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Christoph Gille, Andrea Walter et al. (Hrsg.): Zivilgesellschaftliches Engagement und Freiwilligendienste

Rezensiert von Dr. phil. Hubert Kolling, 30.01.2025

Cover Christoph Gille, Andrea Walter et al. (Hrsg.): Zivilgesellschaftliches Engagement und Freiwilligendienste ISBN 978-3-7560-0397-6

Christoph Gille, Andrea Walter, Hartmut Brombach, Benjamin Haas, Nicole Vetter (Hrsg.): Zivilgesellschaftliches Engagement und Freiwilligendienste. Handbuch für Wissenschaft und Praxis. edition sigma im Nomos-Verlag (Baden-Baden) 2024. 922 Seiten. ISBN 978-3-7560-0397-6. 128,00 EUR.
Reihe: NomosHandbuch.

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Thema

Das vorliegende Handbuch bietet anhand einer Vielzahl von wissenschafts- und praxisorientierten Beiträgen einen ausführlichen und fundierten Überblick über zentrale Erkenntnisse zu zivilgesellschaftlichem Engagement und Freiwilligendiensten.

Herausgeber:innen

Für die Herausgabe des Bandes zeichnen sich Christoph Gille, Andrea Walter, Hartmut Brombach, Benjamin Haas und Nicole Vetter verantwortlich.

Prof. Dr. Christoph Gille, ist Hochschullehrer für Soziale Arbeit in Kontexten von Armut und Ausgrenzung an der Hochschule Düsseldorf. Er arbeitet zur Teilhabe am Sozialen in Situationen sozialer Ausschließung wie Wohnungs- oder Arbeitslosigkeit, zum Verhältnis Sozialer Arbeit und Sozialpolitik und zu akteursbezogenen Forschungsperspektiven.

Prof.in Dr.in Andrea Walter ist Hochschullehrerin für Politikwissenschaft und Soziologie an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen (NRW) am Studienort Dortmund. Sie forscht und publiziert zum zivilgesellschaftlichen Engagement, insbesondere zur Bedeutung von Engagement in der Daseinsvorsorge und lokaler Governance zwischen Kommunen und zivilgesellschaftlichen Organisationen.

Hartmut Brombach M.A. war von 2000 bis 2020 beim Internationalen Bund e.V. verantwortlich für Freiwilligendienste und bürgerschaftliches Engagement. Von 2008 bis 2012 war er einer der beiden Sprecher des BAK FSJ (Bundesarbeitskreis Freiwilliges Soziales Jahr) und von 2012 bis 2014 Mitglied im Beirat vom BFD (Bundesfreiwilligendienst).

Benjamin Haas M.A. war bis März 2025 wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Geschäftsstelle der Sachverständigenkommission des Vierten Engagementberichts der Bundesregierung an der Universität Siegen. Zuvor war er von 2016 bis 2022 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Sozialpolitik und Methoden der qualitativen Sozialforschung an der Universität zu Köln. Er publiziert zu (internationale) Freiwilligendiensten und Entwicklungspolitik und ist freiberuflich als Berater, Moderator und Trainer für nationale und internationale NGOs (Non-Governmental Organisation – Nichtregierungsorganisationen), Verbände und Ministerien tätig.

Dr.in Nicole Vetter ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Institut für interdisziplinäre Sozialpolitikforschung an der Universität Duisburg-Essen. Ihre methodische Expertise liegt im Feld der qualitativen Sozialforschung.

Die Herausgeber:innen sind alle auch Mitherausgeber:innnen der Fachzeitschrift „Voluntaris – Zeitschrift für Freiwilligendienste und zivilgesellschaftliches Engagement“ (www.voluntaris.de). Das im Jahr 2012 als „Zeitschrift für Freiwilligendienste“ von Dr. Jörn Fischer (Universität zu Köln), Benjamin Haas (Universität zu Köln) und Sonja Richter (Universität Lüneburg/​Universität Bamberg) ins Leben gerufen und erstmals 2013 erschienene Publikationsorgan versteht sich als wissenschaftlich orientierte Informations-, Diskussions- und Dokumentationszeitschrift für den Bereich Freiwilligendienste und zivilgesellschaftliches Engagement (https://voluntaris.de/ueber-uns/). Die von einem seit 2020 erweiterten Herausgeberkreis verantwortete Zeitschrift erscheint seit 2022 in Trägerschaft des „Vereins Voluntaris – Verein zur Förderung von Wissenschaft und Forschung zu zivilgesellschaftlichem Engagement und Freiwilligendiensten e.V.“, zu dem auch das Voluntaris-Schwesterprojekt „Interdisziplinäre Studien zu Freiwilligendiensten und zivilgesellschaftlichem Engagement (ISZF)“ gehört.

