Roland Kachler: Einander neu entdecken
Rezensiert von Alexandra Großer, 20.01.2025

Roland Kachler: Einander neu entdecken. Ego-State-Arbeit mit Paaren. Ein hypnosystemischer Ansatz für Therapie und Beratung.
Carl-Auer Verlag GmbH
(Heidelberg) 2024.
176 Seiten.
ISBN 978-3-8497-0540-4.
D: 29,95 EUR,
A: 30,80 EUR.
Reihe: Systemische Therapie.
Thema
Wenn Paare in die Paartherapie kommen, dann sitzen dort nicht nur zwei Erwachsene, die in einer Krise feststecken, sondern auch deren „innere Kinder“ mit ihren unerfüllten Bedürfnissen, Verletzungen und Enttäuschungen. Diese inneren Kinder mischen in der Paarbeziehung kräftig mit. Sie beeinflussen mit ihren destruktiven Verhaltensweisen und destruktiven Kommunikation die Paarbeziehung und sind mitverantwortlich für dauerhafte Paarprobleme. Roland Kachler führt anschaulich und methodisch mit viel Grundlagenwissen in die hypnosystemische Ego-State-Arbeit mit Paaren ein.
Autorin oder HerausgeberIn
Roland Kachler ist Diplom Psychologe und Psychologischer Psychotherapeut (Approbation), Klinischer Transaktionsanlytiker, Supervisor (EZI), Systemischer Paar- und Sexualtherapeut. Er hat unter anderem weitere Fortbildungen in Hypnotherapie und Hypnose, Ego-State-Therapie, EMDR, Traumatherapie und Familientherapie. Von 1990 bis 2013 leitete er die Psychologische Beratungsstelle in Esslingen. Bis 2019 arbeitete er an der Landesstelle für Psychologische Beratungsstellen in Stuttgart. Jetzt konzentriert er sich auf seine eigene psychotherapeutische Praxis. Er ist Autor zahlreicher Bücher.
Aufbau und Inhalt
Das Buch enthält zwischen Vorwort, Einführung und Literaturverzeichnis neun Kapitel mit Unterkapitel. Von Kapitel 1 bis 6 begleitet uns beim Lesen mit einem Fallbeispiel das Ehepaar Bertold. Ab Kapitel 7 kommen weitere für die Themen relevante Fallbeispiele dazu. Alle Fallbeispiele stehen jeweils zu Beginn der Kapitel. Die Fallbeispiele sind grauunterlegt. Methoden, die Roland Kachler beschreibt und einflicht, sind durch einen grauen Balken abgesetzt. Wichtige Hinweise für den/die Paarberater*in bzw. Paartherapeut*in werden mit Beachte! Eingeleitet und befinden sich in umrandeten, abgesetzten Kästen.
Einführung – Die Ego-States und die Paarbeziehung: eine Herausforderung für die Liebe
Roland Kachler führt zunächst in die Ego-State Arbeit ein. Er erklärt, was unter Ego-State zu verstehen ist und welche Bedeutung die „Kind-Ego-States für die Paarbeziehung und Entstehung von Paarproblemen“ (S. 11) haben. Denn diese sind „zuerst am Zustandekommen einer Paarbeziehung, dann an der Kommunikation der Partner, schließlich an der Struktur des Paares und nicht zuletzt auch an der Entstehung der typischen partnerschaftlichen Probleme beteiligt“ (S. 16). Im Folgenden gibt er einen ersten kurzen Überblick über „die Arbeit mit den Kind-Ego-States“ (S. 19) in der Paartherapie.
