Friederike von Gross, Renate Röllecke (Hrsg.): Was auf die Ohren?!
Rezensiert von Brian Cranford, 19.05.2025

Friederike von Gross, Renate Röllecke (Hrsg.): Was auf die Ohren?! Kreativ und kritisch mit Hörmedien in der Medienpädagogik.
kopaed verlagsgmbh
(München) 2024.
167 Seiten.
ISBN 978-3-96848-139-5.
D: 18,00 EUR,
A: 18,50 EUR.
Reihe: Dieter Baacke Preis Handbuch - 19.
Thema
Das Buch „Was auf die Ohren?!“ thematisiert die Bedeutung von Audiomedien in der Medienpädagogik, insbesondere für Kinder und Jugendliche. Es betont die Wichtigkeit des Zuhörens, der kreativen Selbstäußerung und der Teilhabe. Audiomedien wie Hörbücher, Hörspiele, Radiobeiträge und Podcasts bieten niederschwellige Möglichkeiten, um Gedanken und Gefühle auszudrücken. Trotz ihrer Relevanz werden sie oft vernachlässigt, während visuelle Medien im Fokus stehen.
Die Autoren Friederike von Gross und Renate Röllecken weisen darauf hin, dass die Nutzung von Podcasts unter Jugendlichen zunimmt. Die Handbuchreihe bietet theoretische und praktische Ansätze zur Medienbildung und stellt medienpädagogische Projekte vor. Es wird betont, dass Medienpädagogik mehr sein sollte als nur Gefahrenaufklärung; sie sollte kreativ und handlungsorientiert sein und die Lebenswelt der Jugendlichen einbeziehen.
Ziele der Medienpädagogik sind die Förderung von Fantasie, Sprachvermögen und aktiver Teilhabe. Der Band bietet Einblicke in die Nutzung von Hörmedien, Ansätze zur Entwicklung von Kritikfähigkeit und aktivem Zuhören. Zudem werden kreative Projekte vorgestellt, bei denen Kinder und Jugendliche selbst Medieninhalte gestalten und dadurch Anerkennung erfahren.
Sie können einen wichtigen Beitrag leisten, kulturelle Identität zu vermitteln, die Komplexität von Kulturen zu dokumentieren, unterschiedliche Stimmen und Bedürfnisse zu artikulieren und eine breitere Öffentlichkeit z.B. für lokale Kultur, Geschichte und soziale Themen zu sensibilisieren.
Ohne die visuelle Komponente ergeben sich andere Schwerpunkte, beispielsweise wird die Phantasie des Zuhörers gefordert und gefördert.
Wenn es um Hörspiele geht erfordert die Rezeption oder Produktion eine andere Herangehensweise als bei einer Videoproduktionen.
„…Im Hörspiel gibt es naturgemäß keine äußere Bühne, auf der Figuren und Bilder gezeigt werden könnten, alle Vorstellungen entstehen im Inneren der Rezipientinnen und Rezipienten. Das ist die besondere Herausforderung, aber auch ein nach wie vor faszinierender Aspekt von Hörspielen…“
Andreas Wicke: Hörspieldidaktik. In: KinderundJugendmedien.de. Erstveröffentlichung: 02.10.2019. (Zuletzt aktualisiert am: 30.01.2024). URL: https://www.kinderundjugendmedien.de/fachdidaktik/​3179-hoerspieldidaktik. Zugriffsdatum: 16.02.2025.
Dass das weite Feld des Mediums Audio (also nicht nur Musik) nach wie vor eine große Relevanz bei Kindern und Jugendlichen hat, kann man der neuesten JIM-Studie 2024 entnehmen:
„…Neben dem Musikstreaming ist das Radio nach wie vor ein relevanter Zugangsweg zu Musik und Informationen. 29 Prozent der Jugendlichen hören täglich Radio und 56 Prozent schalten mindestens mehrmals pro Woche ein…“
Quelle: JIM Studie 2024 Jugend Information Medien/​Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger/​Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest/https://mpfs.de/studien/​jim-studie/ abgerufen am 16.2.2025
Obwohl audio-visuelle Produkte scheinbar präsenter sind im Unterhaltungs- und Informationsangebot, spielen Audioproduktionen trotzdem eine große Rolle und bieten viele interessante Möglichkeiten für die kulturelle Bildung.
Herausgeberinnen
Dr. Friederike von Gross ist seit 2016 Geschäftsführerin der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK). Zuvor hat sie an der Universität Bielefeld zum Thema „Informelles Lernen in Jugendszenen. Zum Erwerb berufsrelevanter Kompetenzen in Jugendszenen am Beispiel der Visual Kei-Szene“ promoviert und im Bereich Medienpädagogik gearbeitet. Ihre Forschungsschwerpunkte waren u.a.: Medienerziehung von Eltern im Kontext von Computerspielen sowie die Nutzung von SocialMedia durch Kinder und Jugendliche.
