Anna-Maria Eberle, Gerhard Friedrich et al.: 1 – 2 – 3: Mathe ist immer dabei
Rezensiert von Alexandra Großer, 16.04.2025

Anna-Maria Eberle, Gerhard Friedrich, Sarah Haller, Leonie Minck, Melanie Oehlcke: 1 – 2 – 3: Mathe ist immer dabei. Alltagsorientierte Bildung in der Kita. verlag das netz GmbH (Kiliansroda) 2024. 160 Seiten. ISBN 978-3-86892-186-1.
Thema
Vorgestellt wird, wie mathematische Inhalte im Alltag mit den Kindern in Krippe und Kindergarten aufgegriffen und begleitet werden können. Ziel der Autor*innen ist es den Bildungsbereich Mathematik nicht als isolierten Bildungsbereich dazustellen, sondern den Fokus auf die vielen Situationen im Alltag von Krippe und Kindergarten zu legen, die „mathematisch bildende Momente“ (S. 11) bereithalten.
Autor:in oder Herausgeber:in
Anna-Maria Eberle ist Frühpädagogin (B.A.) und Fachwirtin im Sozialwesen. Sie ist langjährige Kita-Leitung und als Fachkraft für die Kultur des Lernens (Reggio-Pädagogik) begeistert sie sich für Atelier- und Werkstattpädagogik.
Dr. paed. habil. Gerhard Friedrich ist Diplom-Pädagoge, Privatdozent für Allgemeine Didaktik und ehemaliger Lehrer unter anderem für Mathematik als auch Buch- und Spieleautor.
Sarah Haller ist Kindheitspädagogin (B.A.) und stellvertretende Leitung des Evangelischen Kindergartens Burgheim.
Leonie Minck ist staatlich anerkannte Erzieherin und Krippenpädagogin. Sie begleitet die Jüngsten im offenen Konzept der Evangelischen Kita Burgheim.
Melanie Oehlicke ist staatlich anerkannte Erzieherin und Fachwirtin im Sozialwesen und Waldpädagogin mit besonderem Blick für die Natur im Kindergartenalltag.
Aufbau
Insgesamt beinhaltet das Buch zwischen Vorwort und Schluss sechs Kapitel mit Unterkapiteln mit vielen Fotos aus dem Alltag von Krippe und Kindergarten. Im Fokus stehen die täglichen Abläufe mit Bezug zur Mathematik in einer Kindertageseinrichtung. Unter der Rubrik „Mathe ist immer dabei…“ erläutern die Autor*innen, welche Möglichkeiten mathematischer Erfahrungen und Gesprächsanlässe der Bildungsbereich im Tagesablauf bietet.
Inhalt
Zwei didaktische Leitprinzipien
Die Autor*innen lassen sich bei der Begleitung von Bildungsprozessen von Kindern von zwei Prinzipien leiten: Interaktion und Ganzheitlichkeit. In der Interaktion mit Kindern geht es hier vor allem darum, dass jede pädagogische Fachkraft, „das mathematische Potenzial einer Alltagssituation“ (S. 13) erkennt, um mit Kindern ko-konstruktiv im Dialog „auch über Mathematik ins Gespräch“ (ebd.) zu kommen. Die Autor*innen weisen darauf hin, dass der dialogische Aspekt bei der mathematischen Bildung von Kindern wichtig ist, da sich diese nicht von selbst „im Kind vollzieht“ (S. 14). Beim Prinzip der Ganzheitlichkeit versteht das Autorenteam zum einen die Ganzheitlichkeit, wie sie Pestalozzi als Bildungsideal formuliert hat und auf der anderen Seite beziehen sie Ganzheitlichkeit „auf die ganze Sache – also auf die bunte Vielfalt mathematischer Themen“ (S. 15), die im Alltag zu finden sind.
Mathematische Grundlagen, schnell erklärt
Die Autor*innen gehen in diesem Kapitel auf „mathematische Themen, Begriffe, Tätigkeiten und Kompetenzen“ (S. 17) ein, die für sie zur frühen mathematischen Bildung gehören. In den Blick genommen werden,
- der Zahlenbegriff (S. 17)
- das Klassifizieren und Sortieren (S. 19)
- das Messen und Vergleichen (S. 20)
- Strukturen, Musterfolgen und Symmetrien (S. 21)
- Geometrische Grunderfahrungen (S. 22) und
- die Statistik (S. 23).
