Daniela Schiek: Methoden der qualitativen Sozialforschung
Rezensiert von Prof. Dr. Christian Philipp Nixdorf, 07.02.2025

Daniela Schiek: Methoden der qualitativen Sozialforschung.
transcript
(Bielefeld) 2024.
276 Seiten.
ISBN 978-3-8252-6234-1.
D: 29,00 EUR,
A: 29,80 EUR,
CH: 36,60 sFr.
Reihe: utb exam.
Autor
Dr. phil. habil. Daniela Schiek ist Professorin für Methoden der empirischen Sozialforschung mit dem Schwerpunkt qualitative Methoden an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld und Mitglied im Vorstand der Sektion „Methoden der qualitativen Sozialforschung“ in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie.
Thema
Was ist qualitative Sozialforschung? Wie lässt sich diese gestalten? Wofür ist sie gut? Wie kann man vorgehen, auf was sollte man achten und wo liegen mögliche Fallstricke im Erheben und Auswerten von Daten. Das sind Fragen, die Daniela Schiek in ihrem Einführungswerk Methoden der qualitativen Sozialforschung beantwortet. Das Buch ist angereichert mit zahlreichen Beispielen, Erläuterungen, Literaturtipps und Übungen, was es insbesondere für Studierende interessant macht, die sich ein Grundlagenwissen zur qualitativen Sozialforschung aneignen wollen. Diverse typische Fragen, die sich Studierende im Hinblick auf qualitative Forschung oft stellen, werden im Buch aufgegriffen und beantwortet.
Aufbau und Inhalt
Das 2024 im transcript Verlag erschienene Lehrbuch hat 274 Seite und ist in 13 Kapitel unterteilt. Die Autorin beginnt mit einem einführenden Kapitel über qualitative Sozialforschung, in dem sie deren Grundlagen erläutert. Sie benennt die Merkmale und Ziele dieser Forschungsform(en) sowie ihre Anforderungen und Gütekriterien. Im Rahmen dessen macht sie deutlich, dass mit »qualitativer Sozialforschung« in den Sozialwissenschaften kein einheitlich gebrauchter Begriff verbunden sei. Es würden oftmals zwei Positionen unterschieden.
Die eine sei eine Position, „die empirische Sozialforschung als dem Wesen nach quantitativ begreift und aus dieser Perspektive auch qualitative Methoden verwendet und/oder lehrt“ (S. 12). Das Programm der quantitativen Forschung werde dieser Position folgend weitestgehend auf qualitative Verfahren übertragen, wobei insbesondere Leitfadeninterviews, Fokusgruppen und qualitative Inhaltsanalysen präferiert würden, die stark von den Forscher:innen strukturiert oder sogar standardisiert würden. Qualitative Methoden seien dieser Position folgend „kein eigener Forschungsansatz, sondern ein aus der Perspektive der quantitativen Forschung verstandenes und von ihr abhängiges Element“ (ebd.).
Die andere Sichtweise begreife Methoden der qualitativen Sozialforschung „als selbstständiges Fachgebiet mit eigenen Forschungszielen, Fragestellungen und einer spezifischen Forschungslogik“ (S. 12). Hier würden Ziele, Merkmale und Gütekriterien qualitativer Sozialforschung eigenständig bestimmt. Sie stellten somit keine Adaption an die quantitative Forschungslogik dar. Qualitative Sozialforschung nicht unter dem Dach quantitativer Methoden zu behandeln, hat der Autorin zufolge den Vorteil für Studierende, dass diese „die Forschungsansätze besser auseinanderhalten und verstehen [können], warum es qualitative Sozialforschung überhaupt gibt und wie man sie gewinnbringend praktiziert“ (S. 13).
Es sei keineswegs falsch, aus der quantitativen Perspektive qualitativ zu arbeiten oder Methoden und Ansätze miteinander zu kombinieren (Mixed Methods Ansatz; Methodische Triangulation). Die Grenzen zwischen verschiedenen Ansätzen seien oft fließend. Gleichwohl könne es zum Verständnis beitragen, schreibt Schiek, sich den Forschungsmethoden „zunächst über ihre radikale Abgrenzung bzw. von den extrem verschiedenen Seiten zu nähern“ (S. 13). Dergestalt abgegrenzt werden sie auch vorgestellt. Das Ziel des qualitativen Forschungsprogramms sei es, „die Regeln des Feldes zu entdecken und Probleme wie auch ihre Lösungen aus der Sicht der Akteur:innen zu durchdringen“ (S. 16). In der qualitativen Forschung würden Untersuchungen daher nicht mit zu testenden Hypothesen begonnen oder vorab nach allgemeinen Regeln klassifiziert.
Ziele qualitativer Sozialforschung könnten vielmehr die Rekonstruktion von Sinn(strukturen) am konkreten Fall und die Entdeckung von Neuem sein. Offenheit und Reflexivität seien diesbezüglich essenziell. Qualitativen Forschung fände häufig nicht in Laboren, sondern an einem »natürlichen« Ort statt. Die starke Orientierung am Gegenstand und die laufend vorzunehmenden Anpassungsleistungen setzten voraus, „dass qualitativ Forschende selbst ihre Daten generieren und dies nicht an fach- und projektfremdes Personal bzw. Institute oder Labore auslagern“ (S. 18). Sich Zugang zum „Feld“ verschaffen und Teilnehmer:innen für die Forschung zu rekrutieren zählten dabei mit zu den aufwendigsten Phasen im qualitativen Forschungsprozess. Es müsste hierfür viel Zeit eingeplant werden und es sollte nicht zu spät damit begonnen werden.
