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Michelle Hildebrandt: Hochfunktionale Depression. Das übersehene Leiden

Rezensiert von Dipl. Soz.-Päd. (FH) Mathias Stübinger, 14.02.2025

Cover Michelle Hildebrandt: Hochfunktionale Depression. Das übersehene Leiden ISBN 978-3-7776-3383-1

Michelle Hildebrandt: Hochfunktionale Depression. Das übersehene Leiden. Ein Aufklärungsbuch. Fallbeispiele und Behandlungsansätze aus kognitiver Verhaltenstherapie, Resilienzforschung und Entspannungsverfahren. S. Hirzel Verlag GmbH (Stuttgart) 2024. 200 Seiten. ISBN 978-3-7776-3383-1. D: 22,00 EUR, A: 22,70 EUR.

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Thema

Depressionen zählen zu den am längsten bekannten psychischen Erkrankungen und wurden bereits von Hippokrates 5. Jhd. v.Chr.) mit dem Begriff „Melancholie“ erwähnt. Depressionen stellen eine sehr heterogene Gruppe an Erkrankungen dar, die als eine der häufigsten Erkrankungen gelten können, da ca. jede vierte Frau und jeder achte Mann einmal im Laufe seines Lebens an einer Depression erkrankt (vgl. z.B. Matten/​Pausch 2024: 143).

Während gerade schwere depressive Episoden oft sichtbar werden und gut diagnostiziert und dokumentiert sind, bleibt eine besondere, unterschätzte Form der Depression häufig – auch von Ärztinnen und Ärzten – unerkannt: die hochfunktionale Depression. Betroffene gehen in der Regel zuverlässig zur Arbeit, erfüllen ihre sozialen Verpflichtungen und wirken im Kontakt eloquent und fröhlich. Auch, wenn diese Menschen innerlich nahezu täglich mit Erschöpfung, Selbstzweifeln und einer tiefen emotionalen Leere kämpfen, werden sie gerade im beruflichen Kontext als besonders leistungsfähig wahrgenommen (vgl. S. 7).

Gerade weil sich diese Form der Depression den klassischen Vorstellungen und Merkmalen entzieht, leben viele Menschen jahrelang mit ihrer inneren Belastung, ohne professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Michelle Hildebrandt möchte mit ihrem Buch Verständnis für die Problematik vermitteln, Unterstützung anbieten und mit der Skizze einer ressourcenorientierten Depressionsbehandlung Wege aus der Erkrankung aufzeigen.

Autorin

Dr. Michelle Hildebrandt studierte Medizin und ist als Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie tätig, ein Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt im Bereich der Verhaltenstherapie und der Sozialmedizin.

Im Hirzel-Verlag (Stuttgart) sind u.a. erschienen:

  • Neurodiät: Wie Sie den Schalter im Gehirn umlegen, um Ihr Hungergefühl in den Griff zu bekommen und endlich schlank zu werden (2019)
  • Die Patientenfänger: Wie man uns Krankheiten einredet (2021)

Aktuell arbeitet die Autorin – wie der Klappentext informiert – als Medizingutachterin.

Aufbau und Inhalt

Neben der Einführung in Thema und Aufbau des Textes gliedert Michelle Hildebrandt ihr sogenanntes Aufklärungsbuch in sieben – unterschiedlich umfangreiche – thematische Kapitel.

Noch ein Buch über Depression

In der kurzen Einleitung führt die Verfasserin in die Problematik der hochfunktionalen Depression ein. Da Menschen, die unter dieser Form der Depression leiden, eine grundlegend hohe Leistungsbereitschaft zeigen, kann dies unter Umständen dazu führen, dass Betroffene seltener an einer schweren Depression erkranken und depressive Episoden schneller überwinden.

Nachdem die Betroffenen aber dennoch vielfach lange Leidenswege erleben und körperlich erschöpfen, werden sie vielfach primär wegen körperlicher Beschwerden behandelt und es folgt der Rat, sich zu entspannen und das (berufliche) Engagement zu reduzieren. Aus Sicht der Autorin wäre es aber falsch, die gezeigte Leistungsbereitschaft zu bekämpfen, sondern als wichtige Ressource in einer – eben ressourcenorientierten – Depressionsbehandlung zu nutzen (S. 9 f.).