1. Warum Ego-State Arbeit in der Paartherapie? Ausgangspunkt und Ziel einer Paartherapie
Der Autor beantwortet zuerst die Frage, warum Paare in die Paartherapie kommen. „Paare kommen dann, wenn ihre erlebten Probleme sehr massiv werden und bei einem oder bei beiden Partnern schweres Leid verursachen“ (S. 23). Dabei leiten sie verschiedene Wünsche, mit oft „magischen Erlösungswünschen“ (S. 24), die in der Paartherapie unerfüllbar sind. Diese Wünsche gilt es zu würdigen und gleichzeitig einfühlsam deren Unerfüllbarkeit zu benennen. Roland Kachler weist daraufhin, dem Paar stattdessen ein „Vertragsangebot“ zu machen, welches um die Zustimmung beider Partner bittet, „für einen längeren, intensiven Arbeitsprozess, der vor allem die Arbeit an der eigenen Person und damit den jeweiligen relevanten Kind-Ego-State umfasst“ (S. 25). Der Autor teilt für eine erste Orientierung „die Paare, die zur Paartherapie kommen, grob in sechs Gruppen“ (S. 26) ein. Diese Einteilung hilft dem Paartherapeuten zu entscheiden, „ob wir mit diesem Paar überhaupt arbeiten wollen und können“ (ebd.). Den je nachdem, welches Problem die Paare mitbringen, können enttäuschte und verletzte Kind-Ego-States beteiligt sein, und damit kann mit den Partnern an ihren Kind-Ego-States gearbeitet werden oder es braucht zunächst eine Krisenintervention und Stabilisierungsarbeit anstelle von Paartherapie mit Ego-State-Arbeit. Hochstrittige Paare, die sich im Kampf um das Sorgerecht befinden, verweist er an „spezialisierte Beratungsstellen oder an Mediatoren“ (S. 28), da die Hochstrittigkeit „nicht mit den Methoden der hier dargestellten Paartherapie einschließlich der Ego-State-Arbeit bearbeitet werden“ (ebd.) kann.
2. Was ist ein Paar eigentlich? – Die theoretischen Grundlagen der Paarpsychologie kurz gefasst
Zu den Grundlagen der Paartherapie gehört die Kommunikation. Zunächst skizziert er „das Sender-Empfänger-Modell nach Schulz von Thun“ (S. 34f). Danach erläutert er die „vier apokalyptischen Reiter nach Gottman (S. 36). In diesem Zusammenhang warnt er vor toxischen Paaren, die aufgrund ihrer Paarproblematik ein Scheitern der Paartherapie verursachen können. Zugleich rät er zur Selbstfürsorge, als auch in Erwägung zu ziehen, die Paartherapie bei toxischen Paaren abzulehnen. Des Weiteren geht er kurz auf das „Bankkonten-Modell einer Paarbeziehung“ (S. 37) ein. Zu Beginn der Beziehung, in der Verliebtheitsphase, weist das Beziehungskonto ein Guthaben auf, welches in den schwierigen Phasen der Paarbeziehung durch „Abhebungen“ (S. 38) ins Minus geraten kann. Für die Ego-State-Arbeit ist es wichtig, das Paar selbst als System, als auch mit und in seinen verschiedenen Systemen wahrzunehmen, da diese immer wieder Einfluss auf die Paarbeziehung haben. Eine weitere Grundlage der Arbeit mit Paaren bildet die Emotionsfokussierte Paartherapie, deren theoretischen Hintergrund „humanistische Ansätze wie die Gestalttherapie und Bindungstheorie“ (S. 44) bilden. Eine Möglichkeit, mit Paaren und ihren jeweiligen Kind-Ego-States zu arbeiten, bilden die Bindungsstile, die sie in ihrer Kindheit erfahren haben. Zu den weiteren theoretischen Grundlagen gehören die Körperarbeit, die hypnotherapeutische Paartherapie, tiefenpsychologischen Grundlagen und der Kollusionsansatz.
3. Wer kommuniziert eigentlich mit wem? – Das hypnosystemische Ego-State-Modell der Paarbeziehung
Roland Kachler zeigt auf, dass „Partner nie als Einheit mit ihrer ganzen Person miteinander agieren, sondern eben mit bestimmten Seiten, Aspekten oder Teilen ihrer Person“ (S. 58 f). Als beispielhafte Modelle führt Roland Kachler das Innere Team nach Schulz von Thun, die Innere Familie nach Schwartz und die Schematherapie für Paare nach Roediger, Simeone-DiFranceso und Stevens an, die er bei seinen Ausführungen der Ego-State-Arbeit berücksichtigt (vgl. S. 59). Ebenso wie die Transaktionsanalyse. Zunächst erläutert er, was Ego-States sind und geht auf die relevanten Ego-States der Partner ein. „Ego-States sind […] Subsysteme der Persönlichkeit, die sich von anderen Teilsystemen einer Person unterscheiden und sich im Erleben deutlich von anderen Erlebenszuständen abgrenzen lassen. Sind Ego-States aktiviert, so bestimmen und energetisieren sie nicht nur das Erleben, sondern auch das konkrete Verhalten nach außen, bei Paaren natürlich insbesondere das Kommunikationsverhalten gegenüber dem Partner“ (S. 59 f). Partner agieren miteinander „aus ihrem erwachsenen Ego-State, aus ihrem Kind-Ego-State und aus ihrem Eltern-Ego-State (S. 60). Ego-States entwickeln sich im Laufe des Lebens einer Person. Einfach gesagt sind Ego-States Ich-Zustände mit eigenen Affekten, Erinnerungen, Verhaltensweisen, Phantasien, Körperempfindungen, Wünschen, Träumen und Bedürfnissen.
