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Rebekka Grimm, Judith Meixner et al.: Den Einstieg in den Rechtsextremismus verhindern

Rezensiert von Wolfgang Schneider, 19.11.2024

Cover Rebekka Grimm, Judith Meixner et al.: Den Einstieg in den Rechtsextremismus verhindern ISBN 978-3-8474-3057-5

Rebekka Grimm, Judith Meixner, Lisa Müller, Malte Pannemann, Peer Wiechmann: Den Einstieg in den Rechtsextremismus verhindern. Aufsuchende Distanzierungsarbeit gegen Radikalisierung bei jungen Menschen. Ein Leitfaden. Verlag Barbara Budrich GmbH (Opladen, Berlin, Toronto) 2024. 242 Seiten. ISBN 978-3-8474-3057-5. D: 24,90 EUR, A: 25,60 EUR.

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Thema

Wie lässt sich das Abgleiten junger Menschen in den Rechtsextremismus verhindern? Der Ansatz der aufsuchenden Distanzierungsarbeit zielt auf die Sensibilisierung für potenzielle Einstiegsgefährdungen und Handlungssicherheit im Umgang mit starken Vorurteilen ab. Dieses hochaktuelle Grundlagenwerk beschreibt Distanzierungsarbeit als pädagogische Querschnittsaufgabe, analysiert diskriminierendes Verhalten und leitet zur Initiierung von Distanzierungsprozessen an. So wird die Planung strategischer Maßnahmen bei verhärteter Menschenfeindlichkeit ermöglicht. Praktische Kompetenzen werden mithilfe eines Methodenkoffers vermittelt.

Autorin

Rebbeka Grimm, Judith Meixner, Lisa Müller, Malte Pannemann und Peer Wiechmann sind im thüringischen Weimar Mitarbeiter:innen von Distanz e.V. Der gemeinnützige Verein widmet sich bundesweit offline wie online dem jungen Feld der sogenannten Distanzierungsarbeit mit jungen Menschen. Der Fokus dieser Tätigkeit liegt hierbei auf der Intervention gegen Rechtsextremismus und Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Die Distanzierung von rechtsextremen oder menschenfeindlichen Einstellungen ist bei dieser Arbeit zentral. Die Distanzierungsarbeit steht als eigenständiges drittes Element neben der Präventionsarbeit (vorbeugende Maßnahmen gegen Rechtsextremismus und Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit) und der Ausstiegsarbeit (selbstmotivierte Loslösung aus Strukturen des organisierten Rechtsextremismus).

Aufbau und Inhalt

Zunächst wird im ersten Kapitel das Handlungsfeld der Distanzierungsarbeit als pädagogische Querschnittsaufgabe eingeführt und in Abgrenzung zur Ausstiegsberatung beschrieben. Wesentliche Elemente dieses Handlungsfeldes sind die aufsuchenden Aspekte sowie der Anspruch der Früherkennung – zwei zentrale Unterscheidungsmerkmale zur Ausstiegsberatung. Die Zielgruppen und damit verbundene Ziele der Distanzierungsarbeit werden ausführlich dargestellt und somit spezifiziert, um welchen Adressat:innenkreis es im Folgenden geht. Der von Distanz e.V. entwickelte BRAKE-Ansatz deutet bereits an, auf welche Art und Weise diese Auseinandersetzung gelingen kann. BRAKE steht an dieser Stelle für „Beziehungsgestützter Reflexionsanregender Aufsuchender Kritikgetragener Entwicklungsprozess“. Dieser Ansatz geht zunächst davon aus, dass eine pädagogische Beziehung zu den Klient:innen der Grundstein für Distanzierungsarbeit ist. Nur so kann es gelingen, die jungen Menschen zu Reflexionsprozessen anzuregen. Wichtig dabei ist eine klare Haltung der Fachkräfte, die „deutliche Kritik an den Ideologiefragmenen, Generalisierungen und Vorurteilen, die von Adressat*innen geäußert werden“ (S. 28) üben sollen.