Hochfunktionale Depression, das übersehene Leiden

Die Grundlagen der Erkrankung werden über nacherzählte und sicherlich verfremdete Fallbeispiele beleuchtet. Thematisiert wird dabei u.a. die gezeigte Ambivalenz zwischen Leistungsbereitschaft, Fröhlichkeit, Selbstbewusstsein und überraschende Emotionalität oder Gereiztheit – insgesamt eben an vielen Stellen eher untypischen Symptomen in Verbindung mit der Diagnose Depression.

Verwiesen wird auf Dr. Vivek Kumar, der die hochfunktionale Depression als „smiling depression“ bezeichnet, in der die Betroffenen ihre unterschwelligen negativen Gefühle verdrängen und selbst gar nicht wahrnehmen können oder wollen. Selbst schlimme traumatische Lebensereignisse werden mit einem fröhlichen Gesichtsausdruck erzählt, die eigene emotionale Erschöpfung und Überforderungsgefühle überspielt. Es dominiert ein hoher Selbstanspruch und ein starker Leistungswille (S. 15).

Menschen mit einer hochfunktionalen Depression bemühen sich entsprechend Gefühle der Überforderung und der emotionalen Erschöpfung zu kompensieren. Dies funktioniert ggf. im Arbeitskontext eine ganze Weile sehr gut, wenn Prioritäten anders gesetzt und komplexe Aufgaben immer weiter differenziert oder gar delegiert werden (S. 16).

Zur Entspannung werden dann aber so genannte dysfunktionale Bewältigungsstrategien herangezogen – wie ein zwanghafter Medienkonsum, übermäßiger Konsum von Kaffee, Energydrinks oder sogar Amphetamine oder Kokain. Nicht selten berichten Betroffene von einem Heißhunger auf fettige oder süße Lebensmittel und in der Folge einer mit dem Verzehr von Chips oder Schokolade mit einer damit verbundenen Gewichtszunahme (S. 16 f.).

Zusammenfassend verdeutlicht Michelle Hildebrandt „dass sich die klassische Depression eher in zunehmender Passivität äußert, während die hochfunktionale Depression durch Überaktivität und Gereiztheit gekennzeichnet ist. Ausgelöst werden beide Depressionsformen durch anhaltende Überforderungssituationen“ (S. 21).

Wer ist hochfunktional?

Erneut getragen und begleitet von Fallbeispielen aus der Praxis, versucht die Verfasserin, die Auslöser einer Depression zu ermitteln. Neben der Reflexion von Erfahrungen aus der Kindheit geht es bei der Diagnostik vor allen Dingen darum, die verschiedenen Einflüsse auf den bisherigen Verlauf des Lebens zu verstehen.

Entscheidend kann sein, dass bestimmte Denkmuster und Haltungen von Generation zu Generation weitergegeben werden und z.B. eine hohe Leistungsbereitschaft, Anstrengungsverhalten, Verantwortungsbewusstsein oder die Bereitschaft und Fähigkeit, eigene Bedürfnisse aufzuschieben, von Eltern an ihre Kinder weitergegeben werden und so zum festen Bestandteil einer Persönlichkeitsstruktur werden.

Wenn Menschen die Erfahrung machen, dass Anerkennung vor allem für Leistung im beruflichen Kontext zu bekommen ist und für Misserfolge Verantwortung zu übernehmen ist, werden andere Bedürfnisse – vor allen Dingen das Privatleben, Familie und Freundeskreis – zurückgestellt und ein innerer Mangel entsteht (S. 28).

Nachvollziehbar wird in diesem Kapitel geschildert, „wie eine hohe Leistungsbereitschaft zu einer anhaltenden Überforderung und schließlich zu einer depressiven Dekompensation führen kann. Dabei ist nicht die Leistungsbereitschaft an sich problematisch, sondern das zugrunde liegende Motiv. Wenn sich der Selbstwert allein aus Leistungen speist, ist er sehr anfällig für Störungen wie beispielsweise durch Misserfolge oder Fehler“ (S. 36).

Psychotherapie: Risiken und Nebenwirkungen

Das Kapitel beginnt mit dem provozierenden Satz: „Psychotherapie ist Glückssache“ (S. 55). Belegt werden soll diese These mit einer umfangreichen Schilderung des Falles von Mira – einer Studierenden der Volkswirtschaftslehre, die aufgrund eines anhaltenden Leistungsdruckes in der Schule eine Essstörung entwickelt hat und in der Suche nach geeigneten Therapeutinnen und Therapeuten frustrierende Erfahrungen gemacht hat.