Jede einzelne mathematische Grundlage wird verständlich und mit Bezug zur frühen mathematischen Bildung in der Kita erklärt. In den Blick genommen wird auch die Leistung, die Kinder erbringen müssen, um die einzelnen mathematischen Aspekte zu verstehen. So ist es für Kinder beispielsweise einfach von 1 bis 5 oder weiter zu zählen, da sie die Zahlenreihe oft auswendig können. Schwieriger ist es zu einem „tieferen Verständnis“ (S. 18) zu kommen. Denn die Kinder müssen verstehen, dass die Zahlwortreihe immer gleich bleibt. Sie müssen das Eins-zu-eins-Prinzip verstehen. Ebenso wie sie verstehen müssen, dass die Zahl fünf immer für fünf Dinge steht, zum Beispiel für fünf Bananen. Oder die Hausnummer 8 den „Platz in einer Ordnung beschreibt“ (ebd.).
Der evangelische Kindergarten Burgheim
Der evangelische Kindergarten Burgheim, indem die alltagsintegrierte mathematische Bildung umgesetzt wird, welche die Autor*innen im Buch beschreiben, wird in diesem Kapitel genauer vorgestellt. Die Einrichtung arbeitet nach den Prinzipien der Reggiopädagogik. Die Pädagog*innen verstehen „das Kind als eifrige Forscher*in und Konstrukteur*in des eigenen Wissens“ (S. 25). Ihre Aufgabe sehen sie darin das Kind zu begleiten und sich für das Tun der Kinder zu interessieren, um zu verstehen, warum es tut, „was es tut“ (ebd.). Mit der Vorstellung der zeitlichen Grundstruktur, dem Tagesablauf der Einrichtung, stellen sie eine erste Verbindung zur mathematischen Grunderfahrung der Regelhaftigkeit her.
Mathematik in der Krippe
In diesem Kapitel stellen die Autor*innen alle mathematischen Erfahrungen vor, die Kinder während ihrer Forscherzeit (S. 29), beim Essen und im Kindertreff (S. 50), in der Natur (S. 52) und beim Schlafen (S. 54) machen und wie Pädagog*innen diese in Gesprächen aufgreifen beziehungsweise im Alltag begleiten können.
So regen die Autor*innen beispielsweise an beim Geburtstag über Zahlen und ihre Bedeutung mit den Kindern ins Gespräch zu kommen. „Zum Geburtstag gehören Fragen, wie: „Wer hat heute Geburtstag? Wie alt wirst du heute? Wie viele Kerzen brauchen wir?“ (S. 51).
Den Krippenkindern werden vielfältige Materialien zur Verfügung gestellt mit denen sie ihrem Forscherdrang nachgehen können, und ganz nebenbei erste mathematische Erfahrungen sammeln. Zum Beispiel mit Bauklötzen. Zunächst bauen die Kinder in die Fläche bis sie anfangen in die Höhe zu bauen. Dabei erfahren sie handelnd „zwei räumliche, geometrische Grundbegriffe […]: Länge und Höhe.
Ein weiteres Beispiel für mathematische Erfahrungen ist die „Dinoreihe“ (S. 37) bei der ein Krippenkind die Tiere der Reihe nach aufstellt, sie der Größe nach ordnet und vergleicht, wer größer, wer kleiner ist. All diese Tätigkeiten werden von den Erzieher*innen sprachlich begleitet.
Mathematik im Kindergarten
Im Anschluss zeigen die Autor*innen, wie Kinder Mathematik im Kindergarten erleben und erfahren. Vorgestellt werden verschiedene Bauprojekte, die im Bauraum entstanden. So haben Kinder den Eifelturm nachgebaut. Dabei stellen sie fest, dass der Turm schief geraten ist. Mit einer Wasserwaage messen sie nach und entdecken, dass die Blase an der Seite ist und der Turm tatsächlich schief ist. Andere Kinder legten eine Reihe Autos aneinander. Mit einem Zollstock messen sie nach und erfahren, dass der Zollstock zu kurz ist beziehungsweise die Autoschlange länger als der Zollstock messen kann. Zwischen Fachkraft und Kind entspinnt sich ein Dialog über die Länge des Staus auf der Autobahn. Mit einem zweiten Zollstock wird die genaue Länge ermittelt.
