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Hannah Broecker, Dennis Kaltwasser (Hrsg.): Mediensystem und öffentliche Sphäre in der Krise

Rezensiert von Johannes Schillo, 18.09.2024

Cover Hannah Broecker, Dennis Kaltwasser (Hrsg.): Mediensystem und öffentliche Sphäre in der Krise ISBN 978-3-949925-20-7

Hannah Broecker, Dennis Kaltwasser (Hrsg.): Mediensystem und öffentliche Sphäre in der Krise. Westend Verlag GmbH (Neu-Isenburg) 2024. 354 Seiten. ISBN 978-3-949925-20-7. D: 34,00 EUR, A: 35,00 EUR.

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Thema

Thema des Sammelbands sind aktuelle Tendenzen in der deutschen Öffentlichkeit und ihrer politischen Betreuung, die von den Autoren und Autorinnen als gravierende Krisenerscheinung der demokratischen Ordnung gewertet werden.

AutorInnen

Die Herausgeberin Broecker, die als Politikwissenschaftlerin und Hochschullehrerin im Bereich Kommunikationswissenschaft/​Medienforschung tätig ist, und ihr Partner Kaltwasser, ein Sprachwissenschaftler, haben ein Dutzend Mitwirkende aus dem Wissenschafts- und Medienbetrieb in dem Band versammelt.

Aufbau und Inhalt

In einem kurzen Einleitungsbeitrag erläutern die Herausgeber zusammen mit Prof. Michael Meyen vom Münchner Universitäts-Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung (aus dessen Diskussionen der Sammelband hervorgegangen ist) ihre Krisendiagnose. Wegen der Verengung und Kontrolle des Diskursraums sei eine tiefgehende Krise der Demokratie zu verzeichnen. Man müsse diese Lage – mit ihrem Gegeneinander von traditionellen und sozialen Medien oder ihren administrativen Eingriffen – im Anschluss an Habermas als „neue[n] Strukturwandel der Öffentlichkeit“ (S. 12) fassen, der den öffentlichen Diskurs seines demokratischen Gehalts weiter beraubt. So habe sich in Deutschland mittlerweile ein regelrechtes „Propaganda- und Zensurregime, das den Journalismus der Leitmedien seit den späten Nullerjahren wie in einem Sandwich zerquetscht“ (S. 11), etabliert. Es folgen 12 Beiträge, die davon ausgehend noch einmal das Gesamtbild oder einzelne Aspekte der neuen Krisenlage beleuchten, aber auch mögliche Auswege – getreu der Devise „Jede Krise birgt auch Chancen“ (S. 12) – in den Blick nehmen.

Der Eröffnungsbeitrag des Philosophieprofessors Michael Esfeld begutachtet die krisenhafte Gesamtlage und vermisst die Intervention der Wissenschaft, die hier durch Aufklärung gegensteuern könnte; Bezugspunkt sollte dabei die Konzeption der „offenen Gesellschaft“ nach K. Popper sein. Esfelds Prämisse lautet: „Die Krise von Medien und Öffentlichkeit … ist eine Krise, die durch die Machtkonzentration in der Hand der Staatsgewalt verursacht ist. Entsprechend besteht der Ausweg aus dieser Krise in der Auflösung dieser Machtkonzentration.“ (S. 20) Die sonst meist wegen ihrer autoritären Orientierung in Fragen von Ehe und Familie oder Frauenemanzipation kritisierte Nachkriegs-BRD mit ihrer militant antikommunistischen Formierung gilt dem Autor als gelungene Realisierung seines libertären Ideals. Der Niedergang soll 1971 mit der Entscheidung der US-Geldpolitik, die Goldbindung des Dollars aufzuheben (S. 21f), begonnen und mittlerweile, vor allem nach dem Wegfall des Ostblocks, in einen „postmodernen“ Staatskapitalismus geführt haben. „Mit dem Coronaregime trat die real existierende Postmoderne in die zweite, totalitäre Phase“ (S. 23). Die Reduzierung, ja tendenzielle Auflösung staatlicher Macht, d.h. ein Zustand, in dem der Markt (fast) alles regelt, sieht der Autor dagegen als Lösung.

