Rainer Zech: Genuss und Sinn
Rezensiert von Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer, 10.09.2024
Rainer Zech: Genuss und Sinn. Ein Beitrag zu einer Ethik des Lebens. Books on Demand GmbH (Norderstedt) 2024.
Lebenssinn und Lebenskraft
In den Zeiten von Fake News, von Rechtsradikalismus und Populismus, sind verlässliche, menschenwürdige und nachhaltige, individuelle und kollektive Orientierungen gefragt. Es sind Fragen: „Wer bin ich?“ und „Wie bin ich geworden, was ich bin?“. Und es ist das Wissen, dass das erdverbundene, intellektuelle Individuum nur in humaner Gemeinschaft leben und existieren kann. An Rategebern, wie das Leben gestaltet werden kann, fehlt es nicht. Es sind die anthropologischen und philosophischen Herausforderungen, bei der Suche nach dem Sinn des Lebens den eigenen Verstand zu benutzen und sich bewusst zu sein, aufgeklärt und gebildet sein zu wollen.
Der Geistes- und Sozialwissenschaftler Rainer Zech fragt mit seinem Essay: „Was hat Genuss mit Sinn zu tun?“. Es sind Reflexionen darüber, wie es gelingen kann, im Spannungsfeld „geboren werden – sterben und einzeln sein – gemeinsam sein“ human zu existieren. Es sind subjektive Überlegungen, die den Anspruch erheben, im richtigen Leben nicht falsch, sondern richtig zu leben. Daraus entsteht eine „Ethik des Lebens“ und eine „Ethik des Gelingens“. Es ist der leibliche und geistige Genuss, der hinführt zum Lebenssinn, und ist der alltägliche, intellektuelle und ästhetische Geschmackssinn, der Wohlbefinden schafft.
Inhalt
Die Überschriften über die einzelnen Kapitel verdeutlichen den Diskursverlauf: In Einführungsteil wird erläutert, worum es in dem Beitrag geht; als „Minimalanthropologie“ wird reflektiert: „Das Leben leben“; mit der Aussicht, „das Leben genießen“ werden die Bedingungen genannt, die dies ermöglichen. Liebe, Freundschaft, Arbeit und Muße, Natur und Kunst, Orte und Landschaften, Immanenz und Transzendenz; der Anspruch: „Dem Leben Sinn verleihen“ wird erläutert nach den Sinnfragen; „Lebensgenuss und Lebenssinn“ sind wertebewusste Anforderungen; „sinnliche und geistige Genüsse“ sind wertvoll und bestimmend. Mit der Unterscheidung „sinnlicher, aber sinnfreier Genuss“ verweist er auf mimetische Denk- und Verhaltensweisen: „Man tritt der Welt in allen ihren Formen zunächst einmal offen, sensibel wahrnehmend und fühlend gegenüber und versucht, indem man nicht die Welt an sich, sondern sich der Welt assimiliert, herauszufinden, was das Wahrgenommene in seinem Eigenrecht ist“. Um zu einer „Ethik des Lebens“ zu gelangen, bedarf es des Bewusstseins, dass menschliches, evolutionäres und erdbewusstes Dasein nicht als Alleinstellungsmerkmal des anthropologischen Lebens, sondern als kosmischer Teil verstanden werden muss. Es ist das ganzheitliche Denken und Handeln, das hinführt zu der Erkenntnis, dass der Mensch ein unvollständiges, verletzliches Lebewesen ist (Angela Janssen, 2018), und es eines Perspektivenwechsels „jenseits von Identitäten“ bedarf (Omri Boehm, Radikaler Universalismus, 2022, www,socialnet.de/rezensionen/29631.php).
Diskussion
Leben und leben lassen – Genießen und genießen lassen! Bei dem Fragen nach dem Sinn des Lebens landen wir immer wieder bei der „globalen Ethik“, wie sie in der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“, 1948, zum Ausdruck kommt: „Die Anerkennung der allen Mitgliedern der menschlichen Familie innewohnenden Würde und ihrer gleichen und unveräußerlichen Rechte bildet die Grundlage der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt“. Mit der Verbindung der Werte „Sinn“ und „Genuss“ gelingt es dem Autor, die Webersche Frage, ob die Welt einen Sinn und ob es einen Sinn habe, in ihr zu existieren, neu zu stellen und zum Perspektivenwechsel aufzufordern.
Fazit
Der weitgehend persönlich verfasste Essay hat die Kraft, beispielhaft und generell zu wirken und beizutragen, „dass wir uns miteinander und füreinander neu entwerfen“ (Judith Butler). Es sind nicht die Imponderabilien und Katastrophen, die über die Welt kommen und Pessimismus und Fatalismus erzeugen, sondern „darauf zu schauen, was es trotz allem noch an Gutem gibt, das uns kräftigt, um dem Negativen entschieden entgegen zu treten“.
Rezension von
Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer
Ehemaliger Lehrbeauftragter an der Universität Hildesheim
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Zitiervorschlag
Jos Schnurer. Rezension vom 10.09.2024 zu:
Rainer Zech: Genuss und Sinn. Ein Beitrag zu einer Ethik des Lebens. Books on Demand GmbH
(Norderstedt) 2024.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/32530.php, Datum des Zugriffs 16.10.2024.
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