Suche nach Titel, AutorIn, RezensentIn, Verlag, ISBN/EAN, Schlagwort
socialnet Logo

Peter Udsching, Bernd Schütze: SGB XI, Soziale Pflegeversicherung

Rezensiert von Prof. Dr. Gerhard Igl, 30.08.2024

Cover Peter Udsching, Bernd Schütze: SGB XI, Soziale Pflegeversicherung ISBN 978-3-406-79869-6

Peter Udsching, Bernd Schütze: SGB XI, Soziale Pflegeversicherung. Kommentar. Verlag C.H. Beck (München) 2024. 6., neu bearbeitete Auflage. 1385 Seiten. ISBN 978-3-406-79869-6. 99,00 EUR.

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.

Kaufen beim socialnet Buchversand

Zählpixel

Thema

Die 6. Auflage des Kommentars zur Sozialen Pflegeversicherung (SGB XI) ist um mehr als ein Drittel umfangreicher als die vorhergehende Auflage aus dem Jahr 2018. Mehr als 50 Gesetzesänderungen aus den vergangenen gut fünf Jahren seit dieser Auflage mussten eingearbeitet werden. Im Vorwort wird auf das Personalbemessungsverfahren, die Dämpfung des Anstiegs der Eigenanteile bei stationärer Versorgung, die Berücksichtigung des Erziehungsaufwands von Eltern im Beitragsrecht und die Vergütung der Pflegekräfte hingewiesen. Die Kommentierung ist auf dem Stand vom 1.1.2024. Somit ist auch das Pflegestudiumstärkungsgesetz vom 12.12.2023 eingearbeitet worden.

Herausgeber

Die Herausgeber stammen aus der Sozialgerichtsbarkeit. Prof. Dr. Peter Udsching, Vorsitzender Richter am Bundessozialgericht a.D., war lange Zeit in dem für die Pflegeversicherung zuständigen Senat des BSG tätig und hat die Pflegeversicherung seit ihrer Entstehung für lange Zeit in der richterlichen Tätigkeit und auch später die Gesetzgebung begleitet.

Prof. Dr. Bernd Schütze war ebenfalls Vorsitzender Richter am Bundessozialgericht und ist mit Ablauf des 30. Juni 2024 in den Ruhestand getreten. Neben den Herausgebern sind Autorinnen und Autoren an der Kommentierung beteiligt, die überwiegend ebenfalls aus der Sozialgerichtsbarkeit stammen. Auch Vertreter anwaltschaftlichen, verbandlichen und kommunalen Praxis und der Hochschulen sind beteiligt. An der 6. Auflage sind jetzt vier weitere Autorinnen und Autoren beteiligt; ein Autor ist ausgeschieden.

Inhalt

Bei einer Kommentierung eines Sozialleistungszweiges stehen gewöhnlich das Leistungsrecht (leistungseröffnender Tatbestand/​Risiko, Leistungen) und das Leistungserbringungsrecht (Zulassung zur Leistungserbringung, Gestaltung und Vergütung der Leistungen, Qualitätssicherung) im Vordergrund der Betrachtung. Bei der Sozialen Pflegeversicherung treten einige Besonderheiten hinzu. Zum einen ist hier die Private Pflegeversicherung zu nennen (§§ 110, 111, 143 SGB XI) (Vieweg). Zum anderen finden sich im Recht der Pflegeversicherung zahlreiche Vorschriften, die man unter dem Titel Leistungserschließung zusammenfassen könnte. Das gilt insbesondere für die Aufklärung und Auskunft, die Pflegeberatung, die Beratungsgutscheine und die Pflegestützpunkte (§§ 7 bis 7c SGB XI) (Herbst) und die dazu gehörigen Modellvorhaben (§§ 123 bis 124 SGB XI) (Vorholz/​Postel). Außerhalb dieser Bereiche enthält das SGB XI noch eine Reihe von Vorschriften, die sich so in anderen Sozialversicherungszweigen nicht finden. Das gilt für die Zulagenförderung der privaten Pflegevorsorge (§§ 126 bis 130 SGB XI) (Reuther) und die Bildung eines Pflegefonds (§§ 131 bis 139 SGB XI) (Bassen).

