichen Sozialen Arbeit bzw. der Betrieblichen Sozialberatung. Der Fokus liegt hierbei auf Arbeitsaufgaben, Qualifikations- und Kompetenzanforderungen, die das das Arbeitsfeld der Betrieblichen Sozialen Arbeit charakterisieren. Diese bislang kaum erforschten Fragen geht der Autor empirisch mit einem qualitativen Zugang und 16 Interviews mit betrieblichen Sozialberatenden an. Die als Dissertation erarbeitete Studie orientiert sich theoretisch am Konzept Corporate Social Responsibility (CSR), dessen Potenzial als mögliche Legitimierungsgrundlage für die Betriebliche Sozialberatung geprüft und besprochen wird. Der Autor gelangt zu neuen und spannenden Einsichten, die als Grundlagenwissen für das Arbeitsfeld wie auch für die Konzipierung von Aus- und Weiterbildungsangeboten dienen können.

Aufbau und Inhalt

Das Buch umfasst 10 Kapitel, die sich in drei Teile gliedern lassen. Ein erster Teil (Kap. 1-4) greift nach der Einleitung den Forschungsstand zur Betrieblichen Sozialen Arbeit in Bezug auf das dortige Personal und dessen Qualifikationen auf und entfaltet mit dem CSR die theoretische Basis der Studie. Die Kap. 5 bis 9 bilden den zweiten Teil und sind dem empirischen Zugang und der Analyse des Interviewmaterials im Hinblick auf Arbeitsaufgaben, Kompetenzanforderungen sowie Einschätzungen zum Nutzen (Wertschöpfung) Betrieblicher Sozialberatung gewidmet. Eine Zusammenfassung bzw. der Ausblick (Kap. 9-10) schließen das Buch ab. Zentrale Inhalte der einzelnen Kapitel werden im Folgenden kurz zusammengefasst.

Die Einleitung (Kap. 1) führt an die Thematik und den Fokus des Buches heran. Es sind drei Fragestellungen zentral, nämlich welche Qualifikationen werden für den Zugang bzw. die Arbeit in der Betrieblichen Sozialberatung benötigt (1), welche Aufgaben werden dort ausgeführt und welche Kompetenzanforderungen an das Personal gestellt (2) und inwiefern kann das Konzept CSR als Legitimierungsgrundlage dienen (3)?

Das Verständnis der in den Fragestellungen genannten Begrifflichkeiten wird unter Begriffsbestimmungen (Kap. 2) erläutert. Die Betriebliche Sozialberatung wird als Handlungsfeld der Sozialen Arbeit im Kontext der betrieblichen Arbeitswelt bezeichnet, in dem Fachkräfte bzw. Sozialarbeitende individuelle und zwischenmenschliche Probleme bearbeiten, dies zwecks Förderung der psychosozialen Gesundheit und des Wohlbefindens wie auch der Produktivität in Organisationen. CSR als zentrales Konzept im Buch impliziert die Verantwortung von Organisationen für die Auswirkungen ihres Handelns auf ihre Stakeholder und die Gesellschaft. Dies erfordert gleichermaßen die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben wie freiwillig eingegangene Praktiken.

Unter Kap. 3 – Verortung und Vermessung der betrieblichen Sozialberatung – wird die Gestalt der Betrieblichen Sozialberatung ausgearbeitet. Die Einordnung in Systematiken von Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit erweist sich als ebenso sperrig wie der Bezug auf das Doppelte Mandat, da die Verpflichtung nicht nur dem Individuum und der Gesellschaft, sondern auch der auftraggebenden Organisation (Triplemandat) gilt. Eine Aufbereitung des nicht sehr umfangreichen Forschungsstandes zu Aufgaben, Anforderungen und Qualifikationen im Feld zeigt ausschließlich Einzelbefunde und den fehlenden Zusammenhang von Aufgaben und zugehörigen Anforderungen. Ein Desiderat, dem sich das Buch annimmt und hierbei auch professionstheoretische Bezüge, etwa dass die Notwendigkeit von Wissen und Können kontextuell zu begründen ist, herstellt.