Nach der Fallskizze versucht Michelle Hildebrandt – so die eigene Formulierung – „ein bisschen Licht ins Dunkel des Psychotherapiedschungels zu bringen“ (S. 61). In durchaus vielschichtiger, kritischer Form verweist sie darauf, dass nicht jeder, der Psychotherapie anbietet, auch ein zugelassener Psychotherapeut ist.

Unverändert liegt die Zahl der Psychotherapieplätze unter dem vielfältigen Bedarf der Betroffenen, was vielfach eine zermürbende, zeitaufwendige und frustrierende Suche nach einem geeigneten Platz für eine notwendige Behandlung nach sich zieht (S. 63). Natürlich spielen hier die Kosten eine Rolle, denn gesetzliche Krankenversicherungen übernehmen nur die Finanzierung für eine ambulante Psychotherapie bei einem Psychotherapeuten mit einer abgeschlossenen Ausbildung in einem Richtlinienverfahren (S. 65).

Dabei bewilligen Krankenkassen begrenzte Stundenkontingente. Auch, wenn das dazu führt, dass Patientinnen und Patienten wie auch Therapeuten dazu angehalten werden, sich auf die wesentlichen Probleme zu fokussieren, braucht es doch – gerade bei zugrundeliegenden Zwängen und Traumatisierungen – viele Übungen und viel Geduld (S. 68 ff.).

Problematisch ist nach Michelle Hildebrandt, dass die Patientinnen und Patienten selbst häufig zunächst nur eine vage Vorstellung davon haben, was sie wirklich wollen und dass eine differenzierte, partizipative Zielfindung nicht immer im Vordergrund einer Therapie steht (S. 71).

„Dass Psychotherapien häufig solange dauern und mitunter auch nach dem Ausschöpfen des Höchstkontingents noch nicht abgeschlossen werden können, liegt in einigen Fällen daran, dass die betroffenen Patienten schwer oder chronisch erkrankt sind und mehr Zeit benötigen, um die zugrunde liegende Problematik in der Tiefe und nachhaltig aufarbeiten zu können“ (S. 72).

Im Weiteren geht die Autorin jeweils kurz auf die vier Richtlinienverfahren in der Psychotherapieausbildung ein (vgl. S. 78 ff.):

  • Die Grundidee hinter der Verhaltenstherapie ist die Annahme ist, dass ein Symptom – wie die Depression – eine Angststörung oder ein Zwang, Ausdruck einer dysfunktionalen Bewältigungsstrategie ist.
  • Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie basiert auf der Annahme, dass Konflikte und Erfahrungen aus der Kindheit das aktuelle Erleben und Verhalten beeinflussen.
  • Eine analytische Psychotherapie versucht über die freie Assoziation unbewusste Konflikte aufzudecken. Therapeuten nehmen hier die Haltung einer „gleichschwebenden Aufmerksamkeit“ ein und geben an geeigneter Stelle Deutungen in den Prozess, die ein erzählender Patient dann überprüfen kann.
  • Die systemische Therapie ist aus der Familientherapie entwickelt und basiert auf der Annahme, dass jeder Mensch Teil eines sozialen Systems ist und dass alle Mitglieder dieses sozialen Systems miteinander verbunden sind und miteinander auf eine typische Weise interagieren (wenn z.B. ein Familienmitglied erkrankt).

Abschließend thematisiert Michelle Hildebrandtdie Schwierigkeit, dass in einer Psychotherapie – ungeachtet des zugrundeliegenden Richtlinienverfahrens – eine Diskrepanz zwischen den Lebenserfahrungen von Patienten und Therapeuten vorliegen kann (S. 87 ff.).

Was hilft: Die Ressourcen nutzen

Das zentrale und umfangreichste Kapitel beschreibt, wie eine ressourcenorientierte Therapie den Menschen mit einer hochfunktionalen Depression wie auch ihren Angehörigen helfen kann, eine Erkrankung bzw. die erlebten Belastungen zu überwinden.

Ausgehend von der These, dass Menschen mit einer hochfunktionalen Depression von ihrer Persönlichkeitsstruktur Fähigkeiten mitbringen, sich selbst zu organisieren und sich selbst zu helfen, soll zunächst das wichtigste Symptom – das am meisten stört – behandelt werden (S. 91).

Dabei soll nicht nur am Verhalten angesetzt werden, sondern – wie in der modernen kognitiven Verhaltenstherapie üblich – das Denken, Fühlen, Erleben und Handeln gleichermaßen berücksichtigt werden (S. 93 f.).