Im traditionellen Bereich Leistungen/​Leistungserbringung und den dazugehörigen allgemeinen Vorschriften hat sich mit den drei Pflegestärkungsgesetzen viel getan. Es geht um eine grundlegende Veränderung des Begriffs der Pflegebedürftigkeit und damit zusammenhängend eine Neukonfiguration des Leistungsrechts. Weiter ist das Vergütungsrecht modifiziert und die Qualitätssicherung mit der Einführung eines Qualitätsausschusses institutionell breiter aufgestellt worden. Da in einer Besprechung eines Kommentierungswerkes nicht alle Vorschriften behandelt werden können, sollen hier nur einige Bereiche ausgewählt werden, die in jüngerer Zeit den Gesetzgeber des SGB XI besonders beschäftigt haben.

Die Einführung eines neuen teilhabeorientierten Begriffs der Pflegebedürftigkeit wird von Udsching kommentiert. Udsching ist im Zusammenhang der Gestaltung dieses neuen Begriffs der Pflegebedürftigkeit maßgeblich beteiligt gewesen. Ein wichtiger Punkt der Änderung ist, dass die enge Verknüpfung des Begriffs der Pflegebedürftigkeit mit dem Hilfebedarf an Verrichtungen aufgegeben und jetzt durch eine Analyse menschlicher Fähigkeiten und Verhaltensweisen ersetzt worden ist, deren Gesamtergebnis das Ausmaß der Beeinträchtigung von Selbstständigkeit bei der Durchführung von Aktivitäten und Gestaltung von Lebensbereichen und damit gleichzeitig das Ausmaß des Angewiesenseins auf fremde personelle Hilfe aufzeigen soll (Vorbemerkungen zu §§ 14 bis 19, Rn. 2). Statt der bisherigen Pflegestufen erhalten Pflegebedürftige nach der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten einen von fünf Pflegegraden (§ 15 SGB XI). Für das entsprechende Assessment ist ein neues Begutachtungsinstrument vorgesehen.

Von Udsching stammen auch die Vorbemerkungen zum Leistungsrecht, während das Leistungsrecht selbst von Lungstras, Rasch, Wahl und Wiegand kommentiert wird. Das Leistungsrecht ist mittlerweile ziemlich unübersichtlich geworden, weshalb man für den orientierenden Überblick auf die Vorbemerkungen zu §§ 28 bis 45f von Udsching angewiesen ist.

Das Vergütungsrecht wird überwiegend von Schütze betreut. Weiter kommentieren Udsching und Bassen. Auch hier helfen wieder zur ersten Orientierung die Vorbemerkungen zu §§ 82 bis 92b von Schütze. Die einrichtungseinheitlichen Eigenanteile bei der Bemessung der Pflegesätze in stationären Einrichtungen (§ 84 Abs. 2 Satz 3 SGB XI) (§ 84 SGB XI) werden jetzt ausführlicher kommentiert (Rn. 34 ff. – Schütze). Man darf wohl sagen, dass sich das Vergütungsrecht der Pflegeversicherung mittlerweile fast so komplex darstellt wie das beim Vergütungsrecht der Krankenhausleistungen oder der vertragsärztlichen Leistungen der Fall ist. Eine detaillierte und trotzdem übersichtliche und klare Kommentierung kann hier helfen, den nötigen Durchblick zu gewinnen.

In der Qualitätssicherung hat sich schon mit den Pflegestärkungsgesetzen auch Einiges getan. So werden die Pflege-Transparenzvereinbarungen durch Qualitätsdarstellungsvereinbarungen abgelöst (§ 115 Abs. 1a SGB XI) (Weber). Eine institutionelle Veränderung stellt die Einrichtung eines Qualitätsausschusses dar (§ 113b SGB XI) (Weber). Die bisher auf die Dauer von fünf Jahren begrenzte Einrichtung einer unabhängigen qualifizierten Geschäftsstelle des Qualitätsausschusses ist aufgehoben worden, was auch insofern zu begrüßen ist, weil diese Geschäftsstelle Aufgaben einer wissenschaftlichen Beratungs- und Koordinierungsstelle wahrnimmt (§ 113b Abs. 6 SGB XI) (Weber).

