Suche nach Titel, AutorIn, RezensentIn, Verlag, ISBN/EAN, Schlagwort
socialnet Logo

Steffi Thon: Die Magie der Worte oder wie achtsame Sprache das Selbstbild stärkt

Rezensiert von Alexandra Großer, 26.07.2024

Cover Steffi Thon: Die Magie der Worte oder wie achtsame Sprache das Selbstbild stärkt

Steffi Thon: Die Magie der Worte oder wie achtsame Sprache das Selbstbild stärkt. AV1 Pädagogik-Filme (Kaufungen) 2023. 25,00 EUR.

Besprochenes Werk im Bundle kaufen über den AV1-Shop.

Thema

Die Moderatorin Wencke Töpfer führt mit der Kindheitspädagogin Lea Wedewardt ein Gespräch über gewaltvolle, diskriminierende und adultistische Sprache. Sie besprechen miteinander, welche Auswirkungen eine gewaltvolle Sprache und Redensarten, wie „Hör auf zu weinen, ist doch nicht so schlimm“, „Typisch, dir muss man ständig hinterherräumen“, auf Kinder haben und sie in ihrem Selbstbild beeinflusst. Im Gespräch geht die Expertin darauf ein, wie Kinder gewaltfrei, bedürfnisorientiert, achtsam, wertschätzend und auf Augenhöhe begleitet werden können. Zudem erfahren pädagogisch Tätige, wie sie sich auf den Weg einer gewaltfreien, bedürfnisorientierten Pädagogik machen können und wie diese im Alltag gelingt.

HerausgeberIn und Mitwirkende

Steffi Thon ist Erziehungswissenschaftlerin (MA) und Filmproduzentin.

Wencke Töpfer ist Diplomsozialpädagogin, Fachberaterin für Kindertagespflege der Stadt Kassel und AV1 – Moderatorin.

Lea Wedewardt ist Kindheitspädagogin (MA), Autorin, Fort- und Weiterbildnerin und Herausgeberin von „Der Kita Podcast“. Sie ist Mitgründerin der BoP-Akademie – Bedürfnisorientierte Pädagogik.

Aufbau und Inhalt

Aufgezeichnet wurde ein Interview zwischen der Moderatorin Wencke Töpfer und der Kindheitspädagogin (M.A.) Lea Wedewardt. Grundlage des Interviews ist das von Lea Wedewardt herausgebrachte Buch „Wörterzauber statt Sprachgewalt“. Das Interview dauert 48 Minuten und ist in 13 Abschnitte gegliedert:

  1. Einstieg und Vorstellung (01:11 Min.)
  2. Kreis der Worte und Selbstbild (06:22 Min.)
  3. Beschreiben statt bewerten (04:08 Min.)
  4. Leas persönlicher Bezug zum Thema (02:05 Min.)
  5. Die innere Stopptaste und „Wenn…, dann…- Sätze“ (06:25 Min.)
  6. Ja-Mantra (03:33 Min.)
  7. Vorurteilsbewusstes Sprechen und Verantwortungsübernahme (04:06 Min.)
  8. Adultismus (04:35 Min.)
  9. Bitten statt Forderungen (04:39)
  10. Grenzen kommunizieren im Wörterzauber (02:58 Min.)
  11. Dialog mit herausfordernden Kindern (03:42 Min.)
  12. Ein gelingender Start in den Wörterzauber (03:27 Min.)
  13. Zusammenfassung (01:40 Min.)

Zunächst führt die Moderatorin in das Thema ein und stellt die Lea Wedewardt vor. Mit ihrer ersten Frage, nimmt sie Bezug auf Lea Wedewardts Buch „Wörterzauber statt Sprachgewalt“. Lea Wedewardt erklärt, welche Auswirkungen Worte in Interaktionen mit Kindern haben. Die Worte, die Kinder von uns Erwachsenen hören, enthalten Botschaften, die Kinder mitbekommen. Diese Botschaften werden zu ihrer inneren Sprache und bestimmen letztlich ihr Selbstbild. Dies können Worte sein, die das Selbstbewusstsein des Kindes stärken oder dieses negativ beeinflussen. Mit dem Kreis der Worte beschreibt Lea Wedewardt wie Glaubenssätze der erwachsenen Person ihre Worte beeinflussen, welche Botschaften sie unbewusst an das Kind mitsendet und wie diese Worte, beziehungsweise Botschaften, das Selbstbild des Kindes beeinflussen und wiederum zu Glaubenssätzen des Kindes werden. Wenn das Kind dann selbst erwachsen ist, und diese negativen Glaubenssätze noch nicht reflektiert und verändert wurden, wird es mit seinen Worten diese Botschaften an seine Kinder weitergeben. Lea Wedewardt betont, wie wichtig es ist sich mit seinen eigenen negativen als auch wenig bestärkenden Glaubenssätzen auseinanderzusetzen und diese in stärkende Botschaften zu verändern.

