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Armin Castello, Friederike Grabowski et al.: Depressivität im Schulalter

Rezensiert von Sebastian Kron, 19.08.2024

Cover Armin Castello, Friederike Grabowski et al.: Depressivität im Schulalter ISBN 978-3-17-043627-5

Armin Castello, Friederike Grabowski, Gunnar Brodersen: Depressivität im Schulalter. Fachlich fundiert pädagogisch handeln. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2024. 152 Seiten. ISBN 978-3-17-043627-5. 34,00 EUR.
Reihe: Fallbuch Pädagogik.

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Thema und Entstehungshintergrund

Depressionen sind psychische Störungen, die im Kindes- und Jugendalter im Anstieg begriffen sind. Kinder und Jugendliche sind in ihrem Alltag von vielfältigen Anforderungen umgeben, die in einem Interessensverlust, innerer Unruhe, zunehmender Traurigkeit, Gereiztheit und Antriebslosigkeit münden können. Aggressiv-destruktive Anteile beeinflussen die Persönlichkeitsentwicklung. Unruhige Familiengefüge und Gruppendynamiken beeinflussen das Seelenleben der jungen Menschen. Ferner haben Unruhen auf der ganzen Welt Einfluss auf eine verletzliche Kinderseele.

Autor:innen

Herr Dr. Armin Castello ist Professor für Sonderpädagogik, Psychologie und Diagnostik am Institut für Sozialpädagogik der Europa- Universität Flensburg.

Frau Dipl.-Psych. Friederike Grabowski ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sonderpädagogik der Europa-Universität Flensburg.

Herr Dr. Gunnar Brobersen ist akademischer Rat am Institut für Sonderpädagogik der Europa-Universität Flensburg.

Aufbau

Die vorliegende Fachliteratur, die im Kohlhammer Verlag veröffentlicht wurde, lässt sich in drei große Teile einordnen:

  1. Pädagogisches Fachwissen und praktische Herangehensweisen zum Umgang mit Depressivität im Kindes- und Jugendalter. Folgende Kapitel lassen sich dem ersten Teil zuordnen: a.) Hintergrund, b.). Pädagogisches Basiswissen, c.). Umgang mit Hinweisen auf eine depressive Entwicklung, d.) Pädagogische Initiativen und e.) Qualitätssicherung und evaluative Perspektive
  2. Fallbeispiele, an denen der pädagogische Umgang mit dem zuvor theoretisch diskutierten Teil praktisch unterfüttert wird. Folgende Kapitel lassen sich dem zuordnen: a.) Der Fall Colin, b.) Der Fall Amira, c.) Der Fall Leon, d.) Der Fall Zoé, e.) Der Fall Sofia
  3. Abschließende Schlussworte und Erkenntnisse

Inhalt

Die Literatur bietet zum einen theoretisch fundiertes Wissen, zum anderen praktisch gewonnene Erfahrungen. Sie lässt sich als eine Form Manual beschreiben, welche fundamentales Basiswissen zur Depressivität bei Kindern und Jugendlichen thematisiert, zeitgleich aber auch für praktische Themen im Rahmen dieses Störungsbildes sensibilisiert.

Im Kapitel „Pädagogisches Basiswissen“ wird das Störungsbild als Solches mit Blick auf kognitive, soziale, körperliche und emotionale Kernsymptome der Depressivität beleuchtet und diskutiert. Dabei wird hervorgehoben, dass je nach Form der Störung tiefste Niedergeschlagenheit oder enorme Stimmungsschwankungen einhergehen. Im Abschnitt „Formen“ diskutieren die Autor:innen mögliche Erscheinungsbilder depressiven Erlebens und Verhaltens im Kindes- und Jugendalter. Wiederkehrende depressive Episoden sind in ihrem Erscheinungsbild schwankend. Typische depressive Symptome sind wiederkehrend und stetig aufblühend. Die Dysthymie zeichnet sich durch eine anhaltende depressive und/oder gereizte Stimmungslage aus, bei der das depressive Erleben nie wirklich abklingend, maximal stimmungsschwankend in Erscheinung tritt. Bei einer Anpassungsstörung mit Depressionen treten Symptome gehäuft im ersten Monat nach einem traumatischen, einschneidenden Erlebnis auf und halten entsprechend zumeist sechs Monate an. Bei einer bipolaren Störung walten manisch-depressive Episoden das Stimmungsbild. Während Phasen tiefster Niedergeschlagenheit auftreten, kommt es im Wechsel wiederum zu Phasen ungewöhnlicher Stimmungshöhe. Im Punkt „Häufigkeit und Verlauf“ wird die Pubertät als einschneidende Wandlung des Erlebens und Verhaltens beschrieben. In dieser Entwicklungsphase finden sich Individuen neu und durchleben einen Umbruch in der eigenen Gefühlswelt. Unbehandelt haben depressive Störungen Einflüsse auf das Lern- und Konzentrationsverhalten. Der Verlauf ist sehr differenziert. Während einige Kinder und Jugendliche nur von Episoden berichten, verweilen andere längerfristig in einer Depression. In beiden Fällen sind jedoch die gravierenden Folgen depressiven Erlebens verheerend. Risikofaktoren für ein depressives Stimmungsbild werden in der vorgegebenen Lektüre nach biologischen (Geschlecht, Alter, genetische Dispositionen), sozialen (Einschränkungen im Sozialverhalten) und familiären (Verlusterlebnisse, Konflikte) Faktoren unterschieden. Als kritische Ereignisse sind zunehmender Leistungsdruck, Stress und stetige Unruhephasen diskutabel. Als Schutzfaktoren hingegen werden positive Lebenseinstellungen, ein positives Weltbild und ein gesundes Arbeitsklima im Schulalltag beschrieben. Als Entstehungsmodell der Depressivität wird das Vulnerabilitätsmodell thematisiert und erläutert.