Wesentliche Änderungen sind bei der Personalbemessung in vollstationären Pflegeeinrichtungen zu verzeichnen, wo Höchstwerte für die Personalausstattung festgelegt worden sind (§ 113c) (Weber).

Die Vorschriften zu den Modellvorhaben sind geändert und ergänzt worden. So ist der bisherige § 123 zu den gemeinsamen Modellvorhaben zu kommunalen Beratung Pflegebedürftiger und ihrer Angehörigen gestrichen und ersetzt worden durch gemeinsame Modellvorhaben für innovative Unterstützungsmaßnahmen und -strukturen vor Ort und im Quartier, die auch wissenschaftlich begleitet und ausgewertet werden sollen (§ 124) (Vorholz/​Postel). Durch das Digitale Versorgungsgesetz sind Modellvorhaben zur Einbindung der Pflegeeinrichtungen in die Telematikinfrastruktur und zur Erprobung von Telepflege geschaffen worden (§§ 125, 125a) (Klopstock). Ein Kompetenzzentrum Digitalisierung und Pflege wird beim Spitzenverband Bund der Pflegekassen neu eingerichtet (§ 125b) (Klopstock).

Diskussion

Der Kommentar zum SGB XI, bis zur 4. Auflage von Udsching herausgegeben und in der 5. Auflage in der Herausgeberschaft durch Schütze ergänzt, musste in der 6. Auflage wieder zahlreiche Änderungen und Neuerungen berücksichtigen, die zwar nicht das Gewicht der in der 5. Auflage durch die Pflegestärkungsgesetze herbeigeführten teilweise grundlegenden Rechtsänderungen haben. Jedoch stellen etwa die durch die Digitalisierung und die Personalbemessung bewirkten Änderungen die Praxis durchaus vor Herausforderungen.

Wie schon für die Vorauflage festgestellt, trägt auch die 6. Auflage des Kommentars zur Beherrschung dieser Komplexität durch die rechtsanwendende Praxis und durch die Gerichte hervorragend bei. Dies ist bei dem immer komplexer und komplizierter werdenden Recht der Sozialen Pflegeversicherung besonders notwendig, was sich auch in der erheblichen Steigerung des Umfangs des Kommentars abbildet. Die kommentierenden Autorinnen und Autoren verstehen es, die Materie systematisch und klar zu durchdringen. Ein Praxiskommentar wie der vorliegende kann es sich auch erlauben, auf umfängliche Literaturübersichten und Zitierungen in den Kommentierungstexten zu verzichten. Für die Praxis wird die Lesbarkeit dadurch erhöht.

Fazit

Insgesamt ist der Kommentar für rechtspraktische Nutzerinnen und Nutzer bestimmt, die von der rechtswissenschaftlichen Sorgfalt der Kommentierungen sehr profitieren können. Auf diesen Kommentar müssen deshalb alle zurückgreifen, die sich mit dem Recht der Sozialen Pflegeversicherung befassen.

Rezension von
Prof. Dr. Gerhard Igl
(Universitätsprofessor a.D., Universität Kiel)
Mailformular

Es gibt 52 Rezensionen von Gerhard Igl.

Besprochenes Werk kaufen
Sie fördern den Rezensionsdienst, wenn Sie diesen Titel – in Deutschland versandkostenfrei – über den socialnet Buchversand bestellen.


Zitiervorschlag
Gerhard Igl. Rezension vom 30.08.2024 zu: Peter Udsching, Bernd Schütze: SGB XI, Soziale Pflegeversicherung. Kommentar. Verlag C.H. Beck (München) 2024. 6., neu bearbeitete Auflage. ISBN 978-3-406-79869-6. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/32447.php, Datum des Zugriffs 15.09.2024.


Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt. Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns. Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.


socialnet Rezensionen durch Spenden unterstützen
Sie finden diese und andere Rezensionen für Ihre Arbeit hilfreich? Dann helfen Sie uns bitte mit einer Spende, die socialnet Rezensionen weiter auszubauen: Spenden Sie steuerlich absetzbar an unseren Partner Förderverein Fachinformation Sozialwesen e.V. mit dem Stichwort Rezensionen!

Zur Rezensionsübersicht