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Bernhard Knittel (Hrsg.): SGB IX Kommentar

Rezensiert von Prof. Dr. Gerhard Igl, 14.03.2025

Cover Bernhard Knittel (Hrsg.): SGB IX Kommentar ISBN 978-3-472-09562-0

Bernhard Knittel (Hrsg.): SGB IX Kommentar. Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderung. Luchterhand Fachverlag (Köln) 2024. 12. Auflage. 1900 Seiten. ISBN 978-3-472-09562-0. D: 149,00 EUR, A: 153,20 EUR.

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Thema

Das SGB IX stellt im Vergleich zu den anderen Büchern des Sozialgesetzbuchs, ein sehr besonderes Gesetzeswerk dar. Bei seiner Einführung 2001 konnte der Gesetzgeber nicht auf eine Bestandsgesetzgebung zurückgreifen, wie das etwa bei der Gesetzlichen Krankenversicherung, Rentenversicherung oder Unfallversicherung der Fall war. Das Recht der Menschen mit Behinderung bestand damals hauptsächlich aus einem arbeitsrechtlichen Teil, dem Schwerbehindertenrecht, und aus rehabilitationsrechtlichen Vorschriften, die damals durch das Rehabilitations-Angleichungsgesetz von 1974 koordiniert worden sind. Der SGB IX-Gesetzgeber konnte deshalb nicht der bei der Kodifikation des SGB gültigen Grundformel „Kodifikation bei begrenzter Sachreform“ folgen (so formuliert von Hans F. Zacher, dem ersten Vorsitzenden der zur Kodifikation des Sozialrechts bestimmten Sozialgesetzbuch-Kommission). Vielmehr war eine grundlegende inhaltliche Konstituierung dieses Rechtsgebiets gefordert. Die letzte große Änderung hat das SGB IX durch das Bundesteilhabegesetz (BTHG) vom 23. Dezember 2016 erfahren.

Herausgeber und Autor:innen

Das Werk wurde von Prof. Dr. Bernhard Knittel begründet. Seit der 12. Auflage wird das Werk von Prof. Dr. Torsten Schaumberg, Professor für Sozialrecht an der Hochschule Nordhausen, herausgegeben.

Die Autor:innen kommen aus Wissenschaft und Praxis: Prof. Dr. Yasemin Körtek (Hochschule der Bundesagentur für Arbeit, Mannheim), Prof. Dr. Jens M. Schubert (ver.di Bundesverwaltung Berlin, Leuphana Universität Lüneburg), Beatrix Tischler (Richterin am LSG München) und Joachim Wurtmann (Fachanwalt für Sozialrecht, Berlin). Bei den Kommentierungen, die noch in der Mitverfasserschaft von Knittel stehen, ist dies in der Autorenleiste entsprechend vermerkt, auch wenn Knittel im Bearbeiterverzeichnis nicht mehr erscheint.

Rechtsstand

Das Werk ist auf dem Rechtsstand vom 31.12.2023. Laut Vorwort sind aber zu diesem Zeitpunkt bereits absehbare Gesetzesänderungen eingearbeitet.

Aufbau und Inhalt

Der Kommentar ist in Gliederung und Aufbau am SGB IX orientiert. Er verfügt über ein Abkürzungs- und ein Literaturverzeichnis. Ein Sach- oder Stichwortverzeichnis fehlt. Der Herausgeber verzichtet auch auf eine Einführung in das Rechtsgebiet. Auch für die einzelnen Teile oder Kapitel werden keine Einführungen oder zusammenfassende Vorbemerkungen geliefert, die sonst für die Nutzer:innen besonders dann hilfreich sein können, wenn man vor der Nutzung der Kommentierungen einer systematischen Orientierung bedarf. Das heißt in der Folge, dass sich das Werk an Nutzer:innen wendet, die in diesem Rechtsgebiet bereits gut zuhause sind.

