Katharina L. Schulte, Katharina Szota et al. (Hrsg.): Traumafolgestörungen im Kindes- und Jugendalter
Rezensiert von Prof. Dr. Gertrud Hardtmann, 25.10.2024
Katharina L. Schulte, Katharina Szota, Tina In-Albon, Hanna Christiansen, Christina Schwenck (Hrsg.): Traumafolgestörungen im Kindes- und Jugendalter. Diagnostik und Behandlung von Folgen interpersoneller Gewalt und Vernachlässigung.
Kohlhammer Verlag
(Stuttgart) 2024.
152 Seiten.
ISBN 978-3-17-041468-6.
32,00 EUR.
Reihe: Klinische Psychologie und Psychotherapie bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen.
Herausgeberinnen
Dr. Tina In-Albon ist Professorin für klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Koblenz-Landau, Leiterin der Ambulanz und des Studiengangs Kinder- und Jugendlichentherapie.
Dr. Hanna Christiansen ist Professorin für Klinische Psychologie des Kindes- und Jugendalters an der Universität Marburg, Leiterin der Ambulanz sowie des Kinder- und Jugendlichen-Instituts für Psychotherapie-Ausbildung.
Dr. Christina Schwenck ist Professorin für Förderpädagogische und Klinische Kinder- und Jugendtherapie der Universität Gießen und Leiterin der postgradualen Ausbildung Kinder- und Jugendlichentherapie mit Schwerpunkt Verhaltenstherapie.
AutorInnen
Dr. rer. nat. Katharina L. Schulte ist Kinder- und Jugendlichen Psychotherapeutin und habilitiert für Psychische Gesundheit am Uniklinikum Erlangen mit dem Thema ‚Sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen und Traumatisierung von Kindern und Jugendlichen.
Dr. rer. nat. Katharina Szota ist Klinische Psychologin und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin und vertritt z.Zt. die Professur für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie an der Universität Frankfurt/M. und ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Marburg.
Entstehungshintergrund
Entstehungshintergrund des vorliegenden Titels ist der wachsende Bedarf an gut ausgebildeten Kinder- und Jugendlichentherapeuten.
Inhalt
Den folgenden 7 Kapitel sind jeweils ein Fallbeispiel, Lernziele am Anfang und Überprüfung der Lernziele am Ende beigefügt.
Klassifikation und Erscheinungsbild
Nach Klärung der Begrifflichkeiten und Klassifikationen, werden Traumafolgestörungen und die diagnostischen Kriterien (Akute Belastungsreaktion, Anpassungsstörung, Posttraumatische Belastungsreaktion, Komplexe Störungen) vorgestellt, deren Klassifikation und altersabhängige Erscheinungsformen.
Epidemiologie, Verlauf und Folgen
Lernziele sind die Risiko- und Schutzfaktoren in verschiedenen Altersstufen einzuschätzen. Verläufe von PTBS und dissoziativen Störungen werden vorgestellt.
Komorbidität und Differenzialdiagnostik
Diese Themen werden anhand eines Fallbeispiels behandelt mit dem Fokus auf anhaltende Trauer-, depressive- und Angststörungen. Auch Aufmerksamkeitsdefizite, Störungen des Sozialverhaltens und dissoziative und psychotische Störungen werden beschrieben.
Diagnostik
Es werden Themen wie Erstgespräch, Anamnese behandelt und in der Folge der Befund und die Diagnoseinstrumente (Frageböden, Interviews, Testverfahren, Verhaltensbeobachtung) vorgestellt. Die Befunde werden in der Diagnosenstellung integriert und eine Indikation für ein Behandlungssetting (ambulant oder stationär) erarbeitet. Spätere Rückmeldungen an die Kinder und Jugendlichen und ihre Eltern sind wichtig.
Störungstheorien und -modelle
Ein Kapitel über bedingende Faktoren für Entstehung und Aufrechterhaltung der Störung, über Ätiologie von Traumafolgen (Risiko-, Ereignis-, aufrechterhaltende-, gesundheitsfördernde Faktoren) und über posttraumatische Prozesse und Resultate. Verschieden Modelle werden beschrieben: Zwei-Faktoren-, Furchtstruktur-, Kognitives Model und Modelle einer negativen Interpretation und Spezifika des Traumgedächtnisses wie z.B. anhaltend wahrgenommene Bedrohung und Social-Facilitation-Modell (zwei Fallbeispiele).