Wie tief qualitative Forscher:innen ins Feld gingen und wie sich dieser erschlössen, hänge von ihrem Forschungsinteresse und von der jeweiligen Methodenwahl ab. Wichtig zu verstehen sei auch, dass das zu untersuchende Problem in qualitativer Forschung nicht von vornherein genau definiert werde, „da die Konkretisierung im Sinne einer Rekonstruktion der Teilnehmer:innenkonstruktionen gerade das Ziel bzw. die Aufgabe qualitativer Forschungsprojekte und Unbestimmtheit ein Merkmal sozialer Wirklichkeit“ sei (S. 19). Man benötige natürlich auch bei qualitativer Sozialforschung eine Problemstellung, um Wirklichkeitsbereiche untersuchen zu können, die Fragestellung werde aber vorab nicht vollständig determiniert, „sondern erst allmählich immer stärker eingegrenzt und laufend modifiziert“ (S. 20).
Etwas, was sich durch den gesamten qualitativen Forschungsprozess ziehe, sei das theoretische Sampling, also die wechselseitige Justierung von Fragestellung, Beforschten und Methoden. Das sei „die Strategie, um die Teilnehmer:innenperspektiven nachvollziehen und mit bisherigem (theoretischem) Wissen in den Dialog bringen zu können“ (S. 22). Das theoretische Sampling beinhalte, dass „Fragestellung und Untersuchungsgegenstand, Fälle und Daten sowie Analyse und Theorie nicht getrennt aufeinander folgen und das eine einseitig aus dem anderen abgeleitet wird. Stattdessen werden Fälle, theoretische Konzepte und die Problemstellung die ganze Zeit parallel und wechselseitig reflektiert und verändern sich dementsprechend immer wieder miteinander“ (S. 23).
Bedeutend sei in der Forschung die theoretische Sättigung, worunter zu verstehen sei, dass Forscher:innen „durch Hinzuziehen neuer Informationen im Zuge des theoretischen Samplings keine neuen Erkenntnisse mehr gewinnen“. Hinsichtlich der Frage, wie viele Fälle beforscht werden müssten (z.B. durch teilnehmende Beobachtung und/oder Interviews), ließe sich nichts a priori festlegen, betont Schiek. „Zwar lassen sich mit zunehmender Forschungserfahrung und dem vorhandenen Wissen über das empirische Feld ungefähre Größen einschätzen, die vom Gegenstand und der gewählten Methode abhängig sind. Es lassen sich deshalb aber keine Standardzahlen berechnen, nachschlagen und lehren“ (S. 25). Es gehe bei der qualitativen Sozialforschung auch nicht um die Herausarbeitung von Repräsentativität, sondern um Konstruktionen zweiter Ordnung, bei denen die Perspektiven und Konzepte der Beforschten erhalten blieben, aber wissenschaftlich begreifbar gemacht würden (S. 26).
Gütekriterien der qualitativen Sozialforschung seien die Gegenstandsangemessenheit, empirische Sättigung, theoretische Durchdringung, textuelle Performanz und Originalität. Dies sei nötig zwecks des plausiblen Rekonstruierens der Teilnehmer:innenperspektive, des Offenhaltens des Fachdiskurses und dessen ständiger Innovation. Qualitative Sozialforscher:innen strebten „weder nach der Konsolidierung (Bestätigung oder Anwendung) vorhandenen Wissens, noch wollen sie ihre Arbeit mit dem theoriefreien Einholen und Wiedergeben von Teilnehmer:innenperspektiven beendet sehen“ (S. 27). Der Anspruch sei die Generierung neuen soziologischen Wissens, zwecks dessen ein wechselseitiges Aufeinanderbeziehen und kontinuierliche Überarbeiten von Gegenstand, Empirie und Theorie essenziell sei.
Im zweiten Kapitel (S. 29 ff.) setzt sich Schiek mit natürlichen Daten, Alltagswirklichkeiten und Ethnomethodologie auseinander. Sie definiert und beschreibt die Funktion natürlicher Daten, bevor sie auf verschiedene Methoden ihrer qualitativen Erforschung eingeht. Es gehöre zum Ziel qualitativer Sozialforschung, „die Sinnkonstruktionen der Gesellschaftsmitglieder zu rekonstruieren“. Während das bei qualitativen Interviews über ersatzweise und eigens für die Forschung verabredete Veranstaltungen tue, suche und zeichne man „bei der Forschung mit natürlichen Daten die alltagsweltlichen Situationen direkt auf“ (S. 41).
Der Fokus läge auf der Erzeugung sozialer Wirklichkeit und auf dem Vollzug sozialer Praktiken. Das Ziel sei es, den Gebrauch und die Ordnung des Alltagswissens zu explizieren. Da Gesellschaftsmitglieder dafür „verschiedene Darstellungs- und Erzeugungsweisen benutzen, bewegt sich auch die qualitative Sozialforschung mit natürlichen Daten in verschiedenen Daten- bzw. Handlungsformen und verfolgt dabei z.T. auch eigene Fragestellungen, wenn sie visuelle, audiovisuelle, sprachliche oder stumme körperliche Praktiken beobachtet oder analysiert“, erklärt die Autorin zusammenfassend (S. 41).
Im dritten Kapitel (S. 43 ff.) befasst sich Schiek mit Ethnografie und Feldforschung. Sie zeigt Charakteristika und Ziele dessen auf und geht auf zentrale Aspekte der Durchführung im Feld ein. Als zentrale Merkmale der Ethnografie werden die Erforschung sozialer Praktiken in ihrem unmittelbaren Vollzug, die teilnehmende Beobachtung, die Kombination verschiedener Daten und Methoden, das Schreiben und das Theoretisieren benannt und beschrieben (S. 48). Die Frage, wie man an Daten gelangt, wird ebenso beantwortet (S. 51). Auch wird auf den Nutzen und das Wesen von Feldnotizen und Protokollen eingegangen.