Der zweite Beitrag der Herausgeberin Broecker setzt näher beim Medienthema an und greift die beliebte Vorstellung auf, dass sich unsere „westliche“ Demokratie hauptsächlich durch die Gewährung von Meinungs- und Pressefreiheit von autoritären Regimen unterscheide. Sie konstatiert dagegen einen neuen „Diskurs pro Zensur“ (S. 41), der sich vor allem in der Vielzahl von (halb-)staatlichen Maßnahmen zur Kontrolle so genannter Desinformation und ihrer Kanäle zeige; dabei bezieht die Autorin auch Entwicklungen in der EU oder in Nordamerika ein. Entgegen dem eigentlichen Sinn von Demokratie, dass sich das Volk selbst regiert und „daher keine Perspektive aus dem öffentlichen Diskurs ausgeschlossen werden“ (S. 43) darf, sei eine „Inversion“, also Umkehrung der einschlägigen Normen und Werte sowie des demokratischen Gefüges festzustellen. Es werde „fundamental mit demokratischen Grundsätzen“ (S. 68) gebrochen und der Staatsbürger als unmündiges Schutzobjekt ins Auge gefasst. Der folgende kurze dritte Beitrag von Meyen ergänzt dies um eine Begriffsanalyse in Sachen „Transparenz“. Dieses gerade mit der Internetkultur wieder in den Vordergrund gerückte Postulat habe einen zwiespältigen Charakter und könne nicht einfach als Schutz gegen die autoritäre Steuerung der Öffentlichkeit aufgerufen werden. Für die bestehenden Machtapparate sei die Transparenz, die sie beim Publikum herstellen, eine Erweiterung ihres Zugriffs, wobei Meyen auch die Diagnose vom „Überwachungskapitalismus“ (S. Zuboff) aufgreift.

Der vierte Beitrag des Medienwissenschaftlers Lukas Friedrich konzentriert sich auf das Prinzip der Repräsentation, das für die parlamentarische Demokratie konstitutiv ist und das in der Politikwissenschaft schon seit einiger Zeit als Krisenfall diskutiert wird. Friedrich knüpft an die Konzeption von W. Patzelt an, derzufolge sich eine „Repräsentationslücke“ ausbreite und als „Asymmetrie zwischen den in der Bevölkerung kursierenden Meinungen zum Thema X und dem Meinungskorridor im medialen Diskurs darüber“ (S. 91) zu fassen sei. Der Beitrag sieht darin eine Verharmlosung. Der politisch-mediale Konsens in der BRD habe sich so weit verengt, dass man von einer „Repräsentationsinsel“ sprechen müsse; wobei sich der Autor durch die jüngsten Wahlergebnisse vom September 2024 und deren regierungsoffizielle Kommentierung bestätigt sehen könnte. In dieser Periode des Niedergangs, „die spätestens seit der Weltwirtschaftskrise 2008 einsetzte“ (S. 108), sei Abhilfe nicht mehr von einer Auffüllung der Lücke zu erwarten. Ihr sei nur noch mit einer großen Verweigerung, etwa nach dem Muster der Bürgerrechtsbewegung in der späten DDR, zu begegnen.

Der Journalist Helge Buttkereit analysiert im fünften Beitrag die Differenz, die sich mittlerweile zwischen der (vor allem im Internet beheimateten) Gegenöffentlichkeit und der durch die Leitmedien bestimmten öffentlichen Meinung eingestellt hat. Dabei weist er darauf hin, dass man es hier mit keinem Novum zu tun hat, auch wenn die gegenwärtigen Krisentendenzen des Kapitalismus die Situation zuspitzen. Bereits am Ende der Adenauerära formulierte der SDS das Ziel, eine „aufklärende Gegenöffentlichkeit zu schaffen“, und so entwickelte sich in der Zeit von APO und antiautoritärer Bewegung „nicht nur eine umfassende Gegenöffentlichkeit, sondern sie wurde auch theoretisch unterfüttert“ (S. 128). An diese Tradition einer „selbstorganisierten Öffentlichkeit“ gelte es anzuknüpfen, um etwa im Sinne W. Benjamins aus Medienkonsumenten „Mitwirkende“ (S. 138) zu machen, aber auch um neue Strukturen – „ein gemeinwirtschaftlich statt kapitalistisch organisiertes Mediensystem“ (S. 137) – zu installieren. Dazu problematisiert der Autor die Grenzen der gegenwärtigen Gegenöffentlichkeit, die oft nur Tendenzen des Mainstreams abstrakt negiere und sich damit nicht wirklich aus der Abhängigkeit von ihm befreie.