Anhand des Beispiels von Jonas, der hingefallen ist und weint, und dessen Erzieherin zu ihm sagt „Ist doch nicht so schlimm“ erklärt die Fachfrau, welche Glaubenssätze dahinterstehen können. Beispielsweise könnte es sein, dass die pädagogische Fachkraft die Glaubenssätze besitzt: ‚Gefühle dürfen nicht sein‘, oder ‚Gefühle sind schlecht‘. Mit dem Satz „Ist doch nicht so schlimm“, spricht die pädagogisch Tätige, Jonas seine Gefühle ab und gibt ihm die Botschaft mit: ‚Das was ich fühle ist falsch‘. Lea Wedewardt zeigt auf, wie Erwachsene anders damit umgehen können, indem sie erst beschreiben, was passiert ist. „Oh, du bist hingefallen. Hast du dir weh getan?“ (09:25 – 09:27). Damit drückt die Erwachsene eine ganz andere Botschaft aus, „Gefühle dürfen sein“. Dieser verankerte Glaubenssatz drückt sich auch in der Haltung aus. Die weder bewertet noch verurteilt. Kinder sind noch dabei ihre Emotionsregulation zu üben und brauchen für ihre Gefühle Beschreibungen, um ihre Gefühle später in Worte fassen zu können. Zudem hilft Sprache Gefühle zu regulieren. In diesem Kontext weist Lea Wedewardt daraufhin, dass in der bedürfnisorientierten Pädagogik, das „Sein im Jetzt“ (11:10) entscheidend ist. Es geht nicht darum sofort Lösungen zu finden, sondern zu beschreiben „was Jetzt ist, damit wir uns gesehen fühlen, damit wir uns annehmen können, was gerade da ist“ (11:23 – 11:26).

Um an seinen Glaubenssätzen arbeiten zu können, braucht es die bewusste Entscheidung dies zu wollen. Natürlich gibt es auch gute Gründe, die dafürsprechen, warum Menschen an diesen wunden Punkten nicht rühren möchten. Die Auseinandersetzung mit den eigenen Glaubenssätzen braucht die Bereitschaft der Veränderung sowie des Übens der neuen positiven Glaubenssätze und annehmenden Sprache. Die Expertin vergleicht das Lernen einer annehmenden, gewaltfreien Sprache mit dem Lernen einer Fremdsprache. Gerade bei den „Wenn…, dann…- Sätzen“ (16:42), braucht es die innere Stopptaste. Oft werden „Wenn…, dann …- Sätze“ aus einer inneren Not heraus formuliert. Da ist es gut, wenn es dann gelingt die „Stopptaste“ zu drücken, bevor der Satz gesprochen ist und die eigene Exitstrategie zu aktivieren. Im Gespräch erklärt Lea Wedewardt, wie es gelingen kann diese zu aktivieren und den Raum zwischen Reiz und Reaktion zu nutzen (vgl. 18:20 – 18:22). Eine weitere Möglichkeit ist, das „Ja-Mantra“ (20:16) zu nutzen, um vom Verhalten des Kindes wegzukommen und die Bedürfnisse und Gefühle des Kindes herauszufinden. Es bedeutet nicht, den Wunsch des Kindes nachzukommen, sondern es mit seinen Gefühlen und Bedürfnissen zu sehen. Durch das Ja-Mantra werden ihre Gefühle und Bedürfnisse wahrgenommen und Stress reduziert.

Wer kennt sie nicht: die Stigmatisierungen, wie beispielsweise „Du Trödler“, „Unser kleiner Quatschmacher“ (24:47 – 24:52), mit denen Kinder im pädagogischen Alltag bezeichnet werden. Oftmals gehen die Worte über die Lippen, um inneren Druck abzubauen. Hier gilt es, die Verantwortung für die eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu übernehmen. Statt Kinder zu etikettieren, gilt es sich, selbst zu reflektieren, sich selbst und den anderen gegenüber zu gestehen, dass es jetzt gerade einfach zu viel ist (vgl. 26:09 – 26:13). Kinder, die Erwachsene erleben, die Verantwortung für ihre Gefühle und Bedürfnisse erleben, erfahren eine Atmosphäre der Fehlerfreundlichkeit und Erwachsene, die eben nicht allmächtig sind (vgl. 27:10).

„Uns hat es auch nicht geschadet“ (29:06) ist ein Satz, der oft im Zusammenhang mit adultistischem Verhalten genannt wird. Der im Team fällt, wenn sich verschiedene Werte gegenüberstehen, der gesagt wird, wenn ein Teil des Teams gerne vorurteilsbewusst und bedürfnisorientiert arbeiten möchte. Lea Wedewardt zeigt auf, dass dies ein Glaubenssatz ist, hinter dem auch gute Gründe stehen können, hinter dem andere Werte stehen, der vielleicht auch Selbstschutz ist. Gleichzeitig plädiert sie miteinander ins Gespräch über die Werte und damit ins Verstehen füreinander zu kommen.