Roland Kachler zeigt auf, dass „in der Paargeschichte […] durch intensive gemeinsame Erfahrungen eigene, abgegrenzte Ego-States“ (S. 61) entstehen. In der Zeit der Verliebtheit, der Erotik und der Sexualität entsteht das Liebes-Ego-State, welches „eine wichtige Ressource in schwierigen Zeiten des Paares“ (S. 62) ist. Durch „Enttäuschungen, emotional aufgeladene Diskrepanzen, Konflikterfahrungen bis hin zu massiven Erfahrungen von Verletzungen oder gar körperlicher Gewalt werden eigene Ego-States abgespeichert“ (ebd.), die er als „Leid-Ego-States“ (ebd.) bezeichnet. Diese „können bei weiteren Konflikten jederzeit aktualisiert werden und […] die aktuellen Probleme eines Paares“ (ebd.) verschärfen. Sie sind „emotional eng mit ähnlich fühlenden Kind-Ego-States verbunden“ (ebd.). Nachfolgend an die Erwachsenen-Ego-States beschreibt er verschiedene Kind-Ego-States, deren innere Struktur mit ihren Lebensskripten und Strategien. Zunächst geht er auf die „wesentlich prägenden Kontexte ein […] in denen der jeweilige spezifische Kind-Ego-State entstanden ist“ (S. 63). Kind-Ego-States entstehen in:
- destruktiven Einzelsituationen
- problematischen Eltern- und Geschwisterbeziehungen
- prägenden Familienstrukturen.
In der Folge beschreibt Roland Kacher verschiedene Eltern-Ego-States, aus denen „in der Paarbeziehung […] beide Partner je nach Situation [agieren]“ (S. 69). In grafischen Darstellungen und anhand des Fallbeispiels des Ehepaars Bertold erläutert er sein hypnosystemisches Ego-State-Modell und zeigt, wie die verschiedenen beteiligten Ego-States, die Kind-Ego-States, Leid- und Liebes-Ego-States und Eltern-Ego-States, unbewusst die Paarbeziehung und ihre Kommunikation beeinflussen und dadurch Konflikte eskalieren und Paarprobleme entstehen. Immer wieder gibt er Hinweise für Paarberater*innen und Paartherapeut*innen und beschreibt Interventionen für die Arbeit mit den Paaren.
4. Wie geht Ego-State-Arbeit in der Paartherapie? – Therapieplanung, Therapiephasen und Therapieablauf
Zum besseren Verständnis und aus didaktischen Gründen stellt Roland Kachler den Therapieverlauf linear dar. Der Therapieverlauf mit seinen Phasen dient Paartherapeut*innen zur „Lösungs- und Zielorientierung“. Gleichzeitig weist er darauf hin, dass der Gesamtprozess schleifenförmig verläuft, dennoch in „eine Spiralbewegung in Richtung einer Transformation der Paardynamik und -struktur münden“ (S. 85) sollte. Dabei wird es immer wieder zu Schleifen, Stillständen, Rückfällen und Hindernissen kommen. „Als roter Faden für den Gesamtprozess über alle Schleifen, Rückfälle und Hindernisse hinweg dient dem Paartherapeuten das Grundprinzip der bezogenen Individuation und der individuierten Bezogenheit“ (ebd.).