In Folge der vielen Möglichkeiten und der relativ hohen Offenheit, die ethnografische Forschung mit sich bringe, ergäben sich unweigerlich auch so manche Fehler und Fallstricke. Diese werden ebenfalls beleuchtet (S. 57 ff.). „Wenn man im Feld ausschließlich Interviews führt, kann man nicht das Gleiche untersuchen wie mit teilnehmender Beobachtung und Ethnografie“, schildert die Autorin (S. 58). Der interpretative Akteur sei bei der Beobachtung von interpretativen Handlungsvollzügen im Rahmen der ethnografischen Forschung „kein Störfaktor, sondern ganz im Gegenteil die empirische Erkenntnisquelle“, betont Schiek (ebd.).
Ein zentraler Gedanke der Ethnomethodologie sei, dass die Definition und Ordnung einer Situation in ihr selbst von den Beteiligten produziert werde. Die Ethnografie wolle Handlungsvollzüge in ihren natürlichen Kontexten nachvollziehen machen und nähme dafür an den Handlungen teil, beobachte sie und schreibe oder zeichne sie auf. Dabei könnten Methoden und Daten verschiedene Formen annehmen, darunter Klänge, Artefakte, Bilder, Interviews oder Gesprächsmitschnitte. Es bleibe indes „hauptsächlich der teilnehmende Beobachter, der diese Methoden und Daten, denen im Feld folgend, miteinander integriert und seine Erkenntnisse für den sozialwissenschaftlichen Kontext fortwährend versprachlicht“ (S. 60).
Der Konversationsanalyse nimmt sich die Autorin im vierten Kapitel an. Dabei handele es sich um eine sozialwissenschaftliche Methode zur Untersuchung natürlicher Gespräche. Analysiert werde in ihr, wie Menschen in alltäglichen Interaktionen kommunizierten und welche Muster und Strukturen in der Sprache sich dabei zeigten. „Die Frage, mit welchen sprachlichen Methoden (welche) kommunikative(n) Probleme gelöst werden, bildet den zentralen Gegenstand der ethnomethodologischen Konversationsanalyse“, schreibt Schiek (S. 65). Eine zentrale Frage bilde dabei, mit welchen sprachlichen Methoden (welche) kommunikative(n) Probleme gelöst würden.
Betrachtet würden bei der Konversationsanalyse die Gesprächsorganisation, die sequenziellen Strukturen, Gesprächspraktiken sowie die Datenbasis und Methodik. Das Lösen kommunikativer Probleme könne dabei in unterschiedlichen Formen und Umfängen analysiert werden. „Zum einen untersuchen Konversationsanalytiker:innen die Organisation informeller Unterhaltungen in relativ kleinen Segmenten, bspw. wie Individuen Sprecher:innenwechsel organisieren, schmutzige Witze oder vergiftete Komplimente machen, ihre Antworten mit »ne?« beenden oder Schweigen durchführen (etwa Bergmann 1982; Jefferson 2012; Sacks 1996; Schenkein 1978)“, erklärt die Autorin (S. 67). So ließen sich grundlegende Regeln der Organisation von Unterhaltungen beschreiben.
In der Konversationsanalyse werde ausschließlich mit natürlichen Daten gearbeitet. Wenn kommunikative Strategien interessieren, mit denen Gesellschaftsmitglieder Situationen ordnen und kommunikative Probleme lösen, seien alltagsweltliche Kommunikationen als Daten notwendig, „die audiovisuell fixiert, also aufgezeichnet, werden“ (S. 70). Audio- oder Videoaufzeichnungen würden für die Analyse grundsätzlich transkribiert, wofür ein Basis-Transkriptionssystem entwickelt worden sei. Das Transkribieren sei dabei „nicht als Aufbereitung vor der eigentlichen Analyse zu verstehen, sondern bereits als ihr konstitutiver (und deshalb auch nicht auszulagernder) Bestandteil“ (S. 72).
Bei ethnomethodologischen Konversationsanalysen sei stets die Frage zu stellen, für welches kommunikative Problem das von den Handelnden erzeugte Muster eine Lösung darstelle. Ein Ausgangspunkt für die ethnomethodologische Konversationsanalyse sei, dass weder von Akteur:innen noch von Forschenden a priori entschieden werden könne, „was ordnungsleitende Strukturmerkmale sind und was nicht“ (S. 74). Vielmehr könnten alle Bestandteile von Interakten für das Auslegen und Durchführen von Handlungen zentral sein. Sie müssten „daher ebenso genau studiert werden wie andere Merkmale der Interaktion und dürfen nicht per se als Nebensächlichkeiten vernachlässigt werden“ (ebd.). Es sei „kein »Spleen« von Forscher:innen, wirklich alle Informationen und dabei noch so kleine Elemente in die Analyse einzubeziehen. Vielmehr ist es die Methode der Gesellschaftsmitglieder, die gesamte »Symptomfülle« für das Fremdverstehen und das gemeinsame (Weiter-)Handeln zu nutzen“, stellt Schiek klar (S. 75).