Der pädagogische Alltag ist oftmals voller Forderungen und weniger mit Bitten. Lea Wedewardt erklärt zunächst den Unterschied zwischen Bitten und Fordern und klärt darüber auf, dass eine Bitte auch ein „Nein“ des Gegenübers impliziert. Dies bedeutet sich im Sinne einer partizipativen Pädagogik darüber klar zu werden, wo können Kinder selbstbestimmen, wann ist eine Bitte eine Bitte, die auch mit einem Nein beantwortet werden darf. Gleichzeitig gilt es, sich über die eigenen Bedürfnisse hinter den Forderungen klar zu werden. Die gewaltfreie Kommunikation unterscheidet klar zwischen Bitten und Informationen. Im Wörterzauber gilt es neben der klaren Kommunikation von Informationen auch Grenzen zu kommunizieren. Es geht darum, Kinder in ihren Bedürfnissen zu sehen und in klarer Sprache Grenzen zu kommunizieren.

Am Ende des Interviews führt Lea Wedewardt aus, wie pädagogisch Tätige in die Welt des Wörterzaubers starten können, um den Kitaalltag gewaltfrei zu gestalten. In kleinen Schritten bei sich selbst oder mit dem Team zu starten, heißt, sich beispielsweise darüber zu einigen, eine Woche lang auf Stigmatisierungen zu achten und diese wegzulassen, oder sich dem Wort ‚Nicht‘ zu widmen.

Diskussion

Im Interview erklärt Lea Wedewardt, dass, wir Erwachsene oft unbewusst und ohne Absicht Kindern mit Worten und Sätzen begegnen, deren große Wirkung wir oft nicht erahnen. Mit ihrem Buch und diesem Interview, möchte sie ein Bewusstsein für diese machtvolle Sprache schaffen. Ihr Anliegen ist es, sich über die Worte und Sätze, die wir nutzen, die Glaubenssätze, die wir haben, bewusst zu werden, diese zu reflektieren, sich intensiv damit auseinanderzusetzen. Zu hinterfragen, wieso wir einen Satz, wie „Ist doch nicht so schlimm“ zu Kindern, die hingefallen sind und sich vielleicht weh getan haben und weinen, sagen. Was also hinter dem Satz, hinter den oft unbedachten Sätzen, für Botschaften und Glaubenssätze liegen und wie wir diese aktiv positiv verändern können.

Lea Wedewardt räumt in diesem Gespräch auch mit dem Vorurteil auf, dass bei gewaltfreier Sprache „nur noch ganz liebevoll und säuselig gesprochen wird“ (18:56). Wörterzauber darf auch ganz energisch sein. „Sprachgewalt ist es immer dann, wenn ich mein Gegenüber“ (19:18 – 19:22) für meine Gefühle verantwortlich mache (vgl. ebd.). Sie zeigt damit, dass gewaltfreie Sprache beziehungsweise Wörterzauber bedeutet, die eigenen Gefühle und Grenzen wahrzunehmen und zu kommunizieren, ohne das Gegenüber dafür verantwortlich zu machen oder ihm gar die Schuld dafür zu geben.

Ihr ist bewusst, dass Veränderungen im Verhalten, in der Sprache, Zeit braucht. Deshalb sollten pädagogisch Tätige, Teams, nachsichtig mit sich sein, sich mit liebevollem Blick betrachten und Zeit geben. Sind wir doch alle in einer Welt mit gewaltvoller Sprache aufgewachsen.

Fazit

Das Interview mit Lea Wedewardt bietet viele Aha-Erlebnisse. Im Interview vermittelt Lea Wedewardt auf leichte und verständliche Art und Weise vertiefendes Hintergrundwissen und bietet viele Reflexionsmöglichkeiten. In Ausschnitten lässt sich der Film gut in Aus-, Fort- und Weiterbildungen einsetzen sowie an Elternabenden, Teamtagen oder Teamsitzungen.

Rezension von
Alexandra Großer
Fortbildnerin, päd. Prozessbegleiterin, systemische Beraterin
Website
Mailformular

Es gibt 65 Rezensionen von Alexandra Großer.

Zitiervorschlag anzeigen

Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt. Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns. Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.


socialnet Rezensionen durch Spenden unterstützen
Sie finden diese und andere Rezensionen für Ihre Arbeit hilfreich? Dann helfen Sie uns bitte mit einer Spende, die socialnet Rezensionen weiter auszubauen: Spenden Sie steuerlich absetzbar an unseren Partner Förderverein Fachinformation Sozialwesen e.V. mit dem Stichwort Rezensionen!

Zur Rezensionsübersicht

Sponsoren

Wir danken unseren Sponsoren. Sie ermöglichen dieses umfassende Angebot.

Über die socialnet Rezensionen
Hinweise für Rezensent:innen | Verlage | Autor:innen | Leser:innen sowie zur Verlinkung

Bitte lesen Sie die Hinweise, bevor Sie Kontakt zur Redaktion aufnehmen.
rezensionen@socialnet.de

ISSN 2190-9245