Bei den an dem Handbuch beteiligten rund 130 Autor:innen handelt es sich um ausgewiesene Expert:innen verschiedener Disziplinen, wie z.B. der Soziologie, Politologie, Pädagogik, Soziale Arbeit, Kultur-, Verwaltungs- und Rechtswissenschaft.

Entstehungshintergrund

„Zivilgesellschaftliches Engagement und Freiwilligendienste“ erscheint in der Reihe „Nomos Handbuch“, in der herausragende Handbücher aus den Disziplinen und Forschungsfeldern der Sozial- und Geisteswissenschaften verlegt werden, darunter beispielsweise die Bände

Wie Christoph Gille, Andrea Walter, Hartmut Brombach, Benjamin Haas und Nicole Vetter in der Einführung zu ihrem Werk schreiben, haben die Konzeption und die Entwicklung der Veröffentlichung ihren Ausgangspunkt im Team der Voluntaris-Zeitschrift.

Mitglieder des „Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V.“ erhalten das Handbuch – aus nicht näher angegebenen Gründen – zu einem zehn Euro günstiger Sonderpreis, was bei einem Verkaufspreis von 129 Euro eine gewisse Entlastung ist.

Aufbau

Das gut 932 Seiten starke Handbuch umfasst nach der „Einführung“ (S. 15–21) insgesamt 87 wissenschafts- und praxisorientierte Beiträge, die in die folgenden acht Bereiche unterteilt sind:

  1. Diskurse (S. 25–209)
  2. Geschichte (S. 213–242)
  3. Organisationen und Formen (S. 245–380)
  4. Ausgewählte Felder und Engagierte (383-516)
  5. Bildung und Begleitung (519-584)
  6. Rahmenbedingungen und Förderung (587-682)
  7. Internationale Perspektiven (685-791)
  8. Forschung (795-903).

Ergänzt wird die Darstellung durch ein Verzeichnis der Autor:innen (S. 905–923) und ein umfangreiches Register (S. 925–932).

Inhalt

Der 1. Bereich („Diskurse“), der 14 Beiträge vereint, gibt einen Überblick zu grundlegenden Diskursen, die für zivilgesellschaftliches Engagement und Freiwilligendienste eine Rolle spielen. Dabei werden auch zentrale Begriffe und Themen vorgestellt und geklärt, darunter beispielsweise „Zivilgesellschaft“, „Freiwilligendienste“, „Bezahlte und unbezahlte Arbeit“, „Soziale Bewegungen“, „Inklusion“ und „Die Dunkle Seite der Zivilgesellschaft“.

Der 2. Bereich („Geschichte“), der lediglich zwei Beiträge enthält, bietet pointiert eine historisch-gesellschaftliche Einordnung des zivilgesellschaftlichen Engagements und der Freiwilligendienste.

Im 3. Bereich („Organisationen und Formen“), der 14 Beiträge umfasst, wird einerseits der Organisationskontext von Engagement erklärt, andererseits seine unterschiedlichen Formen und Ausprägungen. Neben Organisations- und Rechtsformen geht es dabei etwa um die Freiwilligendienste im Inland, die Freiwilligendienste im Ausland, Incoming-Freiwilligendienste und das Ehrenamt, ebenso wie Patenschaften und Mentoring, Digitales Engagement, Spenden und Charity sowie Informelles Engagement, Bürgerbeteiligung, Selbstorganisation und Protest.

Der 4. Bereich („Ausgewählte Felder und Engagierte“) skizziert mit 16 Beiträgen ausgewählte Engagementfelder sowie Engagierte in spezifischen Lebensphasen im Spiegel aktueller Entwicklungen und geht dabei auf vorzufindende Formen von Engagement und Feldspezifika ein. Beispielsweise seien hierzu die Felder „Alter“, „Frieden“, „Jugendarbeit“, „Katastrophenschutz“, „Kultur“, „Migration und Flucht“, „Schule und Bildung“, „Sport“, „Straffälligenhilfe" sowie „Wohnen“ genannt.

Die sieben Beiträge des 5. Bereich („Bildung und Begleitung“) setzen sich konzeptionell mit dem Verständnis und der praktischen Bedeutung von Bildung und Engagement – mit einem besonderen Fokus auf Freiwilligendienste – auseinander. Näher in den Blick genommen werden dabei etwa die „Politische Bildung“, „Globales Lernen und Bildung für nachhaltige Entwicklung“ wie auch „Strategisches Freiwilligenmanagement“ und die „Qualität in Freiwilligendiensten“.