Psychotherapie
Aufgezeigt werden hier verschiedene Beispiele für eine Behandlungsantrag und -planung (Voraussetzungen, Rahmenbedingungen, Priore- und Teilziele, Methode und Bausteine). In der Phase der Stabilisierung Psychoedukation und Stabilisierung und in der Traumabearbeitung kognitive –, emotionale – und konfrontative Ziele. Ausführlicher wird auf schwierige Therapiesituationen eingegangen wie Unvollständige Erinnerung, Vermeidung von Konfrontation, Dissoziation, Fehlen von oder selbst belastete Bezugspersonen und Sprachbarrieren. Dann werden verschiedene verhaltenstherapeutische und altersangepasste Behandlungsmodelle vorgestellt.
Psychotherapieforschung
Themen sind die Empirische Evidenz zur Behandlung von PTSB, die Verfahren und Techniken, die Einbeziehung der Eltern, das Setting, Anzahl und Dauer der Sitzungen und adjuvante Verfahren.
Rechtliche Aspekte
Dazu gehören die Aufklärung und Einwilligung, die Schweigepflicht, Kenntnisse über Kindeswohlgefährdung, Offenbarungsbefugnis, Kindschafts- und Opferentschädigungsgesetz, dann Atteste zur Beweissicherung und Überlegungen zur Vereinbarkeit von Therapie und Strafverfahren. Ein spezielles Kapitel ist der psychotherapeutischen Versorgung geflüchteter Kinder und Jugendlicher gewidmet.
Zusammenfassung und Ausblick
Bearbeitet werden bei Traumafolgestörungen die Stabilisierung, Traumabearbeitung und Integration, wobei kognitive Verfahren am besten empirisch untersucht sind. Diagnostisch ist auf Komorbidität zu achten.
Die Diagnosekriterien haben sich verändert (insbesondere bei kleinen Kindern), und eine interdisziplinäre Kooperation und Versorgung hat sich bewährt. Die Behandlungsmöglichkeiten sind immer noch unzureichend. Für eine ausreichende Aus- und Weiterbildung muss gesorgt werden.
Diskussion
Das Buch ist wie ein Lehrbuch zur Vorbereitung aufs Examen verfasst, sehr systematisch aufgebaut mit den Unterkapiteln Klassifikation, Epidemiologie, Komorbidität, Diagnostik und Differentialdiagnostik, Theorien und Modelle von Störungen, Behandlung und Forschung bezüglich Psychotherapie und rechtliche Aspekte. Aufgelockert wird es durch Fallbeispiele, allerdings nur in Bezug auf die Diagnostik, nicht die erfolgte Behandlung. Auf (Prüfungs)lernen ausgerichtet beginnt jedes Kapitel mit den Lernzielen und endet mit einer Überprüfung der Lernziele.
Der stringent systematische Aufbau erleichtert die Übersicht und legt die Grundlagen für ein breit gefächertes Wissen nicht nur über die Art der Störungen, die Erscheinungs- und Risikofaktoren, sondern auch über die Verläufe. Dafür ist es als Lehrbuch mit dem Schwerpunkt auf internationale verhaltens- und familientherapeutische Ansätze in der Therapie zu empfehlen.
Konkrete Beispiele für Behandlungsmethodik und -verläufe werden allerdings nicht dargestellt. Das würde auch den Rahmen dieses schmalen Buches (insgesamt 152 Seiten) sprengen. Doch finden sich dafür in den Literaturangaben Hinweise vor allem in Bezug auf verhaltenstherapeutische Ansätze und weniger – trotz eines gesonderten Kapitels – auf psychotherapeutische und kaum für psychoanalytische Kinder- und Jugendlichentherapeutische Ansätze.
Fazit
Als Prüfungsvorbereitung systematisch und didaktisch geeignet.
Rezension von
Prof. Dr. Gertrud Hardtmann
Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, Psychoanalytikerin
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Zitiervorschlag
Gertrud Hardtmann. Rezension vom 25.10.2024 zu:
Katharina L. Schulte, Katharina Szota, Tina In-Albon, Hanna Christiansen, Christina Schwenck (Hrsg.): Traumafolgestörungen im Kindes- und Jugendalter. Diagnostik und Behandlung von Folgen interpersoneller Gewalt und Vernachlässigung. Kohlhammer Verlag
(Stuttgart) 2024.
ISBN 978-3-17-041468-6.
Reihe: Klinische Psychologie und Psychotherapie bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/32570.php, Datum des Zugriffs 02.11.2024.
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