Die Diskussion über die Verortung der Betrieblichen Sozialberatung im Kontext von Corporate Social Responsibility (Kap. 4) ist der Frage nach der Legitimierung der Dienstleistung Soziale Arbeit in Organisationen geschuldet. Der Autor folgt hierbei der Suche nach einem intermediären Konzept, das der Betrieblichen Sozialberatung ökonomische Erwartungen zu erfüllen und zugleich die Identität als sozialarbeiterische Dienstleistung zu wahren bzw. stärken erlaubt. CSR bietet sich hierfür – wie bei Baumgartner und Sommerfeld (2016) – als geeignete Kandidatin an, wobei insbesondere die theoretischen Zugänge stakeholder-Theorie sowie Creating-Shared-Value-Konzept aufgenommen werden. Diese erlauben eine Konkretisierung der Aufgaben für die Betriebliche Sozialberatung als Ausdruck sozialer Verantwortung, innerhalb von Organisationen für Mitarbeitende als zentrale Gruppe der stakeholder wie auch außerhalb (z.B. Bürgerschaftliches Engagement).

Den Übergang in den empirischen Teil der Studie leitet Kap. 5 (Methodik der empirischen Untersuchung) mit methodischen Hinweisen ein. Die Datengrundlage bilden insgesamt 16 Interviews mit betrieblichen Sozialberatenden aus Organisationen in unterschiedlichen Branchen. Die Interviews behandeln die Themen Legitimierung und Konstituierung der Betrieblichen Sozialberatung, Entstehung und Art der Arbeitsaufgaben sowie Arbeitsanforderungen. Die Ergebnisse im Kap. 6 zu Qualifikationsanforderungen in der betrieblichen Sozialberatung unterstreichen den Befund aus anderen Studien, dass akademische Abschlüsse in Sozialer Arbeit inzwischen in diesem Feld klar dominieren, häufig in Kombination mit Weiterbildungen. Die Einmündung in dieses Arbeitsfeld findet zudem sehr häufig erst nach Erwerb von (mehrjähriger) Praxiserfahrung statt.

Das Kap. 7 zur Betrieblichen Sozialberatung in organisationalen Kontexten geht der Frage nach, wie Aufgaben in Organisationen entstanden sind bzw. entstehen. Eine Antwort ist, dass sich Arbeitsaufgaben im Spannungsfeld zwischen Vorgaben – etwa in Stellenbeschreibungen – und Erwartungen von Vorgesetzten und Klientel herausbilden. Folglich trägt die Verortung in unterschiedlich gelagerten Organisationen zu einer hohen Diversität der Aufgabenprofile bei. Die resultierenden Profile sind in Kap. 8 – Arbeitsaufgaben und Kompetenzanforderungen in der betrieblichen Sozialberatung – zusammengefasst. Die Bestandsaufnahme – so der Anspruch – unterstreicht die zentrale Bedeutung von Beratung als „charakteristischster Arbeitsaufgabenkomplex“ (S. 99). Als weitere Aufgabenkomplexe werden Konfliktmanagement, Durchführung von Coachings, die Gestaltung von Lehr-Lern-Veranstaltungen, Betriebliches Eingliederungsmanagement, Gestaltung von Kooperationen, Öffentlichkeitsarbeit und weitere Arbeitsaufgaben rekonstruiert. Für die Aufgabenkomplexe ‚Beratung‘ und ‚Gestaltung von Lehr-Lern-Veranstaltungen‘ sind zusätzlich die jeweiligen Kompetenzanforderungen benannt, die sich bei letzterem Komplex als ‚Kompetenz zum Design und zur Förderung von Lernprozessen‘ sowie ‚Kompetenz zum Gruppenmanagement‘ bündeln lassen.

Eine weitere Analyse aus dem Interviewmaterial nimmt Einschätzungen der betrieblichen Sozialberatenden auf, worin die Wertschöpfung im Rahmen der Betrieblichen Sozialberatung (Kap. 9) bestehen kann. Der Autor formuliert hierzu acht Thesen über Beiträge zu ökonomischen und nicht-ökonomischen Werten. Hierunter fallen – kurzgefasst – die Förderung/​Erhalt von Arbeitskraft, der subjektiven Handlungsfähigkeit oder von Führungskompetenzen, die Entlastung anderer Organisationseinheiten, die Bewältigung von Krisen und die Stärkung/Erhöhung der Arbeitgeberattraktivität und -bindung sowie die Anzeige eines besonderen Handlungsbedarfs. Diese Bezüge nimmt der Autor im abschließenden Kap. 10, in Zusammenfassung und Ausblick, auf und betont, dass die Betriebliche Sozialberatung ökonomischen und nicht-ökonomischen Nutzen für die jeweilige Organisation sowie Mitarbeitende stiften kann und daher ein Beispiel von Shared Value Creation darstellt.