Im 6. Bereich („Rahmenbedingungen und Förderung“), der 11 Beiträge umfasst, werden die strukturellen Rahmungen, in der sich zivilgesellschaftliches Engagement und Freiwilligendienste bewegen, erklärt. Schwerpunkte liegen dabei auf den politischen Förderstrukturen in Kommunen, Bundesländern, Bund und EU, den rechtlichen Rahmenbedingungen und der Gestaltung inklusiver Strukturen.

Die 11 Beiträge des 7. Bereichs („Internationale Perspektiven“) machen auf relevante Entwicklungen zu zivilgesellschaftlichem Engagement und Freiwilligendiensten in europäischen und globalen Kontexten Aufmerksam. Vorgestellt wird dabei der Engagementdiskurs in anderen Ländern (darunter Österreich, Schweiz, Frankreich, Osteuropa, Vereinigtes Königsreich und Skandinavien), aber auch Themen, die Engagement als transnationales und globales Phänomen einordnen.

Der 8. Bereich („Forschung“), der 11 Beiträge umfasst, widmet sich ausgewählten methodischen und methodologischen Zugängen zu Engagement und Freiwilligendiensten. Neben einer Übersicht über die verschiedenen Surveys, die zum Monitoring von Engagement Verwendung finden, werden Beispiele vorgestellt, wie Engagement wissenschaftlich erkundet werden kann, von quantitativen über praxeologischen bis zu partizipativen Zugängen.

Erschlossen wird der Band durch ein ausführliches Stichwortverzeichnis („Register“) am Ende des Buches.

In ihrer Einführung geben die Herausgeber:innen eine kompakte Übersicht zu Entwicklungen und Kontinuitäten der Debatten, Akteure und Formate des bürgerschaftlichen Engagements und Freiwilligendienste, die sich in gesellschaftlichen Diskursen niederschlagen: „Die auch umstrittenen Verständnisse offenzulegen und Orientierung über Diskurse, wissenschaftliche Zugänge und wichtige Erkenntnisse zu geben,“ ist demnach das zentrale Anliegen des Handbuchs. Die Veröffentlichung verfolge dabei „vier übergeordnete Ziele“ (S. 17–18):

  • Übersicht und Orientierung: Das Handbuch möchte „als nützliches Nachschlagewerk“ dienen, in dem Diskurse, Akteure, Formate, Rahmenbedingungen und Erkenntnisse zum Feld übersichtlich dargestellt werden. Alle am Thema Interessierten sollen so „einen fundierten Einblick in das Themenfeld erhalten“.
  • Fokus Freiwilligendienste: Neben dem zivilgesellschaftlichen Engagement im Allgemeinen möchte das Handbuch „ein besonderes Augenmerk“ auf die Freiwilligendienste richten, die in den vergangenen Jahren in Deutschland sowohl qualitativ als auch quantitativ an Bedeutung gewonnen haben.
  • Raum für kritische Perspektiven: Das Handbuch möchte „gerade auch kritische Perspektiven, Wissensbestände und Diskurse“ abbilden, die zivilgesellschaftliches Engagement und Freiwilligendienste in ihren Ambivalenzen, Verstrickungen und Verflechtungen mit gesellschaftlichen Machtverhältnissen diskutieren.
  • Einbindung diverser Perspektiven: Das Handbuch möchte Autor:innen aus wissenschaftlichen Kontexten genauso zu Wort kommen lassen wie jene mit Erfahrungen und Kenntnissen in stärker praxisorientierten Zusammenhängen.

Diskussion

Dank der vor mehr als zwanzig Jahren vom Deutschen Bundestag eingesetzten Enquete-Kommission „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“, die ihren Abschlussbericht (BT-Drucksache 14/8900) am 3. Juni 2002 vorlegte, erfuhr die Engagementforschung in Deutschland einen großen Aufschwung. Dementsprechend stieg die Anzahl wissenschaftlicher Basis- und Überblicksliteratur stetig an, wobei auch die regelmäßige politische Berichterstattung (Freiwilligensurvey; Engagementberichte der Bundesregierung) hier einen wichtigen Beitrag leistet, genauso wie das seit 2012 erscheinende „Jahrbuch Engagementpolitik“ (https://www.socialnet.de/rezensionen/​27749.php; https://www.socialnet.de/rezensionen/​27478.php)

des Bundesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement (BBE) und die seit 2011 von Jörn Fischer und Benjamin Haas herausgegebene Schriftenreihe „ISZF – Interdisziplinäre Studien zu Freiwilligendiensten und zivilgesellschaftlichem Engagement“.

