Lena Barth: Therapie-Tools Psychodynamische Interventionen
Rezensiert von Sebastian Kron, 24.09.2024
Lena Barth: Therapie-Tools Psychodynamische Interventionen. Mit Online-Material.
Beltz Verlag
(Weinheim, Basel) 2024.
194 Seiten.
ISBN 978-3-621-29033-3.
D: 42,00 EUR,
A: 43,20 EUR.
Reihe: Therapie-Tools.
Thema
Psychodynamische Therapien haben einen bedeutsamen Stellenwert in der psychotherapeutischen Interventionslandschaft. Sie sind neben der Verhaltenstherapie und der systemischen Therapie eine der kassenärztlich-anerkannten Therapieformen.
Ausgangspunkt der psychodynamischen Überlegungen waren die Theorien um Sigmund Freud. Anfangs erfolgten Therapien durch speziellen Körperkontakt (z.B. Handauflegen im Zentrum der Stirn). Später entwickelte Freud sein Prinzip der Redekur mit der Technik der freien Assoziation, die sich, wie er sagt, in Erinnern, Wiederholen und Durcharbeiten bedeutungsvoll macht. Die aus Freuds Theorien hervorgegangene Psychoanalyse legt ihren Fokus auf unbewusste Triebregungen und Erfahrungen der frühen Kindheit.
Autor:in
Frau Dr. Lena Barth ist Psychologische Psychotherapeutin der Fachrichtung Tiefenpsychologie. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Medical School Hamburg im Bereich Forschung, und in eigener psychotherapeutischer Praxis tätig.
Entstehungshintergrund
Das Werk entsteht in einer Zeit, in der die Verhaltenstherapie „Mittel“ der ersten Wahl zu sein scheint, wenn es um die Behandlung psychischen Leidens geht. Diese scheint mit der kognitiven Wende ihren Aufschwung erlebt zu haben. Die in den 1960-er Jahren populärste Fachrichtung Psychoanalyse hat an Bedeutung verloren. Daher ist es erfreulich, Publikationen zu lesen, die die Entwicklung dieser Denkschule nach wie vor unterstützt, fördert und zeitgleich den Bezug zur Tiefenpsychologie herstellt.
Aufbau
Der Beltz-Verlag kombiniert mit seinen „Therapie-Tools“-Ausgaben theoretisches Wissen und den Praxis-Diskurs. Dabei wird Arbeitsmaterial geliefert, welches das theoretisch Erlernte auf praktischer Ebene darstellbar macht und den Lesenden die Möglichkeit offen hält, Materialien in den Praxisalltag einzuflechten.
Das vorliegende Werk thematisiert Grundlagen der Psychodynamik und geht anschließend auf Theorien psychischen Leidens ein. Es thematisiert dabei eine Reihe von psychischen Störungen, die in der Biografie in Erscheinung treten könnten. Weiterhin differenziert das Werk zwischen konflikt- und strukturorientierten Arbeiten.
Inhalt
Als Überblickswissen werden Vertreter*innen psychodynamischen Arbeitens genannt. Weiterhin werden die drei (vier) kassenärztlich anerkannten Therapieformen tabellarisch gegenübergestellt. Dabei sind tiefenpsychologisch-fundierte, psychoanalytische, verhaltenstherapeutische und systemische Verfahren nennenswert. Bei den tiefenpsychologisch-fundierten Überlegungen ist Vergangenheit und Gegenwart als Gesamtkonstrukt der Biografie zu betrachten, wobei die Psychoanalyse mehr den regredierenden Charakter in frühkindliche Verhaltensmuster betont. Damit sind tiefenpsychologisch-fundierte Herangehensweisen augenscheinlich jene, die unbewusste Konflikte gegenwärtigen Lebens aufspüren, lösen und dabei die Lebensbiografie nicht außer Acht lassen wollen. Psychoanalytische Überlegungen suchen nach verdrängten Konflikten der frühsten Kindheit und versuchen diese bewusstzumachen. Systemische Behandlungsmethoden diskutieren Störungen in der Gruppendynamik, die Einfluss auf jeden Einzelnen des Systems haben. Sie gehen davon aus, dass seelische Störungen aus einer Störung des Systems hervorgehen. Hauptsächlich wird das System Familie dabei thematisiert. Verhaltenstherapeutische Interventionen sehen dysfunktionale, irrrationale Gedanken im Kontext von abweichenden Verhalten als Hauptursachen psychischen Leidens an. Sie gehen davon aus, dass erlerntes Verhalten auch wieder verlernt werden kann.