Andere Kinder bauen aus verschiedenen Materialien eine Murmelbahn. Dabei wird jeder neue Bauabschnitt getestet, ob auch die Murmeln noch durchlaufen. Danach sammeln die Kinder die Murmeln wieder ein. Dabei teilen sie die Aufgabe auf: Einer die blauen Murmeln, der andere die weißen. In diesem Zusammenhang erklären die Autorinnen das Prinzip der Ordnung.
Anhand der Fröbelschen Spielgaben erklärt das Autorenteam weitere mathematische Aspekte.
Auch im Rollenspiel erleben Kinder Mathematik. In diesem Beispiel bauten die Kinder eine Eisdiele auf. Als Währung dienten ihnen Steine. Für einen Stein bekamen die Kinder eine Kugel Eis. Ein Kind bezahlte mit einem Stück Baumrinde als Schein. Die Kinder sind hier nicht nur gefordert „nach dem Eins-zu-Eins-Prinzip abzuzählen“ (S. 77), sondern auch „Zahlen (hier Geldbeträge) zu zerlegen“ (ebd.).
Anhand von Experimenten mit Wasser, Reis, Erbsen oder Bohnen machen die Kinder durch „Schütten, Schöpfen und Gießen“ (S. 94) Erfahrungen mit „verschiedenen Volumina“, beispielsweise, wenn aus einem großen Gefäß Wasser in ein kleines Gefäß umgeschüttet wird und das Wasser überläuft. Sie beschäftigen sich mit der Frage: Wie viel Wasser, Erbsen, Bohnen oder Reis passt in die Gefäße.
Das Besondere
Unter dieser Überschrift stellen die Autor*innen ihr Spielausleihsystem vor und ein Projekt der Kindergartenkinder, die „Kirchenraumpädagogik“ (S. 114). Bei diesem Projekt überlegen die Kinder gemeinsam mit den Pädagog*innen, wie sie die Kirche vermessen können. Unter anderem, werden sie zu Hypothesen angeregt, die sich mit der Frage beschäftigen, „wie sich die Höhe der Kirche messen“ lässt. Viele ihrer Hypothesen werden ausprobiert und so nach weiteren Lösungen gesucht. Die Kinder erfahren, wie ein Heliumballon und eine Schnur ihnen helfen die Höhe der Kirche zu messen, wie Gegenstände in der Kirche beim Messen helfen können. Auch Vergleiche werden mittels vorbereiteter Papierstreifen angestellt.
Diskussion
Mit ihrem Buch Mathe ist immer dabei zeigen die Autor*innen und Pädagog*innen der Kita Burgheim anschaulich, wie sich Mathematik durch alle Lebens- und Bildungsbereiche in der Kita zieht, wo sich überall Muster, Regelhaftigkeiten und andere mathematische Aspekte finden lassen.
Ob im Bauraum, in der Natur, beim Backen, Geburtstagfeiern, Essen oder Kochen – überall machen Kinder mathematische Erfahrungen. Nicht nur die vielen Fotos lassen den/die Leser*innen an den mathematischen Erfahrungen teilhaben auch die vielen Hinweise und Erklärungen der Autor*innen.
Gleichzeitig ist es den Autor*innen gelungen in den Fotos den Forschergeist, die Konzentration, die Spielfreude und Begeisterung am Tun der Kinder bei ihren Entdeckungen einzufangen. Das Besondere an diesem Buch ist, dass es die Kinder bei ihrem alltäglich Spieltätigkeiten begleitet und dabei den Fokus auf die mathematische Bildung der Kinder lenkt ohne belehrend zu wirken. Als selbstverständlicher Teil des Alltags, der im Dialog mit den Kindern aufgegriffen wird.
Die Autor*innen lenken den Fokus immer wieder auf die mathematischen Aspekte, die in den Tätigkeiten der Kinder stecken, denen sie jeden Tag ganz selbstverständlich nachgehen. Damit schaffen sie ein Bewusstsein für die Selbstbildung der Kinder, die Entwicklungsbegleiter*innen braucht, die im Dialog mit den Kindern deren mathematische Erfahrungen sprachlich als auch mit Materialien unterstützend begleitet.
Fazit
Ein Buch, das sehr praxisorientiert zeigt, wie mathematische Bildung alltagsintegriert und kindorientiert aufgegriffen werden kann, ohne zusätzliches Förderprogramm. In Krippe und Kindergarten.
Rezension von
Alexandra Großer
Fortbildnerin, päd. Prozessbegleiterin, systemische Beraterin
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