In einem weiteren Teilabschnitt wird die pädagogische Dokumentation vertieft. Zentral werden hier Fragen zum aktuellen Erleben und Verhalten erfasst und dokumentiert. Die Frage nach individuellen Beobachtungsprotokollen wird ebenso angeführt. Das Autor*innen-Team schlägt hier eine aufbereitete Übersicht vor. Während des pädagogischen Gespräches können individuelle, psychoedukative (in interdisziplinärer Auseinandersetzung) oder gruppendynamische Faktoren zum Einsatz kommen. Pädagogische Initiativen beruhen auf Selbstwertförderung, Umgang mit negativen Gedanken, Achtsamkeits- und Entspannungsübungen. In der Schule können für lernbeeinträchtigte, depressive Kinder und Jugendliche Leistungsabfalltendenzen durch Unterstützungsmaßnahmen (z.B. Nachteilsausgleiche) aufgefangen werden. Wichtig sei jedoch immer den Kindern und Jugendlichen Mut und Zuversicht zu spenden, ihre Leistungen real einzuschätzen und auf eigene Ressourcen zu bauen. Denkmuster wie „Ich bin doof“ sind schlichtweg falsch, da sich Betroffene immer negativer einordnen als es real der Fall ist. Reintegrationsmaßnahmen nach Klinikaufenthalten, Stimmungsprotokolle und der Umgang mit suizidgefährdeten jungen Menschen bilden mit zentralen Fragen der Qualitätssicherung im pädagogischen Kontext den Abschluss der theoretischen Unterfütterung in einem doch sehr praktisch orientierten Fachbuch.

In einem weiteren Kapitel werden nun anteilig die gewonnenen Erkenntnisse erfasst und auf fünf Fallbeispiele angewandt. Fundamental wird hier die vorgeschlagene Falldokumentation praktisch fundiert je Fall dargestellt.

Diskussion

Depressionen und Angststörungen scheinen bei Kindern und Jugendlichen deutlich anzusteigen. Betroffene ziehen sich zurück, haben soziale Unsicherheiten, innere Unruhe und tiefe Stimmungsschwankungen zu beklagen. Soziale Arbeit mit betroffenen Kindern und Jugendlichen setzt ein gutes Basiswissen und einen interdisziplinären Blick über den eigenen, professionellen Kontext voraus. Fachbücher, wie das vorliegende Handbuch und diverse, interdisziplinär fundierte Themenbücher können dabei Anreize schaffen, das eigene Wissen zu schärfen oder sich im professionellen Kontext zielsicher, sinnstiftend wohlzufühlen. Der Umgang mit depressiven Menschen setzt zum einen eine positive Ausstrahlung und Lebenseinstellung, zum anderen ein gelingendes Einfühlen in die Betroffenenrolle voraus.

Fazit

Das vorliegende Fachbuch stellt in einer sehr präzisen Art und Weise theoretisches und praktisches Wissen gegenüber und kompensiert dabei als gelungene Lektüre den Theorie-Praxis-Diskurs. Es bietet sich vor allem für helfende Berufsgruppen an, die im Umgang mit jüngeren Alterskohorten aktiv sind und den Umgang mit depressiven Menschen praxisnah schulen möchten.

Rezension von
Sebastian Kron
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Es gibt 13 Rezensionen von Sebastian Kron.

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Zitiervorschlag
Sebastian Kron. Rezension vom 19.08.2024 zu: Armin Castello, Friederike Grabowski, Gunnar Brodersen: Depressivität im Schulalter. Fachlich fundiert pädagogisch handeln. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2024. ISBN 978-3-17-043627-5. Reihe: Fallbuch Pädagogik. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/32478.php, Datum des Zugriffs 14.09.2024.


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