Das letzte Überblickswerk erschien unterdessen, mit dem von Thomas Olk und Birger Hartnuß herausgegeben „Handbuch bürgerschaftliches Engagement“ (Weinheim 2011) (https://www.socialnet.de/rezensionen/​12440.php und https://www.socialnet.de/rezensionen/​10143.php), vor mehr als zehn Jahren. Von daher ist es aus Sicht der Wissenschaft und Praxis sehr zu begrüßen, dass nunmehr mit dem Handbuch „Zivilgesellschaftliches Engagement und Freiwilligendienste“ ein umfassendes Überblickswerk vorliegt, in dem der aktuelle theoretische und methodische Forschungsstand dargelegt wird.

Insgesamt betrachtet führt das Handbuch verständlich und kompakt in zentrale Wissensbestände ein, wobei auch aktuelle Entwicklungen wie Digitalisierung und Diversifizierung von Engagement ebenso betrachtet werden wie kritische Perspektiven, die Engagement in seinen Ambivalenzen und Verstrickungen mit gesellschaftlichen Machtverhältnissen sichtbar machen.

Die einzelnen Beiträge, die einen Umfang von jeweils 12 bis 14 Seiten haben, folgen einer klaren Struktur, zu der neben einem Abstract und einer Einleitung jeweils auch drei (kommentierte) Literaturempfehlungen zur Vertiefung des jeweiligen Inhalts sowie ein – für die weitergehende Beschäftigung mit dem jeweiligen Thema nützliches – Literaturverzeichnis gehören. Gelegentlich werden einzelne Stichworte durch Kästchen besonders hervorgehoben.

Trotz des immensen Umfangs, die das Handbuch hat, erlaubt seine systematische Gliederung schnell zu inhaltlich relevanten Beiträgen zu gelangen. Äußerst nützlich sind hier auch die Verweise innerhalb der Texte, die zu Beiträgen des Handbuchs mit vertiefendem Charakter führen.

So umfangreich das Handbuch auch ist, kommen nicht alle Freiwilligendienste zur Sprache. So bleibt sowohl in den Beiträgen von Dr. Jörn Fischer (freiberuflich tätig in der Entwicklungspolitik sowie assoziierter Wissenschaftler am Lehrstuhl für Vergleichende Politikwissenschaft an der Universität zu Köln) über „Freiwilligendienste im Ausland“ (S. 269–277), Dr.in Sarah Haase (Referentin für interdisziplinären Dialog am Wissenschafts- und Kulturzentrum der Hochschule Coburg) über „Frankreich“ (S. 709–716) sowie Beate Brockmann (Referentin der Netzwerkstelle Städtepartnerschaften der Auslandsgesellschaft e.V. in NRW) und Dr. Kai Pfundheller (Leiter des Institut für Politische Bildung der Auslandsgesellschaft e.V. in NRW) über „Binationales Engagement“ (S. 755–762), in dem es auch einen Abschnitt über die Städtepartnerschaften zwischen Deutschland und Frankreich gibt, etwa der „Deutsch-Französische Freiwilligendienst“ (DFFD) unerwähnt.

Einige politische Positionen und Forderungen des BBE (Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement), wie sie seit vielen Jahren in „Voluntaris“ vertreten werden, blicken gelegentlich auch im Handbuch durch, wobei insbesondere die Rolle des Staates besonders kritisch in den Blick genommen wird. So macht etwa Prof.in Dr.in Gisela Jakob, Mitglied der Konferenz Evangelischer Freiwilligendienste und bis September 2023 Hochschullehrerin für Theorien der Sozialen Arbeit an der Hochschule Darmstadt, in dem Beitrag über „Freiwilligendienste“ (S. 69–80) darauf aufmerksam, dass sich mit der Einrichtung des Bundesfreiwilligendienstes (BFD) auch die staatliche Einflussnahme auf die Freiwilligendienste verstärkt hat. Damit sei das seit Jahrzehnten tragende und sorgfältig ausbalancierte Kooperationsmodell zwischen staatlicher Politik und zivilgesellschaftlichen Organisationen, das sich am Subsidiaritätsprinzip orientiert, „aufgeweicht“ worden. Die zentrale Umsetzung des BFD, einschließlich der Auswahl und Vertragsschließung mit den Teilnehmer:innen sowie der politischen Bildung, läge nun in der Zuständigkeit des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA). Wörtlich hält sie dazu fest: „Das BAFzA fungiert dabei in einer ordnungspolitisch problematischen Doppelstruktur als politisch steuernde Instanz einerseits und als Zentralstelle andererseits, die in Kooperation mit lokalen Einsatzstellen und Anbieter von Plätzen auftritt. Mit dem BFD und den eingerichteten Zentralstellen hat sich die Nähe und Abhängigkeit der Freiwilligendienste von politischen und ministeriellen Entscheidungen nochmals verstärkt“ (S. 75).