Ausführlich beschreibt der Autor die Prozessschritte der Eingangsphase und erläutert, was in den ersten Sitzungen geschehen sollte. In den ersten Sitzungen werden das Therapieanliegen geklärt, ein Paartherapiesystem installiert und ein Vertrag miteinander vereinbart. Er weist auf Schwierigkeiten hin, die sich bereits in der Eingangsphase zeigen, „die immer schon Teil des Paarsystems und Ausdruck der zugrundeliegenden Paarkollusion sind und deshalb aufgegriffen und bearbeitet werden müssen“ (S. 88). Ebenfalls von Beginn an, führt er Deeskalationsstrategien und Kommunikationsregeln ein, die als Grundlage der Paartherapie vereinbart werden und das Paar so früh, als möglich einsetzen soll (vgl. S. 90). Er verweist darauf, dass es einer längeren Einübungszeit bedarf und das Paar diese „zunächst nicht perfekt“ (S. 91) umsetzen könne, es jedoch die Aufgabe des Therapeuten ist, das Paar anzuleiten und destruktive Kommunikation sofort zu unterbrechen. Für den weiteren Verlauf der Paartherapie ist eine konstruktive Kommunikation Voraussetzung für die spätere Arbeit an den Ego-States. „Zudem soll sich mit Einhaltung dieser Kommunikationsregeln auch der Paartherapeut in seiner Arbeit wohlfühlen“ (ebd.). In den ersten Sitzungen aktiviert der Paartherapeut die „Paarressourcen als Basis für die Ego-State-Arbeit“. Für diese Arbeit beschreibt er die Methoden der parallelen Tiefentspannung und der parallelen Imaginationen. Damit ist die Eingangsphase abgeschlossen. Die weiteren Phasen werden in den nächsten Kapiteln beschrieben.
5. Und wo sind nun die inneren Kinder der Partner? – Der Zugang zu den relevanten Kind-Ego-States des Paares
Den Zugang zu den inneren Kindern der Partner zu finden, schließt an die Eingangsphase an. Roland Kachler beschreibt mehrere Wege, die wir auch aus der Systemischen Arbeit kennen, um „einen Zugang zu den relevanten Ego-States des Paares zu finden“ (S. 100).
- „Zugang zu den relevanten Kind-Ego-States über die Analyse der Partnerwahl und des Verliebens über das emotional fokussierte Paargespräch und Visualisierung der beteiligten Kind-Ego-States
- Zugang zu den relevanten Kind-Ego-States über die Paargeschichte
- Zugang zu den relevanten Kind-Ego-States über die Biografie der Partner
- Zugang zu den relevanten Kind-Ego-States über die parallele Analyse der Herkunftsfamilie der Partner
- Zugang zu den relevanten Ego-States über die aktuellen Paarkonflikte“ (S. 101 ff).
Durch die „Aktivierung der Kind-Ego-States […] [werden] ganz automatisch auch die unbewussten Paarverträge und deren Enttäuschungen deutlich“ (S. 121). Bei der Arbeit zu den Zugängen weist Roland Kachler immer wieder auf Schwierigkeiten, kritische Situationen und Stellen in der Paarkonstellation beziehungsweise Paarbiografie hin, die diese Zugänge beeinflussen und erschweren können und beschreibt den Umgang damit in der Paartherapie.
6. Wie nun die Kind-Ego-States beeltern und heilen? – Die paartherapeutische Arbeit mit den relevanten Kind-Ego-States der Partner
Nun geht es „um die transformierende Arbeit mit den relevanten Kind-Ego-States“ (S. 123). Auch wenn der Autor in der Paartherapie die Partner zur Einzelarbeit anleitet und sie ihre verletzten Kind-Ego-States versorgen und an „heilsame Entwicklungsorte“ bringen, gilt für den Therapeuten immer wieder, den Bezug zu den Partnern herzustellen. „Wir sind verantwortlich, dass der gesamte Prozess der Ego-State-Arbeit die Paarbeziehung zum Ausgangs- und Zielpunkt hat. Die Partner und ihre Kind-Ego-States müssen zu jedem Zeitpunkt spüren, dass sie in einer Paartherapie sind“ (S. 125). Daher definiert er zunächst Grundprinzipien für die Arbeit mit den Kind-Ego-States, die auch für die Arbeit mit den Eltern-Ego-States gelten, bevor er auf die konkrete hypnosystemische Arbeit mit den Kind-Ego-States eingeht. Diese Arbeit beginnt „meist in der 5. Bis 7. Sitzung“ (S. 126). Roland Kachler beschreibt die Vorbereitungsphase, die Versorgung und Beelterung des „verletzten und bedürftigen Kind-Ego-States“ (S. 130) sowie die Herausführung des Kind-Ego-States aus der „destruktiven Situation“ (S. 132) und Hinführung „an einen sicheren und heilsamen Entwicklungsort“ (ebd.) an dem die Heilungsarbeit stattfindet. Im Anschluss an die Arbeit wird auf der Erwachsenenebene ein neuer Paarvertrag installiert, der sich zunächst auf die Kind-Ego-States bezieht. Bevor Roland Kachler auf Probleme und Schwierigkeiten in der Arbeit mit Kind-Ego-States eingeht, beschreibt er methodisch, wie die Partner im Face-to-Face-Kontakt und mit Ritualsätzen einen neuen Paarvertrag schließen.