Die Bildanalyse steht im Fokus des fünften Kapitels. Diese Methode sei eine wissenschaftliche Herangehensweise zur systematischen Untersuchung von Bildern. Sie werde in der Kunstgeschichte, Medienwissenschaft, Soziologie und Semiotik verwendet, um die Bedeutung, Struktur und Wirkung von Bildern zu verstehen. Kurzum handele es sich bei der Analyse von Bildern „um das Erschließen visuellen Materials, das nicht von Forscher:innen angefertigt, sondern als persönliche oder öffentliche Dokumente von den Gesellschaftsmitgliedern selbst erzeugt wird. Dabei können die Bilder bewegt, d.h. filmisch oder aber fix, also z.B. fotografisch oder (etwa mit Computerprogrammen als Karte, Diagramm etc.) gezeichnet sein“ (S. 80).
Visuelle Darstellungen seien „an der Erzeugung von Sinn und der Konstruktion von Wirklichkeit sowie an Verständigungsprozessen unmittelbar beteiligt“ (S. 82). Bildkommunikation sei daher ebenso eine Praktik zur Herstellung sozialer Ordnung, wie Gespräche. Es ließe sich anhand von natürlichen Bildern verstehen, wie und mit welcher Funktion Ordnung bzw. Orientierung erzeugt werde, erklärt die Autorin. Besondere Bedeutung komme Bildern zu, welche viele kennen. Diese (re-)produzierten einen gemeinsamen Sinn und hätten eine verbindende Wirkung. Als Beispiel benennt sie die Anschläge auf das World Trade Center am 11. September 2001 und die Videoaufzeichnungen davon, die damals um die Welt gingen und im Sinne einer Objektivierung von Erfahrungen eine prägende Wirkung auf eine ganze Generation gehabt hätten.
Die Bildanalyse erfolge meist in mehreren Schritten: Zunächst ginge es um die Beobachtung und Dokumentation der eigenen Wahrnehmung. Denn gelte es, im Rahmen einer Segmentierung des Bildes Sinneinheiten des Bildes entlang der vorgenommenen Beobachtungen zu bestimmen. Dann folge eine Feinanalyse der Segmente, während der „die Segmente in ihren jeweiligen Details analysiert“ würden, wobei „mögliche Bedeutungen und Kontexte für die Segmente konstruiert werden“, erklärt Schiek (S. 89). Der nächste Schritt sei dann die Analyse der perspektivischen und planimetrischen Komposition. Eine Vorgehensbeschreibung nimmt die Autorin auch bezugnehmend auf die Analyse von Filmmaterial vor.
Grundlegende Ausführungen zu Interviews als Forschungsmethode finden sich im sechsten Kapitel. Die Autorin beschreibt hier, was qualitative Interviews ausmachen und wozu man sie benötige. Mit Interviews seien wir imstande, „die möglichen Erfahrungs- und Argumentationsmuster gezielt in einer Situation zusammenzuführen und konzentriert zu untersuchen“ (S. 100). Das interessierende Problem werde „in qualitativen Interviewsituationen also zentriert und ersatzweise dargestellt. Das bedeutet, dass es, von seinem natürlichen Vorkommen ausgehend, in ein Stück Interview übertragen und in typischer Weise »nachgebildet«“, schreibt die Autorin (ebd.).
Wenn in qualitativen Interviews ein bestimmtes Problem zentriert werde, seien qualitative Interviews „grundsätzlich bereits auf ein bestimmtes Thema fokussiert und ebenso auf bestimmte Weise durch Forschende strukturiert“ (S. 101). Wie stark von Forscher:innen auf bestimmte Themen oder Aspekte fokussiert werde und wie das zu Besprechende strukturiert sei, sei in qualitativen Interviews untereinander durchaus unterschiedlich. Es stünden verschiedene Formen qualitativer Interviews mit jeweils unterschiedlichen Fragetechniken zur Verfügung (S. 102).
Mit welcher Art Interviewtyp sich ein Forschungsgegenstand besser untersuchen lasse, hänge davon ab, „ob er sich auf der individuell-lebenszeitlichen oder der alltagszeitlichen und allgemeinen Wissensebene ansiedeln lässt. Denn er wird sich dementsprechend entweder gut in einer monologisch strukturierten Erzählkommunikation oder aber eventuell besser in einer dialogischen Argumentation organisieren lassen“, schreibt Schiek (S. 102). Die Techniken in qualitativen Interviews sollten sich am Gegenstand orientieren und situativ modifiziert werden. Die wenigsten Interviews verliefen lehrbuchartig, was selten ein Problem darstelle. Trotzdem gäbe es typische Fehler und Fallstricke, welche die Autorin benennt und beschreibt.
Im siebten Kapitel wird auf die Spezifika des narrativen Interviews eingegangen. Kennzeichnend für dieses sei, dass Befragte gebeten würden, ununterbrochen monologisierend von ihren Erfahrungen zu berichten und auf Nachfragen weiter, ggf. noch spezifischer und beispielhafter, ins Erzählen zu kommen. Es gehe „dabei hauptsächlich um die Untersuchung individuell-lebenszeitlichen Wissens und daher meist um biografische Artikulationen“ (S. 114). Es gehe beim narrativen Interview zuvorderst darum, „wie sich Menschen in Bezug auf einen bestimmten Problembereich (das Forschungsthema) mit der Gesellschaft »sinnvoll« vermitteln“ (S. 117). Um zu prüfen, ob die eigene Forschungsfrage und die narrative Interviewmethode zusammenpassten, sollte überlegt werden, ob das Forschungsthema für Individuen eine so hohe biografische Bedeutung habe, „dass sie ihr ganzes Leben oder zumindest wesentliche Teile davon »daran aufhängen« können“ (S. 118).