Die Hochschullehrerin Sandra Kostner thematisiert im sechsten Beitrag eine „Transformation des Freiheitsbegriffs“, die die von ihr ausgemachte „illiberale Zeitenwende“ (S. 143f) kennzeichne. Wie sie anhand von Umfragen darlegt, wird in der BRD von vielen Menschen eine Verengung des Meinungskorridors erlebt, teils aber auch gewünscht. Kostner macht die Kritik der Illiberalität – neben den Themen Klima und Corona – vor allem an den neuen Konventionen einer Political Correctness fest, die sich unter der Hegemonie einer „identitästlinken Läuterungsagenda“ (S. 145) herausgebildet habe: Respekt vor Opfergruppen werde verlangt, das offene Gespräch damit eingeschränkt. Ihr abschließendes Votum zielt aber ebenfalls darauf, dass ein „respektvoller Umgang mit den Personen, die sich nicht durchsetzen“ (S. 169), stattzufinden hätte.

Der siebte Beitrag des Philosophen Hans-Martin Schönherr-Mann steht etwas quer zu den bisherigen Ausführungen des Sammelbandes, die eine Medien-, ja Systemkrise mit katastrophalen Auswirkungen beschwören. Der Autor steht der Tatsache, dass „sich die Rede von der Krise in Politik und Medien inflationär“ verbreitet und mittlerweile zu einem „Katastrophendiskurs“ steigert (S. 173), skeptisch gegenüber, ohne dass er mögliche katastrophale Auswirkungen der Weltlage (Atomkriegsgefahr!) leugnen will. Sein Beitrag will dagegen in einem geistesgeschichtlichen Rückblick auf die Verwendung apokalyptischer Topoi in der Politik oder politischen Philosophie aufmerksam machen. Einen ähnlichen Rückgriff auf die Theoriegeschichte nimmt der achte Beitrag des Literaturwissenschaftlers Matthias Fechner vor. Er greift auf die Studien von Th. W. Adorno u.a. zum „autoritären Charakter“ und auf den seit der Etablierung der Extremismustheorie – als heterodoxe These – ins Spiel gebrachten „Extremismus der Mitte“ zurück und sieht hier ein Erklärungspotenzial für den neuen Trend der Illiberalität, wobei er aber selber auf den volatilen, „temporären Charakter“ (S. 222) der benannten Phänomene hinweist.

Die folgenden drei Beiträge wechseln zu einem anderen Schwerpunkt, nämlich zu Kriegsvorbereitung und Kriegspropaganda, behalten dabei natürlich die Medienfrage mit im Blick. Der Journalist Patrik Baab schildert im neunten Beitrag seinen eigenen Fall, der, ähnlich wie bei der Professorin U. Guérot, durch eine Medienkampagne ad hominem und nachfolgende administrative Maßnahmen auch für eine gewisse Aufmerksamkeit in den Leitmedien sorgte. Und er analysiert seine persönlichen Erfahrungen als investigativer Journalist „auf beiden Seiten der Front“ (so der Titel einer seiner Publikationen) im Blick auf moderne Denunziationsmethoden: „Ihr Ziel ist die Ächtung und Ausgrenzung von Dissens und damit die Zerschlagung des demokratischen Debattenraums.“ (S. 255) Währen der Fall Baab den aktuellen Ukrainekrieg betrifft, fokussiert der zehnte Beitrag des britischen Medienforschers Piers Robinson auf den Syrienkrieg, der sich durch die Intervention westlicher Mächte zum Stellvertreterkrieg entwickelte und bei dem die übliche Kriegspropaganda in staatlicher Regie durch „outgesourcte“ Dienststellen wie die „Weißhelme“ oder „Bellingcat“ ergänzt wurde: „together these actors play an influential role in terms of shaping the information environment“ (S. 267). Der Psychologe Jonas Tögel zieht im elften Beitrag eine Linie von der Creel-Kommission aus dem Jahr 1917, die als eine Art Propagandaministerium den Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg begleitete, bis zum Cognitive Warfare der NATO seit 2022.

