Karin Kostyra: Herausfordernde Alltagssituationen in der Kita Gewaltfreie Kommunikation mit Kindern
Rezensiert von Alexandra Großer, 06.01.2025
Karin Kostyra: Herausfordernde Alltagssituationen in der Kita Gewaltfreie Kommunikation mit Kindern. 30 lösungsorientierte Beispiele aus Krippe und Kindergarten. Bewältigungsstrategien.
Don Bosco Verlag
(München) 2024.
EAN: 4260694922064.
Thema
Gewaltfrei und bedürfnisorientiert mit Kindern in Krippe, Kindergarten und Kindertagespflege kommunizieren, darum geht es in diesem Kartenset. Die Broschüre führt kurz und knapp in die gewaltfreie Kommunikation ein. Die Faltkarten enthalten Alltagssituationen, die pädagogisch Tätige herausfordern können. Die Autorin zeigt auf, welche möglichen Bedürfnisse und Gefühle die Situationen in pädagogisch Tätigen auslösen können. Welche Bedürfnisse die Kinder in ihrem Verhalten ausdrücken und wie pädagogisch Tätige wertschätzend und gewaltfrei mit Kindern kommunizieren können, um Lösungsmöglichkeiten zu finden.
Autorin oder HerausgeberIn
Karin Kostyra ist Pädagogin der frühen Kindheit B.A, Mediatiorin und Erzieherin. Sie arbeitet in einem Kindergarten im Kleinkindbereich. Sie führt Mediationen und Seminare zur Gewaltfreien Kommunikation durch.
Aufbau und Inhalt
Das Kartenset besteht aus einer Broschüre und 30 Faltkarten mit Fallvignetten. Insgesamt werden 30 Fallvignetten zu 15 Themen vorgestellt und besprochen. Jedes Thema enthält eine Fallvignette aus dem Krippen- sowie aus dem Kindergartenbereich. Die Broschüre führt kurz und knapp in die Gewaltfreie Kommunikation ein, zeigt die Wirkweisen einiger beliebtet Wörter, die wir in unserer Kommunikation verwenden, die jedoch besser aus dem Wortschatz gestrichen beziehungsweise sehr reflektiert eingesetzt werden sollten. Zudem finden sich in der Broschüre Hinweise zu den verschiedenen Anwendungsbereichen der Karten.
Die Faltkarten
Die Faltkarten sind alle nach dem gleichen Schema aufgebaut: Auf der Vorderseite befindet sich ein Foto und ein Symbol für Kindergarten oder Krippe. In den Innenseiten befinden sich die dazugehörige Fallvignette sowie Reflexions- und Analyseimpulse dazu.
Jedes Praxisbeispiel wird unter diesen vier Aspekten betrachtet:
- Was kann die Situation in mir auslösen?
- Mögliche Gründe für das Verhalten des Kindes
- Wie kann ich die Situation wertschätzend begleiten?
- Reflexionsfragen
Unter „Was kann die Situation in mir auslösen?“ und „Mögliche Gründe für das Verhalten des Kindes“ sammelt die Autorin verschiedene Gründe für das Verhalten des Kindes bzw. Gefühle und Werte, die die Erzieherin leiten und das weitere Handeln der pädagogischen Fachkraft in der Situation beeinflussen. Unter dem Punkt „Wie kann ich die Situation wertschätzend begleiten?“ Zählt die Autorin verschiedene Möglichkeiten der feinfühligen, wertschätzenden und gewaltfreien Begleitung und Kommunikation auf.
Die Reflexionsfragen regen zum einen die Selbstreflexion an und zum anderen die Reflexion im Team, beispielsweise zu Strukturen, Abläufen, Regeln und Rahmenbedingungen in der Kita.
Besprochen werden Fallvignetten zu folgenden Themen:
- Unstimmigkeiten (Krippe) & Schimpfwörter (Kiga)
- Sprachliche Barrieren
- Trennung
- Gruppenaktivitäten
- Aufräumen
- Freispiel
- Schlafen
- Streit
- Übergänge
- Lautstärke
- Umgangsformen
- Starke Gefühle
- Anziehen
- Körperhygiene
- Essen.
Die Broschüre
In der Broschüre beschreibt die Autorin die vier Schritte gewaltfreier Kommunikation: Beobachtetes Verhalten konkret und ohne Wertung wiedergeben; Gefühle benennen, welche die Situation in einem selbst auslöst; unerfüllte Bedürfnisse mitteilen und in einer Bitte seine Wünsche an das Gegenüber mitteilen. Die Autorin skizziert, welche Bedeutung, die gewaltfreie Kommunikation für die pädagogische Arbeit hat und wie sich Bedürfnisse von Kindern übersetzen lassen. Karin Kostyra zeigt auf, welche Kraft im Zuhören steckt und wie aktives Zuhören gelingt. Des Weiteren geht sie auf „einige Fallstricke unserer Sprache [ein], die eine tatsächlich wertschätzende Kommunikation erschweren“ (S. 9). Im Folgenden führt sie aus, wie die Wörter,
- Aber
- Nicht
- Man
- Bitte
- Immer und Nie
- Meistens und Häufig
- Müssen und Sollen,
die Kommunikation erschweren (vgl. S. 9ff).
