Anna Maria Kamenik, Alexander Rose: Auf ein Bier mit Pädagog:innen
Rezensiert von Prof. Dr. Irmgard Schroll-Decker, 07.10.2024

Anna Maria Kamenik, Alexander Rose: Auf ein Bier mit Pädagog:innen. 13 Fallbeispiele für eine verantwortungsvolle Kommunikation.
Lambertus Verlag GmbH Marketing und Vertrieb
(Freiburg) 2021.
118 Seiten.
ISBN 978-3-7841-3348-5.
D: 19,00 EUR,
A: 19,60 EUR.
Reihe: Soziale Arbeit.
Entstehungshintergrund und Thema
Im Vorwort (S. 7–9) erläutern Kamenik & Rose die Entstehungsgeschichte: Bei einem Drink in der Lieblingsbar sitzend entstand die Konzeption für das Buch, nämlich „Situationen aus dem pädagogischen Alltag“ (S. 7) zugrunde zu legen, sie zu analysieren und zu erläutern, welche Aspekte von Kommunikation und Verständigung vonstattengingen. Ziel des Buches ist es, anhand der dargestellten Einzelkapitel die Leser:innen zu motivieren, die eigene zwischenmenschliche Interaktion und Kommunikation zu reflektieren.
Autorin und Autor
Anna Maria Kamenik hat Erziehungswissenschaft studiert, sie ist seit 2018 als freiberufliche Pädagogin tätig. Alexander Rose hat Bildungswissenschaft studiert, ist seit 2017 als freiberuflicher Pädagoge tätig und gehört zu den Mitbegründern des gemeinnützigen Bildungsvereins Denkeffekt e.V. Die beiden teilen sich einen reichen Erfahrungsschatz im Kontext der ehrenamtlichen Jugendarbeit.
Aufbau und Inhalt
Das Buch gliedert sich in folgende drei Kapitel mit unterschiedlich vielen Unterabschnitten. Neben einer knappen Einführung sind die Unterkapitel jeweils nach demselben Schema aufgebaut: Der Fokus wird erläutert, eine Situation geschildert, eine Geschichte erzählt, die Theorie dargelegt, Anregungen zur Reflexion sowie ein Apell für Alltagsexperimente formuliert. Hinweise zum Weiterlesen schließen sich an.
1. Basics – Haltung (S. 10–53)
Die Einleitung vermittelt wesentliche Elemente von Kommunikation in Kurzform: Ich verstehe mich, du verstehst mich, ich verstehe dich und du verstehst dich. Abschnitt 1.1 behandelt basierend auf der Pyramide nach Abraham Maslow (1954) „Bedürfnisse“ (S. 12), wie sich einzelne ihrer bewusst werden, wie sie im Gruppenkontext zum Ausdruck kommen und durch Regeln kanalisiert werden und welche Aufmerksamkeit ihnen von der Leitung geschenkt werden muss. 1.2 thematisiert die Subjektivität von „Wahrnehmung“ (S. 19) und exemplifiziert anhand des sog. Johari-Fensters, welche Wahrnehmungen der Person und welche der Umgebung in einem Gruppenkontext bekannt sind. Unterschiedliche „Perspektiven“ (S. 28) und deren impliziten Erwartungen werden als Auslöser für Missverständnisse in Abschnitt 1.3 vorgestellt und mit Vorgehensweisen für einen Perspektivenwechsel kombiniert. Manifeste und latente „Gefühle“ (S. 34) sind Gegenstand des Abschnitts 1.4: Anhand der Geschichte werden das Eisberg-Modell und dessen Implikationen erläutert und hinsichtlich der Bedeutung für Gruppenprozesse erklärt. Wie „selbsterfüllende Prophezeiung“ (S. 44) wirkt und womit man ihr vorbeugen oder begegnen kann, thematisiert Abschnitt 1.5. Abschließend wird die Genese von „Werten“ (Abschnitt 1.6, S. 48) in Sozialisation und Erziehung sowie ihre Bedeutung für das wechselseitige Verständnis aufgegriffen.
2. Basics – Lernen (S. 54–86)
Einleitend erläutern die Autorin und der Autor, dass Lernen ein aktiver Prozess ist und zumeist zustande kommt, wenn eine Diskrepanz zwischen den äußeren Anforderungen und den eigenen Optionen vorhanden ist. Abschnitt 2.1 behandelt in groben Zügen die Annahmen des „Konstruktivismus“ (S. 55) und deren Bedeutung für den Lernprozess sowie die Rolle der Lehrpersonen. 2.2 stellt das Drei-Zonen-Modell bestehend aus „Komfort-, Lern- und Panikzone“ (S. 61) vor und verdeutlicht an der Geschichte, wann eine Unter- oder Überforderung gegeben ist und Lernen dadurch verhindert wird. Abschnitt 2.3 demonstriert „Lernen am Modell“ (S. 70) nach Albert Bandura. Anhand der Situation und der Geschichte werden die Stadien des Modells erklärt sowie die Wirkung auf einzelne Lernende in einer Nachbildungsphase verdeutlicht. Der letzte Abschnitt 2.4 fokussiert die „Selbstreflexion“ (S. 79) in der Anwendung für die eigene Person und in der Situation.