Der Schlussbeitrag des Herausgebers Kaltwasser ordnet die aktuelle Medienkrise in einen „kommunikationsethische[n] Verfall“ ein, der „im Sinne der fortgesetzten Missachtung demokratischer Prinzipien in der öffentlichen Kommunikation“ (S. 305) bereits in der Antike begonnen habe, somit in eine totalitäre „Denktradition“ gehöre, die seit dieser Zeit „in ihren Grundzügen und Kernthemen stabil“ (S. 306) geblieben sei. Den Gegenpol sieht Kaltwasser im Liberalismus, der in der athenischen Demokratie seinen Ursprung habe, obwohl, wie er einräumt, in dieser Herrschaftsform der damaligen Sklavenhaltergesellschaft von allgemeiner Menschenwürde und Gleichheit keine Rede sein konnte (S. 310). Als Fortführung dieses Liberalismus werden – erstaunlicherweise – Forderungen aus den Bauernkriegen vorgestellt, in denen die Aufständischen die Autorität der heiligen Schrift für eine Auslegung im Sinne ihrer Interessen benutzen wollten (S. 307f). In einer Blütenlese quer durch die Jahrhunderte wird dann der Strang des Totalitarismus an Zitaten von Platon über Lenin bis zum „Panikpapier“ des Bundesgesundheitsministeriums aus der Corona-Zeit (S. 343) bebildert. Abschließend hält Kaltwasser fest, dass sein Liberalismus-Ideal sich gegen die Dominanz „kollektivistischer Gesellschaftsentwürfe“ richtet, „zu denen in der Praxis auch die nominell liberalen Demokratien gehören“ (S. 344).

Diskussion

Die Beiträge des Bandes argumentieren auf verschiedenen Ebenen, steuern auch Widersprüchliches zur Bestandsaufnahme wie zur Analyse bei. Der Eröffnungsbeitrag konstatiert z.B. den Absturz der BRD in eine totalitäre Postmoderne, die eine „postfaktische Realität“ (S. 22) schaffe; der folgende Beitrag erklärt, dass der „Begriff des Postfaktischen“ (S. 59) vom gegenwärtigen Zensurregime erfunden wurde, um politische Gegner auszugrenzen. Viele Beiträge entwerfen die Diagnose einer Krise, die die „Grundpfeiler der Moderne … unterminiert“ (S. 25), während es an anderer Stelle heißt, dass der herrschende Zensurbetrieb „dauernd mit einem Worst-Case-Szenario (argumentiert), das eine Angelegenheit umso schrecklicher erscheinen lässt“ (S. 173) und somit das Publikum manipulativ vereinnahmt. Dieses Verdikt würde jedoch genauso auf einige der apodiktischen Aussagen zur Corona- oder Klima-„Diktatur“ passen, die der Band relativ argumentfrei vorträgt. Überzeugend kann er dagegen deutlich machen und in aller Detailliertheit belegen, dass der Raum des Sagbaren in der hiesigen Öffentlichkeit eingeschränkt wird. Herausragend in dieser Hinsicht ist der Erfahrungsbericht des Journalisten Baab, der wegen seiner Vor-Ort-Analysen, die sich nicht der gängigen westlichen Parteilichkeit unterordneten, seinen Lehrauftrag an der Kieler Universität verlieren sollte. Auch gibt es instruktive Verweise auf Techniken der (Kriegs-)Propaganda und auf ihre historischen Vorbilder.