Ausgangspunkt für die verhaltenstherapeutische Arbeit kann die SORCK Verhaltensanalyse sein, die davon ausgeht, dass bestimmte Verhaltensweisen häufiger gezeigt werden, wenn es dafür eine Form der Belohnung gibt (vgl. hierzu S. 94 ff.).

SORCK steht dabei für

  • S: Stimulus – welcher Reiz wirkt auf uns ein?
  • O: Organismus – welche biologischen/​lerngeschichtlichen Bedingungen gibt es?
  • R: Reaktion – welche Handlung wird durch den Stimulus ausgelöst?
  • C: Konsequenz – welche Folgen hat das Handeln?
  • K: Kontingenz – welche langfristigen Folgen hat kurzfristig entlastendes Verhalten?

Anhand der schon bekannten Fallbeispiele zeigt die Verfasserin nachvollziehbar auf, welche therapeutischen Ansatzpunkte es für Betroffene geben kann.

Zur Reduktion der Grundanspannung, unter der Menschen mit einer hochfunktionalen Depression leiden, empfiehlt Michelle Hildebrandt in kurzen, eher zur weiteren Vertiefung auffordernden Kapiteln Entspannungsverfahren (wie die progressive Muskelentspannung), Bewegung oder Achtsamkeitsmediation.

Differenzierter beschrieben ist im Folgenden das Mindfulness-Based Stress Reduction -Programm als Verbindung von alten buddhistischen Weisheiten mit den Erkenntnissen der modernen Psychotherapie (S. 117 ff.). Naheliegend sind Verweise auf Yoga oder Achtsamkeit im Umgang mit Stress und oder in der Kommunikation.

Empfohlen ist im Weiteren die Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT), deren zentrales Element die Achtsamkeit ist.

Ein umfassenderes Kapitel ist anschließend dem Thema Ressourcenorientierte Psychotherapie gewidmet. Bei diesem Ansatz „geht es genau darum, die individuellen, bereits vorhandene Stärken einer Person herauszuarbeiten und für die Genesung zu nutzen“ (S. 130).

Als innere Stärken und Kompetenzen, die Menschen mit einer hochfunktionellen Depression als Ressourcen mitbringen, zählt Michelle Hildebrandt u.a. Leistungsbereitschaft, Zielorientierung, Motivation, Ehrgeiz, Ausdauer, Schnelligkeit, Struktur, Flexibilität, soziale Kompetenz, Anstrengungsbereitschaft, Frustrationstoleranz oder die Fähigkeit, Bedürfnisse aufzuschieben (S. 130) aber auch den Glauben an die eigenen Fähigkeiten, Herausforderungen zu bewältigen oder eine hohe Selbstwirksamkeit (S. 137 f.) an.

Eine ressourcenorientierte Psychotherapie sollte diese Ressourcen fördern und Betroffene dabei unterstützen, positive Denkmuster und eine optimistische Grundhaltung zu fördern bzw. dies zu stabilisieren. Wenig verwunderlich sind Entspannungstechniken, Sport und regelmäßiger und ausreichender Schlaf als Bewältigungsstrategie benannt (S. 145 f.).

Um dem schlechten Ruf von Psychopharmaka entgegenzuwirken, möchte Michelle Hildebrandt im Unterkapitel Bittere Pillen? Ein Plädoyer für Antidepressiva schließlich mit einigen Mythen um Psychopharmaka und Antidepressiva im Speziellen aufräumen (S. 151 ff.). Nachvollziehbar geht die Verfasserin dabei auf die Ambivalenzen einer medikamentösen Behandlung ein und verweist darauf, dass ohne stressreduzierende Maßnahmen und eine gezielte therapeutische Begleitung ein Behandlungserfolg – allein durch Medikamente – nicht nachhaltig erreicht werden kann.

Rückfälle erkennen und meistern

Ungeachtet der Tatsache, dass es bei Menschen mit einer hochfunktionalen Depression über die ressourcenorientierte Therapie überwiegend positive Behandlungsverläufe gibt, ist – wie bei jeder Erkrankung – die Möglichkeit eines Rückfalls natürlich gegeben.

Menschen können in alte Verhaltensmuster zurückfallen und sich erneut hohen Anforderungen und mit eigenen Ansprüchen konfrontiert werden; auch, wenn die Chancen, den Rückfall erneut zu bewältigen – aufgrund schon gemachter Vorerfahrungen – wieder erfolgreich zu bewältigen, sollte die Sensibilisierung für frühe Anzeichen einer depressiven Episode ein wichtiges Element einer Psychotherapie sein (S. 168).