3. Basics – Kommunikation (S. 87–105)
Dieses Kapitel bietet Vorschläge, wie basierend auf den vorangegangenen Aussagen zu Haltung und Lernen „Kommunikation klar, wertschätzend und verantwortungsvoll“ (S. 87) gestaltet werden kann. 3.1 widmet sich der Anwendung von „Ich-Botschaften“ (S. 88) und Relativierungen sowie ihrer Wirkung in der Kommunikation. 3.2 erklärt das „Vier-Ohren-Modell“ (S. 94) anhand der Geschichte und liefert jeweils Beispiele. In Abschnitt 3.3 wird die Schrittfolge der „gewaltfreien Kommunikation“ (S. 99) präsentiert und verständlich operationalisiert (Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis, Bitte/​Wunsch).
In „Bis Bald!“ (S. 106–108) resümieren die Autorin und der Autor ihre Botschaft sowie das Vorgehen. Sie heben hervor, dass sie keine „Universallösungen“ (S. 106) für Kommunikation liefern wollten und appellieren an die Selbstverantwortung der Personen. Ebenso erbitten sie sich Feedback unter www.sprechen-streiten-reflektieren.de oder über eine der angegebenen Social Media Seiten. Die „Danksagung“ (S. 109), das „Literaturverzeichnis“ (S. 110–115), das „Abbildungsverzeichnis“ (S. 116) und Angaben zu den „Autor:innen“ (S. 117–118) runden das Buch ab.
Die 15, laut Angaben der Verfasserin und des Verfassers von Antonia Schneider angefertigten Abbildungen (Zeichnungen), sind ein Gewinn für die Verständlichkeit der zumeist in den „Theorie-Abschnitten“ erwähnten Annahmen und Modelle. Einband und optische Gestaltung sind ansprechend und motivierend.
Diskussion
Die Basics dieses Buches adressieren junge Menschen, die im sich ehrenamtlich engagieren und sich auf eine Tätigkeit als Gruppenleitung vorbereiten oder diese bereits innehaben und als Dozent:innen erste Erfahrungen in und mit Gruppen gemacht haben, sei es als Mitglied oder in Verantwortung. Die o.g. Aspekte von kommunikativen Vorgängen in Gruppensituationen und -prozessen, insbesondere zur Klärung, Verständigung oder Bedürfnis- und Konfliktbearbeitung zwischen einzelnen Mitgliedern oder zwischen Mitgliedern und der Gruppenleitung, sind sehr hilfreich, um einen Seminaralltag in den verschiedenen Kontexten (FSJ-Seminare, Arbeit mit Klassen, Jugend- oder Erwachsenenbildung, offene oder verbandliche Jugendarbeit) meistern zu können. Diesem Ansinnen trägt der Aufbau der einzelnen Abschnitte durchwegs Rechnung: Nach der Themenstellung („Der Fokus“) beschreibt „Die Situation“ in welcher die Thematik virulent wurde, „Die Geschichte“ schildert kurz die Entstehung, die Zusammenhänge und die Beteiligten am Seminarprozess. „Die Theorie“ enthält jeweils einen Erklärungsansatz oder ein Modell, welches sich eignet, um das Beschriebene konkret zu analysieren, zu verstehen und Handlungsoptionen ableiten zu können. Die „Reflexion“ umfasst einige Fragen, die in erster Linie das eigene Denken und Verhalten betreffen. Die „Alltagsexperimente“ fordern darüber hinaus zur Fortsetzung der Selbstreflexion auf und beinhalten konkrete Aufgaben, sich und das eigene Handeln besser zu durchdringen. Der handlungssituationsorientierte Ansatz des Buches ist klug gewählt. Ausgehend von einer mit Überraschungen/​Irritationen/​Herausforderungen gespickten Lernsituation verdeutlicht das Vorgehen, wie hilfreich eine theoretische Folie sein kann, den Zielbezug des pädagogischen Handelns herauszuarbeiten. Die Präsentation des Textes ist der Sprache der Zielgruppe der Leser:innen angemessen (wir und du). Angesichts der Selbstbeschränkung des Buches auf die „Basics“ ist auch die Auswahl der theoretischen Anteile (Grundmodelle) und die Begrenzung auf die Originalliteratur zu rechtfertigen. Der Titel hat bei mir zunächst die Erwartung evoziert, in ein Gespräch mit und von Pädagog:innen involviert zu werden – ein Beispiel mehr dafür, wie komplex Kommunikation sein kann: Allein die sorgfältige Lektüre des Untertitels hätte diese relativieren müssen.
Fazit
Das Buch ist geschrieben für junge Menschen (und Studierende), die sich freiwillig engagieren und (leitend) mit und in Gruppen arbeiten. Ihnen kann es Sicherheit im Handeln bieten.
Rezension von
Prof. Dr. Irmgard Schroll-Decker
Lehrgebiete Sozialmanagement und Bildungsarbeit an der Fakultät Sozial- und Gesundheitswissenschaften der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg
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