7. Nur nicht die inneren Eltern vergessen! – Die paartherapeutische Arbeit mit den relevanten Eltern-Ego-States der Partner
Mit Fallbeispiel 2 des Ehepaars Eberhard, welches sich „in einer Dominanz-Anpassungs-Kollusion“ (S. 1148) befindet, erläutert der Autor, weshalb es wichtig ist, mit den Eltern-Ego-States der Partner zu arbeiten. Eltern-Egos-States wirken zum einen „nach außen direkt gegen den anderen Partner“ (S. 149) und zum anderen „nach innen gegen die eigenen Kind-Ego-States“ (S. 150). Bei der paartherapeutischen Arbeit an den Eltern-Ego-States unterscheidet der Autor „zwei Möglichkeiten einer Veränderung […]:
- Einsicht und Kooperation der neurotisierenden Eltern-Ego-States [und]
- Begrenzung, Depotenzierung und Distanzierung von massiv destruktiven Eltern-Ego-States“ (S. 151).
Zunächst führt er die Paare methodisch in die Eltern-Ego-State-Arbeit ein. Danach beschreibt er die Eltern-Ego-State-Arbeit mit dem neurotisierenden Eltern-Ego-State und mit „hoch destruktiven, traumatisierenden Eltern-Ego-States“ (S. 159). Ziel bei der Arbeit mit „einem sogenannten Täter-Imprint [ist] die Depotenzierung und Distanzierung dieses Täter-Ego-States“ (ebd.). Nach der Arbeit mit den Eltern-Ego-States wird wieder ein neuer Paarvertrag, „der sich jetzt auf die Arbeit mit den Eltern-Ego-States bezieht“ (S. 162), formuliert und eingeübt. Auch wenn „der beschriebene Prozess […] sehr kompliziert und störanfällig klingt“ (S. 164) versichert der Autor doch, „dass dieser in aller Regel sehr fließend und leicht oft auch überraschend schnell abläuft, […], die entsprechende Vorbereitung des Prozesses vorausgesetzt“ (S. 165). Trotz alledem beschreibt und verweist er auch hier auf mögliche „Widerstände, Blockaden oder Hindernisse“ (ebd.), die auftreten können.
8. Wer oder was ist der, die oder das Dritte im Bunde? – Die Arbeit mit Kind-Ego-States bei komplexen Paarkonstellationen
Bei komplexen Paarkonstellation kommt ein sogenanntes Drittes hinzu. Im Fallbeispiel 3, dem Ehepaar Schneider, ist es eine Außenbeziehung. Roland Kachler gibt einen beschreibenden Überblick über „sogenannte Dritte […]:
- Bindung an eigene Eltern und Elternteile
- Konfliktträchtige Bindung an Schwiegereltern
- Außenbeziehung zu einer Geliebten oder einem Geliebten
- Zu enge Bindung an die Kinder
- Stoffliche Suchtmittel wie Drogen, Alkohol oder Medikamente
- Internet- und Handykonsum und Gebrauch von sozialen Medien
- Pornografiekonsum als Verrat an der gemeinsamen Sexualität und Intimität
- Arbeit als Drittes und als abgekoppelte Lebenswelt
- Erkrankungen, insbesondere chronische Erkrankungen“ (S. 169 ff).