Diskussion
Das Anliegen der Autorin gilt der Reflektion und bewusst machen der eigenen Haltung, als auch dem eigenen Sprachgebrauch. Die Fallvignetten sind kurz und knapp gehalten. Sie sind so gewählt, dass jede pädagogische Fachkraft vermutlich sofort ähnliche Situationen und Szenen im Kopf hat. Meistens handeln wir in Stresssituationen intuitiv. Oft geleitet von Werten, inneren Antreibern, Glaubenssätzen, die wir selbst als Kinder von unseren Eltern übernommen haben, die jedoch häufig nicht einem wertschätzenden, feinfühligen professionellen Handeln oder einer gewaltfreien Kommunikation entsprechen, so, wie wir es uns wünschen würden. Genau da setzt die Autorin mit ihren Fragen, verschiedenen Gründen und möglichen handlungsleitenden Werten pädagogischer Fachkräfte an, indem sie fragt, was die Situation in mir auslöst. Karin Kostyra scheut nicht davor zurück hier konkret zu werden, mit Aussagen, wie beispielsweise „Ich bin überfordert…“ „Es nervt mich…“ „Ich brauche Ruhe…“ „Ich bin gereizt…“. Dies sind nur einige Gefühle und Bedürfnisse, die pädagogische Fachkräfte in den dargestellten Situationen empfinden können. Sich eben dieser Gefühle, Bedürfnisse, Werte bewusst zu werden, zu reflektieren, ist das Anliegen der Autorin. Wer weiß, was ihn nervt, stresst, reizt, überfordert, welche Werte, Bedürfnisse und Glaubenssätze hinter den Gefühlen und Verhalten stecken, kann diese auch verändern. Die Aufgabe pädagogischer Fachkräfte ist es, Kinder in ihrer Entwicklung feinfühlig und wertschätzend zu begleiten. Dazu gehört sich selbst zu kennen und zu reflektieren. Zu jeder Szene, die sie beschreibt, zeigt sie verschiedene Möglichkeiten, wie die pädagogische Fachkraft das jeweilige Kind, die Kinder, gewaltfrei, wertschätzend und feinfühlig begleiten kann. Damit eröffnet sie jeder pädagogisch Tätigen alternative Handlungsweisen, und damit die Reflektion und Veränderung des eigenen Handelns und der Haltung.
Bei einigen ihrer Darstellungen zum Punkt, „was die Situation in mir auslösen kann“, habe ich mir beim Lesen mit manch genannten Gefühlen schwergetan. Beispielsweise, ob ich traurig bin, wenn ich meine Aufgabe nicht zu meiner Zufriedenheit erledigen kann, weil mir „Zeit und Präsenz“ fehlen. Allein jedoch, dass hier Gefühle genannt werden, und sich beim Lesen Widerstand zum benannten Gefühl bemerkbar macht, regt zur eigenen Reflexion an. Welches Gefühl begleitet mich, wenn ich meiner Aufgabe nicht gerecht werden kann, wenn mir die Zeit fehlt, mich um die Bedürfnisse des Kindes gut kümmern zu können, sind Fragen, die mir dabei spontan in den Sinn kamen. Ist es wirklich, das Gefühl der Traurigkeit, oder ist es eher ein anderes Gefühl, das mich dabei begleitet.
Ihre Fragen und Impulse regen zum Nachdenken an, die eigenen Gefühle und Bedürfnisse wahrzunehmen. Dies führt im besten Fall dazu, sich gemeinsam im Team Gedanken dazu zu machen, wie bestimmte Situationen stressfreier, Tagesabläufe besser auf die Bedürfnisse der Kinder abgestimmt, oder wie Forderungen der Eltern, die den Bedürfnissen des Kindes widersprechen, begegnet werden können.
Karin Kostyra bringt die Sichtweise der Kinder ein, indem sie aufzeigt, welche Bedürfnisse die Kinder mit ihrem Verhalten möglicherweise ausdrücken. Damit regt sie den Perspektivwechsel von der eigenen Sichtweise zur Sichtweise des Kindes an. Gleichzeitig stellt sie die Bedürfnisse der pädagogisch Tätigen und die Bedürfnisse der Kinder nebeneinander und zeigt in weiteren Schritten auf, wie zusammen mit den Kindern Lösungsmöglichkeiten gefunden werden können. Ohne dabei zu sagen, so geht es und nicht anders. Bewusst formuliert sie die Handlungsalternativen offen und fordert dazu auf, eigene Versionen zu finden.
Karin Kostyra setzt mit ihrem Kartenset voraus, dass sich pädagogisch Tätige mit gewaltfreier Kommunikation und bedürfnisorientierter Pädagogik beschäftigen, sich selbst und eigene Haltung hinterfragen möchten. Was stets die Aufgabe pädagogisch Tätiger ist.
Fazit
Das Kartenset lädt zur Selbstreflexion und Auseinandersetzung mit sich selbst ein. Ebenso zur Reflexion und Auseinandersetzung im Team. Es enthält viele Impulse, die zum Nachdenken und zur Veränderung, der eigenen Sichtweisen, Haltung anregen sowie zur Reflexion und Veränderung des pädagogischen Alltags. Das Kartenset empfiehlt sich zur Selbstreflexion und Teamreflexion von Alltagssituationen. Es unterstützt in Aus-, Fort- und Weiterbildungen die Reflexion und Vermittlung gewaltfreier Kommunikation und Bedürfnisorientierter Pädagogik.
Rezension von
Alexandra Großer
Fortbildnerin, päd. Prozessbegleiterin, systemische Beraterin
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Zitiervorschlag
Alexandra Großer. Rezension vom 06.01.2025 zu:
Karin Kostyra: Herausfordernde Alltagssituationen in der Kita Gewaltfreie Kommunikation mit Kindern. 30 lösungsorientierte Beispiele aus Krippe und Kindergarten. Bewältigungsstrategien. Don Bosco Verlag
(München) 2024.
EAN: 4260694922064.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/32643.php, Datum des Zugriffs 24.01.2025.
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