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Falk Wisinger: Prolegomena zu einer möglichen Gefühlssoziologie im Anthropozän

Rezensiert von Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer, 02.08.2024

Cover Falk Wisinger: Prolegomena zu einer möglichen Gefühlssoziologie im Anthropozän ISBN 978-3-689-11002-4

Falk Wisinger: Prolegomena zu einer möglichen Gefühlssoziologie im Anthropozän. Auf den Spuren des Anthropozäntheoretikers Bruno Latour und des Gefühlsatmosphärentheoretikers Hermann Schmitz. Verlag Traugott Bautz (Nordhausen) 2024. 88 Seiten. ISBN 978-3-689-11002-4. D: 12,00 EUR, A: 12,00 EUR, CH: 11,80 sFr.

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Homo empathicus

Gefühle sind Signale der Seele und der Existenz. Es sind die intellektuellen, anthropologischen, individuellen und kollektiven Eindrücke und Verhaltensweisen, die sich dem anthrôpos tagtäglich, theoretisch und praktisch stellen und sich mit den Fragen verbinden: „Wer bin ich? – „Was kann ich Wissen?“ – „Was soll ich tun?“ – „Was kann ich hoffen?“ (Kant). Es sind die physischen, psychischen, realen und gedachten Wirklichkeiten, die den Menschen zum Sein und Verändern veranlassen. Die Geschichte des anthropologischen Denkens (Kurt Bayertz, 2013) ist bestimmt vom Rätsel der Erkenntnis (Lawrence LeShan, 2012), und verweist auf das „Symbol für Seinsweisen“ (Bruno Latour, Existenzweisen, 2014, www.socialnet.de/rezensionen/17792.php). Der Mensch zeigt im Anthropozän seine Natur- und Gestaltungsmacht. Sie wirkt positiv und negativ. Damit sie sich nicht unmenschlich und vernichtend auf Natur und Humanität auswirkt, bedarf es eines kritischen, anthropologischen Mensch-, Natur- und kosmischen Denkens und Handelns. Der Lebensraum der Menschen, die Erde, ist Teil des Kosmos. Die wissenschaftlichen, kosmologischen und planetarischen Forschungen darüber, wie die Erde entstanden ist und wie sich pflanzliches, tierisches und menschliches Leben gebildet hat, sind eingebunden und verankert in dem Bewusstsein, dass Leben endlich ist. Raum, Zeit, Natur, Kultur sind Bestandteile des planetarischen Denkens und Tuns der Menschen. Es sind die Verantwortlichkeiten und Herausforderungen zu wissen und zu erkennen, dass der Mensch zur Erde und sie ihm nicht gehört, die im Gegenwarts- und Zukunftsdiskurs bedacht werden müssen. Die Frage, darf der Mensch alles machen, was er kann oder zu können meint, stößt ein neues Denken an. Das anthropologische, philosophische Denken gründet auf der Überzeugung, dass Logos, die Vernunft, den Menschen in die Lage versetzt zu wissen und zu erkunden, wer er ist, und wie er geworden ist, was er ist. Er ist fähig, zwischen Gut und Böse, Recht und Unrecht zu unterscheiden, Charakter und Allgemeinurteile zu bilden. Die Weltbilder, die dadurch entstehen, unterliegen immer und immer wieder Veränderungsprozessen (Jörg Noller, Ethik des Anthropozäns. Überlegungen zur dritten Natur, 2023, www.socialnet.de/rezensionen/31291.php).

Entstehungshintergrund und Autor

Es ist Zeit, dass der Mensch sich bewusst wird, dass sein Sein, seine Natur und Kultur Teil des Kosmos ist. Falk Wisinger legt als Abschluss seines Studiums als Systemischer Business Coach Überlegungen vor, die bestimmt sind von der Überzeugung, dass der Mensch ein Akteur ist, der in seinem Denken und Handeln stark von Emotionen beeinflusst wird. Er unternimmt den Versuch, eine „Gefühlssoziologie“ zu begründen. Er bezieht sich dabei zum einen auf die Akteurstheorie Bruno Latours und zum anderen auf die Gefühlstheorie des Phänomenologen Hermann Schmitz (1928 – 2021) mit dem Versuch, „das Ergreifende auf Begriffe zu bringen“, und dadurch zu einer „Weltanschauung“ zu gelangen.

Aufbau und Inhalt

Systematisch und schematisch gliedert der Autor seine Prolegomena, neben dem Vorwort, in fünf Kapitel und schließt sie mit einer ausblickenden Conclusio ab: „Themenkontextualisierung und Problemaufriss“ – „Das Anthropozän: Geochronologische Epoche, Gegenwartsdiagnose, historisches Ereignis“ – „Methodische Klammer: Ontologischer Nondualismus und ontologischer Nonanthropozentrismus“ – „Konzeptualisierung von Gefühlen als Akteuren im Latour’schen Anthropozän“ – „Das erschöpfte Selbst“. Es ist die „Gaia-Hypothese“, die Kritik an „Geo-Engineering“ und die Analyse der „Menschspaltung“ (Schmitz) in der Haben-Mentalität (Erich Fromm), die Verstand und Gefühle als ebenbürtige, humane Werte verbindet: „Gefühle werden zu eigenen des sie fühlenden Menschen, indem sie ihn leiblich spürbar ergreifen“ (Schmitz). Es sind die psychologischen und psychoanalytischen Verhaltensweisen und Reparaturen, die sich bei der „Entfremdung vom Fühlen von Gefühlen“ auftun.

Diskussion

Gaia und Gebot, Begrifflichkeit und Bewusstsein, das sind Werte, die das Menschsein bestimmen. Im Anthropozän verdeutlichen sich Macht und Ohnmacht. Darf der Mensch alles machen, was er kann oder zu können meint? Gefühlsheuristik als ganzheitliches, interdisziplinäres Denken und Handeln ist gefordert.

Fazit

Die Prolegomena lässt sich als „Zwischenruf“ und Denkanregung im Kontext von Gefühlsempfindungen im menschlichen, erd- und kosmosbewussten Dasein lesen.

Rezension von
Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer
Ehemaliger Lehrbeauftragter an der Universität Hildesheim
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Es gibt 1665 Rezensionen von Jos Schnurer.

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Zitiervorschlag
Jos Schnurer. Rezension vom 02.08.2024 zu: Falk Wisinger: Prolegomena zu einer möglichen Gefühlssoziologie im Anthropozän. Auf den Spuren des Anthropozäntheoretikers Bruno Latour und des Gefühlsatmosphärentheoretikers Hermann Schmitz. Verlag Traugott Bautz (Nordhausen) 2024. ISBN 978-3-689-11002-4. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/32480.php, Datum des Zugriffs 12.09.2024.


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