Renate Röllecke ist Referentin für Medienpädagogik und Medienbildung in der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK).
Aufbau
Das Buch ist einfach aufgeteilt in eine kurze Einleitung bzw. ein Vorwort und 2 Hauptteile:
- Beiträge aus Forschung und Praxis
- Prämierte Medienprojekte
Die Beiträge des ersten Teils geben Anregungen zur theoretischen Reflexion und praktischen Umsetzung.
Der zweite Teil des Handbuches präsentiert Projekte der Dieter Baacke Preisträger. Hier werden die Erfahrungen einzelner Projektteilnehmer in Interviews aufgeführt.
Hinzu kommen bei den Beiträgen wertvolle, hilfreiche Literaturhinweise und Internetquellen.
Inhalt
Nach dem Vorwort folgt der erste Teil:
- Pola, Annette: Aktive Radioarbeit – Wie Radiomachen in Schule für alle gelingen kann
- Prinz, Sascha: Vom Marmeladenbrot zum Podcast – Audioprojekte in der Grundschule
- Behr, Julia/Kätzlmeier, Marie/​Michalowski, Laura: „Was geht…? Der ACT ON!-Jugendpodcast“
- Jäcklein-Kreis, Elisabeth: Ohren auf, Tablet an – Zuhörbox und Hör.Forscher! vermitteln Zuhör- und Medienkompetenz
- Hock, Birgit: Alle mal herhören!
- Antritter, Wolfgang: Sind Hörbücher für Kinder nur „Nebenbei-Medien“?
- Schulz, Iren: Ich hör wohl nicht richtig?! Kindgerechte Hörmedien und medienbezogene Elternarbeit aus der Perspektive der Initiative „SCHAU HIN! Was dein Kind mit Medien macht.“
- Bergmann, Susanne: Radiokultur für Kinder
Am Ende von Teil 1 folgt ein kurzer Überblick über die herausragenden Hörmedienprojekte der Preisträger des Dieter Baacke Preises
- Haste Töne: Kindermedien aus Hamburg
- Alle machen Radio! – Morgenmuffel Radio (MOMU) sendet wöchentlich in der Grundschule
- Radiofüchse – Das interkulturelle Hamburger Kinderradio
- Ohrenspitzer – Ein Projekt zur Zuhörförderung (siehe auch den Beitrag von Birgit Hock in diesem Band)
- RadioAG der Schule am Marsbruch (siehe auch den Beitrag von Annette Pola in diesem Band)
Im zweiten Teil werden generell Preisträger des Dieter Baacke Preises, unabhängig vom thematischen Schwerpunkt des ersten Teils, vorgestellt:
- Medienwerkstatt Identity Films e.V. An Ozobots Fairytale
- Papenburg JUZ-TV – Deine Stadt im Überblick
- jfc Medienzentrum e.V. Kulturcaster – Medienlabor für kulturelle Bildung
- Stadtbücherei und Medienpädagogisches Zentrum Delmenhorst DELTour – Gemeinsam tüfteln, entdecken & ausprobieren & DELTour – Mach mit, mach 's nach, zeig's anderen!
- filmreflex/Wir sind 22Q e.V.22QMedia
- Offener TV-Kanal Bielefeld e.V./Kanal 21 Alles inklusive Medien
- ServiceBureau Jugendinformation Digi40JA – Entwicklung einer Digitalisierungsstrategie für die offene Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit in Bremen
- JFF – Institut für Medienpädagogik 2084-ein medienpädagogisches Planspiel „KI und wir – gruselig & genial“ | Medienpädagogische Kinder- und Jugendprojekte zur kreativen und kritischen Erforschung von Algorithmen und Künstlicher Intelligenz
- Hamburger Kunsthalle/​Stadtteilschule am Hafen (Standort St. Pauli) Chatte mit einer Femme fatale! Ein kunst- und medienpädagogisches Schulprojekt zur Kl-basierten Ausstellungsvermittlung
Im letzten und 3. Teil des Buches wird erläutert um was es beim Dieter Baacke Preis geht. Und es werden umfangreiche Informationen zur Anmeldung und den Teilnahmevoraussetzungen gegeben.