Diskussion

Die Betriebliche Soziale Arbeit ist ein wenig erforschtes Arbeitsfeld der Sozialen Arbeit. Dies gilt umso mehr für spezifische Fragestellungen im Feld, wie etwa zu Aufgaben und notwendigen Kompetenzen der dort tätigen Sozialberatenden. Der empirische Zugang vermag hierzu durchaus eine bestehende Forschungslücke zu schließen, da die Frage, was Betriebliche Soziale Arbeit an Aufgaben ausmacht und was es hierfür braucht, durchaus strittig und bedeutsam ist. Hierzu liefert das Buch aktuelle und fundierte Einsichten, indem Aufgaben systematisiert und gebündelt werden und für – zumindest zwei – Aufgabenkomplexe Kompetenzanforderungen aufgezeigt werden. Die Limiten dieses Zugangs liegen – wie der Autor auch vermerkt – in der schmalen Datenbasis und einem eher explorierenden Anspruch. An dieser Stelle wäre ein weiterer Schritt, die rekonstruierten Aufgaben im Lichte der Theoriebildung zu besprechen bzw. an einer Funktionsbestimmung zu spiegeln, durchaus wünschenswert gewesen. Mit dem CSR hat der Autor auch sehr zutreffend und systematisch eine theoretische Folie gewinnbringend entfaltet. Mit der Stakeholder-Theorie und dem Creating-Shared-Value-Konzept gelingt ein differenziertes Verständnis von CSR, das für die Betriebliche Soziale Arbeit auch nicht-ökonomische Wertschöpfung als Legitimierungsgrundlage aufzunehmen erlaubt. Dies ist ein wichtiger Beitrag zur Frage, warum man sich als Unternehmen bzw. Organisation Betriebliche Sozialberatung leisten oder einrichten soll? Die im Buch vertretene Antwort ist nicht nur für Unternehmen in der Privatwirtschaft tragfähig, da der Autor systematisch von Betrieblicher Sozialberatung in Organisationen und damit auch von Sozialer Arbeit im Militär, in Krankenhäusern oder Bildungseinrichtungen spricht. Das ist durchaus überzeugend, wenn der Kern eine Dienstleistung für die Mitarbeitenden in diesen unterschiedlich gearteten Organisationen meint. Hier und an anderen Stellen im Buch ermöglicht die systematische und fundierte Herangehensweise des Autors – etwa zur Verortung und Vermessung der Betrieblichen Sozialberatung – immer wieder sehr interessante Einsichten.

Fazit

Das Buch thematisiert die Betriebliche Soziale Arbeit und damit ein wenig erforschtes Arbeitsfeld der Sozialen Arbeit. Der Fokus auf Arbeitsaufgaben und hierfür notwendiger Kompetenzen sowie die Rahmung durch CSR ist gewiss spezifisch, gibt aber aufgrund des empirischen Zugangs über Betriebliche Sozialberatenden einen aktuellen, bislang kaum systematisch bearbeiteten Einblick in die Praxis. Die als Dissertation erarbeitete Studie orientiert aber zugleich auch über den Forschungsstand und die Theoriebildung im Feld. Eine gut strukturierte, systematische Darstellung und eine verständliche Sprache unterstreichen, dass es sich um ein lesenswertes Buch für ein Publikum aus Praxis und Wissenschaft handelt, das zudem für Studierende ein Einlesen in das Arbeitsfeld der Betrieblichen Sozialen Arbeit erlaubt.

Rezension von
Prof. Dr. Edgar Baumgartner
Fachhochschule Nordwestschweiz Hochschule für Soziale Arbeit
Website
Mailformular

Es gibt 3 Rezensionen von Edgar Baumgartner.

Zitiervorschlag anzeigen Besprochenes Werk kaufen

Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt. Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns. Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.


socialnet Rezensionen durch Spenden unterstützen
Sie finden diese und andere Rezensionen für Ihre Arbeit hilfreich? Dann helfen Sie uns bitte mit einer Spende, die socialnet Rezensionen weiter auszubauen: Spenden Sie steuerlich absetzbar an unseren Partner Förderverein Fachinformation Sozialwesen e.V. mit dem Stichwort Rezensionen!

Zur Rezensionsübersicht

Sponsoren

Wir danken unseren Sponsoren. Sie ermöglichen dieses umfassende Angebot.

Über die socialnet Rezensionen
Hinweise für Rezensent:innen | Verlage | Autor:innen | Leser:innen sowie zur Verlinkung

Bitte lesen Sie die Hinweise, bevor Sie Kontakt zur Redaktion aufnehmen.
rezensionen@socialnet.de

ISSN 2190-9245