In seinen weiteren Ausführungen konzentriert er sich „auf Außenbeziehungen oder die Geliebte als Drittes“ (S. 172). Anschließend geht er auf die „Triangulierung mit dem Paartherapeuten“ (ebd.) ein. Zunächst beschreibt der Autor wie es aufgrund unerfüllter Bedürfnisse und Wünsche zu einer Außenbeziehung kommt. Welche Anteile die Kind-Ego-States des triangulierenden Partners dabei haben und was dieser Ausschluss für den betroffenen Partner und dessen Kind-Ego-States bedeuten. Roland Kachler klärt darüber auf, dass „die paartherapeutische Arbeit an der Triangulierung […] die komplizierteste Aufgabe für Paartherapeuten darstellt“ (S. 176). Für diese komplexe Arbeit gibt er zunächst einen Überblick über die Prozessschritte, die er anschließend näher ausführt. Er weist darauf hin, dass zunächst „Imbalancen“ (S. 177) in der Arbeit mit den Paaren entstehen, da zunächst der Fokus auf „der schützenden und versorgenden Arbeit mit dem betroffenen Partner“ (ebd.) liegt, dann steht der triangulierende Partner „stärker im Fokus“, sodass es über die Gesamtdauer der Paartherapie“ (ebd.), er spricht hier von ein bis zwei Jahren, „zu einer ausgeglichenen Bilanz kommt“ (ebd.). Dies „muss von Anfang an und im weiteren Verlauf ständig erklärt und transparent gemacht werden“ (S. 178). Nachdem der Autor den Ablauf und die Arbeit mit den Partnern und ihren Kind-Ego-States in der Triangulierung beschrieben hat, geht er in einem Exkurs auf „die nötige und schwierige Triangulierung mit dem Paartherapeuten“ (S. 202) ein, dessen sich der Paartherapeut, der sich „für das Paar in einer schwierigen Situation als Dritter zur Verfügung“ (ebd.) stellt, bewusst sein muss.
9. Wie wird es für das Paar wieder gut? Die Schlussphase der Paartherapie
„Nach 15 bis 20 Sitzungen“ (S. 207) wir die Schlussphase der Paartherapie eingeleitet. Roland Kachler führt noch einmal aus, welche Prozessziele das Paar mit der Unterstützung des Therapeuten bis dahin erarbeitet haben sollte und woran der Paartherapeut den Erfolg des Prozesses spürt. Mit der konkreten Arbeit „an den Differenzen und an den Verletzungen“ (S.- 207) auf der Erwachsenen-Ego-State-Ebene wird die letzte Phase der Paartherapie eingeleitet. Folgende Prozessschritte benennt und beschreibt der Autor für diese Phase:
- „Prüfen und Aufgreifen des konkreten Paarproblems
- Prüfen, ob noch Kind- oder Eltern-Ego-States beteiligt sind
- Differenzen und Veränderungswünsche aussprechen und benennen
- Arbeit in Richtung der Veränderungswünsche des anderen
- Kompromisse und Ausgleich verhandeln
- Grenzen der Veränderbarkeit und Unveränderliches akzeptieren und betrauern
- Abschluss eines Veränderungsvertrages“ (S. 209 ff).
Mit dem Paar wird in der nächsten Sitzung geprüft, was von den „gewünschten und vereinbarten Veränderungen […] konkret umgesetzt wurde und an welchen Stellen eine Nacharbeit nötig ist“ (S. 211). Auch sollte mit den Partnern geprüft werden, „ob es noch verbliebene Enttäuschungen, Verletzungen und Kränkungen gibt, die nun eigens und abschließend bearbeitet werden müssen“ (S. 212). Darauf folgt die Ankündigung des baldigen Endes der Paartherapie „binnen der nächsten zwei drei Sitzungen“ (S. 213). Ausführlich beschreibt der Autor die letzten Sitzungen und sein methodisches Vorgehen. Darunter gehören ein Werkzeugkoffer für Notfälle, Rückblick und Resümee der Paartherapie, die Vereinbarung eines Grundlagenvertrags, „eine abschließende Imagination eines Ortes der gelingenden Paarbeziehung“ (S. 216) und der Abschied von der Paartherapie und dem Therapeuten.
Diskussion
Roland Kachler nimmt mit seinem hypnosystemischen Ansatz der Ego-State-Arbeit die verschiedenen Eltern-Kind-Anteile der Partner in den Fokus. Er zeigt auf, wie diese inneren Anteile, mit ihren Verletzungen, unerfüllten Bedürfnissen und destruktiven Verhaltensweisen, die Paarbeziehung beeinflussen.