Diskussion
Im Vorwort werden generelle Überlegungen zu medienpädagogischen Zielsetzungen angeführt, die jedoch nicht hörspielspezifisch sind. In Anlehnung an Dieter Baacke wird das gemeinsame Anliegen der vorgestellten Projektideen betont, nicht nur als Bewahrpädagogik und rein analytisch vorzugehen, sondern kreativ und selbstbestimmt eigene Erlebnisse, Erfahrungen und Wünsche mit Hilfe von Audioprojekten zu verwirklichen.
Es wird darauf hingewiesen, dass „Schwarze Pädagogik“ nicht im Mittelpunkt des Buches stehe, Erziehungsformen mit Gewalt und Einschüchterung, im weiteren Sinne die Erhöhung des/r Pädagogin/en. Davon sollte man doch ausgehen können, deshalb finde ich den Hinweis eher überflüssig.
Im Gegensatz dazu wird eben richtigerweise ein selbstbestimmter Umgang gefordert, auch mit einem Qualitätsanspruch. Wie genau dieser aussehen soll bleibt allerdings unklar.
Im (medien-)pädagogischen Kontext sollte generell ein gutes Mittelmaß gefunden werden zwischen Produkt und Prozess. Es geht bei pädagogischen Zielsetzungen eben nicht nur um Qualität, diese soll ja hinterfragt und mit den eigenen Möglichkeiten gestaltet werden, welche rahmenbedingt (Technik, Zeit, Kosten, Wissen etc.) nicht so produziert werden können wie „professionelle“ Produktionen. Welcher Qualitätsanspruch ist also gemeint?
Hinsichtlich der Medienkritik wird kurz darauf hingewiesen, dass es auch bei Podcast und anderen Hörmedien relevant sei auf Machart und Inhalte zu achten. Hier ist der Widerspruch zwischen einer Vermittlung von Werten (gesellschaftlich, institutionell, persönlich) und einem selbstbestimmten Anspruch, der den Kindern und Jugendlichen Freiraum lässt.
Das Dilemma von Zensur und pädagogischen Grenzen ist ein wichtiges Thema und nicht einfach lösbar. Natürlich kommt es auf die Zielgruppe und das Alter an, und eben auf die Frage welche Werte, von wem vermittelt werden sollen.
Dieses Thema ist zentral für die medienpädagogische Arbeit, und hier hätte man finde ich ein wenig darauf eingehen können im Vorwort oder sogar eine längere umfangreichere Einleitung dazu bieten. Dies ist zwar übergreifend für jede von Form des Gestaltens im pädagogischen Kontext ein Thema, hier wäre jedoch Gelegenheit gewesen darauf einzugehen.
Im zweiten Teil bei der Vorstellung von den Preisträgern ist keines der vorgestellten Projekte ein reines Hörspiel-Projekt oder ein Projekt mit Audioformat.
Darauf wird im Vorwort zwar hingewiesen, ich finde trotzdem nicht ganz stimmig mit der Zielsetzung der Veröffentlichung. Es handelt sich um Videoprojekte, Kunstprojekte etc. Ein Projekt hat den Einsatz von KI und Chatbots als Inhalt, ein sehr interessantes und aktuelles Thema. Hier ist der Bezug zu Hör- bzw. Audioproduktionen noch am deutlichsten, wobei hier die technische Konzeption und Umsetzung eines Chatbots im Vordergrund steht. Am Ende des ersten Teils des Buches ist ein kurzer Überblick über 5 prämierte Hörmedien-Projekte, diese hätten aufgrund der Thematik ausführlicher behandelt werden können.
Das Buch ist konzipiert als eine Sammlung und Vorstellung von Projekten aus der Praxis.
Hier wird zum Teil bei einigen Beiträgen auf theoretische Hintergründe des Hörens eingegangen, und auch auf didaktische Gesichtspunkte. Allerdings nur bei einzelnen Beispielen ausführlicher.
Bei den vorgestellten Preisträgern im zweiten Teil des Buches fehlen zum großen Teil die Bezüge zum Schwerpunkt der Veröffentlichung, also der rein auditive Charakter der Projekte. Denn dies macht ja den Unterschied zu audio-visuellen Formaten aus und daraus ergeben sich andere Herangehensweisen und resultierende Effekte.
Fazit
Insgesamt ist eine Veröffentlichung zum Thema Audioproduktionen im Bereich der Medienpädagogik und generell der pädagogischen Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu begrüßen. Auch im Hinblick auf die Arbeit mit Erwachsenen und Senioren im Sinne eines lebenslangen Lernens ergeben sich hier interessante Ansätze.
Rezension von
Brian Cranford
Diplom-Sozialpädagoge mit dem Schwerpunkt Musik- und Medienpädagogik und kultureller Bildung
Pädagoge, Lehrbeauftragter, Dozent, Autor und Produzent
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