Bin ich gefährdet? Selbsttest hochfunktionale Depression

Im vorletzten Kapitel bindet die Autorin noch einen kurzen Selbsttest zur Selbstauswertung in ihre Publikation ein. Über 15 Symptome, die ggf. über die letzten drei Monate aufgetreten sind, soll der Leser/die Leserin das eigene Gefährdungspotenzial einschätzen können.

Prävention beginnt in der Kindheit

Im letzten inhaltlichen Kapitel verweist Michelle Hildebrandt noch einmal darauf, dass eine hochfunktionale Depression nicht selten ihren Ausgangspunkt in der Kindheit mit seinen Vorbildern im familiären Umfeld hat.

Jedes Kind braucht daher die Förderung individueller Ressourcen und ein ausgewogener Erziehungsstil, zwischen notwendiger Anpassung und individueller Freiheit. Kinder müssen eigene Erfahrungen machen (dürfen) und Grenzen austesten und entsprechend lernen, welche Konsequenzen das eigene Verhalten hat (S. 178).

Anhang

Am Ende des Buches listet die Autorin einige relevante Links und Adressen, ein Glossar und einige Quellenangaben zu den in Anmerkungen genutzten Literaturquellen auf.

Diskussion

Michelle Hildebrandts Buch bietet einen leicht verständlichen und gut zugänglichen Einstieg in das eher noch wenig beachtete Themenfeld der hochfunktionalen Depression. Anders als ein klassisches Fachbuch richtet es sich eher an Betroffene und Interessierte, die sich mit dieser oft allzu leicht zu übersehenen Form der Depression auseinandersetzen möchten.

Hervorzuheben sind die zahlreichen, differenziert und anschaulich skizzierten Fallbeispiele, in denen sich bestimmt einige Leserinnen und Leser wiederfinden können. Die persönlichen Geschichten ziehen einen „roten Faden“ durch die einzelnen Kapitel und machen das Buch lebensnah und praxisnah. Erkennbar wird, dass die Autorin viele eigene Erfahrungen aus ihrer beruflichen Praxis als Therapeutin und Medizingutachterin einbringen kann, was dem Text eine authentische und empathische Note verleiht.

Allerdings greift das Buch nur wenig auf wissenschaftliche Fachliteratur zurück, und auch Quellenangaben sind eher spärlich in Anmerkungen/im Anhang zu finden. Manche Hinweise auf Entspannungs- und Präventionstechniken wirken doch ein wenig verkürzt und vereinfacht.

Wer eine tiefgehende, akademische Auseinandersetzung mit dem Thema sucht, könnte dies als Schwäche empfinden. Dennoch bietet das Buch wertvolle – erste – Einblicke und praktische Ansätze aus der kognitiven Verhaltenstherapie und Resilienzforschung sowie einige Hinweise auf hilfreiche Entspannungstechniken.

Insgesamt bietet der Text einen guten ersten Zugang zum Themenspektrum und scheint besonders für Menschen geeignet, die sich selbst oder andere in den beschriebenen Mustern wiedererkennen.

Fazit

Das Buch Hochfunktionale Depression. Das übersehene Leiden ist eher ein Lesebuch/ein Erfahrungsbericht als ein wissenschaftlich fundiertes Fachbuch und richtet sich primär an Betroffene sowie interessierte Laien. Es vermittelt die Thematik in einer leicht verständlichen und alltagsnahen Weise, ohne tief in wissenschaftliche Theorien oder Forschungsergebnisse einzutauchen. Dadurch eignet es sich weniger für den Einsatz in Studium, Hochschule oder wissenschaftlicher Forschung.

Wer jedoch einen ersten, gut nachvollziehbaren Zugang zum Thema sucht, wird von den praxisnahen Fallbeispielen und den persönlichen Erkenntnissen und der Empathie der Autorin für die Betroffenen sicherlich profitieren.

Literatur

Matten, Sven J./Pausch, Markus (2024): Depression, Trauma und Ängste, Wiesbaden: Springer Fachmedien

Rezension von
Dipl. Soz.-Päd. (FH) Mathias Stübinger
Diplom-Sozialpädagoge (FH) Lehrkraft für besondere Aufgaben an der Hochschule Coburg, Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit, u.a. in tätig in den Lehrgebieten: Sozialmanagement / Organisationslehre / Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit / Praxisanleitung und Soziale Arbeit für Menschen mit Behinderung.
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Es gibt 34 Rezensionen von Mathias Stübinger.

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ISSN 2190-9245