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Wilfried Windmöller, Ulrich Scheibner (Hrsg.): Von Behinderung befreit

Rezensiert von Sebastian Kron, 27.01.2025

Cover Wilfried Windmöller, Ulrich Scheibner (Hrsg.): Von Behinderung befreit ISBN 978-3-17-045064-6

Wilfried Windmöller, Ulrich Scheibner (Hrsg.): Von Behinderung befreit. Inklusive Alternativen zur Sonderwelt bei Bildung, Arbeit und Wohnen. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2024. 277 Seiten. ISBN 978-3-17-045064-6. 46,00 EUR.

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Thema und Entstehungshintergrund

Behinderungen können Einfluss auf sämtliche Lebensbereiche haben und auch in unterschiedlicher Form in Erscheinung treten. So kann zwischen körperlichen, seelischen/​psychischen und geistigen Beeinträchtigungen unterschieden werden.

Inklusion und die Gleichberechtigung aller Menschen stehen heute im Fokus der Sozialen Arbeit. Sie sind positiv besetzte Begrifflichkeiten, die oftmals als Idealbild betrachtet werden und in ihrem Kern anteilig noch immer illusorisch sind. Die AutorInnen des vorliegenden Buches diskutieren „inklusive Alternativen zur Sonderwelt bei Bildung, Arbeit und Wohnen“.

HerausgeberInnen und AutorInnen

Das vorliegende Buch wurde von Ulrich F. Scheibner und Wilfried Windmöller herausgegeben. Beide waren haupt- oder ehrenamtlich in geschäftsführender Funktion der Bundesarbeitsgemeinschaft der „Werkstätten für behinderte Menschen“ tätig. Neben den beiden Herausgebern, die zeitgleich auch Autoren sind, wirkten sechs weitere AutorInnen an der Gestaltung des Buches mit.

Aufbau und Inhalt

Das vorliegende Buch besteht aus 9 Kernkapiteln:

  1. Die Deutsche Geschichte ist eine Geschichte der Behinderungen
  2. Mein Menschenrecht auf Bildung: unteilbarer, universeller Wert meiner Menschenwürde
  3. Der menschenrechtliche Auftrag: die inklusive Schule für alle
  4. Zu Menschenrechten gibt es keine Alternative. Inklusion: ein Grundbaustein der Demokratie
  5. Transformation der Sonderwelt >>Tages(förder)stätten<< – Inklusion heißt gleichberechtigt mitten unter uns!
  6. Inklusion kennt keine Arbeitspflicht: Dazugehörigkeit und gleichberechtigte Teilhabe muss man sich nicht erst erarbeiten
  7. Teilhabe – uneingeschränkt: die fundamentale Grundfreiheit. Sonderwelten mangelt es an Menschenwürde, Autonomie und Entscheidungsfreiheit
  8. >>Werkstätten<< sind keine Inklusionsstätten. Menschenrechte verlangen die Transformation
  9. Freilassung! – Ein Schritt in Richtung Inklusion. Demokratie, Freiheit und Inklusion gibt es nicht in Sonderwelten

Das Buch diskutiert Inklusion als Ausgangspunkt demokratischer Teilhabe und eines demokratischen Miteinanders. Es schildert dahingehend Vorbehalte und Herausforderungen, welche die Möglichkeiten zur Einbeziehung von Menschen mit Beeinträchtigungen nachhaltig schmälern. Es scheint so, als würden beeinträchtigte Menschen zwar unter dem Deckmantel Inklusion leben, trotz alle dem jedoch unter Stigmatisierungen leiden, sogar in ihrer Lebensführung eingeschränkt sein, weil entweder diese Stigmatisierungen ihr Leben nachhaltig beeinflussen oder sie sich in gewissen Lebensmomenten „abgeschoben“ fühlen und wissen. Diese Entwicklung wird kritisierend an den Grundrechten Bildung, Arbeit und Wohnen geprüft und in einen kausalen Zusammenhang gebracht. Dabei wird der Versuch unternommen, politisch-rechtliche Auffassungen und die Sicht aus der Betroffenenperspektive zu vereinen. Werkstätten und Sondereinrichtungen werden kritisch diskutiert. Zeitgleich zeigt das Buch Handlungsempfehlungen auf, wie „Schwachstellen“ in der deutschen Politik gesehen und angegangen werden könnten. Bei einem Blick in das Buch kommt der Anschein auf, dass Inklusion noch immer wie eine Illusion zu sein scheint, die ihren Auftrag nicht vollends erfüllt. Dies wird unterfüttert mit Beiträgen aus der Historie, die im Kontext aktueller Ausgrenzungsmechanismen gesehen werden. Entlanghangelnd an den rechtlichen Grundlagen, die Bildung, Arbeit und Wohnen als anerkanntes Grundrecht eines jeden Menschen sehen, fokussiert es die Lebenswelt beeinträchtigter Menschen. Daraus resultierend agieren Institutionen noch immer ausgrenzend und damit bewusst beeinflussend auf das individuelle Leben.

Diskussion

Der Begriff Inklusion ist einer der weitverbreitetsten Indikatoren ein gelingendes Leben trotz Beeinträchtigung und Behinderung führen zu können. Er ist deshalb in der heutigen, modernen Sozialen Arbeit kaum wegzudenken. Hinterfragt werden kann dieser Begriff jedoch genau dann, wenn beispielsweise Menschen mit seelischer Beeinträchtigung täglich darum kämpfen müssen, von der Gesellschaft mit all ihren Fähigkeiten vollends anerkannt zu werden, wenn mittels Leistungstest bereits in jungen Jahren, einer Phase, in der das junge Wesen „reift“ und körperlichen, seelischen Veränderungen sowie schulischem und außerschulischem Stress ausgesetzt ist, über eine Zukunft in Sondereinrichtungen beschieden wird, Potenziale dabei vielfach aus den Augen verloren werden. Fraglich ist dieser Begriff auch, wenn Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen stetig Barrieren überwinden, sich auf Arbeit oder im Beruf anpassen müssen und ein barrierefreies Handeln erschwert ist. Alles das sind Beispiele, die zum Nachdenken animieren, wenn von Inklusion die Rede ist, wenn davon die Rede ist, alle Menschen vollends dort „abzuholen“, wo sie sich gerade befinden. Daher braucht diese Debatte (weiterhin) einen vollends kritisch-reflexiven Blick über das, was Soziale Arbeit leisten kann und müsste, wenn es um eine inklusive Gesellschaft gehen soll.

Fazit

Das Buch zeigt die Grenzen eines modernen, meistdiskutierten Begriffs der Sozialen Arbeit auf. Es thematisiert in einem praktisch-rechtlich-reflexiven Rahmen die Bedeutung der Inklusion in einer modernen Gesellschaft. Helfende Berufsgruppen, die Erfahrungen und Wissensbestände stetig kritisch hinterfragen, können von diesem Werk, auch oder insbesondere durch den Blick Betroffener, durchaus profitieren.

Rezension von
Sebastian Kron
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Es gibt 19 Rezensionen von Sebastian Kron.

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ISSN 2190-9245