Die Einführung nutzt der Autor, um die Ego-State-Arbeit im Allgemeinen vorzustellen und zu zeigen, worum es sich bei Ego-State handelt. Paarprobleme entstehen auf den unterschiedlichsten Ebenen und können das Paar in eine Problem-Leid-Trance führen. Anschaulich und mit viel Hintergrundwissen führt der Autor die Leser*innen in die Ego-State-Arbeit mit Paaren ein. Dabei setzt er voraus, dass die theoretischen Grundlagen, die er in Kapitel zwei skizziert und in Kapitel drei mit der Transaktionsanalyse, als Kommunikationsmodell und als anschauliches Einführungsmodell der verschiedenen Persönlichkeitsanteile in der Paartherapie verbindet, bekannt sind. Auch wenn diese noch unbekannt sein sollten, und deren Wissen darüber zu einem tieferen Verständnis beitragen, sind seine Ausführungen trotz allem verständlich und nachvollziehbar. Seine Ausführungen regen dazu an, sich intensiver mit den Grundlagen, für ein tieferes Verständnis, zu beschäftigen.
Auch wenn Roland Kachler durchweg von Paartherapie spricht, meint er jedoch die Paarberatung mit. Denn die „zugrundeliegende Theorie der Paarbeziehung und […] vorgestellten Interventionsmethoden sind für beide Settings dieselben“ (S. 10).
Kaum jemand kommt uns so nah wie unser Partner, unsere Partnerin. Kaum jemand kann uns so verletzen wie diese*r. Mit dem Verlieben in die Partnerin, den Partnern, sind unbewusst viele Hoffnungen verbunden. Auch die Erfüllung unerfüllter Bedürfnisse sowie Heilung unserer inneren Kinder durch die Partnerin, den Partner. Allein diese Erwartungshaltung an den Partner/die Partnerin führt mit der Zeit unweigerlich zu Problemen in der Paarbeziehung. Mit der Ego-State-Arbeit wird deutlich, dass sich unbewusst noch viele andere Erwartungen und Hoffnungen dazu schleichen. Sich der eigenen Anteile bewusst zu werden, die verletzten inneren Kinder mit ihren Bedürfnissen wahrzunehmen, mit ihren Hoffnungen und Erwartungen, und sie an einen sicheren heilsamen Entwicklungsort zu führen, beschreibt der Autor ausführlich damit eine Transformation der Paardynamik und Paarstruktur stattfinden kann.
Roland Kachler führt nicht nurPaartherapeut*innen und Paarberater*innen in die Ego-State-Arbeit mit Paaren ein, sondern begleitet mit den Fallbeispielen detailliert durch den Prozess der Paartherapie. Von der Eingangsphase bis zur Verabschiedung des Paares geht er alle Prozessschritte durch. Die er durch Methoden und praktische Handlungsanweisungen bereichert. Paartherapeut*innen und Paarberater*innen bekommen damit wichtige Werkzeuge für die Arbeit mit Paaren an die Hand. Immer wieder zeigt er auf, auf was in der Arbeit mit den Paaren zu beachten und zu tun ist, wenn beispielsweise ein traumatisiertes inneres Kind vor uns sitzt oder ein Täter-Ego-State. Zugleich ermutigt er die Paartherapeut*innen und Paarberater*innen immer wieder gut für sich zu sorgen und Aufträge auch abzulehnen. Ein wichtiges Kapitel im Zusammenhang mit der Arbeit mit Paaren ist die Triangulierung mit dem Paartherapeuten, welche er in einem Exkurs und leider nur kurz skizziert, da es sonst den Rahmen des Buches sprengen würde. Es ist ein wichtiges Thema, dass er anspricht. Wer als Paartherapeut*in oder Paarberater*in arbeitet beziehungsweise vorhat, sollte sich mit dieser wichtigen Thematik ausführlicher beschäftigen, da hier doch viele Fallstricke warten. Nichtsdestotrotz macht dieses Buch Mut, sich mit den Paaren auf die Reise ins Abenteuerland Paartherapie zu wagen.
Fazit
Das Buch ist, wie im Vorwort des Autors beschrieben, ein Reisebegleiter durch das Abenteuerland Paartherapie. Nicht nur für erfahrene Paartherapeuten, sondern auch für solche, die es werden wollen.
Rezension von
Alexandra Großer
Fortbildnerin, päd. Prozessbegleiterin, systemische Beraterin
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