Wie bei qualitativen Interviews generell brauche es auch beim Einsatz des narrativen Interviews zuerst einer „Auseinandersetzung mit der natürlichen Beschaffenheit des Gegenstands“. Inwieweit das narrative Interview eingesetzt werden könne, hänge davon ab, „ob Befragte zum Thema, wie es sich im Feld darstellt, ihre Lebensgeschichte autonom erzählen können. Denn eine autonom erzählte Lebensgeschichte ist das konstitutive Element (der Durchführung) des narrativen Interviews“, so Schiek (ebd.). Als konkrete Aspekte der Durchführung narrativer Interviews benennt die Autorin die Erzählaufforderung, die autonome Erzählung, das immanente narrative Nachfragen und das exmanente narrative Nachfragen. Sie beschreibt, was darunter jeweils zu verstehen sei, wie vorgegangen werden könne und auf welche etwaigen Fallstricke zu achten sei.
Im achten Kapitel beschreibt Schiek die Spezifika leitfadengestützter Interviews. Sie geht zunächst auf deren Merkmale und Funktionen ein, bevor sie sich der konkreten Frageformulierungen und Leitfadenkonstruktionen annimmt. Das Leitfadeninterview sei „das bekannteste und wohl auch beliebteste qualitative Verfahren. Es zählt zu den am häufigsten verwendeten Methoden in der empirischen Sozialforschung, d.h. es wird nicht nur als Methode der qualitativen Sozialforschung verwendet, sondern besonders oft auch im Rahmen des Ansatzes standardisierter – als Teil der quantitativen – Forschung“, schildert die Autorin (S. 134).
Orientiert würde sich an der Frage, wie Einzelne ihren Erfahrungen und Handlungen Sinn verleihen, sie bündeln, verknüpfen und kontextualisieren. Es werde dabei „kein straffer Frage-Antwort-Dialog veranstaltet, sondern es werden eine größere Sprechaktivität und längere Redebeiträge der Befragten stimuliert, um komplexe Wissensformationen studieren zu können“ (S. 135). Vom narrativen Interview unterscheide sich das leitfadengestützte Interview hauptsächlich durch zwei Punkte. Zum einen bzgl. der Wissensebene, die im Interview angewendet werde sowie zum anderen bzgl. der daraus resultierenden Gesprächsstruktur.
Während im narrativen Interview hauptsächlich individuell-lebenszeitliches Wissen fokussiert werden, würden „im Leitfadeninterview allgemeine und alltagszeitliche Wissensbestände angewendet, wozu etwa Definitionen, Routinebeschreibungen, Beurteilungen oder Meinungen gehören“ (S. 136). Leitfadeninterviews seien gerade dann sinnvoll, „wenn der Forschungsgegenstand mehr den alltäglichen Umgang mit einem Phänomen und allgemeine Kenntnisse und Beurteilungen eines Sachverhalts betrifft“, zumal hierbei alltagszeitliche Erfahrungen von Interesse seien und nicht der individuell-lebenszeitliche Erfahrungszusammenhang in seiner Ganzheit (S. 137).
Darstellungen würden in narrativen Interviews insgesamt „vollkommen anders produziert und damit werden Dinge auch ganz anders bzw. ganz andere Dinge besprochen als in Leitfadeninterviews“, gibt Schiek zu bedenken (S. 138). Man könne daher mit einer „hauptsächlich dialogisch oder »episodisch« organisierten Darstellung nicht das Gleiche untersuchen wie mit einer »ununterbrochenen« Erzählung und umgekehrt“ (ebd.). Wie genau in einem Leitfadeninterview vorgegangen werden könne, wie dieses strukturiert sei, welche Fragetypen im diskursiven Leitfadeninterview eine Rolle spielten und wo etwaige Fallstricke liegen können, wird beschrieben.
Gemeinschaftsverfahren werden im neunten Kapitel beschrieben. Darunter fasst die Autorin „qualitative Interviewverfahren, die mit Paaren, Familien oder Gruppen durchgeführt werden“ (S. 156). Im Vordergrund des Erkenntnisinteresses stünden „die kollektiven Deutungsmuster und Handlungsorientierungen der jeweiligen Gemeinschaft in Bezug auf ein bestimmtes Forschungsproblem“ (ebd.). Es gehe nicht um die Interpretationen Einzelner, sondern um die gemeinsame Aushandlung von Bedeutungen innerhalb der Gemeinschaft, erklärt Schiek. Das Verfahren der Gruppendiskussion sei ein solches Verfahren.
Bei der Untersuchung von kollektiven Handlungsorientierungen suchten qualitative Sozialforscher:innen „die »Nervenpunkte«, die eine Gemeinschaft in Bezug auf ein bestimmtes Thema gemeinsam herausarbeitet (Pollock 1955, S. 35 ff.). Diese Punkte können aber auch aus Differenzen oder sogar starken Gefechten innerhalb der Gemeinschaft bestehen. Historisch-politische Generationen sind dafür ein gutes Beispiel, wie Karl Mannheim deutlich macht“, schreibt die Autorin (S. 157). Kollektive Orientierungen einer Gemeinschaft entstünden in gemeinsamen Kommunikationen, weshalb diese mittels gemeinschaftlicher Kommunikation am besten untersucht werden könnten.
Paare und Familien würden zumeist „als »natürliche« Gemeinschaften interviewt, d.h. sie sind auch ohne die Forschungssituation die Gemeinschaft, als die sie befragt werden. Sie bestimmen dabei erfahrungsgemäß selbst, wer zu ihnen gehört und/oder zum Interviewtermin erscheint“ (S. 159). Andere Gruppen dagegen müssten „ad hoc von Forscher:innen zusammengestellt werden, sofern sie als Kontexte von kollektiven Positionierungen angenommen werden können und für die Teilnehmer:innen grundsätzlich erfahrbar und insofern »real« sind“ (S. 160). Man konzentriere sich daher zumeist „auf die Zusammenstellung homogener Teilnehmer:innenkreise, was die lebensweltlichen Erfahrungshintergründe der Befragten betrifft“, schreibt Schiek (ebd.).