Ein grundsätzliches Problem der Publikation besteht darin, dass die Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit an einem Maßstab gemessen wird, der selbst zu hinterfragen wäre. Von der Einleitung bis zum Schlussbeitrag wird immer wieder das Ideal beschworen, dass jeder und jede in den öffentlichen Diskurs eintreten und dort seine Auffassung zur Geltung bringen könnte, und dies dann mit einer Praxis konfrontiert, die das gerade nicht einlöst. So startet der Eröffnungsbeitrag mit einer – zudem noch idealisierten Fassung – des Konzepts der „offenen Gesellschaft“ von K. Popper und entdeckt dann in der deutschen Realität das genaue Gegenteil einer zwanglosen, herrschaftsfreien Übereinkunft, worauf der Autor den Schluss zieht: Totalitarismus! Dabei macht schon Poppers Buchtitel – „The open society and its enemies“ – darauf aufmerksam, dass die besagte Offenheit nur dadurch zustande kommt, dass ihre Feinde ausgeschlossen werden. Grob gefasst: Wer die Planwirtschaft vertritt, hat in ihr nichts verloren, wer die Marktwirtschaft befürwortet, gehört dazu.

Ähnlich kontrafaktisch geht es bei der Herausgeberin Broecker zu: Sie beginnt ihr Krisenszenario mit der Bezugnahme auf eine Publikation der Bundeszentrale für politische Bildung (die übrigens im Literaturverzeichnis nicht aufgeführt ist). Derzufolge ist die Demokratie keine Herrschaftsform, sondern eine Art Diskursgemeinschaft. Die Autorin konstatiert dann demgegenüber ebenfalls eine Realität, die dem in keiner Weise entspricht. Dass die Bundeszentrale eine staatliche Agentur ist, die zur Demokratie erziehen und sie als Wert bekannt machen soll, deshalb Leitplanken formuliert, die das pädagogische Personal zu beachten hat, kommt hier gar nicht in den Blick. Ebensowenig die Tatsache, dass die Bundeszentrale historisch aus der Kriegspropaganda des Ersten Weltkriegs hervorgegangen ist (siehe „Vom Heimatdienst zur politischen Bildung“) und nach dem Zweiten Weltkrieg an der antikommunistischen Formierung der Öffentlichkeit entscheidend mitwirkte, also nach der Diktion des Sammelbands als Teil des Zensurregimes einzustufen wäre. Im Beitrag von Buttkereit gibt es übrigens wichtige Hinweise darauf, dass solche Formierungstendenzen sowie entsprechende Gegenreaktionen nichts Neues in der BRD sind, dass also die Vorstellung eines Verfalles oder Niedergangs, der „seit den späten Nullerjahren“ oder „seit Corona“ stattgefunden habe, in die Irre führt.

Fazit

Fokussiert auf die BRD, aber mit einigen Bezugnahmen auf internationale Tendenzen oder historische Traditionslinien macht der Sammelband – vor allem aus dem Blickwinkel von Medien- und Kommunikationsforschung – auf den Tatbestand aufmerksam, dass die Öffentlichkeit der bürgerlichen Gesellschaft, was Zugang, Mitwirkung und Diskursformen betrifft, nicht dem Bild entspricht, das die liberale Demokratie von sich selber zeichnet. Das Missverhältnis zwischen Ideal und Praxis wird in den zwölft Beiträgen des Bandes jedoch unterschiedlich erklärt, auch differieren die Bezugspunkte, an denen die Autoren und Autorinnen den neuen „Diskurs pro Zensur“ (S. 41) festmachen (Migration, Klimawandel, Corona-Pandemie, Ukrainekrieg…) sowie der theoretische Rahmen, mit dem die Entwicklung gefasst wird. Einige Beiträge tendieren zu einer Neuauflage der Totalitarismustheorie, die oft etwas holzschnittartig zur Anwendung kommt; andere warnen vor alarmistischen Diagnosen oder votieren dafür, dass sich das Mediensystem aus den Fängen des (Wirtschafts-)Liberalismus befreien müsste. Alles in allem ist die informative Aufsatzsammlung mehr Dokument einer Medienkrise als eine triftige Analyse ihrer Triebkräfte und Verlaufsformen.

Rezension von
Johannes Schillo
Sozialwissenschaftler und Autor
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Es gibt 18 Rezensionen von Johannes Schillo.

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Zitiervorschlag
Johannes Schillo. Rezension vom 18.09.2024 zu: Hannah Broecker, Dennis Kaltwasser (Hrsg.): Mediensystem und öffentliche Sphäre in der Krise. Westend Verlag GmbH (Neu-Isenburg) 2024. ISBN 978-3-949925-20-7. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/32496.php, Datum des Zugriffs 06.10.2024.


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