Das vorliegende Werk geht auf verschiedene Theorien/​Denkschulen der tiefenpsychologischen Denkansätze ein. Ursprünge finden sich in der Triebtheorie, dem topografischen und dem Strukturmodell. Weiterentwicklungen waren die Bindungstheorie, die Ich- und Objektpsychologie sowie die Selbstpsychologie. Im Bereich der psychodynamischen Interventionen spielen Übertragungs- und Gegenübertragungsprozesse eine Rolle. Ferner diskutiert die Autorin die Rolle der Abwehrmechanismen, die sie nach Leichsenring in reife und unreife Abwehrmechanismen einordnet. Im Weiteren werden das psychodynamische Erstgespräch und die psychodynamische Diagnostik, die in fünf Achsen systematisiert wird, debattiert.
Für das konfliktorientierte Arbeiten psychodynamischen Handelns werden unbewusste, psychische Konflikte als ätiologischer Faktor psychischen Leidens gesehen und thematisiert. Anschließend geht die Autorin auf die Psychodynamik der Depression, der Angst- und Zwangsstörungen, der Somatisierungs- und sexuellen Funktionsstörungen ein und betont anhand dieser Störungsbilder den konfliktorientierten Ansatz.
Im strukturorientierten Arbeiten geht die Autorin auf Kernbergs neurotische, Borderline- und psychotische Struktur ein und systematisiert anhand dieser Klassifikationen die Arbeitsweise. Fortfolgend geht sie auf die Psychodynamik der Abhängigkeitserkrankungen, der Essstörungen, der Schizophrenie und der Persönlichkeitsstörungen ein. Auch hier wird der Zusammenhang zum strukturorientierten Handeln gezogen.
Bedeutsam für diese Ausgabe des Beltz-Verlages ist das Anbringen unterschiedlicher Arbeitsmaterialien zu jedem Kapitel. Diese unterstreichen den Fokus und die Herangehensweise psychodynamischen Arbeitens und Handelns.
Diskussion
Psychotherapien und Beratungen stehen häufig in einem gemeinsamen Diskurs. Es wird oftmals deutlich, dass Grenzen verschwimmen und beide Begriffe nicht eindeutig voneinander trennbar sind. Bei psychotherapeutischen Verfahren, so scheint es, werden individuelle Faktoren psychischen Leidens diagnostiziert und – im wahrsten Sinne des Wortes – therapiert. Beratungsansätze können zwar auch psychische Probleme aufgreifen, versuchen diese aber auf Grundlage des lebensweltbezogenen Kontextes zu sehen und den Umgang aus dieser Richtung zu konkretisieren. Deutlich wird also, dass es bei der psychotherapeutischen Behandlung eher um das innere Seelenleben geht, bei dem eine positive Entwicklung hervorgerufen werden soll. Die Beratung scheint weitläufiger zu sein und andere (lebensweltbezogene) Faktoren grundsätzlich nicht außer Acht zu lassen (vgl. Boeger 2024, S. 15 ff).
Die Arbeit mit psychisch erkrankten Menschen wird fernab dessen in den kommenden Jahren eine immer komplexere Rolle einnehmen, bei der auch die Soziale Arbeit geschult werden muss, sich nicht zu sehr hinter der Fassade des „Basisstoffes“ „zu verstecken“ und sich fortzubilden. Auch wenn Beratung nicht gleich Psychotherapie und Psychotherapie nicht gleich Beratung ist, werden die Grenzen mehr und mehr auch in Anbetracht des zahlenmäßigen Anstiegs psychisch erkrankter Menschen verschwimmen.
Fazit
Mit einem gewissen Basiswissen bezugnehmend auf das tiefenpsychologisch-fundierte Denken und Handeln kann das vorliegende Werk helfen Brücken zu schlagen. Einige Kapitel fokussieren den psychotherapeutischen Background und setzen daher Vorwissen voraus. Es ist daher für helfende Berufsgruppen geeignet, die psychotherapeutisch aktiv oder zumindest interessiert sind.
Literatur
Boeger, A. (2024): Psychologische Therapie- und Beratungskonzepte. Theorie und Praxis. Stuttgart: Kohlhammer, 4., aktualisierte Auflage
Rezension von
Sebastian Kron
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Zitiervorschlag
Sebastian Kron. Rezension vom 24.09.2024 zu:
Lena Barth: Therapie-Tools Psychodynamische Interventionen. Mit Online-Material. Beltz Verlag
(Weinheim, Basel) 2024.
ISBN 978-3-621-29033-3.
Reihe: Therapie-Tools.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/32526.php, Datum des Zugriffs 06.10.2024.
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