Diskussion

Die Kommentierungen sind einheitlich nach Bedeutung der Vorschrift, Fassung, Begründung und Anmerkungen gegliedert. Es versteht sich von selbst, dass im Folgenden nur die Besprechung der Kommentierung einiger weniger Vorschriften möglich ist. Dies soll aber orientiert an einem gemeinsamen Thema geschehen: der Teilhabeplanung (§§ 19 bis 21 – Knittel/​Schaumberg) und der Gesamtplanung (§§ 117 bis 122 SGB IX – Wurtmann).

Die Teilhabeplanung und die Gesamtplanung wurden mit dem BTHG neu eingeführt. Es handelt sich um die zentralen Instrumente für die Koordination vorn Rehabilitationsleistungen. Ihnen liegt die Vorstellung von der Selbstbestimmung der Menschen mit Behinderung, also die Sicht auf die individuellen Bedarfe, zugrunde. Die entsprechenden Vorschriften sind von hoher Komplexität geprägt, und für Jurist:innen, die sich nicht tagtäglich mit dem Rehabilitationsrecht befassen, oft nur schwer durchschau- und verstehbar. Ein Beispiel: Während die Gesamtplanung nur im Rahmen des Eingliederungshilferechts (SGB IX – Teil 2) anzuwenden ist, gilt die Teilhabeplanung im Rahmen der Koordinierung aller Rehabilitationsleistungen. Wegen des Nachrangs des Eingliederungshilferechts (§ 91 Abs. 1 SGB IX) könnte man auf den Gedanken kommen, dass die Gesamtplanung nicht mehr einschlägig ist, wenn andere Rehabilitationsleistungen gewährt werden. Dem ist aber nicht so, die Gesamtplanung kann unter bestimmten Voraussetzungen mit einer Teilhabeplanung verbunden werden (vgl. § 119 Abs. 3 SGB IX). Wo finden Nutzer:innen des vorliegenden Kommentars diese Informationen? Sie finden diese Informationen an systematisch richtiger Stelle, nämlich in der Kommentierung zu § 117 SGB IX (unter A. II. der Erläuterungen). Leider wird auf das Verhältnis des Teilhabeplanverfahrens zum Gesamtplanverfahren in den Erläuterungen zum Teilhabeplanverfahren (§ 19 SGB IX) erst sehr spät in Rn. 35 unter der Überschrift „Ergänzende Anforderungen an den Teilhabeplan nach § 21“ hingewiesen. Ein solcher Hinweis auf das mögliche Nebeneinander von Teilhabeplanung und Gesamtplanung an prominenterer Stelle und mit deutlicherer Benennung wäre für manche Nutzer:innen sicher hilfreich für das Verständnis dieser beiden Planungsverfahren.

Ansonsten sind die Kommentierungen zum Teilhabeplan und zur Gesamtplanung wie im Übrigen auch die Kommentierungen zu den anderen Vorschriften sehr klar und ausführlich. Auch der Abdruck der Gesetzesbegründungen zu §§ 19 bis 24 SGB IX ist gerade bei neueren Gesetzen, wie hier, sehr dienlich. Nutzer:innenfreundlich ist auch der Abdruck der entsprechenden Gemeinsamen Empfehlungen. Damit haben die Nutzer:innen alles in der Hand, was für die Rechtsanwendung erforderlich ist.

Fazit

Der von Bernhard Knittel begründete Kommentar zum SGB IX wird in der vorliegenden 12. Auflage von Tosten Schaumberg mit einem neuen Autor:innenteam weitergeführt. Das Werk eignet sich vorzüglich zum Verständnis des hochkomplexen Rechts der Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderung. Die Neuregelungen aufgrund des Bundesteilhabegesetzes werden ebenfalls sachkundig und gut nachvollziehbar kommentiert. Damit kann dieser Kommentar zum SGB IX uneingeschränkt empfohlen werden.

Rezension von
Prof. Dr. Gerhard Igl
(Universitätsprofessor a.D., Universität Kiel)
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Es gibt 53 Rezensionen von Gerhard Igl.

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ISSN 2190-9245