Ähnlich argumentiert Susanne Hilf M.A., Geschäftsführerin der Landesvereinigung Kulturelle Bildung Hessen e.V., die in ihrem Beitrag „Bildung und Begleitung in Freiwilligendiensten“ (S. 529–537) darauf hinweist, dass mit Ausnahme der fünf Tage politische Bildung im BFD (Bundesfreiwilligendienst) die Träger im Sinne der Subsidiarität sowohl die konkrete Bildungsarbeit als auch die kontinuierliche individuelle Begleitung autonom verantworteten. Eine Ausnahme bilde die Möglichkeit, dass Einsatzstellen sich direkt dem BAFzA anschließen können, das neben seinen administrativen Tätigkeiten als Behörde des BMFSFJ (Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) zugleich als Zentralstelle für FSJ (Freiwilliges soziales Jahr) und BFD fungiert, was gerade im Kontext der Bildung problematisch sei. Ein seit Einführung des BFD „schwelender Kritikpunkt seitens der Trägerverbände“ betreffe die Seminarwoche politische Bildung, die für BFDler:innen verpflichtend und von der restlichen Seminargestaltung abgekoppelt ist. Da sie in einem der Bildungszentren des Bundes absolviert werden muss, entstehe „ein für die Freiwilligendienste ungewöhnlich dirigistischer Eingriff des Bundes: Hier wird die Bildungsautonomie der zivilgesellschaftlichen Zentralstellen eingeschränkt“ (S. 533). Zudem zeuge es von einem wenig zeitgemäßen Verständnis politischer Bildung, wenn dieses Bildungsangebot „primär auf faktische Wissensvermittlung“ fokussiert sei. Die aktualisierte pädagogische Richtlinie BFD betone zwar Vielfalt, offenbare aber „tendenziell ein Zweckkalkül“ (S. 534).

Unterdessen wird man einen Beitrag, der über die Arbeit der 17 „Bildungszentren des Bundes“ sowohl hinsichtlich der Begleitseminare (Bildungstage) im Allgemeinen wie die der Politischen Bildung im Besonderen berichtet, vergeblich suchen.

Sieht man hiervon ab, bietet das umfassende Handbuch „Zivilgesellschaftliches Engagement und Freiwilligendienste“, das sich an ein breites Spektrum von Leser:innen wendet, als Nachschlagewerk wie anregende Referenzquelle gleichermaßen Forschenden, Lehrenden, Studierenden an Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen sowie Praktiker:innen und Engagierten in Organisationen, die im Kontext von Freiwilligendiensten und zivilgesellschaftlichem Engagement tätig sind, fundiertes Grundlagenwissen. Darüber hinaus kann es aber auch Führungskräften und andere Personen, die sich beispielsweise in Vereinen, Verbänden, Ministerien, Parteien, Kirchen und Stiftungen mit Themen und Fragestellungen rund um Freiwilligendienste und zivilgesellschaftliches Engagement beschäftigen, wertvolle Dienste leisten, ebenso wie ehemaligen, aktuellen und zukünftigen Freiwilligen und Engagierten, die sich tiefergehend für die Thematik interessieren. Unterdessen dürfte der stolze Preis des Handbuchs, so empfehlenswert es auch ist, ein breites Lesepublikum (zumindest vom Kauf desselben) abschrecken.

Fazit

Das Handbuch „Zivilgesellschaftliches Engagement und Freiwilligendienste“ sollte von allen zur Kenntnis genommen werden, die sich in irgendeiner Form mit Themen und Fragestellungen rund um Freiwilligendienste und zivilgesellschaftliches Engagement beschäftigen.

Rezension von
Dr. phil. Hubert Kolling
Krankenpfleger, Diplom-Pädagoge und Diplom-Politologe
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Es gibt 192 Rezensionen von Hubert Kolling.

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ISSN 2190-9245