Zu beachten sei indes, dass es sich bei Paarinterviews oder familiengeschichtlichen Gesprächen und Gruppendiskussionen um verschiedene Methoden handele. Alle zielten zwar auf die Rekonstruktion von Kollektivvorstellungen ab und ermöglichten, „dass diese von der Gemeinschaft dargestellt (erzählt, erörtert oder auch bestritten) werden“, es würden aber jeweils „unterschiedliche Gegenstände untersucht und damit auch verschiedene Techniken bei der Durchführung verwendet“ (S. 161). Wie genau diese Durchführung von unterschiedlichen Gemeinschaftsverfahren aussehen könne und auf was dabei zu achten sei, wird beschrieben. Eine zentrale Erkenntnis sei dabei, dass sich mit Gemeinschaftsverfahren „keine individuellen Deutungen erheben und analysieren“ ließen. Dafür stünden „die verschiedenen Formen qualitativer Einzelinterviews zur Verfügung“ wie das narrative Interview oder das Leitfadeninterview (S. 164).
Im zehnten Kapitel geht es um Online-Interviews als Sozialforschungsmethode. Diese liegen laut Schiek quer zu allen anderen qualitativen Interviewformen, zumal man narrative oder Leitfadeninterviews wie auch Gemeinschaftsverfahren analog wie auch digital als qualitative Online-Interviews durchführen könne. Darunter verstanden würden „Interviews, die sich der verschiedenen qualitativen Interviewtechniken bedienen, dabei aber internetbasiert stattfinden. Das heißt, Interviewer:innen und Befragte sprechen nicht Face-to-Face miteinander, sondern kommunizieren über Medien und Geräte vermittelt, z.B. in Form einer Videokonferenz oder über E-Mail“ (S. 176). Diese Art von Interviews könne entweder synchron oder asynchron geschehen. Es gehe in jedem Fall auch in Online-Interviews um das Ermöglichen ausführlicher und komplexer Sprech- oder Schreibhandlungen seitens der Befragten.
Auch online komme es darauf an, „längere Beiträge auf offene Stimuli zu generieren, weshalb auch hier nicht von straffen Frage-Antwort-Dialogen auszugehen ist“ (S. 177). Während synchrone Online-Interviews in der Forschungspraxis zumeist über Videokonferenzen stattfänden, sei das Besondere an asynchronen Online-Interviews, „dass sie schriftlich durchgeführt werden und damit stärker vom »herkömmlichen« Face-to-Face-Interview entfernt sind als synchrone Video-Calls und Textchats“ (ebd.). Es gäbe online zwar fließende Übergänge von verschiedenen Medien und Kommunikationskanälen, es sei aber dennoch „nicht »egal«, welches Medium man in der Hauptsache benutzt, da mit ihnen jeweils verschiedene Handlungen – oder Handlungen anders – realisiert werden (können)“ (S. 179).
Es sei beim Einsatz qualitativer Online-Interviews wichtig, sich im Vorfeld zu überlegen, „welches Medium und welcher Synchronisierungsgrad für den interessierenden Gegenstand oder die jeweils Beforschten besser geeignet“ sei, erklärt Schiek (ebd.). Besonders geeignet seien Online-Interviews für die Untersuchung von Personen, „die nicht ohne Weiteres über Face-to-Face-Verfahren und den Einsatz von Sprechhandlungen zu erreichen sind und hieran nicht teilnehmen“ könnten oder wollten. Mit Online-Interviews könnten ggf. „Befragte zu bestimmten Forschungsthemen besser erreicht werden, wenn sie über diese auch in ihrem Alltag zuvorderst im Internet kommunizieren“ (S. 180). Allerdings sollte bedacht werden, dass sich nicht alle qualitativen Interviewmethoden beliebig digitalisieren ließen.
Besonders narrative Interviews seien per Video in der Regel kürzer. Asynchron und schriftlich gelängen sie gar nicht. „Zwar können schriftliche Dokumente, d.h. autobiografische Erzähltexte im Feld erhoben werden, diese stellen dann aber keine qualitativen Interviews dar, bei denen es um auf ein bestimmtes Problem fokussierte Kommunikations- und hernach Datenstücke geht“ (S. 181). Leitfadeninterviews und Gemeinschaftsverfahren funktionieren hingegen auch schriftlich gut. Wie die Durchführung von qualitativen Online-Interviews aussehen könne und worauf dabei zu achten sei, wird beschrieben. Ebenso geht Schiek auf einige Besonderheiten (etwa hinsichtlich Datenschutz und EDV-Technik), Fragetechniken und Fallstricke ein.
Darlegungen zur Aufklärungspflicht & Dokumentation von Interviews finden sich im elften Kapitel des Buches. Hier beschreibt die Autorin, auf was bei der Vor- und Nachbereitung qualitativer Interviews zu achten sei und wie sich Teilnehmer:innen qualitativer Interviews über das Forschungsprojekt und die Interviewmethode aufklärt ließen. Neben der Aufklärung im Rahmen der Vorbereitung wird der Fokus in diesem Kapitel vor allem auf die Bedeutung und Durchführung einer soliden Transkription gelegt. Ebenso wird auf den Nutzen von Protokollen eingegangen. Wie vorgegangen werden könne, wird beispielhaft beschrieben und erläutert.
