Stefan Wedermann (Hrsg.): Listen to us!
Rezensiert von Prof. Stefan Müller-Teusler, 12.09.2024
Stefan Wedermann (Hrsg.): Listen to us! Einblicke in die "Heimerziehung": Hearing mit jungen Menschen, Eltern und Fachpolitiker*innen im Deutschen Bundestag : Dokumentation des Hearings am 19. September 2022 im Deutschen Bundestag. Internationale Gesellschaft für erzieherische Hilfen (IGfH) (Frankfurt am Main) 2022. 39 Seiten. ISBN 978-3-947704-30-9.
Thema und Entstehungshintergrund
Das vorliegende Heft im DIN A 4 Format ist die Dokumentation eines Hearings mit jungen Menschen, Eltern und Fachpolitiker:innen im Deutschen Bundestag, welches am 19. September 2022 stattgefunden hat.
Herausgeber
Der herausgebende Verband, die Internationale Gesellschaft für erzieherische Hilfen (IGfH ), ist eine bundesweit und – als deutsche Sektion der Fédération Internationale des Communautés Educatives (FICE) – auch international tätige Fachorganisation der erzieherischen Hilfen. Die Hilfen zur Erziehung sind ein Leistungsbereich der Kinder- und Jugendhilfe und umfassen ein breites Spektrum sozialpädagogischer Angebote für Kinder, Jugendliche und ihre Familien.
Aufbau des Buches
Eine Einleitung führt in das Thema ein und zeigt kurz den Kontext bis zum Hearing auf. Diesem Hearing vorausgegangen ist das Zukunftsforum Heimerziehung. Das ist eine Initiative zur Weiterentwicklung der „Heimerziehung“ (Projektlaufzeit: Januar 2019 bis Juni 2021). Darin ging es um „zentrale Entwicklungsbedarfe und Strukturmerkmale gelingender ‚Heimerziehung‘“. Ziel des Projektes war zentrale Empfehlungen herauszuarbeiten und in die Fachwelt und Politik zu transportieren. Das gelang zumindest insoweit, als Vertreter:innen aus dem Zukunftsforum Heimerziehung als Expert*innen an einer Sitzung der Kinderkommission des Deutschen Bundestages teilnahmen. In Workshops wurden die unterschiedlichen Perspektiven und daraus resultierenden Erkenntnisse und Forderungen erarbeitet, die später mit Fachpolitiker:innen erörtert wurden.
Der erste Workshop zeigt die Sichtweise der Jugendlichen auf, welche plakativ abgebildet sind. Dabei wurde der disziplinierende und auch repressive Charakter von Heimerziehung deutlich, der einerseits seine Berechtigung hat, aber andererseits den Bedürfnissen der jungen Menschen nicht immer gerecht wird. In einem zweiten Workshop ging es um diejenigen, die die Heimerziehung bereits hinter sich hatten, um die Careleaver:innen. Zentral sind hier die Forderungen nach Unterstützung im Übergang in das eigenständige Leben. Im dritten Workshop kamen der Eltern zu Wort. Zentrale Forderung ist eine bessere Zusammenarbeit mit den Institutionen der Jugendhilfe. Zu diesen Forderungen gibt es Statements der Poltiker:innen, wobei sich auch zeigte, dass der Kenntnisstand über die Heimerziehung und die Kontexte sehr unterschiedlich war und durch das Forum viele Impulse in die Politik gebracht werden konnten. Im abschließenden Fachgespräch des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wurden 3 zentrale Themen herausgegriffen, die jeweils aus der Perspektive der jeweiligen Gruppe (Eltern, Jugendliche, Careleaver:innen) dargestellt und mit den Ausschussmitgliedern kurz kommentiert wurden. Die Themen waren
- Rechte in der „Heimerziehung“
- In Kontakt bleiben
- Vorurteile abbauen – Entstigmatisierung
Die Politiker:innen zeigten sich beeindruckt von den klaren Forderungen und nahmen zentral das Thema Gerechtigkeit als ein wesentliches mit.
Den Abschluss des Heftes bildet eine Strategiedarstellung der IGfH, wie mehr Selbstvertretungen von jungen Menschen und Eltern ermöglicht werden kann. Das hier vorliegende Hearing ist ein Anfang, aber muss sich auch auf anderen Ebenen noch fortsetzen. Am Ende des Heftes ist das Programm und die teilnehmenden Personen aufgelistet.
Diskussion
Das Heft ist eine Mischung aus einer protokollartigen Dokumentation und comichaftem, plakativem Aufzeigen von berechtigten Forderungen. Diese kurzen, rahmenden Texte erläutern den Zusammenhang für Menschen, die hier nicht im Fachdiskurs stehen und auf diesem Hintergrund die Inhalte des Hearings gut verfolgen können. Die aufgestellten Forderungen machen deutlich, dass und wie die Heimerziehung dringend weiterentwickelt werden muss. Auch wenn an einigen Stellen dieser Dokumentation deutlich wird, dass Jugendhilfemaßnahmen repressiv sind, so ist das kein Pauschalurteil über die Heimerziehung, aber der Auftrag an die Politik und die Ämter der Jugendhilfe, dafür zu sorgen, dass die Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass eine individuelle Betreuung und Begleitung der jungen Menschen möglich ist. Besonders gelungen ist die dreifache Perspektive, die sich hier gebündelt zeigt (Eltern, Jugendliche, Careleaver:innen).
Fazit
Hier liegt eine gelungene Dokumentation vor, die von allen Gruppen (Eltern, Jugendliche, Careleaver:innen, Institutionen, Verbänden und Politiker:innen) gleichermaßen gut genutzt werden kann, weil sie gut Inhalte auf den Punkt bringt und aufzeigt, was dringend notwendig ist. Es liegt nun an den verschiedenen Organisationen und Verbänden, die erarbeiteten Forderungen weiterhin lebendig zu halten, indem die Politik regelmäßig daran erinnert wird.
Rezension von
Prof. Stefan Müller-Teusler
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Zitiervorschlag
Stefan Müller-Teusler. Rezension vom 12.09.2024 zu:
Stefan Wedermann (Hrsg.): Listen to us! Einblicke in die "Heimerziehung": Hearing mit jungen Menschen, Eltern und Fachpolitiker*innen im Deutschen Bundestag : Dokumentation des Hearings am 19. September 2022 im Deutschen Bundestag. Internationale Gesellschaft für erzieherische Hilfen (IGfH)
(Frankfurt am Main) 2022.
ISBN 978-3-947704-30-9.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/32552.php, Datum des Zugriffs 15.10.2024.
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