Entscheidend für eine fundierte Auseinandersetzung mit den Adressat:innen der Distanzierungsarbeit sind das Kennen und Erkennen von Motiven und Risikofaktoren, die eine Hinwendung zum Rechtsextremismus und menschenfeindlichen Aussagen und Verhaltensweisen begünstigen können. Es werden daher im zweiten Kapitel Analysehilfen bereitgestellt, um eine fundierte Einschätzung vornehmen zu können (siehe Kapitel 2.1 „Diskriminierendes Verhalten und Einstiegsgefährdung wahrnehmen und analysieren“). Motivlagen der Hinwendung zum Rechtsextremismus zu kennen, befähigt in einem nächsten Schritt zu konkreter Arbeit an diesen zu arbeiten. Durch das Aufspüren zugrunde liegender Bedürfnisse kann daran anschließend an konstruktiven und menschenfreundlichen Möglichkeiten dieser Bedürfnisbefriedigung pädagogisch gearbeitet werden. Hier ins Gespräch zu kommen und die Beziehung mit konstruktiver, aber auch konfrontativer Kritik zu halten, fördert Distanzierungsprozesse. Diese erfordern zum einen eine reflektierte, kritische und menschenrechtsorientierte Haltung bei der pädagogischen Fachkraft, zum anderen ein breites Repertoire an Gesprächstechniken. Die Publikation gibt Impulse zur Schärfung der eigenen pädagogischen menschenrechtsorientierten Haltung und stellt ergänzend dazu verschiedene Gesprächstechniken vor, um Distanzierungsprozesse anzustoßen und konstruktiv-kritisch zu begleiten. Es werden diverse Techniken mit Situationsbeispielen illustriert (siehe Kapitel 2.2 „Intervenieren und Distanzierungsprozesse anstoßen“).

Im dritten Kapitel des Leitfadens werden konkrete Methoden präsentiert, die sich im Einzel- wie Gruppensetting dafür eignen, Entwicklungsaufgaben von extrem rechts einstiegsgefährdeten jungen Menschen zu bearbeiten und Distanzierungsimpulse zu setzen. Interventionen zu planen und umzusetzen, hängt wesentlich von vorhandenen Ressourcen und situativen Kontextfaktoren ab. Der vorliegende Leitfaden verbleibt an dieser Stelle nicht allein bei der Analyse oder der Planung einzelner situativer Interventionen, sondern gibt konkrete Handlungsempfehlungen für eine längerfristige strategische Auseinandersetzung (siehe Kapitel 2.3 „Den strategischen Umgang mit Rechtsextremismus planen“).

Die Kapitel können sowohl in vorliegender Reihenfolge als auch anlassbezogen für sich stehend gelesen werden. Längere Kapitel werden mit kurzen Zusammenfassungen eingeleitet, sodass nähere Orientierung über den Inhalt gegeben ist

Diskussion

In Zeiten wie diesen ist es unabdingbar, dass Fachkräfte, die mit jungen Menschen arbeiten, breit aufgestellt sind, um mit ihrer Zielgruppe in Kontakt zu kommen und es auch zu bleiben. Junge Menschen, die nach Zugehörigkeit, Halt und Sicherheit in unsicheren Zeiten suchen, können anfällig für extremistische Ideologien sein, die allen Ebenen des politischen Spektrums entstammen können. Die ausgewiesenen Expert:innen, die dieses Buch zusammengestellt haben, arbeiten im direkten Kontakt mit jungen Menschen, für die es zum einen normal ist, Hass und Hetze zu konsumieren über das Internet, sie andererseits aber auch zu verbreiten. Wie es gelingen kann, diese Entwicklung im besten Fall aufzuhalten, wird mit klaren Worten und guten Ideen beschrieben. Besonders imponiert dabei die klare Haltung, die den Autor:innen anzumerken ist und die sich auch in ihrer Vorgehensweise widerspiegelt. Auf der einen Seite suchen sie die Beziehung zu den Klient:innen, arbeiten aufsuchend mit ihnen, auf der anderen Seite beziehen sie aber auch klare Kante gegen menschenverachtende Aussagen ihrer Klient:innen. Insofern lassen sich auf diesem so wichtigen Buch nicht nur Methoden und Vorgehensweisen ziehen, sondern – und das scheint noch viel wertvoller – vor allem eine Haltung, wie sie für die Arbeit mit radikalisierten jungen Menschen aus allen Sphären wichtig ist. Denn nur so kann es gelingen, sie zu erreichen und vielleicht auf einen de-radikalisierten Weg zu bringen. Insofern ist dieses Buch für all jene Fachkräfte, die auch nur im Entferntesten mit jenen Klient:innen zu tun haben, ein absolutes Muss.

Fazit

Dieses Buch leistet einen wertvollen Beitrag zur Prävention von Einstiegen in den Rechtsextremismus.

Rezension von
Wolfgang Schneider
Sozialarbeiter
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Es gibt 114 Rezensionen von Wolfgang Schneider.

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Zitiervorschlag
Wolfgang Schneider. Rezension vom 19.11.2024 zu: Rebekka Grimm, Judith Meixner, Lisa Müller, Malte Pannemann, Peer Wiechmann: Den Einstieg in den Rechtsextremismus verhindern. Aufsuchende Distanzierungsarbeit gegen Radikalisierung bei jungen Menschen. Ein Leitfaden. Verlag Barbara Budrich GmbH (Opladen, Berlin, Toronto) 2024. ISBN 978-3-8474-3057-5. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/32517.php, Datum des Zugriffs 13.12.2024.


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