Im zwölften Kapitel nimmt sich die Autorin den qualitativen Analysestrategien an. Hier wird die Bedeutung der Verzahnung von Erhebung und (theoretischer) Analyse fokussiert. Damit offen bzw. gegenstandsorientiert agiert, Neues entdeckt und Sinn nachvollzogen werden könne, sei es vonnöten, „dass (auch) Theorien nicht zu Beginn festgelegt werden und der Gegenstand nicht bereits vorab theoretisch ausdefiniert wird. Er soll erst in der Auseinandersetzung mit den Daten und Methoden immer weiter und dabei eben auch theoretisch konkretisiert werden“ (S. 223). Schiek geht auf Bedeutung und Durchführung des theoretischen Samplings und der theoretischen Sättigung ein, deren Funktion sie beschreibt (S. 223 ff.).
Eine Sättigung werde „am besten über gezieltes Vergleichen, und zwar zum einen sehr ähnlicher und zum anderen sehr unterschiedlicher Daten erzielt.“ Dies seien zugleich qualitative Strategien der Verallgemeinerung von Erkenntnissen. Es gelte, zunächst die Unterschiede möglichst zu minimieren, um Vorkommnisse zu beschreiben, „die Verwendbarkeit theoretischer Konzepte zu bestätigen oder diese modifizieren zu können“ (S. 225). Die Bewegung in möglichst ähnlichen Fällen mit geringen Unterschieden gelte „als »grundlegende Arbeit« beim Forschen“, erklärt Schiek bezugnehmend auf Glaser & Strauss (2010, S. 72). Die Maximierung von Unterschieden diene im Gegensatz dazu „insbesondere der Erweiterung – und wiederum Modifikation – theoretischer Konstrukte. Indem die Vergleichsoptik eben nicht nur auf minimale, sondern auch auf stärkere Kontraste gestellt wird und möglichst verschiedene Konstellationen betrachtet werden, wird die Chance, Neues zu entdecken aufrechterhalten und zugleich der Geltungsbereich von Begriffs- bzw. theoretischen Konzepten variiert“, schreibt die Autorin (ebd.).
Wichtig sei, „dass die Vergleiche zentrale Aussagen über den Gegenstand befördern (sollen)“. Es gehe „um das Konkretisieren und Erklären von Phänomenen in ihren Grundformen, Graden oder Typen und nicht um das bloße Einteilen der Daten (Glaser & Strauss 2010, S. 65 ff.)“ (ebd.). Minimal- und Maximal-Vergleiche seien heuristische Strategien mittels derer Phänomene definiert und das Zustandekommen von Wirklichkeitsmerkmalen verstanden werden sollten. Heuristik seien Idealtypen, d.h. abstrahierende „Zusammenfassung dessen, was mehreren konkreten Erscheinungen gemeinsam“ sei (S. 226). Sachverhalte könnten auf unterschiedlichen Ebenen theoretisch gesampelt werden. Die Typenbildung stelle „eine zentrale Analyse- und Verallgemeinerungsstrategie in der qualitativen Sozialforschung dar und findet daher (wenngleich dies in der Forschungspraxis relativ oft der Fall ist) idealiter nicht am Ende als Sortier- und Übersichtshilfe statt, sondern als kontinuierliche und parallel zur Erhebung stattfindende Analysetechnik“, schreibt Schiek (S. 227).
Das vergleichende theoretische Sampling und die Typenbildung seien heute weitgehend Usus in qualitativen Forschungsprojekten, wohingegen die ebenfalls im Rahmen der Grounded Theory entwickelte Strategie des Codierens nur eine von vielen Optionen sei, Daten qualitativ auszuwerten. Neben der Codiertechnik der Grounded Theory und der Fallrekonstruktion der objektiven Hermeneutik zählten u.a. auch die Dokumentarische Methode nach Bohnsack (2014), die Narrationsanalyse nach Schütze (1983) und die wissenssoziologische Hermeneutik nach Soeffner (1989) zu den etabliertesten Analyseverfahren der qualitativen Sozialforschung, beschreibt die Autorin, bevor sie näher auf das Wesen des Codierens und auf die Fallrekonstruktion im Rahmen der objektiven Hermeneutik eingeht.
Schiek fasst zusammen, dass es beim Codierverfahren der Grounded Theory um das Entwickeln und schrittweise Anreichern von Kategorien hin zu theoretischen Modellen gehe, wohingegen in der objektiven Hermeneutik „auf die sequenzielle Rekonstruktion des Einzelfalls fokussiert“ werde, „die jedoch ebenfalls als verallgemeinertes theoretisches Modell zu verstehen“ sei (S. 243). So sei mit beiden – und mit diversen weiteren – qualitativen Analysestrategien „ein heuristisch-theoretisches Vorgehen verbunden, was eine Anforderung qualitativer Sozialforschung sei. Das Werk schließt mit einem dreizehnten Kapitel, in dem sich Lösungshinweise zu in den vorangegangenen Kapiteln gestellten Aufgaben finden, mittels derer Leser:innen nachprüfen konnten, ob sie die Darlegungen im Buch verstanden haben.
Diskussion
Was lässt sich zum hier vorgestellten Fachbuch nun festhalten? Wie ist das Buch geschrieben und wer profitiert von der Lektüre? Dazu hat der Rezensent folgenden Eindruck gewonnen: Es handelt sich bei Schieks Werk um ein typisches sozialwissenschaftliches Fachbuch, das sich in erster Linie an Studierende eines sozialwissenschaftlichen Fachs richtet. Das zeigt sich u.a. auch darin, dass die Autorin im Buch mehrfach auf Forschungsarbeiten ihrer Studierenden eingeht, um die Anwendung der im Buch vorgestellten Methoden beispielhaft zu erläutern. Für Doktorand:innen und Dozent:innen, die z.B. bisher eher quantitativ geforscht haben und sich nun einen ersten Überblick über gängige qualitative Methoden verschaffen wollen bzw. ihr Wissen dazu vertiefen möchten, kann das Lesen des Buches ebenso sinnvoll sein.
Der Rezensent selbst hat das Buch im Wintersemester 2024/2025 erstmals genutzt, indem er Studierende der BWL und der Sozialen Arbeit auf Basis der jeweiligen Kapitel Referate zu den von Schiek vorgestellten Methoden erarbeiten ließ, was gut gelang und zeigt, dass die Inhalte für Studierende (im Bachelorstudium) gut verständlich sind. Die Autorin erfindet das sprichwörtliche Rad mit ihrem Werk natürlich nicht neu. Einführung- und Vertiefungswerke zu qualitativen Methoden der Sozialforschung finden sich am Markt viele. Hinzu kommen die unzähligen Reader und PowerPoint-Foliensätze zahlreicher Hochschulen zu qualitativer Sozialforschung, von denen viele frei im Internet verfügbar sind. Daher dürften Personen, die schon diverse andere Werke zu qualitativen Forschungsmethoden gelesen haben, in Schieks Buch wenig Neues erfahren – zumindest in Bezug auf die grundlegenden Charakteristika der vorgestellten Methodiken.
Zu Gute zu halten ist der Autorin allerdings, dass sie bei der Beschreibung dessen, was wie erforscht werden kann, auf diverse aktuelle Beispiele Bezug nimmt (z.B. bei der Beschreibung einer Fallrekonstruktion auf das Bekennerschreiben des rechtsterroristischen Hanau-Attentäters oder auf studentische Forschungsprojekte), sodass für viele Studierende eine höher Lebensweltbezug hergestellt werden dürfte, als das in vielen älteren Büchern der Fall ist. Inwieweit man von der Lektüre profitiert, hängt aber wie so oft von der eigenen Vorerfahrung ab. Das weiß die Autorin freilich selbst. Sie erhebt denn auch mitnichten den Anspruch, die qualitative Forschung vollumfänglich abzudecken. Vielmehr hebt Schiek in ihrer Danksagung selbst hervor, dass ihr Werk nicht ohne viele der differenzierteren, dichteren Werke auskäme, auf die sie in Literaturtipps und Exkursen verweist. Ebenso hebt die Autorin hervor, dass Einführungsbücher das Studium der ursprünglichen Schriften erleichtern, aber auf keinen Fall ersetzen können.
Von der formalen Aufmachung her ist festzuhalten, dass der Fließtext insgesamt gut zu lesen und zumeist frei von allzu komplexen Schachtelsätzen ist, wenngleich sich aber doch einige davon in manchen Kapiteln finden. Die Bebilderungen sind gelungen und tragen zum Verständnis des Inhaltes bei. In den Tipps zu den Methoden finden sich handfeste Hinweise darauf, auf was bei deren Anwendung zu achten ist. Auch sind die Texte relativ kurz und mit zahlreichen Absätzen versehen, was es auch Menschen mit geringer Aufmerksamkeitsspanne erlaubt, die Inhalte zu rezipieren und zu verstehen.
Ein positives Merkmal, mit dem sich das Buch von vielen anderen abhebt, ist die sehr gute didaktische Aufbereitung der Inhalte. Jedes Kapitel beginnt mit einer Auflistung von Inhalten und Lernzielen und schließt mit einer Zusammenfassung ab. Auch finden sich diverse Beispiele, Exkurse, Aufgaben, Merkkästen, Tipps und Definitionen im Buch. Damit lässt sich gut arbeiten – und der eigene Lernfortschritt überprüfen. Positiv hervorzuheben ist auch das Zusatzmaterial. Das Buch beinhaltet neben dem eigentlichen Text auch Lernvideos, Audio-Interviews, einen interaktiven Test mit Fragen und weitere Materialien, die via QR-Code online abrufbar sind.
Ein Kritikpunkt aus Sicht des Rezensenten ist lediglich, dass manche Ausführungen, wie etwa die zur Grounded Theory arg kurz ausfallen. Hier hätte sich der Rezensent etwas mehr Substanz gewünscht, wohlwissend, dass ein Einführungswerk das nicht zwingend leisten muss und dass dies auch wieder abschreckend auf unerfahrene Leser:innen wirken könnte. Summa summarum handelt es sich bei Schieks Buch um ein sehr gut lesbares, aktuelles, sehr verständliches, visuell und didaktisch gut gemachtes Werk, dessen Lektüre vor allem Studierenden empfohlen werden kann, die mit qualitativer Sozialforschung noch keine Berührungspunkte haben.
Fazit
Daniela Schiek nimmt eine gut verständliche, kompakte Einführung in das umfängliche Feld der qualitativen Sozialforschung vor, deren Lektüre vor allem Studierenden im Bachelorstudium in Ergänzung zum Besuch eine Lehrveranstaltung zur qualitativen Sozialforschung empfohlen werden kann.
Rezension von
Prof. Dr. Christian Philipp Nixdorf
Sozialwissenschaftler, Diplom-Sozialarbeiter/-pädagoge (FH), Sozial- und Organisationspädagoge M. A., Case Management-Ausbilder (DGCC), Systemischer Berater (DGSF), zertifizierter Mediator, lehrt Soziale Arbeit und Integrationsmanagement an der Hochschule der Wirtschaft für Management (HdWM) in Mannheim.
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